Römische Minen in der Germania Magna

Ich habe mir dann vorhin eine Zusammenfassung einer Dissertation von Soodabeh Durali-Müller auf der Seite der Goethe-Universität angeschaut*. Zitat:
"Die Bleiisotopenverhältnisse wurden an 240 Blei-Artefakten von Wallendorf (2. Jh. v. Chr. bis 1. Jh. n. Chr), Dangstetten (15-8 v. Ch.), Waldgirmes (1-10 n. Ch.), Mainz (1-300 n. Ch.), Martberg (1. bis 4. Jh. n. Ch.) und Trier (3. bis 4. Jh. n. Ch.) gemessen. Beim Vergleich der Bleiisotopenverhältnisse der Bleiartefakte und der deutschen Lagerstätten wird deutlich, dass die Römer zur Herstellung der Artefakte bis zu 85% Blei aus den Eifel – Erzlagerstätten verwendet haben, dass aber auch Blei aus dem südlichen Zentralmassiv und aus Großbritannien dafür importiert wurde...."
Making sure you're not a bot!

In der oben verlinkten Zusammenfassung des Artikels wird weiter unten vermerkt: " Der Bleiabbau in der Römerzeit ist aus Mechernich und Gressenich östlich von Aachen in der Nordeifel (Bayley, 1990), aus der Nähe von Bad Ems beim Blöskopf und Braubach an der unteren Lahn, aus Wiesloch bei Heidelberg (Hildebrandt, 1989) und aus Südbaden (Maus, 1977) belegt. Im weiteren Verlauf des Textes wird deutlich, dass drei Bergwerke in der Eifel – Silberberg, Bleialf und Glückstal – während der Römerzeit bedeutende Bleilieferanten waren."

Im Artikel / Vortrag von Hans Markus von Kaenel Münze, Geld und Wirtschaft auf der weiter oben genannten Konferenz Die Römer im Rhein-Main-Gebiet, 2011 schreibt er unter Erschließung natürlicher Ressourcen ( im Tagungsband S.160), dass Bleirohre aus Mainz aus Blei von den oben genannten Eifeler Bergwerken Silberberg, Bleialf und Glückstal hergestellt worden sind. Aber auch in Waldgirmes, und sogar in Dangstetten am Oberrhein, so von Kaenel, wurde Blei aus der Eifel verwendet. Das finde ich doch sehr überraschend, der Abbau setzt doch sehr früh ein, und die Frage stellt sich, ob dies wie am Eisenberg in der Nordpfalz in Kooperation mit der einheimischen Bevölkerung geschieht. Anders kann ich es mir nicht vorstellen.

*(Auf der Universitätsseite ist die gesamte Dissertation auch als PDF herunterladbar).
Nachtrag Bleiabbaugebiet Nordeifel, Chronologie: in der oben genannten Studie wurden Bleiartefakte der vorrömischen Eisenzeit einbezogen (z.B. Radamulette Votivgaben aus Heiligtümern in Wallendorf und Martberg), auch deshalb wurde ein vorrömischer Bleiabbau in der vorrömischen Eisenzeit angenommen. Ich habe in die Dissertation von Michael Bode geschaut (heute Bergbaumuseum Bochum, danke @Pardela_cenicienta für den link), er schreibt 2008 etwas anderes: auffallend bei ihm, er bezieht ein wichtiges Abbaugebiet etwas nördlich von Nettersheim ein, den Mechernicher Bleiberg, der jedoch am gleichen Gangzug liegt wie Silberberg und Bleialf - um Mechernich liegt das größte Bleivorkommen Europas.
Bode schreibt: "Bis vor Kurzem galt es als wahrscheinlich, dass schon in vorrömischer Zeit Bleierzbergbau im Rheinland betrieben wurde und die römischen Invasoren diesen fortführten (z.B. Gechter, 1993, Wegener, 1993). Die Informationen konnten aber einer erneuten Prüfung in jüngster Zeit nicht standhalten. Es gibt weder direkte Hinweise auf vorrömischen Bleierzbergbau noch konnte man die Verwendung von Blei in eisenzeitlichen Siedlungen belegen (Rothenhöfer, 2005). Eine Neuuntersuchung der nach Davies (1935) und Preuschen (1956) angeblich latènezeitlichen Münzfunde aus den Halden und Schächten bei Keldenich zeigte zudem, dass es sich hierbei mit hoher Wahrscheinlichkeit um ubische Quinare handelt. Sie geben Anlass zu der Annahme, dass erst im Zuge der Anlage der römischen Fernstrasse Trier-Neuß im 2. Jahrzehnt v. Chr. das Bleierzrevier der Nordwesteifel erschlossen wurde (Rothenhöfer, 2005)."
Dies ähnelt der Vermutung von Ortisi (siehe Beitrag 70 zu Marcomagus), der einen Zusammenhang zwischen der schnellen Besiedlung im Urffttal, der Eisenproduktion und dem Ausbau der Agrippastraße Trier-Köln sieht. Das wäre eine Spur zu meiner Vermutung, dass der Abbau mit den Ubiern die Rheinseite gewechselt hat (siehe Artikel von Kuhnen, Beitrag 44). Jedoch müsste erklärt werden, wodurch die Bleiisotopenanalyse der vorrömischen Objekte widerlegt ist, aus der die Hypothese vorrömischer Bleigewinnung (der Treverer) entstand. Abaugebiet noch nicht gefunden?

Römischer Abbau in Mechernich, Nordeifel: "Das Ausmaß römerzeitlichen Bleierzbergbaus in der Nordwesteifel ist bis heute nicht
völlig geklärt. Hinweise auf römischen Bleierzabbau und auf Verhüttung finden sich am Bleiberg bei Mechernich (z.B. Schalich et al., 1986, Wegener, 1994), auf dem Tanzberg bei Keldenich, bei Kommern, Kall und Kallmuth und möglicherweise auch südlich Berg vor Nideggen (Davies, 1935, v. Petrikovits, 1958, Wegener, 1993). Gottschalk (2003) sieht als deutlichstes Indiz für römische Bleigewinnung am Mechernicher Bleiberg, dass die Wasserrohrleitungen von Mechernich auf einer Sohle von ausgewaschenen Sanden lagern, die dortige Halde also älter ist als die Wasserleitung. Weisgerber (2003) berichtet von 1 m mächtigen Schmelzabfällen bei Kall in der Trasse der römischen Eifel-Wasserleitung nach Köln."

Michael Bode, Archäometallurgische Untersuchungen zur Blei-/Silbergewinnung im Germanien der frühen Römischen Kaiserzeit, 2008

Mein Eindruck zusammenfassend: der Umfang der römischen (und vorrömischen) Erzgewinnung wird erst langsam in den letzten Jahrzehnten sichtbar. Der jetzt mehrfach zitierte Peter Rothenhöfer hat 2018 ein europaweites Forschungsprojekt zur römischen Wirtschaftsgeschichte, konkreter zur Metallgewinnung vorgestellt. Corpus der römischen Bleibarren - Corpus of Roman Lead Ingots 2018
Inzwischen ist über viele Jahre eine Bestandsaufnahme und Erfassung aller römischen Bleibarren erstellt worden,:
"Bislang existerte lediglich eine ältere Zusammenstellung römischer Bleibarren aus den Jahren 1920/1921, die ungefähr 160 Barren aufistet
und 70 verschiedene Produzenteninschrifen kennt. Diese Zahlen konnten wesentlich vermehrt werden. In der ersten, von der DFG geförderten Projektphase (Ende 2009 bis Anfang 2014) wurden über 2200 Bleibarren in fast 100 Museen, Ämtern der Denkmalpfege und in Privat-sammlungen aufgenommen. Dabei konnten über 500 Materialproben für Spurenelementanalysen und Bleiisotopenmessungen entnommen werden. Unter Einbeziehung der nur aus der Literatur bekannten Funde sind mitlerweile 2650 Bleibarren bekannt, die in folgenden Ländern gefunden wurden: Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Spanien mit Balearen, Portugal, Marokko, Algerien, Tunesien, Italien, Schweiz, Österreich, Kroaten, Bosnien-Herzegovina, Jugoslawien, Rumänien und Israel, wobei die scheinbare Fundleere im Osteil des Römischen Reiches – bis auf Israel – forschungsbedingt zu erklären ist."


Da ist noch einiges Neues zu erwarten.

Zu guter letzt, ich kann es mir doch nicht verkneifen, da schon die spätlatènezeitlichen ubischen Quinare nicht aus Bad Emser Silber gerpägt,
sondern nur das Blei dafür (mutmaßlich) benutzt wurde, entschädigt (mich) ein aktuellerer Fund (2020) mitten im neu entdeckten Montanrevier Hintertaunus. Die Geschichte ist großartig, der Fund aus meiner Sicht eindrucksvoll: ein Prägeunterstempel, der um 1930 in der Nähe der neu entdeckten Befestigung am Herrenwäldchen aufgesammelt wurde, und beim Enkel auf dem Schreibtisch lag! 90 Jahre lang unerkannt in Privatbesitz!
Das Münzprägestempel eines Triquetrumstaters aus Selters-Haintchen. Hessen Archäologie 2020 (2021), 120–125. Sabine Schade-Lindig, David Wigg-Wolf https://www.researchgate.net/public...aintchen_Hessen_Archaologie_2020_2021_120-125
Wenn dies kein Hinweis ist, dass da lokal geprägt wurde! Hier nachgewiesen eine Gold-Silber-Kupferlegierung des spätlatènezeitlichen Regenbogenschüsselchens mit Dreibein vom Dünsberg...Fundort lag an einem Altweg, den das jetzt zweimal erwähnte Numeruskastell Alteburg (Heftrich) überwachte. Blick auf den Ringwall von Südwesten, dahinter der Verlauf der Hessenstraße mit den ehemaligen Ackerflächen als mögliche Fundstellen des Stempels
Screenshot 2025-11-27 at 23-34-43 (PDF) Aus der Münzwerkstatt.png
Screenshot 2025-11-27 at 23-57-20 hA-2020_Inhalt.indb - Schade-LindigandWigg-Wolf-2021-DasMunz...png
 
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Ich hatte gelesen, ohne weiterführenden Literaturbeleg, dass in keltischer Erzschmelze das Hinzufügen von Blei den Schmelzpunkt senkt.

Über die Verwendung von Blei in keltischen Schmucklegierungen weiß ich leider zu wenig, hatte aber auch von Radscheibenfibeln mit höherem Bleianteil gelesen.

Das Numeruskastell Alteburg wird aber aufgrund seiner vorgeschoben Position schon lange mit der Ausbeutung von Erzen in Verbindung gebracht.
 
Das Münzprägestempel eines Triquetrumstaters aus Selters-Haintchen. Hessen Archäologie 2020 (2021), 120–125. Sabine Schade-Lindig, David Wigg-Wolf https://www.researchgate.net/public...aintchen_Hessen_Archaologie_2020_2021_120-125
Wenn dies kein Hinweis ist, dass da lokal geprägt wurde! Hier nachgewiesen eine Gold-Silber-Kupferlegierung des spätlatènezeitlichen Regenbogenschüsselchens mit Dreibein vom Dünsberg...Fundort lag an einem Altweg, den das jetzt zweimal erwähnte Numeruskastell Alteburg (Heftrich) überwachte. Blick auf den Ringwall von Südwesten, dahinter der Verlauf der Hessenstraße mit den ehemaligen Ackerflächen als mögliche Fundstellen des Stempels
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Eigenkorrektur: ich habe mich mit den Altstraßen vertan. Die hier angezeigte Hessenstraße Hessenstraße – Wikipedia , die den neu entdeckten Ringwall Herrenwäldchen, passiert, verläuft von St.Goarshausen nach Katzelnbogen in Südwest-Nordost-Richtung, und kreuzt im Goldenen Grund den Alten Mainzer Weg, der das Kastell Heftrich passiert, und bei Haintrich die Rennstaße Rennstraße – Wikipedia , die den Vordertaunus mit dem Gießener Becken (Dünsberg) verbindet. Daher ist der Ringwall in einer verkehrsstrategisch besonderen Situation, da zwei Wege zwischen wichtigen Siedlungskammern sich hier kreuzen: Vordertaunus (Heidetränkoppidum) und Maingebiet, Limburger Becken mit Oppidum Dornburg (Ziel des Alten Mainzer Wegs), und das Gießener Becken mit dem Dünsberg, und verbindet zusätzlich mit dem Rhein und einer Furt bei St. Goarshausen.
 
Durch die Gemarkung verläuft die Hessen- oder Römerstraße. Sie führte von Trier über eine Rheinfurt bei St. Goarshausen bis nach Kassel. In der Nähe der Schutzhütte wurde eine kurze Strecke freigelegt und mit einem Hinweisstein versehen.
Wikipedia Reichenberg - - das nennt nur diese Furt, mehr nicht.

Auch Hessenstraße – Wikipedia ist da nicht besonders aufschlussreich
 
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Wikipedia Reichenberg - - das nennt nur diese Furt, mehr nicht.

Auch Hessenstraße – Wikipedia ist da nicht besonders aufschlussreich
Du hast recht, wahrscheinlich ein Blödsinn, der irgendwo gestanden hat, ich habe es gefunden, auf einer Seite von rlp-tourismus (Rheinland-Pfalz-Tourismus)! Um Gottes Willen! (wie tief kann man fallen?!?)
In St.Goarshausen gab es wohl recht früh einen Fährbetrieb nach St.Goar. Und du hast recht, der Rhein ist aufgrund der Enge bei der Loreley sehr tief.
 
Dass die Hessenstraße in St.Goarshausen beginnt, spricht dafür, dass man dort irgendwie über den Rhein kam....
das hatte ich mir auch gedacht, aber hier Untiefen des Rheins – Wikipedia finde ich keinen Hinweis auf Untiefen oder gar eine Furt zwischen St. Goar und St. Goarshausen - ich weiß wirklich nicht, ob es da eine Furt gab, es wundert mich nur wegen der Enge des steilen Tals und der immensen Strömung. Ich hätte eine Furt eher flussaufwärts, bei oder vor Bingen erwartet.
 
Bei "Regionalgeschichte.net" liest man:

Die Kelten und Germanen siedelten in dieser Region auf den Höhen; anhand ihres Wegenetzes weiß man aber, daß sie schon Fähren einsetzten: Doppel-Einbäume und einfache Flöße.
 
Naja, den Stein oben scheint es ja zu geben. Wer auch immer den aufgestellt hat.

Dass die Hessenstraße in St.Goarshausen beginnt, spricht dafür, dass man dort irgendwie über den Rhein kam....
Wahrscheinlich Rheinlandpfalz-Tourismus! Ich werde EQ bitten mir einen Punkt von 113 abzuziehen, Mit der Schande kann ich nicht leben! :mad:
falls bei St Goarshausen ein solcher Fährbetrieb vorhanden war, dann alle Achtung vor den nautischen Fähigkeiten der keltischen Binnenschifffahrt (!), denn:

aus Untiefen des Rheins – Wikipedia
Mittelalterlich, auch die Straße ist eigentlich mittelalterlich belegt. Wie der Rhein schiffbar war, wäre sicher ein eigenes Thema, ich wollte bei meiner Fehlerkorrektur nicht neue Fehler erzeugen, jetzt hab ich den Salat (warum eigentlich Salat?)! :rolleyes:
 
:mad:

Mittelalterlich, auch die Straße ist eigentlich mittelalterlich belegt. Wie der Rhein schiffbar war, wäre sicher ein eigenes Thema, ich wollte bei meiner Fehlerkorrektur nicht neue Fehler erzeugen, jetzt hab ich den Salat (warum eigentlich Salat?)! :rolleyes:
Das muß kein Fehler sein, heikel ist heikel aber trotzdem schiffbar, wer als örtlicher Schiffer die Verhältnisse kennt wird da wohl wissen was zu tun ist!?
 
@El Quijote @Moderation
könntet ihr bitte die Beiträge #84-95 in einen eigenen Faden verschieben, gerne unter dem Titel "Rheinschiffahrt in Antike und Mittelalter"? Wir sind hier infolge meiner Einmischung vom Thema abgeschweift, weil sich mir Fragen zu einer eventuellen Rheinfurt gestellt hatten.
 
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