Angrivarier schrieb:
Dem Polytheismus in Europa wurde seine eigene Toleranz zum Verhängnis. Alle monotheistischen Religionen implizieren einen Absolutheitsanspruch (wenn es nur einen Gott gibt, müssen Andersdenkende zwangsläufig falsch liegen), während man umgekehrt so nicht argumentieren kann. Vernachlässigen sollte man aber nicht, dass Monotheismus nicht automatisch das modernere Konstrukt ist; der Hinduismus ist z.B. eine sehr lebendige Religion und nicht monotheistisch.
Aber irgendwo müssen auch die Vorzüge der monotheistischen Lebensweise gelegen haben. Es ist ja nicht so, dass das Christentum nur aufgezwungen wurde. Zuerst musste es sich im römischen Reich durchsetzen. Dann kam es während der Völkerwanderung dazu, dass die "Sieger", nämlich die heidnischen germanischen Könige, dass Christentum doch mehr oder weniger freiwillig übernahmen. Allerdings entwickelte sich hier - bis sich dies spätestens im 8./9. Jahrhundert änderte - doch noch mal ein Klima der relativen religiösen Toleranz, ein auf lange Sicht labiles Miteinander zwischen Heiden und Christen, das nicht von den Kulturkämpfen im zerfallenden spätantiken Reich geprägt war.
Angrivarier schrieb:
Der besondere Erfolg der (ursprünglich nahöhstlichen) monotheistischen Religionen wie Islam und Christentum und der originär neue Gedanke dürfte aber der Missionsbefehl sein (gibt es im Judentum so nicht), wo es nicht ausreicht, allein im Besitz der "Wahrheit" zu sein, sondern ich diese Wahrheit auch anderen zu oktroyieren habe.
Ich denke, da kommen wir der Sache schon näher - obwohl sich noch die Frage nach den realen Fortschritten stellt. Denn die Geschichten, wie Bonifatius und andere durch symbolische Handlungen die Macht Gottes
bewiesen, sind doch eher naivistische Legenden und die wahren Motive zur Konversion müssen tiefer liegen.
Dieter schrieb:
Der Mithras-Kult hatte eine breite Anhängerschaft, war unter den Soldaten besonders beliebt und über eine längere Zeit hinweg war es durchaus ungewiss, ob nicht vielleicht Mithras den Sieg uber Jesus davontragen würde.
Er konnte sich vielleicht deshalb nicht so durchsetzen, weil er doch mehr oder weniger stark an eine zwar mächtig, doch abgegrenzte soziale Schicht gebunden war - die Soldaten. Der Kult blieb z.B. Frauen verschlossen.
Dagobert schrieb:
Und das Judentum verschloß sich von selbst durch die Abgrenzung "auserwähltes Volk" bzw. stellte die kaiserliche Autorität infrage, was der Christ nicht tat.
Weiß nicht - einerseits ist was dran, aber andererseits hatten die Christen ein zwiespältiges Verhältnis zum Reich. Einerseits ist die Trennung zwischen Staat und Religion schon in der Bibel angelegt ("redde caesari quae sunt caesari"), andererseits weigerten sich die Christen ja, den Kaiserkult zu befolgen, und wurden deshalb auch verfolgt. Der Schlüssel liegt hier, weshalb die Kaiser das Christentum zunächst akzeptierten und schließlich selbst annahmen. Denn hier lag wohl schon ein deutlicher Vorteil - die Verbindung weltlicher Machstellung mit religiöser Überhöhung, die schließlich im "Gottesgnadentum" kulminierte. Allerdings ist noch anzumerken, dass die Kirche schon früh (Augustinus) die Legitimät weltlicher Herrscher überhaupt in Frage stellte, und es während des gesamten Mittelalters ja wegen dieses Problems immer wieder zu Konflikten zwischen dem Papst und den europäischen Königen bzw. Kaisern kam.