Interessant. Aber eine große taktische Umstellung gab es nicht? Man verließ sich quasi immer noch auf den berittenen Ritter?
In Anlehnung an
@-muck-
Die Umstellung von einem feudalen Lehensaufgebot zu einer mehr oder weniger stehenden, ständig in Sold befindlichen Truppe als solcher war schon extrem gravierend.
Schon durch die mittelalterlichen Rechtstraditionen, die die Vasallen ihren Lehensherren gegenüber lediglich für eine bestimmte Zeit im Jahr auf militärischen Beistand verpflichteten.
War diese Zeit abgelaufen, stand es jedem, der im Rahmen des Lehensystems Heeresfolge geleistet hatte, frei sich von der Streitmacht abzuseilen und einfach wieder nach Hause zu gehen.
Bedeutet, dass vor diesem Hintergrund es nicht selten hingenommen werden musste, Schlachten aus extrem ungünstigen Ausgangebedingungen heraus anzunehmen, weil es einige Tage später auf dieser Basis nicht mehr möglich gewesen wäre, das eigene Aufgebot zusammen zu halten.
Ein Angriff, wie derjenige der Franzosen bei Azincourt, war unter den gegebenen Bedingungen, des vorangegangenen Regens und des dadurch aufgeweichten Bodens schlicht und ergreifend einer taktische Dummheit und der Zusammenstoß hätte im Ergebnis möglicherweise ganz anders ausgehesen, wäre er 1-2 Tage später unter anderen Bedingungen abgehalten worden.
Nur sollte man sich auch hüten, solches Vorgehen bloßer Arroganz und Missachtung der Umstände zuzuschreiben. Die durch das feudale System bedingte Eigenart und Begrenzung der Heeresfolge führte zu notorischen Schwierigkeiten die Aufgebote über einen längeren Zeitraum stabil zusammen zu halten und das nötigte solche Entscheidungen mituner auf.
Deswegen sollte man nicht unterschätzen, wie weit allein die Tatache, dass die laufende Selbstauflösung der Aufgebote zunehmend weniger ein Problem war, ganz neue taktische Optionen eröffnete.
Ein weiterer massiver Vorteil ist, dass sich bei einer einigermaßen dauerhaft stehenden Truppe, im Gegensatz zu spontan für eine Kampagne zusammengewürfelten Lehensaufgeboten, ganz andere Kooperations- und Abstimmungsmuster implementieren ließen.
Von einer "Heeresreform" zu sprechen erscheint wenig sinnvoll, denn einen organisierten Heerescharakter im modernen Sinne hatte das noch nicht.
Man sollte sich aber auch davon trennen unter einer "Reform" oder einem Fortschritt in der Kriegsführung grundsätzlich die Anschaffung bahnbrechender neuer Hardware in Form von Waffen und Rüstungen verstehen zu wollen.
Wie gesagt, eröffnete alleine der beginnende Übergang von einem klassischen Lehensaufgebot zu einer, wenn auch erstmal kleinen, stehenden Kerntruppe und ein zunehmender Übergang auch zur Beschäftigung von Söldnerkontingenten, schon insofern neue Horizonte für die Kriegsführung, als das der Zusammenhalt des Aufgebotes im immer kleineren Maße von überkommenen lehensrechtlichen Traditionen und ihren jahrhundertealten Bestimmungen abhängig war, als viel mehr von den wirtschaftlichen Möglichkeiten des jeweiligen Potentaten.
Das machte die ganze Sache wesentlich kalkulierbarer und gab den einzelnen Heerführen in zunehmendem Maße die Möglichkeit, wenn das opportun erschien auch abzuwarten, statt eine Schlacht aus ungünstiger Situation heraus zu eröffnen und ihrerseits den Gegner auszumanövrieren.
Eine verbesserte Abstimmung stehender Truppen, die einander über längere Zeit kennen, aufeinander, dürfte es auch wesentlich leichter gemacht haben, größere Aufgebote einigermaßen effizient zu koordinieren und zu lenken, bestimmte Manöver zu perfektionieren und repetetiv anzuwenden.
Dann noch ein Wort zum Thema "Langbogen" weil dieser Mythos immer und immer wieder auftaucht.
Zum einen möchte ich mich da den Ausführungen von
@-muck- ein weiteres mal anschließen.
Was ein Langbogen an Durschlagskraft, ohne Witterungseinflüsse (Regen/Wind), auf kurze Distanz und im optimalen Winkel abgefeuert theoretisch erreichen kann, dass ist die eine Sache, man sollte dabei aber auf dem Schirm haben, dass das nicht den realen Bedingungen auf dem Schlachtfeld entspricht.
Kein ungepanzerter Bogenschütze konnte de facto ein Interesse daran haben, einen vollgerüsteten Ritter so nah an sich herankommen zu lassen, dass die Bedingungen für die Durschlagskraft des Bogens optimal gewesen wären.
Man wird annehmen dürfen, dass sich die Schützen in der Regel bereits zum Rückzug genötigt sahen, bevor diese Bedingungen eintraten, das in der Regel auf mindestens mittlere Distanzen und im eher suboptimalen Winkel geschossen wurde und das ganze dann noch durch die Witterungsbedingungen beeinträchtigt war.
Und wenn man das einkalkuliert, wird man nüchtern zu dem Schluss kommen können, dass selbst wenn ein Langbogen unter optimalen Bedingungen Rüstungsplatten hätte durchschlagen können, er es in den meisten Fällen nicht getan haben wird, weil die Bedingungen nicht stimmten.
In Analogie zum "Maschinengewehr des Mittelalters", besteht für mich beim Langbogen in der populären Darstellung das Problem, dass da jedenfalls meines Erachtens so getan wird, als habe es sich beim Langbogen nicht um eine Art vormodernes Maschinengewehr gehandelt, sondern um einen Vorgänger eines Scharfschützengewehres, mit dem man ohne Probleme und höchst präzise 3-4 Ritter die Minute hätte erledigen können.
Weder im Hinblick auf die Durchschlagskraft, noch im Hinblick auf die damit mögliche Präzision über längere Distanzen, war der Langbogen in irgendeiner Form eine herausragende Wunderwaffe.
Im Gegenteil wird man wenn man es auf Präzision und Durchlagskraft anlegte, mit einer Armbrust deutlich besser gefahren sein, als mit einem Langbogen, nur dass diese den Nachteil mit sich brachte wesentlich längere Zeit zum "Nachladen" zu benötigen.
Wie das bereits angerissen wurde, war die recht hohe Schussfrequenz eines Langbogens sicherlich ganz gut dazu geeignet einen Angriff, im Besonderen einen Berittenen zu verlangsamen oder vollständig zum Stehen zu bringen und schlecht gepanzerte Hilfstruppen zu dezimieren, aber das war sicherlich kein Universaldosenöffner für schwere Rüstungen, jedenfalls nicht unter normalen Kampfbedingungen.