Rezeption/Bewertung der DDR

Tja, da lernt man zu schätzen, dass bei uns alles demokratisch zuging. Die Gegend, wo ich herkomme war schon vor 1933 eine Nazihochburg, nach dem Krieg eine sichere Bank für die SPD. Bei einer der ersten demokratischen Wahlen nach dem Krieg galt es Überzeugungsarbeit zu leisten. in einem Dorf lebte eine etwas störrische alte Dame, die aber die Witwe des reichsten Bauern war und nach ihrem Wahlverhalten richtete sich das halbe Dorf. Am Wahlsonntag machten der Bürgermeister und ein Stadtverordneter einen Anstandsbesuch, damit die alte Dame ihr Kreuzchen an der richtigen Stelle machte. Sie wurde mit einem Fiaker zum Wahllokal chauffiert, und sie machte ihr Kreuzchen. Dann fragte sie der Bürgermeister, ob sie auch alles richtig gemacht habe.

"Ja, ich hab extra meinen Namen draufgeschrieben",


Nur mit dem Unterschied, daß die Dame zu einer Wahl verholfen wurde ... eine wirkliche Wahl gab es in der DDR wohl nie, so auch bei der letzten nicht.
 
Nur mit dem Unterschied, daß die Dame zu einer Wahl verholfen wurde ... eine wirkliche Wahl gab es in der DDR wohl nie, so auch bei der letzten nicht.

Ein trauriges Land! Bei uns gab es Kugelschreiber, Radiergummis und Ballons geschenkt, und bei der letzten Kommunalwahl in Hessen hat die FDP am Wahlsonntag frische Brötchen spendiert.

War die Wahl in der DDR eigentlich geheim, oder war es verdachterregend, wenn man zum "falten" in die Wahlkabine ging?
 
War die Wahl in der DDR eigentlich geheim, oder war es verdachterregend, wenn man zum "falten" in die Wahlkabine ging?

Bei den so genannten "Wahlen" zur Volkskammer gab es die theoretische Möglichkeit, in der Wahlkabine geheim zu wählen und gegen die Einheitsliste zu stimmen. Das machte allerdings kaum jemand, da solches Verhalten von der Stasi registriert wurde und die betreffenden Personen mit Repressalien zu rechnen hatten. Deshalb gaben fast alle ihre Stimmzettel offen ab, was im Volksmund als "falten gehen" bezeichnet wurde.
 
Bei den so genannten "Wahlen" zur Volkskammer gab es die theoretische Möglichkeit, in der Wahlkabine geheim zu wählen und gegen die Einheitsliste zu stimmen. Das machte allerdings kaum jemand, da solches Verhalten von der Stasi registriert wurde und die betreffenden Personen mit Repressalien zu rechnen hatten. Deshalb gaben fast alle ihre Stimmzettel offen ab, was im Volksmund als "falten gehen" bezeichnet wurde.
War das so? Ich bin am zweifeln - nicht nur, weil mir kein solcher Fall bekannt ist (was natürlich nichts heißt).
Mal vom Aufwand abgesehen, welchen Vorwurf - besser Verdacht - hätte die Stasi denn führen können mit denen Repressalien "gerechtfertigt" wären?

Was das "falten gehen" angeht, ist dies nach meiner Erinnerung auf die Alternativlosigkeit der Wahl - nur eine Liste - zurückzuführen.

Was die Wahlen selbst angeht, wurde durch die Verantwortlichen versucht, möglichst alle zur Wahl zu bewegen. Neben fliegenden Wahlurnen in Altersheimen, wurde dazu mancher auch zu Hause besucht. Mir sind Fälle bekannt, dass "Nichtwählenwollende" konkrete Gründe dafür angaben. Sie ließen sich durch Zusagen - z.B. Verbesserug der Wohnverhältnisse -, die dann auch eingehalten wurden, überzeugen, zur Wahl zu gehen. Eine Wahl bot eben auch solche Möglichkeiten.

Grüße
excideuil
 
War das so? Ich bin am zweifeln - nicht nur, weil mir kein solcher Fall bekannt ist (was natürlich nichts heißt).
Mal vom Aufwand abgesehen, welchen Vorwurf - besser Verdacht - hätte die Stasi denn führen können mit denen Repressalien "gerechtfertigt" wären?
Also das der Stasi jedes Mittel recht war und vor allem jeder Gurnd, um gegen Personen vorzugehen, und wenn dabei eine ganze Stasi-Kompanie nur eine Person "bearbeitete", ist nicht ab streitbar oder anzweifeln!
Und ja, die Leute, die bei den Wahlen eine Kabine benutzen wollten oder auch nutzten, wurden danach von der Stasi mal wieder in die engere Zange genommen. Näher möchte ich aber darauf nicht eingehen, weil das zu persönlich wird!
 
Bei den so genannten "Wahlen" zur Volkskammer gab es die theoretische Möglichkeit, in der Wahlkabine geheim zu wählen und gegen die Einheitsliste zu stimmen. Das machte allerdings kaum jemand, da solches Verhalten von der Stasi registriert wurde und die betreffenden Personen mit Repressalien zu rechnen hatten. Deshalb gaben fast alle ihre Stimmzettel offen ab, was im Volksmund als "falten gehen" bezeichnet wurde.
Ich war drin, mir ist nichts passiert. Möglicherweise wurde ich notiert und auch misstrauisch angeschaut aber bearbeitet hat mich hinterher keiner. Ich kann mir aber durchaus vorstellen, dass es auch solche Fälle gab, kann sie aber nicht aus eigenem Erleben bezeugen.
 
Einige Staaten haben wie Australien eine Wahlpflicht. Wenn ich recht informiert bin, gab es in der DDR keine offizielle Wahlpflicht, aber wurde nicht starker Druck ausgeübt, damit die Leute wählen gingen, selbst wenn die Wahl eine Farce war?
Eine richtige Pflicht bestand nicht aber es wurde auf alle Fälle irgendwo notiert, wenn Jemand nicht hinging. In der Ulbrichtzeit war es schlimmer. Da habe ich als Kind erlebt, dass sich eine Gruppe SED-Leute vor die Fenster stellten und im Chor riefen "Familie ..., ihr wart noch nicht wählen." Das waren die gleichen Figuren die auf Westantennen-Jagd gingen und diese von den Dächern holte. Ab den siebziger Jahren hatte man sich mit den Antennen abgefunden und in den achziger Jahren wurden sogar offizielle Gemeinschaftsantennen errichtet,mit denen man, neben den2 DDR-Programmen auch ARD und ZDF in guter Qualität sehen konnte. Ich weiß allerdings nicht ob das in jeder Stadt so gehandhabt wurde.
 
Wie war das mit den Wahlen in der DDR...
Gute Frage.
Gewählt wurde ja immer irgendetwas :).
Mitunter verwendet man da auch die Redeart: „geht auf keine Kuhhaut“.
Und in der Tat, diese Menge an Wahlen geht wirklich nicht auf eine Kuhhaut. Wenn ich das mit nach 1990 vergleiche, ich glaube da waren wir in der DDR Weltmeister.

Aber hier geht es um die Volkskammer der DDR, um den Bezirkstag, Kreistag, kreisfreie Städte (Stadtverordnete) und ggf. um den Gemeinderat.
Was unter diesen Wahlen zu verstehen ist (politisch und ideologisch), da bin ich der Meinung, da kann man nur wenig bis gar nicht neues schreiben. Inzwischen findet man sehr vieles auch im Netz dazu, auch m.E. sehr viel Seriöses (Hetzfreies).

Ein paar Gedanken wie es in meinem Umfeld in der Praxis aussah:

Klar gab’s damals schon bei uns Diskussion darüber ob es sich hier überhaupt um Wahlen handelt.
Sicher verwendeten wir auch diesen Begriff im Sprachgebrauch, aber hauptsächlich nannten wir es Stimmabgabe.
Vorherrschend war im Sprachgebrauch: „Stimmabgabe für die Kandidaten der „Nationalen Front“.

Früh, ich glaube 7.00 Uhr, wurden die Wahllokale geöffnet. Bestückt mit Leuten aus den verschiedensten Parteinen und gesellschaftlichen Organisationen.

Der 1. Wähler erhielt einen Blumenstrauß. Kann auch sein, der 2. und 3. erhielt auch noch einen.
Einen Blumenstrauß erhielt auch jeder „Erst- Wähler“ (18. Lebensjahr).

Wahlen waren m.W. auch immer in so einer Zeit wo es Blumen gab damit der Staat keine Kopfstände machen musste wie z.B. zum 8. März – Frauentag – um Blumen ausreichend heranzuschaffen.
Wer das miterlebt hat, weis wovon ich hier schreibe.

In den Wahllokalen erschienen meistens auch Gruppen von JP und trugen Gedichte und oder Lieder vor.

In den Betrieben gab es kurz vor dem Wahltag Hinweise/Erinnerungen, dass man vormittags seine Stimme abgeben sollte.
Die Wahllokale standen ja auch in so einer Art Wettbewerb. Es ging darum, wer kann als „Erster“ dem übergeordneten Wahlleiter im Kreis/Stadt vermelden, in seinem Wahlkreis haben alle gewählt.

Wenn dann so ab 12.00 Uhr die Agitatoren einrückten, erhielten diese Namenslisten von Bürgern die aufzusuchen waren, um sie höflich auf ihr „Wahlrecht“ aufmerksam zu machen und dieses auch wahrzunehmen.

Ich gehe mal davon aus, dass hier nicht jeder weis was mit „Agitatoren“ gemeint ist.
In der Regel handelte sich um Menschen aus den Betrieben und Kombinaten, meisten in Verantwortung stehend.
Diese Leute wurden auch in der Regel festgelegt, freiwillige Meldungen habe ich in meinem Umfeld nicht erlebt.
Und wer einmal dabei war, der konnte schon davon ausgehen, dass nächste mal ist er wieder dabei.
Da wo ich es kenne war es nie der Fall, dass da hauptamtliche Leute aus dem SED/FDJ Apparat oder gar Angestellte des MFS diese Rolle übernahmen. Anderswo durchaus möglich.

Was passierte mit Nichtwähler?
Dass sich mit denen die Stasi beschäftigte, wie hier auch zu lesen ist, ist mir so nicht bekannt.
Die Stasi beschäftigte sich mit Leuten die Ausreiseantrag gestellt hatten und die waren automatisch Nichtwähler.
Möglicherweise gab es aber auch andere Fälle. Sicher auch abhängig von der jeweiligen Person. Ich meine wie derjenige laut und deutlich machte, dass er nicht wählen gehen wird.

Was mir bekannt ist, diese Leute wurden den Betrieben gemeldet und da beschäftigte man sich dann mit diesen.
Da war von Bedeutung um wem es sich handelt, da wurde differenziert.
Es gab Aussprachen, ggf. auch Versetzungen in andere Bereiche.
War derjenige in Leitfunktion, wurde er sofort davon entbunden.
Kam auch auf das Kollektiv an zu den derjenige gehörte.
War nicht vereinbar mit dem Titelkampf und auch nicht vereinbar mit dem Kampf Brigade der DSF. Das passte da absolut nicht rein und dazu.

Außerdem, FDGB Urlaubsplatz, derjenige brauchte gar keinen Antrag zu stellen, Lohn – oder Gehaltserhöhung waren m.W. auch erst einmal in Ferne gerückt, einen PKW aus Schwerpunktversorgung konnte derjenige auch vergessen, ebenso wurde ggf. der Wohnungsantrag auch erst einmal im Karteikasten nach hinten geschoben, auch Antrag auf Fernseher (Farbfernseher – lief mal eine Zeitlang über die betriebliche Gewerkschaft) wurde auf Eis gelegt, ging’s um eine Delegierung zum Studium, war die auch gestrichen u.a.

Hinzukommend im Wohngebiet.
HVM und ABV waren da auch informiert.
HVM nur dann, wenn er als vertrauenswürdig galt.

Das alles hier hört sich nach sehr viel an.
Betraf aber in der Regel wenige. Ich mache hier nur deutlich, man gab es denjenigen zu spüren wenn er von seinem Wahlrecht keinen Gebrauch machte.

Im Vorfeld der Wahlen und m.W. zunehmenden mit den Jahren kamen waschkörbeweise Eingaben beim Staatsrat der DDR an. Aber auch bei anderen Organen wie z.B. Gewerkschaft, Partei, FDJ, ABI und den Räten der Gemeinden, Städte, Kreise.
Da bemühte man sich das Anliegen zu lösen, was aber nicht immer gelang.
In der Überzahl ging es wohl um Eingaben, um aus der alten fast unbewohnbaren Wohnung in eine neue Wohnung zu kommen.
Oder die Wohnungsgröße passte absolut nicht zur Zahl der Familienmitglieder (Überbelegung/Scheidungen etc.).
Gegenstände von Eingaben waren aber auch Handwerkerleistungen (DM Problematik) die schwer zu bekommen waren u.v.a.m.

Dies ein paar Gedanken dazu.
Sind ein paar Zeilen mehr geworden, aber bei so einem Thema...
 
Ich denke, dieser Strang ist ein guter Platz für diesen Link.
Sehr anschaulich wird beschrieben, wie der sozialistische Wettbewerb (nicht) funktionierte und was verschiedene Worthülsen bedeuteten.
 
Was passierte mit Nichtwähler?
Dass sich mit denen die Stasi beschäftigte, wie hier auch zu lesen ist, ist mir so nicht bekannt.
Die Stasi beschäftigte sich mit Leuten die Ausreiseantrag gestellt hatten und die waren automatisch Nichtwähler.
Möglicherweise gab es aber auch andere Fälle. Sicher auch abhängig von der jeweiligen Person. Ich meine wie derjenige laut und deutlich machte, dass er nicht wählen gehen wird.

Doch, doch, die Stasi beschäftigte sich durchaus auch mit Nichtwählern, die keinen Ausreiseantrag gestellt haben oder laut herumposaunten, daß sie nicht wählen gingen. Aber eben nicht immer repressiv, manchmal auch eher subtil.

Meine Schwiegereltern waren Nichtwähler. Katholisch, kein Kind in einer DDR-Jugendorganisation. Aus einem christlichen Selbstverständnis heraus kritisch der sozialistischen Staatsmacht gegenüber aber eigentlich doch eher unpolitisch. Die Stasi-Akte berichtet von einem ordentlichen, sauberen Haushalt, liebevollem Umgang mit den Kindern etc.pp. aber eben auch von gänzlich apolitischem Leben und nicht der geringsten Verbundenheit zur DDR.

Jedenfalls klingelte es an Wahltagen Abends immer rechtzeitig an der Tür. Die davor wartenden Herren wünschten ausgesprochen höflich einen schönen Abend, teilten mit, daß man festgestellt habe, daß die Herrschaften noch nicht wählen waren und boten an, die Herrschaften gleich ins Wahllokal zu fahren. Meine Schwiegereltern zogen sich an, wurden zum Wahllokal gefahren gingen auch hinein, warfen etwas in die Urne (ob mit oder ohne Kreuz, weiß ich nicht) und machten anschließend einen netten Spaziergang nach Hause. Regelmäßig!
 
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Briefe schreiben nach „Oben“...

Im Gegensatz zu einigen Kommentaren – siehe Link -, begrüße ich dieses Projekt.
Ist sicher eine Sisyphusarbeit (viel Archivarbeit), gibt aber sicher einen recht interessanten Einblick in die Alltagsprobleme der Bürger der DDR.

Und was ganz wichtig ist, auch Einblick wie der Staat DDR, seine Organe mit diesen Briefen, mit den Anliegen des Bürgers umgingen.
Und vor allem Beispiele, wie die Stasi eingebunden wurde, deren Rolle und wie sie mit dem Anliegen des Bürgers umgegangen ist.

Wenn ich von meinen Wahrnehmungen im Kombinat ausgehe...

Man sollte da berücksichtigen, die Beantwortung von Briefen, egal wo man hingeschrieben hatte, erfolgte auch in den Kombinaten/Betrieben/Arbeitsstellen oder auch Besuch in der Wohnung und da bin ich mir nicht sicher, ob da auch immer ein Schriftverkehr entstanden ist, möglicherweise gab es Protokolle. Briefe wurden von "Oben" nach "Unten" schnell durchgestellt, das funktionierte immer, das war kein Problem.

Schreiben war ja beliebt, aber trotzdem nicht jedermanns Sache; es erforderte oft auch Courage, vor allem wenn’s um politische Probleme ging, bzw das Anliegen politisch ausgelegt werden konnte.

Es wurde m.W. ja überall hingeschrieben zu einer Vielfalt von täglichen Problemen.

Da wurde geschrieben an:
ZK der SED, Regierung der DDR incl. Staatsrat, Bezirksleitung der SED, Rat des Bezirkes, Kreis- und ggf. Stadtleitungen der SED, Rat des Kreises, Rat der Stadt.
Auch gingen Briefe an die Blockparteien, m.W. vorrangig an die LDPD und NDPD.
Briefe gingen auch an die Arbeiter-und Bauerninspektionen (ABI) oder an gesellschaftliche Organisationen wie DFD, FDJ usw. usf.

Ich meine, die meisten Briefe zu Mängeln/Ungerechtigkeiten und ähnliches hat wohl der Staatsrat der DDR bekommen.
Ich hörte einmal, beim Staatsrat kämen fast täglich Mengen an Eingaben an, man verglich es mit gefüllten Waschkörben.
In der Mehrzahl dieser Eingaben ging es da wohl um Wohnungsprobleme in Verbindung mit der Aussage, nicht mehr zur Wahl zu gehen. Vor Wahlen gab es wohl immer eine Häufung von Eingaben.

Leserbriefe an Rundfunk und Fernsehen gabs auch.
Herr K.H. Gerstner (von denen im Link die Rede ist) bekam sicher oft Post und nicht nur wegen „Erichs Krönung“, hergeleitet aus „Jacobs Krönung“.
Er war ja die Ikone der DDR für: „Sachlich, kritisch und optimistisch“.

Aber sicher hat auch der Matador des „Schwarzen Kanal“, Karl Eduard einige Post bekommen. Und das waren sicher nicht nur (organisierte) Zustimmungen, damit er immer jedes Jahr der beliebteste Fernsehmoderator der DDR wurde. :)
 
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