Propaganda im 1. Weltkrieg

Ich habe da ein paar Bilder:
frankreich.jpg
usa.jpg
deutschland.jpg
Auch wenn sie "herausgerissen" erscheinen, so zeigen sie doch den Stil der jeweiligen Propagandamaschinen.
 
Es gibt da einen kleinen Bildband mit deutscher und österreichischer literarischer und graphischer Kriegspropaganda mit dem netten Titel "Jeder Schuß ein Ruß', jeder Stoß ein Franzos" (wobei noch hinzuzufügen wäre - nicht weil ichs witzig finde, sondern weil der zeitgenössische Spruch eben so weiterging - "jeder Tritt ein Brit', jeder Klapps ein Japs"), Wien 1983, 136 Seiten, hrsg. von Hans Weigl/Walter Lukan/Max Demeter Peyfuss.
Anbei: "Serbien muß Sterbien"
 
Mit der immernoch relevanten Arbeit von Ponsonby soll auf die Bedeutung von Propaganda in Kriegen hingewiesen werden. Nicht zuletzt, weil im WW1 die Frage der Propaganda eine zentrale Rolle gespielt hat.

Und von entscheidender Bedeutung war, die 1. die eigene Bevölkerung zu mobilisieren und 2. die Weltmeinung auf die eigene Seite zu ziehen und so den Gegner zu isolieren.

Im WW1 ist das vor allem GB sehr erfolgreich gelungen. Nach dem WW1 wurde diese Überzeichnung der negativen Seiten des Gegners - sprich des deutschen Kaiserreichs - reflektiert und führte in der Folge dazu, dass die weltweite Öffentlichkeit skeptisch auf Berichte aus NS-Deutschland reagierte. Weil sie die Möglichkeit mit dachte, dass Berichte aus NS-Deutschland überzeichnet sein könnten.

Ein Ansatz, der teilweise erklärt, warum sich die Weltöffentlichkeit - auch in den USA - so schwer damit tat, die HInweise auf die Verbrechen in NS-Deutschland korrekt zu bewerten.

Propaganda: Die stärkste Waffe im Krieg — der Freitag

Ponsonby, Arthur (2022): Lügen in Kriegszeiten. Kritische Betrachtungen. 1. Auflage. Frankfurt: Westend.
 
Nicht zuletzt, weil im WW1 die Frage der Propaganda eine zentrale Rolle gespielt hat.

Und von entscheidender Bedeutung war, die 1. die eigene Bevölkerung zu mobilisieren und 2. die Weltmeinung auf die eigene Seite zu ziehen und so den Gegner zu isolieren.
Zumindest die eigene Bevölkerung zu mobilisieren, gelang ihnen.

Laut der hier verlinkten Riezlers Tagebüchern und Notizen, waren der Kanzler und er überrascht über die Kriegsbegeisterung des eigenen Volkes – Zitat aus „Deutsche Geschichtsquellen des 19. und 20. Jahrhunderts“ Seite 54:

Der Kriegsausbruch selbst wirkte dann wie eine Befreiung. Beide, der Kanzler wie sein Mitarbeiter, standen unter dem tiefen Eindruck der geschlossenen Kriegsbereitschaft des Volkes.
 
Laut der hier verlinkten Riezlers Tagebüchern und Notizen, waren der Kanzler und er überrascht über die Kriegsbegeisterung des eigenen Volkes
Kriegsbegeisterung kam sicher nicht aus dem Nichts: eine relative populärliterarische/künstlerische Indoktrination gerade im deutschsprachigen Raum setzte schon Mitte des 19. Jhs. ein. Die vielen heroischen "historischen" Schlachtn- & Heldengemälde, populäre Romane wie "Kampf um Rom" (speziell hier das Bild vom "ehrlichen mannhaften Krieg statt der diplomatischen Katzentritte" und ganz dezidiert heroisch-positiv stilisiert der kriegsbegeisterte Jubel der Goten, als ihnen (im Roman) Byzanz den Krieg erklärt) Die Kriegsbegeisterung 1870 und nachfolgend 1914 hat gewiß auch mit solchen Bildern zu tun und resultierte nicht einzig aus gelenkter Propaganda.
 
Zumindest die eigene Bevölkerung zu mobilisieren, gelang ihnen.

Laut der hier verlinkten Riezlers Tagebüchern und Notizen, waren der Kanzler und er überrascht über die Kriegsbegeisterung des eigenen Volkes – Zitat aus „Deutsche Geschichtsquellen des 19. und 20. Jahrhunderts“ Seite 54:

Der Kriegsausbruch selbst wirkte dann wie eine Befreiung. Beide, der Kanzler wie sein Mitarbeiter, standen unter dem tiefen Eindruck der geschlossenen Kriegsbereitschaft des Volkes.

Das Zitat belegt weder eine Überraschung noch eine Kriegsbegeisterung.

Auch die "Kriegsbegeisterung" ist zumindest teilweise Propaganda.

"Als der Krieg am 1. August schließlich zur Gewissheit wurde, verschärfte sich der Ansturm auf die Lebensmittelgeschäfte. Gleichzeitig waren es junge Männer und Jugendliche, die unter dem Absingen patriotischer Lieder die Aufmerksamkeit auf sich zogen: Fotografien zeigen sie freudestrahlend und Hüte schwenkend auf den Straßen. Schon bald darauf wurden diese Umzüge in patriotischen Publikationen als Beweis für eine umfassende Kriegsbegeisterung in Deutschland herangezogen. Doch Begeisterung für den Krieg hegten tatsächlich nur vergleichsweise wenige Menschen in den Großstädten, sie stammten in der Regel aus dem Bürgertum, waren jung, zumeist Schüler und Studenten. Es gibt jedoch keine Fotografien von jenen Frauen und Männern, die in stiller Zweisamkeit zu Hause sorgenvoll in Zukunft blickten. Bei den Deutschen herrschte keine Freude über den Krieg, aber die meisten Männer waren bereit, für das Vaterland in den Kampf zu ziehen."
Gerade auf LeMO gesehen: LeMO Kapitel: Erster Weltkrieg
 
Da sind ja nun auch öffentliche und private Äußerungen zu unterscheiden.

1913 wurde hier ein Kriegerdenkmal für die Gefallenen der Einigungskriege errichtet. Einen Stein mit einer nachdenklichen Strophe durfte nicht angebracht werden. Er wurde so vermauert, dass er halb in der Erde (bzw. dem Kies) verschwand. Nach der Einweihung wurde es hier üblich, dass die Kinder beim Sonntagsspaziergang kontrollieren mussten, ob das Gedicht denn auch zu sehen sei. Auch ich habe das als Kind gemacht. Erst vor ca. 15 Jahren wurde bei einer Renovierung der Stein vor das Denkmal gesetzt und mit einer Friedhofslaterne versehen, da die unterste Stufe sonst nicht zu retten war.

Das Foto will nicht hochladen, daher:

In der besten Manneskraft
Ist die Trennung schon vollbracht
Liebe Frau und Kinder stillt die Tränen
Denn die Scheidung wird nicht ewig währen

Die Anspielung auf das Wiedersehen im Jenseits und die ausgedrückte Trauer um das zu früh beendete Leben passte eben nicht in das offizielle Bild. Jenseits des öffentlich gezeigten Hurra-Patriotismus muss werden heute die nachdenklicheren Äußerungen oft derselben Menschen nicht gesehen. Diese Widersprüchlichkeit gehört auch zum Thema Propaganda.
 
Mich verwundert, dass in diesem Strang die Propaganda anderer Länder überhaupt nicht behandelt wird.
Warum diese Beschränkung auf deutsche und britische Propaganda?
Auch in Italien und Russland gab es derartiges.
Und was ist überhaupt mit Österreich-Ungarn, die sollen doch einige der interessantesten Köpfe ihrer Zeit damit beauftrag haben?
 
Auch die "Kriegsbegeisterung" ist zumindest teilweise Propaganda.
"Als der Krieg am 1. August schließlich zur Gewissheit wurde, (...) Bei den Deutschen herrschte keine Freude über den Krieg, aber die meisten Männer waren bereit, für das Vaterland in den Kampf zu ziehen."
Gerade auf LeMO gesehen: LeMO Kapitel: Erster Weltkrieg
im zitierten verlinkten Text folgt dann allerdings auch:
Die im Sommer 1914 rasch zunehmende Zahl von Propagandaartikeln erweckte den Eindruck, der Krieg werde in vergleichsweise kurzer Zeit triumphal beendet sein. Den meisten Deutschen dienten die Appelle zur nationalen Einheit und zur radikalen Abgrenzung gegenüber den feindlichen Nationen als identitätsstiftende Orientierung in stürmischer Zeit. In der national aufgeladenen Atmosphäre sich überbietender Vaterlandsliebe bedurfte es keiner behördlichen Beeinflussung, um im August 1914 die Bevölkerung Berlins geistig für den Kampf zu mobilisieren. In einer rasch anschwellenden Flut von patriotischen Büchern und Broschüren, von Gedichten und Liedern ganz unterschiedlicher Qualität beschworen die meisten Autoren die nationale Geschlossenheit. Aufgrund des siegreichen deutschen Vormarsches in Belgien, vor allem aber nach den Erfolgen über zwei in Ostpreußen eingefallene russische Armeen nahm die Siegeseuphorie selbst in Arbeitervierteln zu, wo nun zahlreiche schwarz-weiß-rote Deutschlandfahnen wehten.

Nicht uninteressant in diesem Kontext:
Manifest der 93 – Wikipedia (erstaunlich, wen alles man bei den Unterzeichnern findet)
Erklärung der Hochschullehrer des Deutschen Reiches – Wikipedia (schau an... Husserl, Jaspers, Frege, Hahn, Planck sind nicht die einzigen, die das unterzeichneten)
 
Mich verwundert, dass in diesem Strang die Propaganda anderer Länder überhaupt nicht behandelt wird.
Warum diese Beschränkung auf deutsche und britische Propaganda?

Das ist nicht verwunderlich, sondern spiegelt die zentrale Konfliktdimension der Akteure wider. Im Prinzip ging es um den Kampf zwischen "Kultur" und "Zivilisation".

Und das deutsche Kaiserreich und GB zusammen mit Frankreich verkörperten beide Prinzipien. Und entlang dieser beiden "ideologischen Systeme" erfolgte die Interpretation von Kriegsereignissen, inklusive der Frage der Bewertung von problematischen Handlungen - Stichwort: Kriegsverbrechen - der gegnersichen Seite.
 
Mich verwundert, dass in diesem Strang die Propaganda anderer Länder überhaupt nicht behandelt wird.
Warum diese Beschränkung auf deutsche und britische Propaganda?
Auch in Italien und Russland gab es derartiges.
Und was ist überhaupt mit Österreich-Ungarn, die sollen doch einige der interessantesten Köpfe ihrer Zeit damit beauftrag haben?

Einige k.k.- Kriegsberichterstatter waren tatsächlich recht interessante Persönlichkeiten. Eine äußerst negative Hommage an Alice Schalek, die erste und einzige K. K.-Kriegsberichterstatterin, findet sich in Karl Kraus "Die letzten Tage der Menschheit". "Die Schalek" mischt schon mal selbst bei Kampfhandlungen mit, fragt bei einer Gebirgsbatterie, ob sie auch mal schießen darf. Dort findet sich auch eine skurrile Szene, die fiktive Begegnung Wilhelm II. mit seinem Lieblings-Kriegsberichterstatter Ludwig Ganghofer.

Doch zurück zu Alice Schalek. Sie stammte aus einer jüdischen Familie, war aber konvertiert. Schalek hatte bereits vor dem Weltkrieg mehrere abenteuerliche Reisen gemacht und hatte darüber Berichte geschrieben.
Alice Schalek – Wikipedia

Ein anderer bekannter Kriegsberichterstatter war Alexander Roda Roda. Roda Roda stammte wie Schalek aus einer jüdischen Familie, und er war Offizier gewesen, hatte aber wegen seiner Respektlosigkeit die Armee verlassen müssen. Roda Roda betätigte sich daraufhin als Journalist und Kabarettist. Er gehörte der Redaktion des Simplizissimus an und war einer der geistreichsten und schärfsten Kabarettisten seiner Zeit. Ein bevorzugtes Ziel seiner Satire war die Armee der Donaumonarchie. Bei seinen Programmen trat er immer in einer Uniformweste auf. Seine satirischen Attacken brachten ihm zahlreiche Anklagen ein. Mit Kriegsbeginn wurde Roda Roda Kriegsberichterstatter.

Der Aufstieg des Faschismus und der Anschluß Österreichs war für Roda Roda eine Katastrophe. Es gelang ihm die Flucht nach New York, und er publizierte weiter, konnte aber nie mehr an alte Erfolge anknüpfen. Seine eigentliche Heimat, das war die deutsche Sprache, Roda Roda war immer ein scharfer Kritiker der Missstände in der Donaumonarchie, er war aber auch irgendwie einer der größten Apologeten der alten K. K-Monarchie, er hat das morbide Lebensgefühl der Monarchie in seinen Werken eingefangen.

Alexander Roda Roda – Wikipedia
 
Eine recht interessante Persönlichkeit, auch er stammte aus einer jüdischen Familie, war Ernst Lissauer, der den "Hassgesang gegen England" verfasste, und dem seine eigene Kriegspropaganda später furchtbar auf die Füße fiel:

Ernst Lissauer – Wikipedia
 
Zurück
Oben