Revolution und Evolution bei Marx

Richtig, die industrielle Revolution ist eine Revolution der Produktivkräfte und keine soziale Revolution.

M.
... mit Ergänzung:
Mit der industriellen Revolution entstand nach Marx/ Engels aber erst die Arbeiterklasse als gesellschaftlich relevante Masse.
http://www.mlwerke.de/me/me02/me02_225.htm

Die mit der industiellen Revolution einhergehende Mechanisierung der Landwirtschaft setzte die Bauern frei, die dann als Arbeiter in die neuen Fabriken kamen (Landflucht). Außerdem kam es zur einem hohen Bevölkerungswachstum.

Insgesamt änderte sich das Leben schon stark. Aber es ist eher eine Auswirkung der industriellen Revolution
 
@AK47

Da hast Du recht, natürlich kam es infolge der industriellen Revolution zu sozialen Veränderungen und nach Marx entstand der doppelt freie Lohnarbeiter einerseits und andererseits die moderne Bourgeoisie.

M.
 
Richtig, die industrielle Revolution ist eine Revolution der Produktivkräfte und keine soziale Revolution.

M.
Ich bin grad schwer am grübeln... Du würdest die industrielle Revolution nach den Begriffen von Marx und Engels als Revolution bezeichnen? Nicht eher als Evolution?
 
Ich bin grad schwer am grübeln... Du würdest die industrielle Revolution nach den Begriffen von Marx und Engels als Revolution bezeichnen? Nicht eher als Evolution?

Da häng ich mich gleich dran.

Die "industrielle Revolution" nach derzeitigem Verständnis würde ich bei Marx als den Beispielfall der ökonomischen Evolution ansehen.
 
@Lili und silesia,

„Aber immer wuchsen die Märkte, immer stieg der Bedarf. Auch die Manufaktur reichte nicht mehr aus. Da revolutionierte der Dampf und die Maschinerie die industrielle Produktion. An die Stelle der Manufaktur trat die moderne große Industrie, an die Stelle des industriellen Mittelstandes traten die industriellen Millionäre, die Chefs ganzer industrieller Armeen, die modernen Bourgeois.

Die große Industrie hat den Weltmarkt hergestellt, den die Entdeckung Amerikas vorbereitete. Der Weltmarkt hat dem Handel, der Schifffahrt, den Landkommunikationen eine unermessliche Entwicklung gegeben. Diese hat wieder auf die Ausdehnung der Industrie zurückgewirkt, und in demselben Maße, worin Industrie, Handel, Schifffahrt, Eisenbahnen sich ausdehnten, in demselben Maße entwickelte sich die Bourgeoisie, vermehrte sie ihre Kapitalien, drängte sie alle vom Mittelalter her überlieferten Klassen in den Hintergrund.“ zitiert aus K. Marx, Kommunistisches Manifest, MEW 4, 463.

"Auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen oder, was nur ein juristischer Ausdruck dafür ist, mit den Eigentumsverhältnissen, innerhalb deren sie sich bisher bewegt hatten. Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um. Es tritt dann eine Epoche sozialer Revolution ein. Mit der Veränderung der ökonomischen Grundlage wälzt sich der ganze ungeheure Überbau langsamer oder rascher um. In der Betrachtung solcher Umwälzungen muß man stets unterscheiden zwischen der materiellen, naturwissenschaftlich treu zu konstatierenden Umwälzung in den ökonomischen Produktionsbedingungen und den juristischen, politischen, religiösen, künstlerischen oder philosophischen, kurz, ideologischen Formen, worin sich die Menschen dieses Konflikts bewußt werden und ihn ausfechten.", zitiert aus "Vorwort zur Kritik der Polirischen Ökonomie, siehe Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 13, 7. Auflage 1971, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1961, Berlin/DDR. S. 7-11.

Exegese (marxiam view):

1. Im Manifest schreibt Marx explizit: "Da revolutionierte der Dampf und die Maschinerie die industrielle Produktion.", Belegstelle s.o. Er verwendet ausdrücklich nicht den Begriff "Entwicklung", "Evolution" o.ä.

2. Im Vorwort zur "Kritik der Politischen Ökonomie" unterscheidet Marx zwischen Umwälzungen im materiellen, naturwissenschaftlichen Bereich, kurz den Produktionsbedingungen, später wird er diese Produktivkräfte nennen. Diese Definition betrifft die hier zu untersuchende Katergorie "Industrielle Revolution". Auch hier schreibt er von "Umwälzungen" und nicht von "Entwicklungen".

Insgesamt gab es in der Retrospektivzeit von Marx zwei Revolutionen der PK, und zwar die neolithische Revolution (Übergang von der Aneignungswirtschaft zur Erzeugerwirtschaft) und eben diese Industrielle Revolution (Ersetzung menschlicher und animalischer Arbeitskraft durch die Maschine, Marx schreibt zeitlich korrekt "Dampf"). Selbstverständlich kannte Marx auch schon ältere Maschinen und führt diese an anderer Stelle auch auf (Wassermühlen, Windräder). Er beschreibt also die Industrielle Revolution, als Revolution "Umwälzung" der PK. [Ist im übrigen auch meine Meinung sic!].

Die politischen Revolutionen, also z.B. die englische, die französchische beschreibt er als soziale Revolution, Umwälzung des Überbaues (ideologisch, juristisch etc.) also die Produktionsverhältnisse.

Marx unterscheidet also zwei Rovolutionsformen, die naturwissenschaftlich, materielle Revolution der PK und die soziale Revolution der PV, die immer dann folgt, wenn die Entwicklung der PK gehemmt wird; "gefesselt". [Ist nicht ganz meine Meinung]

Selbstverständlich gibt es auch evolutionäre Aspekte bei der Entwicklung der PK, hier bezieht er sich dann auf Hegel "Umschlag von Quantität in eine neue Qualität". "Aber immer wuchsen die Märkte, immer stieg der Bedarf. Auch die Manufaktur reichte nicht mehr aus." Vergl. hierzu:

Dialektische Grundgesetze ? Wikipedia

Melchior
 
1. Im Manifest schreibt Marx explizit: "Da revolutionierte der Dampf und die Maschinerie die industrielle Produktion.", Belegstelle s.o. Er verwendet ausdrücklich nicht den Begriff "Entwicklung", "Evolution" o.ä.
Wenn man noch einen Satz weiter liest tut er das aber schon, dort heißt es dann: "Wir sehen also, wie die moderne Bourgeoisie selbst das Produkt eines langen Entwicklungsganges, einer Reihe von Umwälzungen in der Produktions- und Verkehrsweise ist."

2. Im Vorwort zur "Kritik der Politischen Ökonomie" unterscheidet Marx zwischen Umwälzungen im materiellen, naturwissenschaftlichen Bereich, kurz den Produktionsbedingungen, später wird er diese Produktivkräfte nennen. Diese Definition betrifft die hier zu untersuchende Katergorie "Industrielle Revolution". Auch hier schreibt er von "Umwälzungen" und nicht von "Entwicklungen".
Auch das verstehe ich anders, die Industrielle Revolution mit ihren "Veränderungen" sieht Marx doch hier als Voraussetzung für die soziale Revolution, die er ja prophezeit.

Insgesamt gab es in der Retrospektivzeit von Marx zwei Revolutionen der PK, und zwar die neolithische Revolution (Übergang von der Aneignungswirtschaft zur Erzeugerwirtschaft) und eben diese Industrielle Revolution (Ersetzung menschlicher und animalischer Arbeitskraft durch die Maschine, Marx schreibt zeitlich korrekt "Dampf"). Selbstverständlich kannte Marx auch schon ältere Maschinen und führt diese an anderer Stelle auch auf (Wassermühlen, Windräder). Er beschreibt also die Industrielle Revolution, als Revolution "Umwälzung" der PK. [Ist im übrigen auch meine Meinung sic!].
Auch grundsätzlich ja, nur verwendet doch keiner der beiden den Begriff "Revolution" in diesem Zusammenhang durchgängig. Mal ist es Veränderung, mal Umwälzung, mal Entwicklung, dann wieder Revolution.

Die politischen Revolutionen, also z.B. die englische, die französchische beschreibt er als soziale Revolution, Umwälzung des Überbaues (ideologisch, juristisch etc.) also die Produktionsverhältnisse.
Auch da bin ich nicht ganz dabei. Ich kenne durchaus auch andersgelagterte Aussagen: "Eine soziale Revolution, meine Herren, ist ganz etwas anderes als die bisherigen politischen Revolutionen; sie geht nicht, wie diese gegen das Eigentum des Monopols, sondern gegen das Monopol des Eigentums; eine soziale Revolution, meine Herren, das ist der offene Krieg der Armen gegen die Reichen." Engels: "Zwei Reden in Elberfeld", S.555

Marx unterscheidet also zwei Rovolutionsformen, die naturwissenschaftlich, materielle Revolution der PK und die soziale Revolution der PV, die immer dann folgt, wenn die Entwicklung der PK gehemmt wird; "gefesselt". [Ist nicht ganz meine Meinung]
So, nächstes Verständnisproblem... Ich kenne von Marx/Engels die Unterscheidung politische, philosophische und soziale Revolution bzw. bürgerliche und proletarische Revolution.
 
Die Diskussion dieser Begrifflichkeiten finde ich interessant, auch vielen Dank für die umfangreiche Ausführung.

Dennoch verstehe ich das etwas anders:

"Nur bei einer Ordnung der Dinge, wo es keine Klassen und keinen Klassengegensatz gibt, werden die gesellschaftlichen Evolutionen aufhören, politische Revolutionen zu sein. Bis dahin wird am Vorabend jeder allgemeinen Neugestaltung der Gesellschaft das letzte Wort der sozialen Wissenschaft stets lauten: "Kampf oder Tod; blutiger Krieg oder das Nichts. So ist die Frage unerbittlich gestellt." (George Sand)
ME 4, S. 182 (Das Elend der Philosophie)


Daraus ergibt sich zunächst ein umfassendes Verständnis von Evolution, das bzgl. der gewaltsamen gesellschaftlichen Entwicklungen Revolution einschließt, sofern Klassen und damit Klassengegensätze bestehen.

Den technologischen Aspekt (Dampfkräfte etc.) der industriellen Revolution zu betonen, führt hier mE nicht weiter. Wenn die gesellschaftliche Neugestaltung durch die industrielle Revolution zunächst ohne finalen "Kampf und Tod" ablief, sondern vielmehr erst später in der Revolution mündet, handelt es sich um eine nicht-revolutionäre, ökonomische Evolution, die für mich nicht recht in das Schema paßt. Es wäre demnach die Unterscheidung wichtig, um welchen Bereich von Evolutionen es hier geht. So verwendet Marx (Kapital III) den Begriff der Evolution auch in Bezug auf Kapital: Geldkapital->Warenhandelskapital->Geldkapital.


Aber vielleicht habe ich das alles auch nicht richtig verstanden.:grübel:
 
vielen Dank für die umfangreiche Ausführung.

dem möchte ich mich doch anschließen.

Dennoch verstehe ich das etwas anders:

"Nur bei einer Ordnung der Dinge, wo es keine Klassen und keinen Klassengegensatz gibt, werden die gesellschaftlichen Evolutionen aufhören, politische Revolutionen zu sein. Bis dahin wird am Vorabend jeder allgemeinen Neugestaltung der Gesellschaft das letzte Wort der sozialen Wissenschaft stets lauten: "Kampf oder Tod; blutiger Krieg oder das Nichts. So ist die Frage unerbittlich gestellt." (George Sand)
ME 4, S. 182 (Das Elend der Philosophie)


Daraus ergibt sich zunächst ein umfassendes Verständnis von Evolution, das bzgl. der gewaltsamen gesellschaftlichen Entwicklungen Revolution einschließt, sofern Klassen und damit Klassengegensätze bestehen.

Den technologischen Aspekt (Dampfkräfte etc.) der industriellen Revolution zu betonen, führt hier mE nicht weiter. Wenn die gesellschaftliche Neugestaltung durch die industrielle Revolution zunächst ohne finalen "Kampf und Tod" ablief, sondern vielmehr erst später in der Revolution mündet, handelt es sich um eine nicht-revolutionäre, ökonomische Evolution, die für mich nicht recht in das Schema paßt.

Ich verstehe das Zitat von Marx in seiner Auseinandersetzung mit Proudhon so, daß man im Kontext von Klassenkämpfen nur Revolutionen beobachten kann, während ohne einen Klassengegensatz derselbe oder besser wohl ein änhnlicher Sachverhalt (freilich unter anderen Bedingungen) eben als Evolution beschreibbar würde.


Es wäre demnach die Unterscheidung wichtig, um welchen Bereich von Evolutionen es hier geht.

So verwendet Marx (Kapital III) den Begriff der Evolution auch in Bezug auf Kapital: Geldkapital->Warenhandelskapital->Geldkapital.

Ich kann mir schwer vorstellen, daß du dort etwas falsch verstanden hast; könntest du genauer Angeben, wo Marx den Begriff Evolution im Kapital verwendet?
 
könntest du genauer Angeben, wo Marx den Begriff Evolution im Kapital verwendet?

Das kommt aus dieser Ecke: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 25, "Das Kapital", Bd. III, S. 282:

"Übrigens zeigt sich dies auch in der spezifischen Form der Zirkulation des Warenhandlungskapitals. Der Kaufmann kauft die Ware und verkauft sie dann: G - W - G´. In der einfachen Warenzirkulation oder selbst in der Warenzirkulation, wie sie als Zirkulationsprozeß des industriellen Kapitals erscheint, W´ - G - W, wird die Zirkulation dadurch vermittelt, daß jedes Geldstück zweimal die Hände wechselt. Der Leinwandproduzent verkauft seine Ware, die Leinwand, verwandelt sie in Geld; das Geld des Käufers geht in seine Hand über. Mit diesem selben Geld kauft er Garn, Kohle, Arbeit etc., gibt dasselbe Geld wieder aus, um den Wert der Leinwand rückzuverwandeln in die Waren, die die Produktionselemente der Leinwand bilden. Die Ware, die er kauft, ist nicht dieselbe Ware, nicht Ware derselben Art, wie die, die er verkauft. Er hat Produkte verkauft und Produktionsmittel gekauft. Aber es verhält sich anders in der Bewegung des Kaufmannskapitals.
...
Es zeigt sich aber zugleich darin, daß, was für den produktiven Kapitalisten W - G, eine bloße Funktion seines Kapitals in seiner vorübergehenden Gestalt als Warenkapital, für den Kaufmann G - W - G´, eine besondre Verwertung des von ihm vorgeschoßnen Geldkapitals ist. Eine Phase der Warenmetamorphose zeigt sich hier, mit Bezug auf den Kaufmann, als G - W - G´, also als Evolution einer eignen Sorte von Kapital."
 
@Lili

"Wir sehen also, wie die moderne Bourgeoisie selbst das Produkt eines langen Entwicklungsganges, einer Reihe von Umwälzungen in der Produktions- und Verkehrsweise ist."

Dieser Satz des Zitates bezieht sich aber auf die Entwicklung der Bourgeoisie als Klasse, und zwar meiner Meinung nach in Richtung "Klasse an sich" zur "Klasse für sich".

Klassenbewusstsein ? Wikipedia

Hat sich die Bourgeoisie zur "Klasse für sich" evolutionär entwickelt, kommt es zur bürgerlichen Revolution, unabhängig von der Art der Revolution (finaler Kampf => z.B. französische Revolution oder "Reform von oben", wie in Deutschland).

Dieses betrifft aber die soziale Transformation. Hinsichtlich der Produktivkräfte, die diese evolutionäre Entwicklung der Bourgeoisie überhaupt erst ermöglichen, schreibt er im zweiten Halbsatz:

"...,einer Reihe von Umwälzungen in der Produktions- und Verkehrsweise ist." Diese Umwälzungen ermöglichen es erst, dass sich die B. zur "Klasse für sich" entwickelt.

"Auch das verstehe ich anders, die Industrielle Revolution mit ihren "Veränderungen" sieht Marx doch hier als Voraussetzung für die soziale Revolution, die er ja prophezeit."

D'accord. Ich denke, hier liegt nur ein Mißverständnis vor, bis auf ein Wort "Veränderungen". Denn das ist der Punkt unserer Diskussion, Veränderungen können evolutionär erfolgen oder revolutionär.

Ich interpretiere die Industrielle Revolution als revolutionäre Veränderung, da Sie den Aneignungsprozess revolutionär veränderte (von agrarischer Aneignung zur industriellen).

"Wird der reicheren Klasse die direkte Last aufgelegt, oder es wären in anderem öffentlichen Eigentum (reichen Hospitälern, Stiftungen, Klöstern) die direkten Mittel vorhanden, die der Armut zugehende Masse auf dem Stande ihrer ordentlichen Lebensweise zu erhalten, so würde die Subsistenz der Bedürftigen gesichert, ohne durch die Arbeit vermittelt zu sein, was gegen das Prinzip der bürgerlichen Gesellschaft und des Gefühls ihrer Individuen von ihrer Selbständigkeit und Ehre wäre; oder sie würde durch Arbeit (durch Gelegenheit dazu) vermittelt, so würde die Menge der Produktionen vermehrt, in deren Überfluß und dem Mangel der verhältnismäßigen selbst produktiven Konsumenten gerade das Übel besteht, das auf beide Weisen sich nur vergrößert.
Es kommt hierin zum Vorschein, daß bei dem Übermaße des Reichtums die bürgerliche Gesellschaft nicht reich genug ist, d. h. an dem ihr eigentümlichen Vermögen nicht genug besitzt, dem Übermaße der Armut und der Erzeugung des Pöbels zu steuern.


...", Vergl., G.W.F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts. Naturrecht und Staatswissenschaft, § 245 (1)

"Die Überproduktion speziell hat das allgemeine Produktionsgesetz des Kapitals zur Bedingung, zu produzieren im Maß der Produktivkräfte (d.h. der Möglichkeit, mit gegebner Masse Kapital größtmöglichste Masse Arbeit auszubeuten) ohne Rücksicht auf die vorhandnen Schranken des Markts oder der zahlungsfähigen Bedürfnisse, und dies durch beständige Erweiterung der Reproduktion und Akkumulation, daher beständige Rückverwandlung von Revenue in Kapital auszuführen, während ||726| andrerseits die Masse der Produzenten auf das average[3] Maß von Bedürfnissen beschränkt bleibt und der Anlage der kapitalistischen Produktion nach beschränkt bleiben muß."

Quelle: Karl Marx:Theorien über den Mehrwert. Kap. 17, Art. 1-14

Hier treffen sich wieder Marx und Hegel. Die "Überproduktion" wird von beiden als Problem des Kapitals erkannt. Die "Überproduktion" wird aber erst ein Problem in Folge der Industriellen Revolution. Von einer permanenten agrarischen Überproduktion vor (sic!) der Industriellen Rvolution ist nichts bekannt, es gab Dürrejahre und es gab gute Jahre bei der agrarischen Produktion, aber nie eine permanente "Überproduktion". Diese permanente "Überproduktion" meint Marx in dem Verwertungsstreben des Kapitals zu erkennen. Er erkennt diese "Überproduktion" als Ergebnis der Industriellen Revolution.

Der Sprung in der Qualität der PK in der Industriellen Revolution, würde ich somit aus marxistischer Sicht als revolutionär betrachten und nicht als evolutionär.

"Auch grundsätzlich ja, nur verwendet doch keiner der beiden den Begriff "Revolution" in diesem Zusammenhang durchgängig. Mal ist es Veränderung, mal Umwälzung, mal Entwicklung, dann wieder Revolution."

Das ist die Crux, daher diskutieren wir. ;)

"Auch da bin ich nicht ganz dabei. Ich kenne durchaus auch andersgelagterte Aussagen: "Eine soziale Revolution, meine Herren, ist ganz etwas anderes als die bisherigen politischen Revolutionen; sie geht nicht, wie diese gegen das Eigentum des Monopols, sondern gegen das Monopol des Eigentums; eine soziale Revolution, meine Herren, das ist der offene Krieg der Armen gegen die Reichen." Engels: "Zwei Reden in Elberfeld", S.555"

"In allen diesen Bewegungen heben sie die Eigentumsfrage, welche mehr oder minder entwickelte Form sie auch angenommen haben möge, als die Grundfrage der Bewegung hervor.
Die Kommunisten arbeiten endlich überall an der Verbindung und Verständigung der demokratischen Parteien aller Länder.
Die Kommunisten verschmähen es, ihre Ansichten und Absichten zu verheimlichen. Sie erklären es offen, daß ihre Zwecke nur erreicht werden können durch den gewaltsamen Umsturz aller bisherigen Gesellschaftsordnung. Mögen die herrschenden Klassen vor einer kommunistischen Revolution zittern. Die Proletarier haben nichts in ihr zu verlieren als ihre Ketten. Sie haben eine Welt zu gewinnen."

Quelle: Karl Marx/Friedrich Engels - Manifest der Kommunistischen Partei

In dem von Dir angeführten Zitat bestätigt Engels nur, dass eine proletarische Revolution mehr ist als eine politische Revolution, nämlich eine soziale; vllt. war ich hier in meinem Posting zu unscharf.

"So, nächstes Verständnisproblem... Ich kenne von Marx/Engels die Unterscheidung politische, philosophische und soziale Revolution bzw. bürgerliche und proletarische Revolution."

Sorry, aber das verstehe ich nicht ganz. :grübel:

@silesia

"Den technologischen Aspekt (Dampfkräfte etc.) der industriellen Revolution zu betonen, führt hier mE nicht weiter. Wenn die gesellschaftliche Neugestaltung durch die industrielle Revolution zunächst ohne finalen "Kampf und Tod" ablief, sondern vielmehr erst später in der Revolution mündet, handelt es sich um eine nicht-revolutionäre, ökonomische Evolution, die für mich nicht recht in das Schema paßt. Es wäre demnach die Unterscheidung wichtig, um welchen Bereich von Evolutionen es hier geht. So verwendet Marx (Kapital III) den Begriff der Evolution auch in Bezug auf Kapital: Geldkapital->Warenhandelskapital->Geldkapital."

Aber Marx betont ja gerade den technisch-technologischen Aspekt bei der "Umwälzung" also Revolutionierung der PK in der Industriellen Revolution (s. "Überproduktion") als Ergebnis dieser Revolution der PK (im ML auch auch "Basis").

Melchior

P.S.: Ist etwas lang geworden, sorry hierfür.



 
@Melchior: Lange Beiträge finde ich ja nicht schlimm, aber bitte nicht mehr so klein schreiben, da muss ich so konzentriert schauen und das macht auf Dauer Falten...

Der Sprung in der Qualität der PK in der Industriellen Revolution, würde ich somit aus marxistischer Sicht als revolutionär betrachten und nicht als evolutionär.
Und für mich ist die Industrielle Revolution eben evolutionär und nicht revolutionär, weil es sich um eine gesellschaftliche Entwicklung und nicht um einen plötzlichen Umsturz handelte.

In dem von Dir angeführten Zitat bestätigt Engels nur, dass eine proletarische Revolution mehr ist als eine politische Revolution, nämlich eine soziale; vllt. war ich hier in meinem Posting zu unscharf.
Versteh ich nicht... (oh Mann, das kann ja hier noch was werden :still: ) du hast doch hier geschrieben, Marx würde die politischen Revolutionen in England und Frankreich als soziale Revolutionen bezeichnen, mein Gegenbeispiel war die von Engels zitierte Definition, dass es sich bei den bisherigen politischen Revolutionen in keinem Fall um soziale Revolutionen gehandelt hat.

Sorry, aber das verstehe ich nicht ganz. :grübel:
Ich sags ja - das wird hier noch was :D
Marx und Engels unterscheiden die philosophische Revolution wie sie in Deutschland 1848/49 stattgefunden hat, die politische Revolution, wie sie in Frankreich 1789 stattgefunden hat und eben die soziale Revolution als das Nonplusultra der Revolutionen, also die Revolution die Marx/Engels für das England nach der Industriellen Revolution beschreiben. Diese drei Revolutionen sind entweder bürgerlich, also von der Bourgeoisie angetrieben oder proletarisch von den Arbeitern angetrieben.
 
@Lili<?xml:namespace prefix = o ns = "urn:schemas-microsoft-com:eek:ffice:eek:ffice" /><o:p></o:p>
<o:p></o:p>
nach einem Tag berufsbedingter Absentierung, möchte ich unseren marxistischen Diskurs wieder aufnehmen. Selbstverständlich unter Vermeidung "faltenbildender" kleiner Schriftart.<o:p></o:p>
<o:p></o:p>
"Und für mich ist die Industrielle Revolution eben evolutionär und nicht revolutionär, weil es sich um eine gesellschaftliche Entwicklung und nicht um einen plötzlichen Umsturz handelte."<o:p></o:p>
<o:p></o:p>
„Mit der industriellen Revolution (s. 2.5.10.) des 18./19. Jh. Beginnt ein qualitativ neues Entwicklungsstadium der gesellschaftlichen Produktivkräfte. Ihre revolutionäre Umgestaltung ist gekennzeichnet durch die Entwicklung industrieller Produktivkräfte in der Fabrik als der „Form der auf Maschinerie als materiellen Basis organisierten gesellschaftlichen Arbeit““<o:p></o:p>
<o:p> </o:p>
(vergl., HB Wirtschaftsgeschichte, Band 2, S. 665, Das Europäische Buch, Berlin 1981, Hrsg. Hans Radandt et al.; desw. MEW 26, I S. 366)

<o:p></o:p>

Kurze generelle Quellenkritik zu MEW: <o:p></o:p>
http://de.wikipedia.org/wiki/Marx-Engels-Werke<o:p></o:p>
<o:p></o:p>
„Marx und Engels charakterisieren mit diesem Begriff (Anm. Verf. „Industrielle Revolution“) jene Phase der Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise, in der die Handarbeit zunehmend durch die Anwendung der Werkzeugmaschine (Arbeitsmaschine) ersetzt wurde und von diesem Ablösungsprozess ausgehend das Gesamtsystem der gesellschaftlichen Produktivkräfte und Produktionsverhältnisse eine totale Umwälzung erfuhr.“<o:p></o:p>
<o:p> </o:p>
(ebenda., S. 671; MEW 2 S. 237ff., MEW 23 S. 391ff., Jonas, JWG II, Jg. 1974, S. 273f.)<o:p></o:p>
<o:p> </o:p>
In diesem kleinen Exkurs war die Frage zu klären, ob Marx bzw. im marxistischen Canon, die Industrielle Revolution als wirkliche Revolution definiert wird, das wird sie. <o:p></o:p>
<o:p> </o:p>
Ob die marxistische Sichtweise richtig oder falsch ist, das steht auf einem anderen Blatt; allerdings neige ich der marxistischen These zu.<o:p></o:p>
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@Lili<?xml:namespace prefix = o ns = "urn:schemas-microsoft-com:eek:ffice:eek:ffice" /><o:p></o:p>
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nach einem Tag berufsbedingter Absentierung, möchte ich unseren marxistischen Diskurs wieder aufnehmen. Selbstverständlich unter Vermeidung "faltenbildender" kleiner Schriftart.<o:p></o:p>
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"Und für mich ist die Industrielle Revolution eben evolutionär und nicht revolutionär, weil es sich um eine gesellschaftliche Entwicklung und nicht um einen plötzlichen Umsturz handelte."<o:p></o:p>
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„Mit der industriellen Revolution (s. 2.5.10.) des 18./19. Jh. Beginnt ein qualitativ neues Entwicklungsstadium der gesellschaftlichen Produktivkräfte. Ihre revolutionäre Umgestaltung ist gekennzeichnet durch die Entwicklung industrieller Produktivkräfte in der Fabrik als der „Form der auf Maschinerie als materiellen Basis organisierten gesellschaftlichen Arbeit““<o:p></o:p>
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(vergl., HB Wirtschaftsgeschichte, Band 2, S. 665, Das Europäische Buch, Berlin 1981, Hrsg. Hans Radandt et al.; desw. MEW 26, I S. 366)

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Kurze generelle Quellenkritik zu MEW: <o:p></o:p>
http://de.wikipedia.org/wiki/Marx-Engels-Werke<o:p></o:p>
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„Marx und Engels charakterisieren mit diesem Begriff (Anm. Verf. „Industrielle Revolution“) jene Phase der Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise, in der die Handarbeit zunehmend durch die Anwendung der Werkzeugmaschine (Arbeitsmaschine) ersetzt wurde und von diesem Ablösungsprozess ausgehend das Gesamtsystem der gesellschaftlichen Produktivkräfte und Produktionsverhältnisse eine totale Umwälzung erfuhr.“<o:p></o:p>
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(ebenda., S. 671; MEW 2 S. 237ff., MEW 23 S. 391ff., Jonas, JWG II, Jg. 1974, S. 273f.)<o:p></o:p>
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In diesem kleinen Exkurs war die Frage zu klären, ob Marx bzw. im marxistischen Canon, die Industrielle Revolution als wirkliche Revolution definiert wird, das wird sie. <o:p></o:p>
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Ob die marxistische Sichtweise richtig oder falsch ist, das steht auf einem anderen Blatt; allerdings neige ich der marxistischen These zu.<o:p></o:p>
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Diese Auffassung teile ich - die industrielle Revolution war eine Revolution, aber eben eine in der Industrie und keine in Politik oder der sozialen Ordnung. Allerdings beschleunigte sie die Evolution der Gesellschaft - weg von den feudalen Strukturen (bzw. deren Resten) und hin zu den (früh-)kapitalistischen.

Um sich das ganze abzurunden, sollte man auf dem Zeitstrahl vielleicht auch noch die politischen Ereignisse betrachten. In diese Zeit fällt die Aufhebung der Leibeigenschafft, die französiche Revolution, die Restauration (Nach der Niederlage Napoleons) und die deutsche Revolution (Märzrevolution).

Meiner Meinung nach gab es hier die entsprechenden Kopplungen und Rückkopplungen, d.h. die wirtschaftliche und die politische Dimension der Entwicklung beeinflußten sich entsprechend.
Bemerkenswert ist, daß sich nach dem Durchsetzen der sog. bürgerlichen Revolution sich entschidende Entwicklungsschritte in der Wirtschaft einstellten und nicht umgekehrt.
 
Diese Auffassung teile ich - die industrielle Revolution war eine Revolution, aber eben eine in der Industrie und keine in Politik oder der sozialen Ordnung.

Ich fasse sie auch eher als "Revolution" auf, da es sich um einen einschneidenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umwälzungsprozess handelt.

Die dramatische Veränderung der Produktions- und Lebensverhältnisse vollzog sich relativ rasch und betraf das Leben des Einzelnen so entscheidend, dass man die Entwicklung als "Industrielle Revolution" bezeichnen kann. Die Welt wandelte ihr Gesicht innerhalb eines kurzen historischen Zeitraums grundlegend.
 
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