Reisen in der NS-Zeit

lumpysplit

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Hi,

war es für Deutsche möglich privat auch ins Ausland zu reisen oder waren die Hürden dafür zu hoch ( was Visum und Kosten betrifft) ?
Durften auch Ausländer in Deutschland Urlaub machen?

Viele Grüße
 
Ja, es war auch für Deutsche möglich. Ich habe hier z.B. eine Liste der Kurgäste im tschechischen Marienbad, aus dem Jahr 1935:

Aber, quod licet Iovi non licet bovi: Für die Wohlhabenden war damals wie heute vieles leichter.

Ganz amüsant, und mit satirischen Blick Erich Kästners kleiner Roman "Drei Männer im Schnee", der die Restriktionen im Auslandsreiseverkehr maliziös vorstellt.

Der ametikanische Schriftsteller Thomas Wolfe hat das Deutschland der frühen 1930er Jahre literarisch und touristisch bereist, die faszinierende wie beklemmende Atmosphäre beschrieben:
 
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Sicher wurde gereist. Sowohl von Deutschen ins Ausland, als auch von Ausländern nach Deutschland. Geschäftsreisen vor allem, Urlaubsreisen waren noch nicht so üblich, wie heute, Reisen war wesentlich teurer als es heute ist, wesentlich luxuriöser. Außerdem gab es keinen gesetzlichen Urlaubsanspruch, in der Weimarer Zeit hatten die Gewerkschaften Urlaub durchgesetzt, der etwa 6 bis 10 Tage währte, da konnte man sich ein Zelt schnappen und sich auf Schusters Rappen bewegen.
Linienflüge gab es bereits kurz nach dem Ersten Weltkrieg, die waren aber teuer - dafür auch sehr luxuriös - das war (in abgespeckter Form) bis vor etwa 40 Jahren nach so, natürlich ist Fliegen in den 60er bis 80er Jahren erschwinglicher geworden und hat sich normalisiert. War aber immer noch teuer im Vergleich zu heute (dafür war der Bordservice inklusive und besser als heute).
Also Reisen ins Ausland war ein Privileg der Leute, die es sich leisten konnten. Als es mit dem Wirtschaftswunder normaler wurde, ins Ausland zu reisen, ging es dann meist mit dem Auto an die italienische Riviera.
 
Ich könnte mir vorstellen, dass sowas in Diktaturen kritisch beäugt werden würde...man könnte ja z.B. im Ausland mit anderen Ideen in Kontakt kommen.
Da Reisen ins Ausland für die Mehrheit der Menschen ein unbezahlbarer Luxus war, wäre das vernachlässigbar gewesen.
Die Nazis holten 1936 die Olympischen Spiele nach Deutschland, und zwar nach Berchtesgarden die Wintderspiele (erste Winterspiele überhaupt) und nach Berlin die Sommerspiele, dafür wurden die allgegenwärtigen Stürmerkästen abgebaut. Auch Luftverkehr wurde mit propagandistische Aufwand begleitet, 1936 wurde auch das Luftschiff "Hindenburg" in Betrieb genommen, das zwischen Deutschland und Brasilien bzw. Deutschland und den USA verkehrte. Die NSDAP unterhielt Auslandsdependancen (NSDAP/AO), sogar in Palästina (hauptsächlich aus baden-württembergischen Pietisten bestehend).
Auch Leute, die nicht viel Geld hatten, konnten theoretisch ins Ausland reisen. Im spanischen Bürgerkrieg kämpften auf Seiten der Republik auch Deutsche und zwar nicht nur Exilanten, sondern auch solche, die in Dtld. lebten und hofften, dass mit einem Sieg über Franco auch der Faschismus in Italien und Deutschland ein Ende finden könnte.
 
Die Nazis holten 1936 die Olympischen Spiele nach Deutschland
Die Aussage stimmt so nicht, da habe ich schlecht formuliert. Die Nazis richtete die Olympischen Spiele 1936 aus, Dtld. hatte sich noch zur Weimarer Zeit (streng genommen endete die Weimarer Republik de iure erst mit der Besetzung Deutschlands durch die Alliierten, aber da die Weimarer Verfassung de facto seit März 1933 außer Kraft gesetzt war, hat sich die Begrifflichkeit so durchgesetzt, dass die Weimarer Zeit 1933 endet) für die olympischen Spiele beworben und den Zuschlag erhalten.
 
Ich könnte mir vorstellen, dass sowas in Diktaturen kritisch beäugt werden würde...man könnte ja z.B. im Ausland mit anderen Ideen in Kontakt kommen.
1937 waren in Europa nur Dänemark, Finnland, Großbritannien, Irland, die Niederlande, Norwegen, Schweden, die Schweiz und die Tschechoslowakei Staaten, die man heute als "volle Demokratien" bezeichnen würde. Die Mehrzahl der europäischen Länder wurde diktatorisch oder autoritär regiert (z.B. Spanien, Polen) oder waren unvollständige Demokratien mit starken radikalen, antidemokratischen Kräften (z.B. Frankreich). Und auch in den Demokratien stieß man auf andere Ideen als heute, z.B. war Antisemitismus sehr verbreitet.
 
1937 waren in Europa nur Dänemark, Finnland, Großbritannien, Irland, die Niederlande, Norwegen, Schweden, die Schweiz und die Tschechoslowakei Staaten, die man heute als "volle Demokratien" bezeichnen würde. Die Mehrzahl der europäischen Länder wurde diktatorisch oder autoritär regiert (z.B. Spanien, Polen) oder waren unvollständige Demokratien mit starken radikalen, antidemokratischen Kräften (z.B. Frankreich). Und auch in den Demokratien stieß man auf andere Ideen als heute, z.B. war Antisemitismus sehr verbreitet.
Völlig richtig. Italien bot sich damals als Urlaubsziel für gut situierte Parteileute an.
 
Durften auch Ausländer in Deutschland Urlaub machen?
Die großen Kurbäder lebten auch von internationalem Publikum, insbesondere Heringsdorf (Usedom) und Baden-Baden. Zwar sorgte der im letzten Viertel des 19. Jh. aufgekommene Bäderantisemitismus, der kein exklusiv deutsches Phänomen war (siehe Resort Antisemitismus), dafür, dass ein Teil des mondänen Publikums ausblieb, aber die Bäder florierten auch in der Nazizeit weiter. Auch mit internationalem Publikum. Lediglich die Militarisierung der Nordseeinseln stoppte den Bade/Kurbetrieb, an der Ostsee und ansonsten zu Lande lief er weiter.

Viel Literatur befasst sich primär mit dem Bäderantisemitismus, aber enthält auch Informationen zur Zusammensetzung des Bäderpubkikums in der Weimarer Zeit und im Dritten Reich. Lesenswert z.B.
 
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Ich könnte mir vorstellen, dass sowas in Diktaturen kritisch beäugt werden würde...man könnte ja z.B. im Ausland mit anderen Ideen in Kontakt kommen.
So etwas ist ein Argument, wenn ein Staat seit Jahrzehnten eine Diktatur ist und seine Bevölkerung seit Jahrzehnten nichts anderes erfuhr als was die Führung wünscht, sodass schon ganze Generationen heranwuchsen, die einschlägig indoktriniert wurden.
Beim Deutschen Reich war das aber nicht der Fall, die "anderen Ideen" waren, wenn sie interessierten, ohnehin noch aus der Zeit der Weimarer Republik bekannt.

Ansonsten sind Ausreisebeschränkungen für eine Diktatur sinnvoll, wenn zu befürchten ist, dass die Ausreisenden nicht wieder zurückkehren.
 
Wie konnte man damals eigentlich an eine der KDF-Kreuzfahrten kommen? Einfach ins Reisebüro und ein Ticket kaufen? Wie teuer war das (in Relation zum damaligen Durchschnittseinkommen)? Brauchte es Empfehlungen oder Verdienste irgendeiner Art oder stand das jedermann offen?
 
In der Digitalen Bibliothek des Deutschen Historischen Museums gibt es einen Vordruck für die Anmeldung zu einer KdF-Reise:




Eine Bildsuche "Antrag KdF-Reise" hilft auch weiter.

Ich hatte auch noch eine private Internetseite gefunden, in der einige Speisekarten und einige Preislisten aufgeführt sind:

Dort auch Landgang in Pompej, von 8.00 Uhr bis 12.00 Uhr (incl. An- und Abfahrt). Was für eine Qual, dort nur schnuppern zu dürfen...

Einer meiner Lehrer (pensioniert um 1971) hatte vor dem Krieg eine Norwegen-Kreuzfahrt mit der KdF gemacht, von der er uns erzählt hat. Meines Wissens ohne Landgang.
 
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