Ja es gab Unterschiede. Nicht in der Bewegung der Referenz, aber das was dann noch hinzu kam.
Und ja - die Hofetikette war so komplizieret, dass man dafür extra Spezialisten hatte, die dafür sorgten dass alle Höflinge das erlernten und auch einhielten.
z.B. bei der Verabschiedung, wenn man das so nennen darf kam noch etwas hinzu.
Wenn man - egal ob M oder W den Raum verließ in dem sich eine Ranghöhere Person aufhielt, so hat man das grundsätzlich rückwärst zu tun. Sehr angenehm für die Damen mit ihren Schleppen....
Das wurde dann später im 19. Jh. vereinfacht indem man nur noch je nach Rang 3 oder 5 Schritte rückwärts machen musste.
In Frankreich war es nicht gestattet dem König / der Königin bzw. einer höher gestellten Person den Rücken zuzukehren.
Daher saßen ja auch alle Höflinge in der königlichen Kapelle mit dem Rücken zum Altar und hin zur königlichen Tribüne.
d.h. die niedrigsten Höflinge saßen in der ersten Reihe der Kirche, die dann aber zur letzten wurde :autsch:
Schwierig wurde das in der Oper - und es gibt auch immer wieder Situationen wo bestimmte Klauseln des Zeremoniells für eine bestimmte Zeit außer Kraft waren.
Bei Opernaufführungen in Versailles oder an anderen Schlössern saß der König meist ganz vorne. Auf vielen Stichen z.B. für die "Plaisirs de l'Îsle enchantée" kann man das sehen, oder bei der Aufführung der "Alceste"
Der Kapellmeister stand auch zum König hingewandt, nicht zum Orchester.
Die Hofetikette hatte auch Einfluss auf das Orchester, die Musiker
Und das ist auch noch ein sehr interessanter Aspekt - in Gegenwart des Königs durfte niemand sitzen, es sei denn er erlaubte es.
Louis XIV hatte ja noch ein kleines Orchester - die Petit Bande - die auch von Lully geleitet wurde.
Ein lebendiger Ghettoblaster der überall mit hin musste.
Aber diese Musiker spielten grundsätzlich im Stehen - auch bei den Hofbällen.
Man fragte sich, wie man denn die tiefen Stimmen, den Bass bewältigte.
Der frz. Bass wurde durch Cembali, Gamben, Cromorne, Lauten und Fagotte gebildet.
Mittlerweile weiß man, dass die tiefen Stimmen spezielle Bassgeigen waren, die man mit einem Haltegurt über der Schulter trug, bei Lauten und Fagotte gibt es kein Problem.
Und von der Musikwissenschaft (u.a. Peter Holman) wird angezweifelt dass Cembalo und Lauten überhaupt bei Ensemble / Tanzmusik mitspielten.
Für die Gamben gab es spezielle Bänke, auf denen die Musiker ihre Instrumente stellen konnten.
Und das alles nur um die Hofetikette einzuhalten
Übrigens hatte man die Referenz auch vor den Staatgemälden Louis XIV auszuführen.
Denn wenn der König nicht in Versailles war, so wurde der Thron im Apollo Saal durch eines der Gemälde ersetzt - somit war der König wieder anwesend.
Eine ziemliche Paralelle zu antiken Gottheiten, da war ja das Abbild des Gottes nicht einfach ein Symbol - sondern das war Gott.
Das setzte sich übrigens auch beim Lever fort, wenn die Klamotten des Königs an den wartenden Höflingen vorbei getragen wurden - hatte man sich vor dieser Prozession zu verbeugen.
Das gleiche auch bei den Speisen des Königs.
d.h. selbst der Koch, der noch gerade die letzten Garnituren an seinem Kalbsbraten angebracht hatte, war gezwungen sich vor seiner eigenen Kreation zu verbeugen, sobald die Kammerdiener des Königs die Speisen in der Küche abholten.