Referenz (Verbeugung) im 17. und 18.Jh.

Brissotin

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Man spricht ja immer gern über die Etikette im Zusammenhang mit dem Hof von Louis XIV oder Marie Antoinette.

Hat jemand brauchbare Quellen zur Hand, welche beschreiben wie die Verbeugung im 17. und 18.Jh. aussehen sollte?

Leider fällt mir momentan nur diese Verbeugung aus dem späten 18.Jh. ein, welche Chodowiecki unter den "natürlichen und affektierten Handlungen" abbildete: Chodowiecki, Daniel Nikolaus: Natürliche und affektierte Handlungen des Lebens [1] - Zeno.org

Auch verbeugt sich wohl der Kurprinz von Sachsen hier vor Louis XIV, der allerdings wunderlicherweise sich nicht seinerseits verbeugt: Datei:Louis 1714.jpg ? Wikipedia
 
Schade, dass sie unten nicht klar ihre Quellen angab. Klingt mir aber nach Bonin, den gern Demoiselle verwendet.

*seufz* Die fehlenden Quellen sind mir auch schon unangenehm aufgefallen, was ein wahrer Jammer ist, da sich auf der Seite viel befindet was ich interessant finde und gerne genauer nachlesen würde. :weinen:
 
@ Saint-Simone

Was sie unten zur Verbeugung an sich beschreibt dürfte quasi so ausschauen wie auf dem Gemälde von de Silvestre, das ich oben verlinkte.:)

PS: Mein Englisch ist leider nicht so gut, woran der Konsum von Jane-Austen-Verfilmungen in Originalsprache nichts zu ändern scheint. :red:
 
@ Saint-Simone

Was sie unten zur Verbeugung an sich beschreibt dürfte quasi so ausschauen wie auf dem Gemälde von de Silvestre, das ich oben verlinkte.:)

PS: Mein Englisch ist leider nicht so gut, woran der Konsum von Jane-Austen-Verfilmungen in Originalsprache nichts zu ändern scheint. :red:

So weit ich das sehen kann stimmt die Beschreibung mit dem Bild wirklich gut überein. Da wäre dann die originale Quellenangabe noch um eines interessanter um zu erfahren, ob es sich dabei um eine zeitgenössische Anleitung handelt oder eine moderne die auf der Beobachtung von Bildern basiert.

P.S.: Mir ergeht es mit dem Französischen so und da ist bei mir Hopfen und Malz verloren. Aber wenn es dich tröstet: Ich musste auch gerade erstmal im Wörterbuch nachschauen was 'perpendicular' bedeutet und habe es schon wieder erfolgreich vergessen. :D
 
Auch verbeugt sich wohl der Kurprinz von Sachsen hier vor Louis XIV, der allerdings wunderlicherweise sich nicht seinerseits verbeugt: Datei:Louis 1714.jpg ? Wikipedia

In dem "Moment" verbeugt sich Ludwig XIV. nicht, aber es sieht danach aus, dass er es noch tun wird.
August III. ist dabei sich tief vor dem frz. König zu verbeugen. Die Spanne seines Ausfalls ist deutlich größer und seinen Dreispitz führt er von sich weg.
Ludwig hat hingegen seinen Fuß, wenn auch nicht übermäßig, vor gestellt und hat die Hand an seinem Dreispitz.

Deswegen nehm ich an, dass eine spätere leichte Verbeugung des Sonnenkönigs angedeutet wird.
 
@ geschichtsfan07

Das könnte sein. Oder aber er deutete in seinem hohen Alter Verbeugungen grundsätzlich nur noch an. (Er hatte ja schon einige Gebrechen.)

War der Kurprinz Friedrich August vielleicht eine Art Kronprinz 2. Klasse, da es in Polen ja nur eine Wahlmonarchie gab? Manchmal liest man ja dennoch von "Prinz von Polen" und solchen Bezeichnungen, auch wenn sie ja wohl kaum die politische Realität widerspiegeln.
 
Ist es nicht so, dass sich die höher stehende Person überhaupt nicht verbeugt ?
Soweit ich die Etikette am frz. Hof bisher verstanden habe, wäre das in diesem Falle ein Fehler.

Er hat sich nur vor Philipp IV, Charles II. und James II. verbeugt, da sie als spanische bzw. englische Könige ihm gleich gestellt waren.
Ich hab da einen schönen Stich in irgendeinem Buch, da wird sich auch gleich umarmt - die mir einzige bekannte Darstellung des Königs auf der er nicht gerade steht oder sitzt.
Und nicht zu vergessen das Treffen auf der Insel mit Philipp (leider nur sehr mies im Netz zu finden)

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/f/fc/Laumosnier.jpg

Nach der barocken Etikette ist es schon eine Ehre, dass er den Prinzen im Stehen empfängt und nicht im Sitzen - das hatte ja alles seine Bedeutung, wo empfange ich jemanden, schon vor dem Schloss, auf dem ersten Treppenabsatz, am Ende der Treppe oder erst im Schlafzimmer....


Louis XIV machte nur stets vor den Damen des Hofes die Referenz, das ist ja auch bei Saint Simon so überliefert, dass er selbst die niedrigsten Damen so begrüßte.




Es gibt bei den Tanzanleitungen von Taubert entsprechende Hinweise wie die Refernze auzusehen hat. Und das deckt sich ziemlich mit der Beschreibung auf der Seite und der Haltung von August.
Aber eine allgemeingültige Haltung gab es wohl nicht, da man sich wohl schon damals darüber stritt ob der Herr nun den Hut aufbehalten sollte, oder nicht.
Denn der Hut soll ja gezogen werden - nur Hüte und die Fontage der Perücken um 1700 vertragen sich nicht.
(Beim Tanzen soll es öfter passiert sein, dass man sich die ganze Perücke vom Kopf gerissen hat)
Daher war es üblich den kleinen Dreispitz nur noch unter dem Arm zu tragen.

Was die Etikette im Alter betraf - da gab es keine Ausnahmen, wenn man nicht mehr stehen konnte etc. dann hatte man sich aus dem öffentlichen Leben zurück zuziehen.
Allein bei Louis XIV wurde notgedrungen eine Ausnahme gemacht.
Er wurde im hohen Alter ja mit seiner "Roulette" gefahren, einer Art Rollstuhl.
 
@ Soleil Royal

Was Du zu Louis XIV und den Königen sagst, ist ganz interessant.

Vielleicht kann man die Umarmung als eine Form der Demonstration von Verwandschaft begreifen. Die Anrede "Cousin" gewährte Louis ja hinunter bis zu deutschen Herzögen(vielleicht auch noch weiter nach unten, weiß ich aber nicht).

Teilweise ist das schwierig gewesen, wem man die Hochachtung nun erwies. Es mag sein, dass da die französische Etikette klar zwischen Person von Rang und dem, was die Person verkörperte, unterschied. Gesandte wurden ja beispielsweise oftmals als wirkliche Vertreter ihrer Nation angesehen und behandelt, als stünde der König, den sie vertreten, ihnen gegenüber.

Ich glaube mir ist sogar ein Fall untergekommen, in welchem ein Kammerherr (der Lehndorff) obwohl eigentlich auf privatem Besuch quasi von Seiten der Gastgeber (deutsches Herzogtum) in den Status eines Gesandten heraufbefördert wurde. Der Sinn dessen scheint mir ein Prestigezuwachs gewesen zu sein. Es war ja scheinbar nicht üblich, dass die Großmächte eine kleinere Mittelmacht oder gar einen Kleinstaat mit einem Gesandten beehrten.

Hast Du, Soleil Royal, zufällig das "Teutsche Hofrecht" von Moser vorliegend? Müsste sich dort nicht wenigstens etwas zu Deutschland finden lassen? Glücklicherweise verglich Moser ja obendrein auch sehr gern mit den umliegenden Staaten. (Bin leider noch nicht mit "Herr und Diener" durch.:red:)

PS: Kann es sein, dass Du Fontange und Allonge verwechselst?
 
Zuletzt bearbeitet:
nein das Hofrecht habe ich leider auch nur in Auszügen, ich suche das auch :fs:


Fontage wurde sowohl für die Damen als auch für die Herrenfrisur verwendet.
Damit sind bei den herren diese beiden "Höcker" gemeint. Aber es kann sein, dass man davon nur im deutschen von "Fontage" sprach.


z.B. gibt es in Conradis Oper "Ariadne" ein Divertissement:

"da ist bald Rock und Wams zu groß,
dann gehts auf die Fontage los..."


Allonge ist ja ein Begriff aus dem 19. Jh. - im 17. Jahrhundert wurde die Perücke nicht so genannt, entweder nur Perücke oder eben Staatsperücke.

Das Problem mit dem Hut habe ich jetzt selbst gemerkt.
Man frisiert ewig an der "Fontage" herum, bis sie endlich sitzt, ein Hut würde sie zerdrücken und dann wäre das Hutziehen nur noch peinlich.
Wenn man einen Hut trägt, dann muss man andere Perücken tragen, ohne diese hochfrisierten Haartürme.

Es gibt ja auch eine Menge Stiche und Gemälde auf denen man das sehen kann, dass es zur gleichen Zeit auch weniger hohe Perücken gab.


Ziemlich wichtig scheint bei der referenz jedenfalls die Schrittfolge zu sein.
Das erinnert stark ans tanzen.
Vor allem weil man das Bein in einer leicht schwingenden aber grazilien Bewegung nach hinten setzt.

Interessant ist auch Molières "Le Bourgeois Gentilhomme" da wird Mr. Jourdan vom Tanzmeister unterwiesen, wie er eine Marquise begrüßen muss.
Einmal die einfache Version und dann eine völlig überzogene :D

Bei den Damen ähnelt die Verbeugung und diese spezielle Armbewegung auch sehr der Referenz aus dem tanz - eine Freundin meinte, sie erinnere diese Bewegung fast an tai Chi (...)
 
Zuletzt bearbeitet:
Du hast ja das Buch aus Braunschweig("Lockenpracht und Herrschermacht"), darin findet man ja Bezüge zum Hofrecht. Recht oft wird dort ja immerhin auf die historischen Frisuren direkt bezogen und weniger abstrakt erläutert - dennoch wird der scheinbar unhistorische Begriff "Allonge" gern verwendet. Auch wird der Zusammenhang zwischen Mode, Zeremoniell und Funktionen hergestellt. Findet man dort auch etwas zum Thema Hutziehen?

Es gab demnach um 1700, mit dem Ansteigen der vorn hochtuppierten Haare genauso wie dann ab den 1770ern mit den ansteigenden Haaren an der Stirn des Herren die Notwendigkeit den Hut als Chapeau bras zu tragen. Klar muss das einen Einfluss auf die Referenz gehabt haben.

Sehr undurchsichtig finde ich die Handhabung der Referenz eben weil es von Hof zu Hof so viele Unterschiede gab, je nachdem ob sich der jeweilige Hof an Wien oder Paris stärker orientierte.
 
also ich fand bisher das Buch "Höfische Tänze" von Karl heinz Taubert ganz gut, das kann man gut erlernen - da gibt es auch viele zeitgenössische Abbildungen - gerade auch zum Hutziehen.
 
Eine Wissenschaft für sich ... :S

Machte man auch noch Unterschiede in Abhängigkeit von dem Grund? (Empfang, Annahme eines Kompliments oder einer Aufgabe, Verabschiedung,... ect.)
 
also ich fand bisher das Buch "Höfische Tänze" von Karl heinz Taubert ganz gut, das kann man gut erlernen - da gibt es auch viele zeitgenössische Abbildungen - gerade auch zum Hutziehen.
Ich glaube, Taubert hat viele Abbildungen, die Abzeichnungen von Rameaus "Maître à danser" sind, gewürzt wohl mit Zitaten von Bonin. Der Vorteil ist, dass man sich nicht durch die bisweilen gerade im frühen 18.Jh. noch recht sperrigen deutschen Texte kämpfen muss, bzw. sich französische Werke übersetzen braucht.

Eine Wissenschaft für sich ...

Machte man auch noch Unterschiede in Abhängigkeit von dem Grund? (Empfang, Annahme eines Kompliments oder einer Aufgabe, Verabschiedung,... ect.)
Mein Eindruck ist, man machte stets die selbe Referenz und bei der Referenz kommt es hinsichtlich der Ausführung vor allem darauf an, wen man vor sich hatte. Wissen tue ich es nicht, da so detailiert leider die meisten Quellen nicht sind und mir eben auch vieles nur in deutscher Übersetzung vorliegt, während die Originalsprache der Aufzeichnungen vieler Adeliger nunmal Französisch war, auch wenn sie selber Deutsche waren. Ich glaube, es ist oft schlicht von "Kratzfüßen" die Rede, was wohl eine Referenz meint.
 
Ja es gab Unterschiede. Nicht in der Bewegung der Referenz, aber das was dann noch hinzu kam.
Und ja - die Hofetikette war so komplizieret, dass man dafür extra Spezialisten hatte, die dafür sorgten dass alle Höflinge das erlernten und auch einhielten.

z.B. bei der Verabschiedung, wenn man das so nennen darf kam noch etwas hinzu.


Wenn man - egal ob M oder W den Raum verließ in dem sich eine Ranghöhere Person aufhielt, so hat man das grundsätzlich rückwärst zu tun. Sehr angenehm für die Damen mit ihren Schleppen....
Das wurde dann später im 19. Jh. vereinfacht indem man nur noch je nach Rang 3 oder 5 Schritte rückwärts machen musste.


In Frankreich war es nicht gestattet dem König / der Königin bzw. einer höher gestellten Person den Rücken zuzukehren.
Daher saßen ja auch alle Höflinge in der königlichen Kapelle mit dem Rücken zum Altar und hin zur königlichen Tribüne.
d.h. die niedrigsten Höflinge saßen in der ersten Reihe der Kirche, die dann aber zur letzten wurde :autsch:

Schwierig wurde das in der Oper - und es gibt auch immer wieder Situationen wo bestimmte Klauseln des Zeremoniells für eine bestimmte Zeit außer Kraft waren.
Bei Opernaufführungen in Versailles oder an anderen Schlössern saß der König meist ganz vorne. Auf vielen Stichen z.B. für die "Plaisirs de l'Îsle enchantée" kann man das sehen, oder bei der Aufführung der "Alceste"
Der Kapellmeister stand auch zum König hingewandt, nicht zum Orchester.

Die Hofetikette hatte auch Einfluss auf das Orchester, die Musiker
Und das ist auch noch ein sehr interessanter Aspekt - in Gegenwart des Königs durfte niemand sitzen, es sei denn er erlaubte es.
Louis XIV hatte ja noch ein kleines Orchester - die Petit Bande - die auch von Lully geleitet wurde.
Ein lebendiger Ghettoblaster der überall mit hin musste.
Aber diese Musiker spielten grundsätzlich im Stehen - auch bei den Hofbällen.
Man fragte sich, wie man denn die tiefen Stimmen, den Bass bewältigte.
Der frz. Bass wurde durch Cembali, Gamben, Cromorne, Lauten und Fagotte gebildet.
Mittlerweile weiß man, dass die tiefen Stimmen spezielle Bassgeigen waren, die man mit einem Haltegurt über der Schulter trug, bei Lauten und Fagotte gibt es kein Problem.
Und von der Musikwissenschaft (u.a. Peter Holman) wird angezweifelt dass Cembalo und Lauten überhaupt bei Ensemble / Tanzmusik mitspielten.
Für die Gamben gab es spezielle Bänke, auf denen die Musiker ihre Instrumente stellen konnten.

Und das alles nur um die Hofetikette einzuhalten :D




Übrigens hatte man die Referenz auch vor den Staatgemälden Louis XIV auszuführen.
Denn wenn der König nicht in Versailles war, so wurde der Thron im Apollo Saal durch eines der Gemälde ersetzt - somit war der König wieder anwesend.
Eine ziemliche Paralelle zu antiken Gottheiten, da war ja das Abbild des Gottes nicht einfach ein Symbol - sondern das war Gott.

Das setzte sich übrigens auch beim Lever fort, wenn die Klamotten des Königs an den wartenden Höflingen vorbei getragen wurden - hatte man sich vor dieser Prozession zu verbeugen.
Das gleiche auch bei den Speisen des Königs.

d.h. selbst der Koch, der noch gerade die letzten Garnituren an seinem Kalbsbraten angebracht hatte, war gezwungen sich vor seiner eigenen Kreation zu verbeugen, sobald die Kammerdiener des Königs die Speisen in der Küche abholten.
 
1.
Ja es gab Unterschiede. Nicht in der Bewegung der Referenz, aber das was dann noch hinzu kam.
Und ja - die Hofetikette war so komplizieret, dass man dafür extra Spezialisten hatte, die dafür sorgten dass alle Höflinge das erlernten und auch einhielten.

2.
z.B. bei der Verabschiedung, wenn man das so nennen darf kam noch etwas hinzu.


Wenn man - egal ob M oder W den Raum verließ in dem sich eine Ranghöhere Person aufhielt, so hat man das grundsätzlich rückwärst zu tun. Sehr angenehm für die Damen mit ihren Schleppen....


3.
Louis XIV hatte ja noch ein kleines Orchester - die Petit Bande - die auch von Lully geleitet wurde.



4.
Übrigens hatte man die Referenz auch vor den Staatgemälden Louis XIV auszuführen.
Denn wenn der König nicht in Versailles war, so wurde der Thron im Apollo Saal durch eines der Gemälde ersetzt - somit war der König wieder anwesend.
1.
Hofmarschälle oder der Hoffourier, aber auch Kammerherren wären als solche Spezialisten zu nennen.

Diese Wissenschaft hatte auch einen Namen: Zeremonialwissenschaft. Ein Buch dazu hieß bezeichnenderweise:
Bernhard von Rohr: "Ceremonialwissenschaft der großen Herren" (1733).


2.
Tut mir leid, das setzte ich als bekannt vorraus, dass man vor dem König rückwärts ging. Im Grunde darf man aber auch die Schleppen nicht als ein solches Hindernis verstehen. Zu den Hofkleidern, gerade denen der Großen Gala, wurden ja große Reifröcke im 18.Jh. getragen, da die kleineren Pochen dafür nicht genügten. Die entsprechenden Paniers verhinderten aber, dass die Schleppe so arg ins Gehege kam, da das Gestell des Paniers auch an der Stelle des Hinterns nach unten reicht.

Bei Empirekleidern mit langen Schleppen wie am französischen Kaiserhof stelle ich mir das schwieriger vor. Aber das ist ein völlig anderes Thema.:red:

3.
Wird die nicht von Sigiswald Kuijken geleitet?:D

4.
Erinnert mich an das kaiserliche Zeremoniell und die Abnahme der Huldigungen der Untertanen des Kaisers vor dem Staatsporträt - üblicherweise nach der Kaiserwahl von Vertretern des Kaisers abgenommen.
 
Durch Selbstversuche kommt man doch stets weiter =)


Es gab ja schon damals den Disput: wird der Hut vom Körper weg gehalten, oder legt man ihn gegen die eigene Brust.

Eine Einigung gab es nie - aber das halten des Hutes vor der Brust wurde wohl sehr bald völlig verdrängt und ist eher im 17. Jh. (auch auf einigenen Gemälden zu sehen) mehr verbreitet.


Mit der großen Allonge "a duex Points" wird der Hut ausschließlich als Chapeau de bras getragen, also unter dem Arm.
Das ist ganz sicher. Ich denke eine Ausnahme gab es, wenn man sich ins freie begab - vielleicht wechselte man aber dazu die Perücke.

Von Louis XIv ist bekannt, dass er sogar eine Perücke besaß, die er im Bett und wärend des Levers trug, bevor man ihm die eigentliche Perücke aufsetzte.


Wenn man ins Freie ging, wurde die Referenz wohl nur angedeutet.

Es gibt nach meiner Recherche 3 Verschiedene Stadien der Referenz mit dem Hut.

I. das einfache bewegen der Hand an die Krempe, ohne den Hut wirklich zu ziehen. Vielleicht etwas zurecht rücken.
Dies ist vor allem dem Fürsten vorbehalten, wahrscheinlich leitete sich daraus auch der militärische Gruß ab, weniger aus dem hochschieben des Visiers beim Rüstungshelm (das liegt einfach näher)


II. das halten des Hutes an das rechte Ohr - hört sich blöd an, wenn man das so beschreibt, wird aber klar wenn man es macht.
Dies bezog sich auf höher stehende Ränge, vielleicht sogar gleichgestellt.

III. Das ziehen des Hutes und weghalten vom Körper.
Die Referenz die der Hof auszuführen hatte.

Auch bei der Verbeugung ist es Notwendig und sieht auch besser aus, wenn der Oberkörper gestreckt bleibt.
Das Bild mit dem Treffen Louis XIV und August des Starken ist hierbei goldwert - denn es zeigt das sehr deutlich.

Würde man den Kopf senken, kann es passieren, dasss die Fontage abrutscht , bei den Damen erst recht.
Und es ist vor allem eine Demutsbekundung - für die es aber keinen Grund gibt.

Bei Dienern, die meist eh keine Perücken trugen, oder beim Volk, die auf so aufwendige Frisuren verzichteten dürfte dies freilich anders gewesen sein.
Außerdem scheint dieses Aufrechte, trotz Verbeugung keinesfalls nur wegen den Perücken gemacht worden zu sein, sondern war wohl Anspruch des Adels, das demütige mit gesenktem Blicke Verbeugen war für das Volk.


Aber ich denke die Ratlosigkeit in Bezug auf die Etikette trifft nicht nur uns, den Zeitgenossen erging es ähnlich.

Dr. Grote, der Museumsleiter der Residenz Wolfenbüttel erzählte mir, dass der Herzog Anton Ulrich sich schriftlich an den Landgrafen Carl von Hessen Kassel wandte, um ihn danach zu fragen, in wie fern sich die Etikette nun ändern würde, da August von Sachsen nun König von Polen sei...

Das zeigt, das selbst die eigenen Zeremonialmeister ab und an selbst Erkundigungen einziehen mussten und wenn das nichts brachte, dann musste der Fürst selbst die Sache übernehmen.
 
@ Soleil Royal

Das Problem mit den hohen Frisuren wäre ja bei den Herrenfrisuren der 1770er ganz ähnlich. Dennoch hatte sich bis dahin die Verbeugung wie oben im Eingangsbeitrag auf dem Stich von Chodowiecki zu sehen zu einer sehr simplen Form weiterentwickelt, die offenbar nicht wegen der Frisuren der Zeit zurückgenommen wurde.

Das Verwirrende für viele Unsichere ist gewiss, dass man nicht von DER Referenz des 18.Jh. sprechen kann, sondern nur eine generelle Entwicklung zu immer simpleren Formen durch das Jahrhundert feststellen kann. Was für 1714 richtig ist (also zur Zeit von Bodin bzw. dem Gemälde, das den Kurprinz Friedrich August (1733-63 dann als Friedrich August II. Kurfürst) zeigt), kann allerdings für 1750 oder gar 1770 komplett antiquiert sein.
 
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