Ich billige niemandem etwas zu oder nicht, sondern das tun andere Generationen von Turkologen in ihren Publikationen und Rezensionen wie z.B. Klaus Kreiser, Suraiya Faroqhi, Leslie Pierce, usw.
Ich habe neben Josef Matuz sowohl Frau Faroqhi als auch Herrn Kreiser und andere einschlägige Publikationen bei mir stehen. Die Relevanz dieser Titel vermag ich gut zu beurteilen!
All diese Autoren verlieren nicht an Wert, weil vielleicht in 10 Jahren eine weitere Publikation erscheint. Manche Leser huldigen dem Irrglauben, dass eine neuere Publikation unbedingt auch eine "bessere" oder "modernere" sein müsse. Das ist jedoch längst nicht immer der Fall, da die veränderte Einschätzung eines historischen Prozesses nicht unbedingt zutreffend sein muss, nur weil die Publikation ein jüngeres Erscheinungsdatum trägt.
Erst wenn zahlreiche Historiker der gleichen Disziplin einen Aspekt entscheidend neu beurteilen, kann man wirklich von einer "neuen Sichtweise" sprechen. Das aber kann dauern ... Bis dahin sollte man sich mit den Argumenten selbst auseinandersetzen und nicht stets nach dem Erscheinungsjahr schielen.
Ich versuche hier so wenig wie möglich Theoriefindung, wie es in der Wiki heißt, zu betreiben, sondern die meisten meiner Posts gründen sich auf Publikationen. Manchmal auf in der Zunft kontrovers Diskutiertes, meistens auf den Konsens der Zunft.
Es wäre hilfreich, wenn du deinen Standpunkt einmal konzentriert mit
eigenen Worten schildern könntest, anstatt lediglich endlose Seitenkopien aus allen möglichen Publikationen inflationär auszuschütten.
Es geht nicht um einige Jahre vor oder zurück beim Datum eines Niederganges, sondern um die Qualität und Einstufung des Bewerteten. Eine Folge von Krisen, mit Findung von Lösungen, die sich als positiv für die weitere Entwicklung des Reiches herausgestellt haben, oder eher die Sicht der Entwicklung wie eine Gauß'sche Normalverteilungskurve von Aufstieg, Höhepunkt, Verfall?
Der Niedergang des Osmanischen Reichs lässt sich anhand einer ganzen Reihe von Verfallserscheinungen festmachen. Damit unterscheidet sich dieser Staat in keiner Weise von anderen, bei denen sich ebenfalls Epochen des Niedergangs und Verfalls zeigen, die Historiker - wie es ihre Aufgabe ist - analysieren. Dabei kann man selbstverständlich zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, Ursachen verschieden gewichten und lange darüber streiten, welche nun wirklich die zentralen Auslöser für Verfallserscheinungen waren.
Hinsichtlich des Osmanischen Reichs lassen sich nach der Regierung Süleymans I. innenpolitische Schwächeerscheinungen feststellen, die sogar bereits zur Zeit dieses Sultans ihren Anfang nahmen. Die Ursachen für die Dekadenz des Osmanenstaates sind vielfältig, wobei zunächst zu erwähnen ist, dass nach Süleyman die lange Reihe unfägiger Sultane beginnt, die schließlich zu einer unheilvollen Einflussnahme des Harems führt, in der Sultansmütter und Favoritinnen politische Entscheidungen herbeiführen und die Großwesire durch ihre Einflussnahme hingerichtet werden oder oft im Jahrestakt wechseln ("Weiberherrschaft", ein viel verwendeter Begriff, der allerdings von Suraiya Faroqhi mit schlechten Gründen abgelehnt wird).
In dieser Zeit endet auch die groß angelegte Expansionsphase des Osmanischen Reichs, es endet die ständige Vereinnahmung neuer Beute und es steht der Hohen Pforte künftig kein neuer Boden mehr zur Verfügung, um die wachsende Schar der Spahis mit Pfründen bzw. einem Timar zu versorgen. In der Folge werden die Timare immer kleiner, die wirtschaftliche Lage der Timarioten verschlechtert sich deamatisch.
Der Staat mindert in dieser Situation die Münze und es kommt zu inflationären Tendenzen, die durch die Verlagerung des Welthandels und den Fortfall von Zolleinnahmen verschärft wird. Auch wenn der Gewürz- und Orienthandel nicht völlig zum Erliegen kommt, so büßt er seine zentrale Rolle jedoch ein.
Die Spahis, die nun von kleinen Timaren leben müssen, bedrücken jetzt die Bauern und fordern im Gegensatz zu früheren Zeiten statt Natural- zunehmend Barabgaben, zudem werden die Steuern für die Bauern erhöht, sodass eine Landflucht beginnt, durch die das Heer der Unzufriedenen wächst, sodass es vereinzelt sogar zu Aufständen kommt.
Ende des 16. Jh. ist die außenpolitische Großmachtstellung des Osmanischen Reichs noch unverändert, doch mehren sich die oben geschilderten innenpolitischen Verfallserscheinungen. Ende des 16. Jh. kommt es auch beim ungarischen Mezökeresztes zum letzten Sieg der Osmanen in offener Feldschlacht!
Ende des 16. Jh. verschärft sich auch die Staatskrise und es kommt 1596 wegen der Verschlechterung der Lage breiter Bevölkerungsschichten zum großen Celali-Aufstand in Anatolien, wo die Verhältnisse besonders ungünstig waren, dem in späteren Jahrzehnten weitere Celali-Aufstände folgen.
Es fehlt hier allerdings der Platz, um alle innenpolitischen Problemfelder ausführlich zu nennen!
Im Laufe des 17. Jh. schwindet die Autorität der osmanischen Zentralgewalt und es kommt nach der verheerenden Niederlage des türkischen Heers 1683 am Kahlenberg in der Folge zum Verlust von Ungarn sowie 1690 von Serbien und Siebenbürgen.
Das also meinte ich, wenn ich vom Niedergang des Osmanischen Reichs seit Ende des 16. Jh. sprach. Welche Ursachen nun zentraler als andere sind, darüber kann man lange streiten. Der historische Verfallsprozess als solcher aber ist nicht in Abrede zu stellen.