Ritter überspezialisiert?

Wenn ich das richtig verstanden habe wird hier oft das Argument ins Feld geführt, dass Pikenformationen aus Schottland und Flandern der schweren Reiterei haushoch überlegen war. Das mag ja stimmen, aber ich frage mich was es dem Reiter bringt, wenn er anstatt mit einer langen Lanze gegen diese Formation anrennt mit einer kurzen dagegen anstürmmt.Da kann die kurze Lanze noch so flexibel sein, der Reiter wird trotzdem aufgespießt.

Na klar, man kann jetzt sagen wenn die Ritter ihre Lanzen alle werfen würden und sich dann wieder zurückziehen würden um sich neu zu ordnen, dann würde dass die Reihen des Feindes erstens lichten und zweitens in Verwirrung stürzen. Aber diese Kampfesweise würde dem Ritter dieser Zeit denke ich mal nicht zusagen. Denn zu der Zeit, als die Lanze im Kommen war, da hatte sich schon eine Ritterkultur gebildet deren grundlegende Gesetze unter Anderem auf Mut, Ehre und vorallem Tapferkeit im Kampf beruhten. Diese "feige" Kampfesweise hat sich wahrscheinlich auch desswegen nicht durchgesetzt.
 
Wenn ich das richtig verstanden habe wird hier oft das Argument ins Feld geführt, dass Pikenformationen aus Schottland und Flandern der schweren Reiterei haushoch überlegen war. Das mag ja stimmen, aber ich frage mich was es dem Reiter bringt, wenn er anstatt mit einer langen Lanze gegen diese Formation anrennt mit einer kurzen dagegen anstürmmt.Da kann die kurze Lanze noch so flexibel sein, der Reiter wird trotzdem aufgespießt.

Die schwere Reiterei hatte schon enorme Probleme mit den lange Stangenwaffen tragenden Formationen, da sie über kein adäquates Mittel verfügten diese Formationen aufzubrechen. Jeder Versuch hier mit reiner Wucht die Reihen aufzubrechen, wie das eigentlich Usus war, endete mehr oder weniger zwangsweise mit dem Tod des Pferdes und der relativen Unbeweglichkeit des Ritters (auch die leichteren Rüstungen des frühen Mittelalters bringen dir bei dem Sturz vom Pferd erhebliche Verletzungen bei).

Die leichte Reiterei hatte damit weniger Probleme - wenn sie über Distanzwaffen, wie Reflexbögen oder Wurfspeere verfügte, da sie mit diesen Waffen die Distanz zwischen Stangenwaffe und Pferd überwinden konnten, im Fall des Bogens auch immer wieder. Dieses Vorgehen sollte mit der Zeit die Formation in Unordnung bringen und damit die Möglichkeit geben diese aufzubrechen und aufzulösen. Diese Übung zeigten die hunnischen oder mongolischen Reiter immer wieder gegen verschieden Infanterieformationen.

Problematisch wird es definitiv, wenn eine Abwehr mit langen Stangen(waffen) auch noch mit Distanzwaffen kombiniert wird, wie in Crecy. Eine solche Verteidigungsstellung ist mE der Albtraum jedes berittenen Angreifers.
 
Die schwere Reiterei hatte schon enorme Probleme mit den lange Stangenwaffen tragenden Formationen, da sie über kein adäquates Mittel verfügten diese Formationen aufzubrechen. Jeder Versuch hier mit reiner Wucht die Reihen aufzubrechen, wie das eigentlich Usus war, endete mehr oder weniger zwangsweise mit dem Tod des Pferdes und der relativen Unbeweglichkeit des Ritters (auch die leichteren Rüstungen des frühen Mittelalters bringen dir bei dem Sturz vom Pferd erhebliche Verletzungen bei).

Hierbei aber bitte nicht die Epochen bzw. Subepochen vermischen: sprechen wir über diejenigen Stangenwaffen, welche effektiv gegen Ritterangriffe - also schwere Schockkavallerie mit eingelegter Lanze - eingesetzt werden konnten (dies setzte - wie bereits angesprochen - aber auch starke Disziplin der gegnerischen Fußkämpfer voraus), so sprechen wir über die Verhältnisse im Spätmittelalter. Zuvor - also bis Ende des 13. Jh. - waren nämlich die Stangenwaffen des Fußvolks bzgl. Reichweite gegenüber ritterlichen Lanzen im Nachteil (12./13. Jh.: 2,00...2,20m vs. 2,50m bis 3,00m).
Außerdem zeigten spätestens die Normannen bei Hastings (1066), daß die schwere Reiterei durchaus Mittel und Möglichkeiten gegen eine Infanterieformation (im konkreten Fall: Schildwall) hatte, wenn es eben nicht möglich war, diese Formation mit Wucht bzw. Gewalt aufzubrechen: sie vollführten ein Scheinmanöver, indem sie offenbar vor dem fest formierten Gegner zurückwichen und so diesen zum Nachsetzen animierten. Die Angelsachsen nutzten diese scheinbare Gelegenheit und lösten damit ihre Formation auf, was darufhin die Normannen nutzen konnten bzw. auch nutzten, um die gegnerischen Fußkämpfer förmlich zu überrennen.

Es kommt bei solchen Überlegungen also auch immer auf die jeweilige Konditionierung an...

Aber um nochmals auf die Spezifikation bzgl. Subepochen zurückzukommen: ich hatte bereits in einem anderen Thread anhand des Beispiels Tannenberg 1410 zu verdeutlichen versucht, daß allein die Charakteristik, wer wann gegen wen auf welche Art und Weise kämpfte, nicht zu Verallgemeinerungen führen darf, warum wer wen besiegen konnte.

Problematisch wird es definitiv, wenn eine Abwehr mit langen Stangen(waffen) auch noch mit Distanzwaffen kombiniert wird, wie in Crecy. Eine solche Verteidigungsstellung ist mE der Albtraum jedes berittenen Angreifers.

Aber auch hier bitte nicht zu stark verallgemeinern...
Dazu verweise ich nochmals auf Die englischen Bogenschützen - der Langbogen in Wales Schottland bei Crecy Poitiers und Azincourt - das relevante Zitat daraus:
Die englischen Bogenschützen - Legenden um eine "Wunderwaffe" schrieb:
...
Wenn nun wie bei Crecy immer nur einige hundert Ritter eine Stellung von 6.000 Bogenschützen, die 12 mal pro Minute gefeuert und fast immer getroffen haben sollen, angriffen, wie konnten diese Ritter dann mehrmals in die englische Stellung einbrechen, wenn Pfeile so tödlich waren? In der Schlacht bei Poitiers 1356 griffen die Franzosen hauptsächlich zu Fuß an, schickten aber zwei Gruppen Berittener, jeweils 200-250 Mann stark, unter Clermont und Audrehem voraus. Die Engländer hatten sich gut hinter einer für Pferde undurchdringlichen Hecke verschanzt und verfügten über ca. 2.000 Bogenschützen. Dennoch gelang es einigen Rittern unter Clermont bis an die Hecke heranzukommen, wo sie dann in dem engen Weg, den nur maximal fünf Reiter gleichzeitig passieren konnten von den englischen Men-at-arms niedergemacht wurden. Die andere Gruppe kam am linken englischen Flügel vorbei. Eine zeitgenössische englische Chronik berichtet: "Die französischen Reiter waren durch Eisenplatten und Lederschabracken so gut geschützt, dass die Pfeile zerbrachen oder in die Luft abprallten, von wo sie wieder auf Freunde wie Feinde herabfielen." Die Bogenschützen konnten die Reiter erst wirksam bekämpfen, als ihnen die Pferde die relativ ungeschützten Flanken als Ziel boten. Die Schlacht musste schließlich in einem harten Kampf an der Hecke und einem englischen Gegenstoß zu Pferde entschieden werden.
...
Anm.: Auch die beiden folgenden Abschnitte sind für diese Thematik sehr aufschlußreich...



Zur Fragestellung eingangs darf ich mich Tela anschließen und die Relativierung einer Beantwortbarkeit dieser Fragen anhand zweier Beispiele illustrieren.
 
Die schwere Reiterei hatte schon enorme Probleme mit den lange Stangenwaffen tragenden Formationen, da sie über kein adäquates Mittel verfügten diese Formationen aufzubrechen. Jeder Versuch hier mit reiner Wucht die Reihen aufzubrechen, wie das eigentlich Usus war, endete mehr oder weniger zwangsweise mit dem Tod des Pferdes und der relativen Unbeweglichkeit des Ritters...

Das ist mir schon klar. Nur war meine Frage, ob die Ritter(damit meine ich die europäischen Adligen) mit einer kürzeren Lanze besser gegen diese Formationen angekommen wären. Einige beziehen sich nämlich auf den Fall lange Lanze gegen Pikenformation = Überspezialisierung der Ritter, da die lange Lanze im Nachteil war.So habe ich es zumindest teilweise verstanden...
 
Hierbei aber bitte nicht die Epochen bzw. Subepochen vermischen:

Aber auch hier bitte nicht zu stark verallgemeinern...

Die Vermischung der Epochen war mir bewusst, aber leider fehlten mir grade spontan passendere Beispiele. Ich bitte dich einem fast unwissenden zu verzeihen.:pfeif: Da sieht man mal wieder, ich sollte bei meinen Leisten bleiben.

Aber zum Scheinmanöver: Ist ein Angriff von schwerer Kavallerie ab einem bestimmten Zeitpunkt überhaupt noch zu stoppen oder läuft er ab irgendeinem Punkt als Automatismus ab, da die Kommunikationsmittel fehlen und die Reiterei durch die Panzerung und die Lanzen zu sehr in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt wurden um ein solches Manöver sauber auszuführen? Damit wären wir ja fast wieder am Ausgangspunkt, ob die lange eingelegte Lanze die Ritter zu massiv behinderte.
 
Wenn ich das richtig verstanden habe wird hier oft das Argument ins Feld geführt, dass Pikenformationen aus Schottland und Flandern der schweren Reiterei haushoch überlegen war.
Nein, das stimmt natürlich nicht. Im Gegensatz zu den Reisläufern und Landsknechten konnten die schottischen Schildrons und flandrischen Formationen nicht selbst in die Offensive gehen. Sie waren somit auf die Arroganz der Ritter angewiesen und konnten nur siegen als diese unnötigerweise angriffen, wie zum Beispiel bei Courtrai.

Na klar, man kann jetzt sagen wenn die Ritter ihre Lanzen alle werfen würden und sich dann wieder zurückziehen würden um sich neu zu ordnen, dann würde dass die Reihen des Feindes erstens lichten und zweitens in Verwirrung stürzen.
Ja, das hatte ich gemeint, immernoch besser als in die Pike hineinzureiten, wie Gil-galad ja auch schreibt.

Aber diese Kampfesweise würde dem Ritter dieser Zeit denke ich mal nicht zusagen. Denn zu der Zeit, als die Lanze im Kommen war, da hatte sich schon eine Ritterkultur gebildet deren grundlegende Gesetze unter Anderem auf Mut, Ehre und vorallem Tapferkeit im Kampf beruhten. Diese "feige" Kampfesweise hat sich wahrscheinlich auch desswegen nicht durchgesetzt.
Damit dürftest du Recht haben. Obwohl sich das klassische Rittertum erst zur Zeit der Staufer in Deutschland etablieren konnte, hatten die Milites schon längere Zeit auf Fernkampfwaffen verzichtet.
 
Zuletzt bearbeitet:
Aber zum Scheinmanöver: Ist ein Angriff von schwerer Kavallerie ab einem bestimmten Zeitpunkt überhaupt noch zu stoppen oder läuft er ab irgendeinem Punkt als Automatismus ab, da die Kommunikationsmittel fehlen und die Reiterei durch die Panzerung und die Lanzen zu sehr in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt wurden um ein solches Manöver sauber auszuführen? Damit wären wir ja fast wieder am Ausgangspunkt, ob die lange eingelegte Lanze die Ritter zu massiv behinderte.

Bei Hastings wurde der Angriff nicht gestoppt. Erst als die normanischen Milites bemerkten, dass sie den sächsischen Schildwall nicht überrennen konnten, zogen sie sich zurück und konnten durch die vorgetäuschte Flucht erreichen, dass die undisziplinierten Sachsen sie verfolgten und somit den Schutz des Schildwalles verliesen.
 
Ich bitte dich einem fast unwissenden zu verzeihen.:pfeif: Da sieht man mal wieder, ich sollte bei meinen Leisten bleiben.

Aber nicht doch; deswegen diskutieren wir doch darüber :fs:

Aber zum Scheinmanöver: Ist ein Angriff von schwerer Kavallerie ab einem bestimmten Zeitpunkt überhaupt noch zu stoppen oder läuft er ab irgendeinem Punkt als Automatismus ab, da die Kommunikationsmittel fehlen und die Reiterei durch die Panzerung und die Lanzen zu sehr in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt wurden um ein solches Manöver sauber auszuführen? Damit wären wir ja fast wieder am Ausgangspunkt, ob die lange eingelegte Lanze die Ritter zu massiv behinderte.

Nein; der Angriff wurde nicht gestoppt, sondern man drehte vor der festen Formation ab (es gehört recht wenig Phantasie dazu, den selbstmörderischen Aspekt eines direkten Ansturms zu erkennen).
Anm.(EDIT): Oops - Witege war inzwischen bereits schneller (aber jetzt lösche ich den Satz nicht mehr)...

Auch hier gibt es andererseits aber ebenfalls wieder eine Antwort a la "sowohl als auch"...

Grundsätzlich ist nahezu jedes Manöver im Voraus absprechbar und dementsprechend umsetzbar, da selbst bei Schlachten, welche infolge wirklich gravierender taktischer Fehler verloren wurden, in den seltensten Fällen wie eine - ich überzeichne bewußt - wilde Hammelherde angestürmt wurde.
Anm.: Die Betonung liegt dabei auf "grundsätzlich"; daß die praktische Umsetzung selbst wieder von vielen Faktoren abhängt (und entsprechend unterschiedlich erfolgreich ausfällt), ist wohl klar.
Richtig ist jedoch - und das Beispiel Tannenberg 1410 zeigt dies ja auch -, daß infolge eigenmächtigen Abweichens von der Disziplin eine Schlacht jedoch auch immer kippen kann. Und ebenso ist es natürlich auch möglich, daß Warnrufe in einer solchen Angriffsformation untergehen - dafür ist Liegnitz 1241 ein anschauliches Beispiel: das Ritterheer fiel auf das Ausweichmanöver der Mongolen herein, obwohl die Ordensritter (Deutschherren und Johanniter) laut artikulierend warnten, nicht auf diese Kriegslist einzugehen, welche sie bereits von den Sarazenen kannten; detaillierter von mir bspw. hier bereits dargelegt.

Allerdings bin ich mir dabei recht sicher, daß sich für diese Punkte (Planung und Umsetzung taktischer Manöver, eigenmächtiges Abweichen von der Disziplin durch einzelne Verbände bzw. Einheiten, Nichterfolg von Warnungen) ebenso Beispiele sowohl jenseits des Mittelalters wie auch jenseits ritterlicher Heere finden lassen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich tue mir schwer mit der Vorstellung, daß eine Flügellanze als Plänklerwaffe zum Aufbrechen einer disziplinierten gegnerischen Infanterieformation effektiv sein soll. Das halte ich für eine Frage von leichter <-> schwerer Kavallerie, nicht von 2 Meter <-> 3 Meter Lanzenlänge.

Übrigens: Auch die (spät)römischen Kataphrakten hatten schon lange Lanzen, entsprechend ihres Verwendungszwecks als "Schock"-Kavallerie.
 
Ich tue mir schwer mit der Vorstellung, daß eine Flügellanze als Plänklerwaffe zum Aufbrechen einer disziplinierten gegnerischen Infanterieformation effektiv sein soll. Das halte ich für eine Frage von leichter <-> schwerer Kavallerie, nicht von 2 Meter <-> 3 Meter Lanzenlänge.
Das stimmt natürlich. Ich habe nur überlegt, unter welchen Umständen eine kürzere Lanze effektiver bzw. nicht ganz so schlecht geeignet wäre. Mit der langen hat man alleine gegen einen Pikenhaufen eben überhaupt keine Chance und mit der kürzeren könnte man eben noch werfen und zusätzlich leichtere Wurfspeere tragen.

Da es auch leichte Kavallerie die auf den Nahkampf spezialisiert war, kann man es nicht nur auf den Unterschied zwischen leichter und schwerer Reiterei schieben. Dir römischen Equites verwendeten ja zusätzlich zum Hasta auch leichtere Wurfspeere, was die Karolinger eben nicht mehr machten. Im Prinzip geht es eben (zumindest im Kampf gegen Piken) einzig um Fernkampfwaffe oder nicht. Die asturische Adelsreiterei und russischen Druschina waren ja auch schwere Reiter und benutzten trotzden Fernkampfwaffen (Wurfspeere bzw. Bögen).


Übrigens: Auch die (spät)römischen Kataphrakten hatten schon lange Lanzen, entsprechend ihres Verwendungszwecks als "Schock"-Kavallerie.
Ja, aber der Kontos war auch nicht so unflexibel wie die Ritterlanze. Durch den beidhändigen Gebrauch konnte der Reiter mit der Lanze genauer zielen, auf die Seiten und nach Hinten kämpfen und die gesamte Länge der Waffe ausnutzen (da er sie wesentlich weiter hinten fassen konnte). Die Reichweite war somit größer als die der (wohl meist nicht länger als 4m langen) Ritterlanze. Aber natürlich reichte sie auch nicht aus um gegen einen Pikenhaufen zu kämpfen, aber trotzdem konnte man mit dem Kontos eben auch so zustoßen ohne in den Gegner reinreiten zu müssen.
 
Ich tue mir schwer mit der Vorstellung, daß eine Flügellanze als Plänklerwaffe zum Aufbrechen einer disziplinierten gegnerischen Infanterieformation effektiv sein soll. Das halte ich für eine Frage von leichter <-> schwerer Kavallerie, nicht von 2 Meter <-> 3 Meter Lanzenlänge.

Die Entwicklung von der ursprünglichen Flügellanze hin zur Blattlanze ging durchaus auch mit einer Verlängerung der Waffe (Flügellanze ~2 m; Blattlanze 2,50...3 m, im SMA dann darüber hinausgehend).
Das Aufbrechen einer gegnerischen Infanterieformation ist zudem v.a. eine Sache der Taktik: stehen gegnerische Fußtruppen bzw. -verbände (z.B. ein Schildwall o.ä.) in fester Formation und halten diese auch diszipliniert, kann auch leichte Reiterei (berittene Bogenschützen) nur wenig ausrichten - dies erlebten bspw. die Araber bei Tours und Poitiers 732, als sie die mit den Franken verbündeten Langobarden angriffen.

Übrigens: Auch die (spät)römischen Kataphrakten hatten schon lange Lanzen, entsprechend ihres Verwendungszwecks als "Schock"-Kavallerie.

Deren Lanzen (Contus) waren ca. 4 m lang (z.T. auch länger) und wurden zudem beidhändig geführt, so daß eine Vergleichbarkeit rein akademisch und daher nur bedingt gegeben ist. Dies hatten wir diesbezüglich schon in verschiedenen Diskussionen...

PS(EDIT): Schon wieder zu langsam mit dem Schreiben... :grübel:
 
Die asturische Adelsreiterei und russischen Druschina waren ja auch schwere Reiter und benutzten trotzden Fernkampfwaffen (Wurfspeere bzw. Bögen).

Ah, ja, stimmt, das ist auch interessant!

Ja, aber der Kontos war auch nicht so unflexibel wie die Ritterlanze. Durch den beidhändigen Gebrauch [...]

Also kommt es gar nicht auf die Länge an, sondern entscheidend ist der Gebrauch? Eingelegt, nicht eingelegt?
 
Also kommt es gar nicht auf die Länge an, sondern entscheidend ist der Gebrauch? Eingelegt, nicht eingelegt?

Es macht wohl eher die Kombination aus mehreren Faktoren, welche ich für den Ritter des HMA kurz umreißen möchte: mittels eingelegter Lanze wurde es möglich, für den Angriff den Schub des Pferdes optimal zu nutzen (also mehr Schubkraft in den Stoß zu bringen - dies setzt freilich voraus, daß der Winkel zwischen Lanze und Längsachse des Pferdekörpers so spitz wie möglich gehalten wird). Zudem ist bei dieser Technik die Verwendung eines Dreiecksschildes möglich, so daß der Ritter dem Gegner die so noch besser geschützte Schildseite zuwandte. Die Lanzenlänge ist insofern von Bedeutung, daß die Reichweite der Lanze erhöht ist - ein Vorteil wie eben bei jeder Nahkampfwaffe, mit der man gewöhnlich nicht in eine Kampfsituation a la Infight, Clinch o.ä. geht bzw. gehen will.
 
Ja, aber die postulierte Überspezialisierung bezieht sich dann nur noch auf den Gebrauch als eingelegte Lanze, nicht mehr auf die Länge, wenn ich das richtig sehe.

Wobei Witege ja noch als zusätzliche Überlegung angeführt hatte, daß gar keine oder eine wesentlich kleinere Lanze eine zusätzliche Mehr-Oder-Weniger-Fernkampf-Bewaffnung ermöglicht hätte, wenn ich ihn da richtig verstanden habe. Das führt dann aber zu der Überlegung, daß jede Art von "Schock"-Truppen überspezialisiert gewesen wäre.

Da stellt sich dann die Frage, ob nicht vielleicht weniger die Ritter als Truppengattung als vielmehr die Ritterheere in ihrer relativ einseitigen Zusammensetzung der berittenen Truppen überspezialisiert waren? Soweit ich weiß, wurden auch während der Kreuzzüge bzw. der Reconquista leichtere Truppen eingesetzt?
 
Ja, aber die postulierte Überspezialisierung bezieht sich dann nur noch auf den Gebrauch als eingelegte Lanze, nicht mehr auf die Länge, wenn ich das richtig sehe.
Wirklich?
Markus Junkelmann sieht es jedoch etwa anders. Für ihn war die Verlängerung der Lanze eine Sackgasse. Die römischen Hasta und fränkischen Flügellanzen (je 2 -2,5) waren im Gegensatz zu den längeren Lanzen viel flexibler. Der eingelegte Einsatz war zwar nicht so effizient, allerdings konnten sie auch überkopf stoßend und fechtend eingesetzt werden. Durch die ständig länger und schwerer werdenden Lanzen nahmen sich die Ritter somit die Möglichkeit nach der Seite und nach hinten zu kämpfen.
Ja, aber der Kontos war auch nicht so unflexibel wie die Ritterlanze. Durch den beidhändigen Gebrauch konnte der Reiter mit der Lanze genauer zielen, auf die Seiten und nach Hinten kämpfen und die gesamte Länge der Waffe ausnutzen (da er sie wesentlich weiter hinten fassen konnte).

Die kürzere Lanze konnte auch eingelegt geführt werden. Außerdem waren auch die karolingischen Panzerreiter und Cataphrakten "Schock"-Truppen ohne eine eingelegte Lanze.
Junkelmann bezeichnete die Ritterlanze als unflexibel, weil sie nur noch eingelegt zu gebrauchen war.
 
Einmal als kurze Zwischenbemerkung, damit wir uns nicht zu sehr den Blick durch die Betrachtung von Kataphrakten u. dgl. verstellen lassen: auch die milites der ottonischen bis zur frühsalischen Zeit führten ihre Flügellanzen (ottonisch) bzw. Blattlanzen (salisch) noch frei über dem Kopf. Die Technik der eingelegten - oder genauer gesagt: der unter der Achsel eingeklemmten - Lanze entwickelte sich erst in der 2. Hälfte des 11. Jh. (meine persönliche Abschätzung ist etwa zwischen 1075 und 1100, zumal der Teppich von Bayeux den Übergang von der alten [über Kopf] zur neuen [eingelegt] Technik zeigt: es sind dort beide dargestellt)...

Für die "neue" Technik gab es - wie ich in meinem vorherigen Beitrag schrieb - Aspekte, welche dafür sprachen: höhere Wucht im Lanzenstoß und damit mehr Angriffswucht, bessere Deckung mit dem Dreiecksschild und damit noch höherer Schutz für den Angreifenden sowie größere Reichweite der Lanze, da diese nun verlängert werden konnte.

Ich persönlich sehe bis jetzt den Punkt einer Überspezialisierung nicht - zumindest nicht, was Bewaffnung und Taktiken angeht. Natürlich kann man es Überspezialisierung nennen, aber ich wäre dann vorsichtig, dies im gleichen Atemzug explizit nachteilig zu bewerten.
Anm.: Falls ich da etwas überinterpretiert habe, so ist dies ungewollt und ein Mißverständnis meinerseits...

Falls der Punkt "Überspezialisierung" gar in Richtung des militärischen Niedergangs des Rittertums zielen sollte, darf dies übrigens stark bezweifelt werden. Da stimme ich eher mit den aktuellen Forschungen überein, welche insbesondere in der Ausformung der Landesherrschaft und der damit verbundenen Veränderung des Kriegswesens - womit ein Verlust der traditionellen autonomen militärischen Funktionen des Rittertums einherging - die Ursache für die spätmittelalterliche Identitätskrise der Ritter auf militärischem Gebiet sieht.
Werner Hechberger hat diese Forschungsproblematik in Adel, Ministerialitt und Rittertum ... - Google Bcher beschrieben - der entsprechende Abschnitt dazu: Adel, Ministerialitt und Rittertum ... - Google Bcher (S. 116)
Anm.: Falls ich da etwas überinterpretiert habe, so ist dies ungewollt und ein Mißverständnis meinerseits...

Da stellt sich dann die Frage, ob nicht vielleicht weniger die Ritter als Truppengattung als vielmehr die Ritterheere in ihrer relativ einseitigen Zusammensetzung der berittenen Truppen überspezialisiert waren? Soweit ich weiß, wurden auch während der Kreuzzüge bzw. der Reconquista leichtere Truppen eingesetzt?

Die Ritterheere waren so nie in ihrer Zusammensetzung derart von schwerer Reiterei dominiert - nicht einmal von Reiterei überhaupt: ein hochmittelalterlicher Schlachthaufen vereinte in sich etwa 500 bis 1000 adlige und nichtadlige Kämpfer, von denen gewöhnlich 20...50% Reiter waren (im günstigsten Fall auch ca. 60% Reiter); doch davon waren (a) nicht alles schwere Reiter und (b) unter diesen nicht alles Ritter, sondern zum größeren Teil Sergenten. Vgl. dazu bspw. meinen Versuch einer abhandelnden Charakteristik...
 
Die Technik der eingelegten - oder genauer gesagt: der unter der Achsel eingeklemmten - Lanze entwickelte sich erst in der 2. Hälfte des 11. Jh. (meine persönliche Abschätzung ist etwa zwischen 1075 und 1100, zumal der Teppich von Bayeux den Übergang von der alten [über Kopf] zur neuen [eingelegt] Technik zeigt: es sind dort beide dargestellt)...

Zumindest die Römer führten die Lanze stellenweise wie gesagt auch schon eingelegt und da sie die Reiterei von den Kelten übernommen haben, kann man dies auch von den Kelten annehmen. Auch wenn die wenigen Abbildungen vor dem Teppich von Bayeux alle den Gebrauch über Kopf zeigen (oder gibt es da doch mehrere Quellen?), denke ich nicht dass man es wirklich auschließen kann, dass die Flügellanze auch ab und zu eingelegt verwendet wurde (zumal ja auch Germanen/Franken in der römischen Reiterei dienten und so mit der keltischen/römischen Kampfesweise vertraut waren).


Oft werden zwar fehlende Steigbügel als Grund anngeführt, dass die eingelegte Verwendung nicht möglich sei, aber Junkelmann hat in Versuchen festgestellt dass dieser auch so relativ einfach auszuführen ist, ob mit oder ohne Sattel. Der römische Hörnchensattel erleichterte es zudem, wobei das Herausziehen aus dem Testsack angeblich am problematischsten sei (was mit der Flügellanze dann wohl wieder einfacher gehen dürfte).

Kennst du dich mit den karolingischen/ottonischen Sättel aus? Waren sie ähnlich aufgebaut?


Aber wir hatten es ja auch schon einmal über die Funde im alemannischen Niederstotzingen. Die dortigen Stoßlanzen und Steigbügel deuten ja auch schon auf die eingelegte Kampfesweise hin, wie sie die Awaren praktizierte, die ja auch von den Byzantinern übernommen wurde, durch die sie wiederrum die Normannen kennen gelernt haben könnten (habe ich zumindest mal bei Osprey gelesen).


Für die "neue" Technik gab es - wie ich in meinem vorherigen Beitrag schrieb - Aspekte, welche dafür sprachen: höhere Wucht im Lanzenstoß und damit mehr Angriffswucht, bessere Deckung mit dem Dreiecksschild und damit noch höherer Schutz für den Angreifenden sowie größere Reichweite der Lanze, da diese nun verlängert werden konnte.
Das alles sind natürlich deutliche Gründe, warum ein Schockangriff auf diese Weise deutlich verbessert wurde.

Aber die Schildform wäre doch auch bei der Flüggellanze von Vorteil gewesen und der flachovale Reiterschild der keltischen/römischen Reiterei dürfte eine ähnliche Deckung geliefert haben wie der Normannenschild. Auch diese Schilde deckten die Seite des Reiters vom Kinn bis zu den Waden und das Reitertraktat des Arrian berichtet sogar von einer Übung, in der eine Art Schildmauer errichtet wurde.


__________

So "neu" war die ritterliche Kampfesweise also auch nicht unbedingt, weswegen Junkelmann auch schreibt, dass "dem eingelegten Stoß, dessen Einführung im Hohen Mittelalter von vielen Forschern zu Unrecht eine die Kriegskunst revolutioniende Wirkung zugeschrieben würde."

Außer eben, dass die Länge der Lanze zugunsten der Flexibilität den Schockangriff verstärkte. Mich interessierte deswegen ja auch, gegen wen diese Flexibilität überhaupt derart nützlich hätte sein können, um nicht auf die höhere Durchschlagskraft zu setzen.

____________


Ich persönlich sehe bis jetzt den Punkt einer Überspezialisierung nicht - zumindest nicht, was Bewaffnung und Taktiken angeht. Natürlich kann man es Überspezialisierung nennen, aber ich wäre dann vorsichtig, dies im gleichen Atemzug explizit nachteilig zu bewerten.
Doch, genau darum geht es Junkelmann und wohl besonders Nicolle. Überspezialisierung habe ich es nur wegen der Aussage von Nicolle genannt und habe diese These einmal unkritisch in den Raum gestellt um diese Diskussion anzufangen.

Aber auch ich würde natürlich diese Spezialisierung auf den Schockangriff nicht als Nachteil sehen (wie ich ja schon geschrieben hatte), sondern eher als Vorraussetzung dafür, dass die schwere Reiterei überhaupt die Rolle der Hauptwaffe behalten konnte. Bei den Römern waren die Reiter ja nur eine Hilfswaffe zu der schweren Infanterie und hatte somit andere Aufgaben.

Junkelmann schreibt im folgenden dann auch, dass die Entwicklung der ritterlichen Kampfesweise wegen der Wechselwirkung der offensiven mit der defensiven Waffentechnik und eben nicht durch die Überlegenheit des eingelegten Stoßes ausgelöst wurde, der ja mit den ständig länger und schwerer werdenden Lanzen in Verbindung mit den Rüsthaken immer weiter verstärkt wurde um durch die immer stärker werdende Rüstungen zu kommen.

______________________

Falls der Punkt "Überspezialisierung" gar in Richtung des militärischen Niedergangs des Rittertums zielen sollte, darf dies übrigens stark bezweifelt werden.
Auf den Niedergang des Rittertums oder der ritterlichen Kampfesweise, deren große Zeit ja spätestens nach Pavia 1525 zu Ende war und im 17. Jahrhundert schließlich mit dem Verschwinden der Lanze aus dem Gebrauch der westeuropäischen Kavallerie beendet wurde, zielte die Diskussion aber nicht ab.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich möchte nur zwei Dinge einwerfen.
1. Auch die lanceae oder hastae sind keine dauerhafte Lösung. So wie der Ritter bei einem Frontalangriff durch Splitter oder Verlust der Nutzbarkeit seine Lanze verliert / abwirft, so ist diese Gefahr auch bei "römischer" oder vergleichbarer Kavallerie gegeben. Auch deren Lanzen konnten brechen und sollte sie in einem Gegner stecken, ist, gerade im schnellen Ritt, ein herauslösen eine schwierige Sache, die mitunter auch einen Verlust provoziert. Somit ist ihr Nutzen durchaus ebenfalls eingeschränkt. Spätestens wenn die Gegner bis auf Tuchfühlung an das Pferd herangetreten sind, ist ihr Einsatz zu zeitraubend und anstrengend, um eben NICHT die spatha zu nutzen.

2. Wir reden hier von einem nicht passenden Vergleich. Mal abgesehen von bestimmten Arten von Rittern, wie etwa in Spanien, entwickelten sich die mitteleuropäischen Ritter zu einer Schockkavallerie. Diese bricht in die feindliche Formation ein, kommt dort ggf. zum stehen und kämpft auf engem Feld.
Die equites über die wir hier sprechen waren KEINE Schockkavallerie. Im besten Fall griffen sie die Flanken oder den Rücken des Gegners an, bevorzugten dabei aber eher eine Plänkelnde Kampfweise inklusive leichter Wurfspeere (wie Junkelmann selbst ja ausführte).
Im schnellen Ritt setzen sie Fliehenden nach, wobei die Stichweise von oben durchaus nützlich ist und weit weniger Kraft fordert, als langes anreiten mit einer Lanze.
Vergleichbar ist nur ein mit einem contus bewaffneter römischer Reiter. Diese lange Lanze findet sich bereits als sarissa im Einsatz griechischer Reiterei.

Es ist also keine Frage von "Überspezialisierung" der Ritter sondern eine allgemeine Frage nach der Spezialisierung eines Kavallerietypus bzw. einfach nach dessen Einsatzart. Eine lange Lanze hat dabei für die frontal angreifenden Einheiten den Vorteil, dass man die den Anprall Erwartenden recht früh trifft und zu Boden bringt, während die kürzere Lanze dafür fast schon ein "Mitten drin statt nur dabei" fordert.
 
Zumindest die Römer führten die Lanze stellenweise wie gesagt auch schon eingelegt und da sie die Reiterei von den Kelten übernommen haben, kann man dies auch von den Kelten annehmen.

Das war mir schon klar; ich fand es für die Diskussion nur besser, epochal im Mittelalter zu bleiben (weil sich das Thema ansonsten mE zu stark zerfasert): da müssten wir uns neben den Rittern des Hoch- und Spätmittelalters lediglich auf die Fränkischen Panzerreiter sowie die milites des ausgehenden Frühmittelalters konzentrieren.

Auch wenn die wenigen Abbildungen vor dem Teppich von Bayeux alle den Gebrauch über Kopf zeigen (oder gibt es da doch mehrere Quellen?)...

Wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, dann ist z.B. der Codex Perizoni eine solche Bildquelle, aber das schlage ich noch einmal nach... :fs:

Oft werden zwar fehlende Steigbügel als Grund anngeführt, dass die eingelegte Verwendung nicht möglich sei, aber Junkelmann hat in Versuchen festgestellt dass dieser auch so relativ einfach auszuführen ist, ob mit oder ohne Sattel. Der römische Hörnchensattel erleichterte es zudem, wobei das Herausziehen aus dem Testsack angeblich am problematischsten sei (was mit der Flügellanze dann wohl wieder einfacher gehen dürfte).

Da gebe ich Marcus Junkelmann auch Recht.

Kennst du dich mit den karolingischen/ottonischen Sättel aus? Waren sie ähnlich aufgebaut?

Meinst Du "ähnlich dem römischen Hörnchensattel"?
Auch hier meine (vorläufige) Schnellantwort: der römische Hörnchensattel und der mittelalterliche Lehnensattel (das ist meine Bezeichung; ich weiß nicht, wie man den korrekt nennt) sind einander grundsätzlich recht ähnlich - insbesondere bzgl. der Funktionalität. MW gab es letzteren Satteltyp aber zumindest bereits in der ottonischen Ära.
Aber auch das schlage ich noch einmal nach...

Aber die Schildform wäre doch auch bei der Flüggellanze von Vorteil gewesen und der flachovale Reiterschild der keltischen/römischen Reiterei dürfte eine ähnliche Deckung geliefert haben wie der Normannenschild. Auch diese Schilde deckten die Seite des Reiters vom Kinn bis zu den Waden und das Reitertraktat des Arrian berichtet sogar von einer Übung, in der eine Art Schildmauer errichtet wurde.

Ähm; das war von mir zugegebenermaßen mißverständlich formuliert: es geht dabei nicht um die Schildform (hier ist die Entwicklung v.a. dahingehend interessant, daß wegen der Verbesserung der Körperpanzerung und des Gesichtsschutzes der Mandelschild zum Dreiecksschild verkleinert werden konnte, was die Verwendung etwas leichter und handlicher machte), sondern um die Position, welche der angreifende Reiter einnehmen kann. Bei eingelegter Lanze ist diese offensichtlich kompakter als bei freier Führung, so daß es damit möglich wird, die Abdeckung durch den Schild zu optimieren - natürlich unabhängig von der Schildform. Außerdem wendet der Angreifer dem Gegner bei eingelegter Führung eben die Schildseite zu, da die Lanze (ich gehe jetzt vom Rechtshänder aus) ebenfalls links am Pferdehals und -kopf vorbei geführt wird.

Außer eben, dass die Länge der Lanze zugunsten der Flexibilität den Schockangriff verstärkte. Mich interessierte deswegen ja auch, gegen wen diese Flexibilität überhaupt derart nützlich hätte sein können, um nicht auf die höhere Durchschlagskraft zu setzen.
...

...
Aber auch ich würde natürlich diese Spezialisierung auf den Schockangriff nicht als Nachteil sehen (wie ich ja schon geschrieben hatte), sondern eher als Vorraussetzung dafür, dass die schwere Reiterei überhaupt die Rolle der Hauptwaffe behalten konnte. Bei den Römern waren die Reiter ja nur eine Hilfswaffe zu der schweren Infanterie und hatte somit andere Aufgaben...

Wir sollten uns aber auch bei solchen Diskussionen mE nicht zu sehr auf den Angriff mit der eingelegten Lanze allein fokussieren.
Wenn es auch für Ritter faktisch optimal war, diesen Angriff auszuführen, so waren sie ja keineswegs darauf explizit festgelegt (der Punkt wurde in der Diskussion ja ebenfalls bereits angesprochen): gegnerische Fußkämpfer, welche eben nicht in einem Schildwall oder einer ähnlich festen Formation standen, wurden mittels Streitkolben am ausgestreckten Arm im Vorbeireiten erschlagen oder auch einfach niedergeritten (Kriegspferde waren dafür ausgebildet); und im direkten Nahkampf war ein Ritter auch mit Schild und Schwert noch ein starker Gegner (selbst zu Fuß).
Womit Ritter jedoch nur schwer zurechtkamen, waren Kampfweisen, welche ihren Vorstellungen vom Kampf zutiefst widersprachen - ergo aus ihrer Sicht "unehrenhaft" waren: Bogen- und/oder Ambrustbeschuß (der jedoch zumeist eher auf die Pferde denn auf die Ritter selbst gerichtet war), Guerillataktiken (z.B. Überfälle aus einem Hinterhalt oder Versteck), indirekte Manöver (z.B. das angesprochene Töten der Pferde oder auch das Herabziehen aus dem Sattel und das darauffolgende Abstechen des Ritters) etc. ...

Auf den Niedergang des Rittertums oder der ritterlichen Kampfesweise, deren große Zeit ja spätestens nach Pavia 1525 zu Ende war und im 17. Jahrhundert schließlich mit dem Verschwinden der Lanze aus dem Gebrauch der westeuropäischen Kavallerie beendet wurde, zielte die Diskussion aber nicht ab.

Dann bin ich beruhigt (und ich hatte ja eingeräumt, daß ich da etwas überinterpretiert haben könnte)... :friends:
 
Die equites über die wir hier sprechen waren KEINE Schockkavallerie. Im besten Fall griffen sie die Flanken oder den Rücken des Gegners an, bevorzugten dabei aber eher eine Plänkelnde Kampfweise inklusive leichter Wurfspeere (wie Junkelmann selbst ja ausführte).

Aber du stellst es doch auch wieder etwas zu einseitig dar. Junkelmann schreibt nicht, dass der römische Reiter eher die plänkelnde Kampfweise bevorzugte. Er setzte sehr wohl gegen andere Reiter und leichte Infanterie auf einen Schockangriff. Nur gegen eine Schildmauer mussten sie zu "ihrer zweiten Gefechtsform, der Zerbürbungstaktik übergehen." Und das ist ja auch das was ich meinte, was auch für die Ritter möglicherweise im Kampf gegen Schildwälle und Pikenhaufen besser gewesen wäre.

Wobei ein Schockangriff aber natürlich auch nicht unbedingt völlig nutzlos war, wie zum Beispiel auch bei Marignano, wobei dort die Schweizer allerdings nicht nur von den Ordonannzkompanien angegriffen wurden, sondern bereits im Nahkampf mit Landsknechten verstrickt waren (aber natürlich wurden die Schweizer dadurch nicht aufgerieben, aber zumnidest davon abgehalten die komplette französische Armee zu überrennen).


Außerdem war die Ausrüstung der römischen Equites jetzt auch nicht so verschieden von der der Panzerreiter und frühen Ritter. Auch sie benutzten ähnliche Schutz- (Kettenhemd, großer Schild) und Angriffswaffen (Lanze (Hauptwaffe), langes Schwert). Warum sollte man denn nicht sagen dürfen, dass sich die karolingischen Panzerreiter und darauf folgend die Ritter immer mehr zur reinen Schockreiterei spezialisierte und somit ihre Flexibilität (mögliches Geplänkel) aufgaben?


Wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, dann ist z.B. der Codex Perizoni eine solche Bildquelle, aber das schlage ich noch einmal nach...
Ja, wie zum Bespiel hier:
http://blog.metmuseum.org/penandparchment/wp-content/uploads/2009/05/cat050ar1_49a.jpg

Auf Anhieb vielen mir für die karolingische Zeit noch der Goldene Psalter Stiftsbibliothek St. Gallen
Stiftsbibliothek St. Gallen
Stiftsbibliothek St. Gallen
(auf Seite 140 wird die Lanze zumindest eingelegt getragen)

und Stuttgarter Psalter ein, wo die Haltung über Kopf auch am häufigsten vorkommt.
http://www.wlb-stuttgart.de/index.php?id=3547&set[mets]=http%3A%2F%2Fwww.wlb-stuttgart.de%2Fdigitalisate%2Fcod.bibl.fol.23%2Fmets.xml&set[image]=285&set[zoom]=default&set[style]=
http://www.wlb-stuttgart.de/index.php?id=3547&set[mets]=http%3A%2F%2Fwww.wlb-stuttgart.de%2Fdigitalisate%2Fcod.bibl.fol.23%2Fmets.xml&set[zoom]=default&set[style]=&set[image]=164
http://www.wlb-stuttgart.de/index.php?id=3547&set[mets]=http%3A%2F%2Fwww.wlb-stuttgart.de%2Fdigitalisate%2Fcod.bibl.fol.23%2Fmets.xml&set[zoom]=default&set[style]=&set[image]=141
http://www.wlb-stuttgart.de/index.php?id=3547&set[mets]=http%3A%2F%2Fwww.wlb-stuttgart.de%2Fdigitalisate%2Fcod.bibl.fol.23%2Fmets.xml&set[zoom]=default&set[style]=&set[image]=131
http://www.wlb-stuttgart.de/index.php?id=3547&set[mets]=http%3A%2F%2Fwww.wlb-stuttgart.de%2Fdigitalisate%2Fcod.bibl.fol.23%2Fmets.xml&set[zoom]=default&set[style]=&set[image]=64
http://www.wlb-stuttgart.de/index.php?id=3547&set[mets]=http%3A%2F%2Fwww.wlb-stuttgart.de%2Fdigitalisate%2Fcod.bibl.fol.23%2Fmets.xml&set[zoom]=default&set[style]=&set[image]=28

Hier gibt es auch zwei Bilder mit "eingelegter" Lanze:
http://www.wlb-stuttgart.de/index.php?id=3547&set[mets]=http%3A%2F%2Fwww.wlb-stuttgart.de%2Fdigitalisate%2Fcod.bibl.fol.23%2Fmets.xml&set[zoom]=default&set[style]=&set[image]=37
http://www.wlb-stuttgart.de/index.php?id=3547&set[mets]=http%3A%2F%2Fwww.wlb-stuttgart.de%2Fdigitalisate%2Fcod.bibl.fol.23%2Fmets.xml&set[zoom]=default&set[style]=&set[image]=6


Aber eigentlich hatte ich gemeint, dass es für die karolingische und ottonische Zeit im Verhältnis zu den Römern einfach weniger Quellen gab, so dass wir nicht ganz so gut unterrichtet werden, was die Reiter alles im Kampf mit ihren Waffen machten.


Meinst Du "ähnlich dem römischen Hörnchensattel"? ... MW gab es letzteren Satteltyp aber zumindest bereits in der ottonischen Ära.
Aber auch das schlage ich noch einmal nach...
Ja das hatte ich gemeint. Wäre interessant. :winke:
Im Ospreybuch über die karolingischen Panzerreiter sind einige Sättel abgebildet. Der völlig mit Holz umrahmte Sattel (fully wood-framed) wurde scheinbar von den Ungarn übernommen und entwickelte sich dann zum Rittersattel. Also würde die ottonische Ära schon passen.


Ähm; das war von mir zugegebenermaßen mißverständlich formuliert: es geht dabei nicht um die Schildform... sondern um die Position, welche der angreifende Reiter einnehmen kann...
Achso, das hatte ich dann falsch verstanden. Das klingt natürlich einleuchtend. Jetzt verstehe ich auch, was Junkelmann mit der Veränderung des Sitzes meinte.
 
Zurück
Oben