Religiös und/oder kulturell geprägte Feindbilder

Nein, das ist nicht nur eine Ausnahmepublikation, das ist inzwischen ein breit diskutierter und allmählich akzeptierter Befund.
Die Diskussion kann man auch hier nachlesen, S.123 ff.:
The Ottoman Empire and Early Modern ... - Google Book Search

Matuz ist leider auch schon in etlichen Kapiteln veraltet. Er war schon Mitte der 90er (10 Jahre nach Erscheinen) in der deutschen Turkologie nicht soooo gern gesehen, durch die Profs, wenn man als Student vorwiegend sich auf ihn bezog. Es war zwar ein Standardwerk und in jeder Publikation in der Lit.-Liste erwähnt worden, aber vor allem wegen mangelnden deutschsprachigen wissenschaftlichen Alternativen im Bereich der Überblickswerke. Ich selber habe zu Anfang im Forum einige Fehleinschätzungen von mir gegeben, weil ich vor allem bei Fragestellungen in den Matuz geschaut habe, und erst kürzlich mir mal Überblickswerke der 2000er beschafft habe.
Natürlich kann man weiterhin vieles Wissenswertes aus Matuz ziehen, aber leider nicht mehr alles, und vorbehaltlos.

Es hat sich halt in der Osmanistik in den letzten Jahren 25 Jahren einiges getan. :winke:
 
Zuletzt bearbeitet:
@Brushian Ich habe deinen Beitrag interessiert gelesen, und du hast augenscheinlich den Punkt gefunden, an dem unsere Meinungen auseinandergehen.
Aber balticbirdy hat hierzu ja bereits einen interessanten Beitrag geliefert.
Denn Diskussionen über "breite Volksmassen" führen leider immer zu Verallgemeinerungen.
Hier kann man wohl nie sagen: Damals war es so... Denn immer war es irgendwo anders, ein Oberhaupt moderater etc. pp.
Was denkst du? Stimmt das?
 
Richtig, wenn man nur ein Schema betrachtet, kann es leicht passieren, dass man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht, weil es natürlich schwer möglich ist mehrere Jahrhunderte in ein einziges Korsett zu zwängen.
Irgendwo muss man aber auch einen Schlussstrich ziehen, welcher zwar ein relativ tolerantes Bild von einem Vielvölkerreich zeichnet, aber auch aufzeigt, dass ein Teil dieser unzähligen Völker in der zweiten Klasse siedelte, in den hinteren Bänken sozusagen und auch einer Willkür ausgesetzt war, die zwar mal stärker, mal schwächer frequentierte, aber nie ganz von der Bildfläche verschwand.
Natürlich kann man da Vergleiche zu anderen Königreichen ziehen, wurde auch schon oft gemacht, wieso auch nicht, aber hier war der plötzliche Einschlag einer anderen Kultur, einer anderen Religion, einer anderen Sprache offensichtlich.
In Gebieten, wo es zur Normalität gehörte, dass man umgesiedelt wird, dass man dann wieder Vergünstigungen und Rechte erhält, wenn es denn passt, dass man zuerst für die einen kämpft, dann wieder von den anderen angeworben wird, dann wieder mit Gewalt wo reingedrückt wird, dann wieder der Rache der einen und dem Wohlwollen der anderen ausgesetzt wird, dann wieder freiwillig wo hinsiedelt um nachher mit Gewalt vertrieben zu werden oder weiterzuziehen, oder zu Feldarbeit gezwungen wird, oder auch von den eigenen Leuten überrumpelt wird und interne Machtkämpfe erlebt, war das Leben mehr als komplex.
Also ein hunderte von Jahren andauernder dreißigjähriger Krieg.
Darum kann man es auch nicht in die Ecke des reinen, kleinen, vereinzelten sozialen Aufstands drängen, genausowenig wie in jene des "schrecklichen Barbarenreiches", oder der, in welcher die Balkanesen mit ihrer Situation zufrieden waren.
Deshalb ist mir auch die Divergenz zwischen den balkanischen und den anderen europäischen Bauernaufständen ein wichtiges Argument.
Wobei "reine Bauernaufstände" am Balkan unter Anführungszeichen, da sie ja vom orthodoxen Klerus gestützt wurden.
Ich würde auch gerne sagen "von einer herrschenden Elite gestützt", aber die gab es nicht, da diese großteils von Konvertiten, Muslimen und treuen Vasallen gebildet wurde.
 
Natürlich kann man weiterhin vieles Wissenswertes aus Matuz ziehen, aber leider nicht mehr alles, und vorbehaltlos.

Es ist freundlich, dass du das Herrn Matuz zubilligst!

Zum Weg des Osmanischen Reichs durch die Geschichte ist zu sagen, dass es natürlich einen Aufstieg, eine Stagnation und einen Niedergang gegeben hat. Das lässt sich doch nicht wegdiskutieren.

Ob man aber nun beckmesserisch den Beginn des Niedergangs um 50 oder gar 100 Jahre verschiebt ... so what?
 
Es ist freundlich, dass du das Herrn Matuz zubilligst!

Zum Weg des Osmanischen Reichs durch die Geschichte ist zu sagen, dass es natürlich einen Aufstieg, eine Stagnation und einen Niedergang gegeben hat. Das lässt sich doch nicht wegdiskutieren.

Ob man aber nun beckmesserisch den Beginn des Niedergangs um 50 oder gar 100 Jahre verschiebt ... so what?
Ich billige niemandem etwas zu oder nicht, sondern das tun andere Generationen von Turkologen in ihren Publikationen und Rezensionen wie z.B. Klaus Kreiser, Suraiya Faroqhi, Leslie Pierce, usw.

(kannst dir gerne selber ein Bild davon machen, wie aktuellere Bücher die Geschichte des OR sehen, siehe: http://www.geschichtsforum.de/f72/r...-gte-feindbilder-25702/index4.html#post395824 )

Ich versuche hier so wenig wie möglich Theoriefindung, wie es in der Wiki heißt, zu betreiben, sondern die meisten meiner Posts gründen sich auf Publikationen. Manchmal auf in der Zunft kontrovers Diskutiertes, meistens auf den Konsens der Zunft.

Es geht nicht um einige Jahre vor oder zurück beim Datum eines Niederganges, sondern um die Qualität und Einstufung des Bewerteten. Eine Folge von Krisen, mit Findung von Lösungen, die sich als positiv für die weitere Entwicklung des Reiches herausgestellt haben, oder eher die Sicht der Entwicklung wie eine Gauß'sche Normalverteilungskurve von Aufstieg, Höhepunkt, Verfall?
Es wurden eben in den letzten Jahrzehnten zuviele Dinge in soziologischen und ökonomischen Studien gefunden (Bevölkerungswachstum, wirtschaftliche Prosperität, Genderstudies, usw.), als das das alte Postulat, welches ursprünglich von den osman. Hofchronisten stammte, und die damit auch einen bestimmten Zweck erfüllen wollten, uneingeschränkt haltbar gewesen wäre. Näheres in den obigen Links Post 178, 181, etc.


:friends: :winke:
 
Ich billige niemandem etwas zu oder nicht, sondern das tun andere Generationen von Turkologen in ihren Publikationen und Rezensionen wie z.B. Klaus Kreiser, Suraiya Faroqhi, Leslie Pierce, usw.

Ich habe neben Josef Matuz sowohl Frau Faroqhi als auch Herrn Kreiser und andere einschlägige Publikationen bei mir stehen. Die Relevanz dieser Titel vermag ich gut zu beurteilen!

All diese Autoren verlieren nicht an Wert, weil vielleicht in 10 Jahren eine weitere Publikation erscheint. Manche Leser huldigen dem Irrglauben, dass eine neuere Publikation unbedingt auch eine "bessere" oder "modernere" sein müsse. Das ist jedoch längst nicht immer der Fall, da die veränderte Einschätzung eines historischen Prozesses nicht unbedingt zutreffend sein muss, nur weil die Publikation ein jüngeres Erscheinungsdatum trägt.

Erst wenn zahlreiche Historiker der gleichen Disziplin einen Aspekt entscheidend neu beurteilen, kann man wirklich von einer "neuen Sichtweise" sprechen. Das aber kann dauern ... Bis dahin sollte man sich mit den Argumenten selbst auseinandersetzen und nicht stets nach dem Erscheinungsjahr schielen.

Ich versuche hier so wenig wie möglich Theoriefindung, wie es in der Wiki heißt, zu betreiben, sondern die meisten meiner Posts gründen sich auf Publikationen. Manchmal auf in der Zunft kontrovers Diskutiertes, meistens auf den Konsens der Zunft.

Es wäre hilfreich, wenn du deinen Standpunkt einmal konzentriert mit eigenen Worten schildern könntest, anstatt lediglich endlose Seitenkopien aus allen möglichen Publikationen inflationär auszuschütten.

Es geht nicht um einige Jahre vor oder zurück beim Datum eines Niederganges, sondern um die Qualität und Einstufung des Bewerteten. Eine Folge von Krisen, mit Findung von Lösungen, die sich als positiv für die weitere Entwicklung des Reiches herausgestellt haben, oder eher die Sicht der Entwicklung wie eine Gauß'sche Normalverteilungskurve von Aufstieg, Höhepunkt, Verfall?

Der Niedergang des Osmanischen Reichs lässt sich anhand einer ganzen Reihe von Verfallserscheinungen festmachen. Damit unterscheidet sich dieser Staat in keiner Weise von anderen, bei denen sich ebenfalls Epochen des Niedergangs und Verfalls zeigen, die Historiker - wie es ihre Aufgabe ist - analysieren. Dabei kann man selbstverständlich zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, Ursachen verschieden gewichten und lange darüber streiten, welche nun wirklich die zentralen Auslöser für Verfallserscheinungen waren.

Hinsichtlich des Osmanischen Reichs lassen sich nach der Regierung Süleymans I. innenpolitische Schwächeerscheinungen feststellen, die sogar bereits zur Zeit dieses Sultans ihren Anfang nahmen. Die Ursachen für die Dekadenz des Osmanenstaates sind vielfältig, wobei zunächst zu erwähnen ist, dass nach Süleyman die lange Reihe unfägiger Sultane beginnt, die schließlich zu einer unheilvollen Einflussnahme des Harems führt, in der Sultansmütter und Favoritinnen politische Entscheidungen herbeiführen und die Großwesire durch ihre Einflussnahme hingerichtet werden oder oft im Jahrestakt wechseln ("Weiberherrschaft", ein viel verwendeter Begriff, der allerdings von Suraiya Faroqhi mit schlechten Gründen abgelehnt wird).

In dieser Zeit endet auch die groß angelegte Expansionsphase des Osmanischen Reichs, es endet die ständige Vereinnahmung neuer Beute und es steht der Hohen Pforte künftig kein neuer Boden mehr zur Verfügung, um die wachsende Schar der Spahis mit Pfründen bzw. einem Timar zu versorgen. In der Folge werden die Timare immer kleiner, die wirtschaftliche Lage der Timarioten verschlechtert sich deamatisch.

Der Staat mindert in dieser Situation die Münze und es kommt zu inflationären Tendenzen, die durch die Verlagerung des Welthandels und den Fortfall von Zolleinnahmen verschärft wird. Auch wenn der Gewürz- und Orienthandel nicht völlig zum Erliegen kommt, so büßt er seine zentrale Rolle jedoch ein.

Die Spahis, die nun von kleinen Timaren leben müssen, bedrücken jetzt die Bauern und fordern im Gegensatz zu früheren Zeiten statt Natural- zunehmend Barabgaben, zudem werden die Steuern für die Bauern erhöht, sodass eine Landflucht beginnt, durch die das Heer der Unzufriedenen wächst, sodass es vereinzelt sogar zu Aufständen kommt.

Ende des 16. Jh. ist die außenpolitische Großmachtstellung des Osmanischen Reichs noch unverändert, doch mehren sich die oben geschilderten innenpolitischen Verfallserscheinungen. Ende des 16. Jh. kommt es auch beim ungarischen Mezökeresztes zum letzten Sieg der Osmanen in offener Feldschlacht!

Ende des 16. Jh. verschärft sich auch die Staatskrise und es kommt 1596 wegen der Verschlechterung der Lage breiter Bevölkerungsschichten zum großen Celali-Aufstand in Anatolien, wo die Verhältnisse besonders ungünstig waren, dem in späteren Jahrzehnten weitere Celali-Aufstände folgen.

Es fehlt hier allerdings der Platz, um alle innenpolitischen Problemfelder ausführlich zu nennen!

Im Laufe des 17. Jh. schwindet die Autorität der osmanischen Zentralgewalt und es kommt nach der verheerenden Niederlage des türkischen Heers 1683 am Kahlenberg in der Folge zum Verlust von Ungarn sowie 1690 von Serbien und Siebenbürgen.

Das also meinte ich, wenn ich vom Niedergang des Osmanischen Reichs seit Ende des 16. Jh. sprach. Welche Ursachen nun zentraler als andere sind, darüber kann man lange streiten. Der historische Verfallsprozess als solcher aber ist nicht in Abrede zu stellen.
 
Nochmal zu den Aufständen der Griechen gegen die osmanische Oberherrschafft.

Der osmanische Staat 1300-1922 - Google Buchsuche

Es ergibt sich hieraus, dass der Klerus die Oberherrschafft der Osmanen anerkennt, ja sogar begrüßt. Bestätigend ist anzuführen, dass sich die Griechen sehr selten gegen die osmanische Botmäßigkeit erhoben haben. Siehe dazu den Link Seite 36f.

Hier wird deutlich, dass erst nach der Bildung des griechischen Geheimbundes 1814 in Odessa der nationale Kampf der Griechen gegen die Osmanen entfacht wird.
 
...
Das also meinte ich, wenn ich vom Niedergang des Osmanischen Reichs seit Ende des 16. Jh. sprach. Welche Ursachen nun zentraler als andere sind, darüber kann man lange streiten. Der historische Verfallsprozess als solcher aber ist nicht in Abrede zu stellen.
Hier habe ich dir mal einige Seiten zum Lesen bereitgestellt, die uns die neue Sicht der Dinge erläutern:
http://www.geschichtsforum.de/f42/frauen-des-sultans-sultanin-12914/index2.html#post400844
 
mir ist der rechtschreibfehler in meinem Nic bewusst -
war etwas umnächtigt :pfeif:

aber heist die Mutter des Sultans nicht Sultana statt Sultanin :grübel:

Seldschuck - Goethe war Seldschukischer Abstammung:
Am 24. Februar 1816 schrieb Goethe:

„Der Dichter ... lehnt den Verdacht nicht ab, daß er selbst ein Muselmann sei.“
(WA I, 41, 86)“
Ähnlich heißt es in einem Brief an Zelter vom 20. September 1820:

Weiter kann ich nichts sagen, als daß ich hier mich im Islam zu halten suche.»
(WA IV, 33, 123)

Wünsche einen sonnigen Sonntag

Kleinersulten äh kleinersultan ;-)
 
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