Römische Stadtmauern: Verteidigungsanlagen oder Prestige?

Für mich ist das Thema jetzt abgeschlossen. Aus meiner Sicht ist alles gesagt.

Auf das bist Du leider nicht eingegangen:

Carnuntum befand sich im frühen 2. Jh. direkt an einer kritischen Grenze, hatte 50.000 Einwohner und war Sitz einer Provinzverwaltung.

Aventicum war weg von einer Grenze und hatte nur 20.000 Einwohner. Das war eine mehrheitlich helvetische Bevölkerung, deren Oberschicht auch "in der Kolonie selbst die führende Rolle" innehatte (Frei-Stolba). Daneben gab es - ebenfalls seit Jahrzehnten - eine Minderheit von Zugezogenen, jedoch keine nennenswerte Militärpräsenz.


Und das "alles gesagte" erklärt eben nicht, warum Aventicum mit einer Stadtmauer umgeben wurde, Carnuntum aber nicht.

Wen interessiert die Frage?
Wenn Dich die Frage nicht interessiert, dann können wir das "mit reichen Veteranen besiedelt" im Falle Aventicums ad acta legen.

Denn Aventicum war vor allem von einheimischen Helvetiern besiedelt. Und diese gönnten sich im Zuge der Erhebung zur Colonia eine Stadtmauer. Wenn sie diese schon im Vierkaiserjahr gehabt hätten, hätten sie sich gegen "die Römer" verteidigen können ;)
Dass "die Römer" draußen und ihre helvetischen "Feinde" drinnen waren, müsstest Du inzwischen mitbekommen haben?


Zu Repräsentationszwecken hat man dann wohl doch lieber Thermen, Foren oder Tempel gebaut.
Aber eben auch nicht nur zu Repräsentationszwecken. Ein Tempel kann so aussehen oder so.
Nicht nur Thermen, Foren und Tempel konnten repräsentativen Charakter haben, auch Theater, Amphitheater, Stadttore und Stadtmauern.

Amphitheater eignen sich hervorragend für Spiele und Wettkämpfe. Thermen sind so eingerichtet, dass man darin baden kann. Und Stadtmauern und Stadttore lassen sich am besten zur Verteidigung nutzen.

Das sind aber alles keine Argumente gegen meine These, dass diese Bauwerke auch dazu gedacht waren, Repräsentationsbedürfnisse zu befriedigen.

Und wenn eine bestehende Siedlung in den Rang eine Colonia erhoben wurde, war das ein Anlass, die Stadt architektonisch aufzumotzen. Wenn man schon ein Forum, Thermen und Tempel hatte, dann musste jetzt eben noch ein Amphitheater und eine Stadtmauer her.
 
Mir ist das ganze ein wenig zu extrem auf den einen oder anderen Zweck reduziert, können denn Stadtmauern nicht auch Verteidigungs- und Repräsentationszwecken dienen?

Wer hat denn eigentlich die Erlaubnis gegeben, die Stadtmauern gegeben? In irgendeiner Arbeit habe ich etwas von einer Erlaubnis des Kaisers selber gelesen (bin momentan zu müde, um das herauszusuchen - morgen vielleicht).
 
Ich bin dagegen weiter der Meinung, dass die Stadtmauer sehr wohl und in erster Linie militärische Bedeutung hatte

Natürlich war die Funktion der Stadtmauer ab ovo eine militärische. Was du m.E. verkennst – und da helfen auch keine flapsigen Kommentare – ist die sicherlich gleichwertige Bedeutung der Stadtmauer als Signum von städtischer Identität und Repräsentation, die aus ihrer Funktion als physische wie idelle Grenze zwischen dem Drinnen und Draußen resultiert (man denke nur an Torkulte in diesem Zusammenhang). Das zeigt etwa das Beispiel Nikopolis.
 
– ist die sicherlich gleichwertige Bedeutung der Stadtmauer als Signum von städtischer Identität und Repräsentation, die aus ihrer Funktion als physische wie idelle Grenze zwischen dem Drinnen und Draußen resultiert (man denke nur an Torkulte in diesem Zusammenhang).

Aber für ein Signum reicht doch auch eine stilisierte Mauer. Vielleicht schöne Tore, ein paar Meter Mauer an den Haupteinfallstrassen u.ä.

Weiter oben gab es doch auch ein Beispiel für eine Stadt, deren Mauerbau unvollendet blieb.

Wenn eine Kommune eine Mauer ringsrum baut, auch um die Armenviertel, den Gerberbezirk etc. muss das doch einen Sinn haben.
 
Mir ist das ganze ein wenig zu extrem auf den einen oder anderen Zweck reduziert, können denn Stadtmauern nicht auch Verteidigungs- und Repräsentationszwecken dienen?

Über diesen Punkt sind sich alle, einig, die sich bisher zu Wort gemeldet haben. Insbesondere Skilehrer und Sepiola. :)

"Repräsentativ, trotzdem wehrhaft", heißt es hier:

Stadtmauer und Tore

Das eine schließt das andere nicht aus.

Zweifelsohne! Repräsentativ UND nützlich war die Stadtmauer!
 
Aber für ein Signum reicht doch auch eine stilisierte Mauer. Vielleicht schöne Tore, ein paar Meter Mauer an den Haupteinfallstrassen u.ä.

Das sieht dann halt so unfertig aus, nach Bauruine. Zum Protzen ungeeignet: "Erst groß angeben wollen und dann nach ein paar Metern schon schlapp machen."
 
Huhu,

ich verstehe die Diskussion über das entweder/oder von Stadtmauern nicht.
Man sollte eher von multiplen Funktionen ausgehen, die außerdem über reine Verteidigung und Repräsentation hinausgehen.

Aquilifer hat da ein Stichwort gebracht, was ich in diesem Zusammenhang auch anführen würde: Innen und Außen - und zwar genau das voneinander zu trennen.

Stadtmauern hatten z. B. auch rechtliche Funktionen - Sie trennen verinfacht gesprochen zwei Bereiche mit unterschiedlichem Recht - der Bereich innerhalb der Stadt von dem außerhalb der Stadt.
Klar kann man das auch symbolisch durch eine andere Art der Kennzeichnung dieser Grenze, aber Mauern mit fest definierten Ein- und Ausgänge (Tore/Pforten) haben demgegenüber ein paar weitere Vorteile.
Durch die fest definierten Ein- und Ausgänge - sowie Maßnahmen, die die Überschreitung der "Grenze" an anderen Orten erheblich anstrengender machen (z. b. Mauern) lassen sich die Ein- und Austritte von Menschen, Tiere, Waren kontrollieren, mit allerlei netten Möglichkeiten, die sich daraus ergeben (Abgaben, Lenkung der Warenflüsse, Vermeidung, dass bestimmte Menschen raus oder reinkommen usw.)

Wenn man schon mal so weit ist, macht es natürlich Sinn, die Grenze auch verteidigungstechnisch auf einen sinnvollen Stand zu bringen.
Stadtmauern sollten schon mal so solide und sinnvoll angelegt werden, dass man einer mittelgroße Horde plündungswilliger Zeitgenossen, die Lust am "einklaufen" nehmen kann.
Sich von einer überlegenen Streitmacht in einer befestigten Siedlung (Stadt, Burg, usw.) über längere Zeit belagern zu lassen, ohne das Entsatz in Aussicht ist, hat sich über die gesamte Menschheitsgeschichte in den meisten Fällen als ziemlich blöde Idee herausgestellt. "Uneinnehmbare" Mauern nützen eben nicht mehr, wenn man in ihrem Innern ausgehungert wird. Da ist man dann nämlich auch tot.
Aber so solide, dass man mal ein paar Tage ohne größeren Schaden zu nehmen überstehen kann, sollte eine Stadtbefestigung dann schon sein.

Respräsentativ sind die Mauern dann meist auch, wenn sie schon mal da sind. Und je nach finanzieller Ausstattung kann man mit besonderer Bauweise usw. dann auch schön angeben.

Übrigens hat auch Nida als Civitashauptort Anfang des 3. Jh. eine Stadtmauer erhalten. Aber da ging es sicher - wie bei vielen spätantiken Befestigungen am Rhein sowie in seinem linksrheinischen Hinterland - darum, gewaltafinen, germanischen Nachbarn mit Selbstbedienungsmentalität die "Einklauftouren" ein wenig zu erschweren.

Nur mal so.

VG
Nemetona
 
Wie´s Brandenburger Tor oder der Arc de Triomphe halt auch.

Das sind aber keine Beispiele für Tore mit einer "stilisierten Mauer", die nur "ein paar Meter" weit reichte.

Der Arc de Triomphe geht auf römische Vorbilder zurück wie z. B. den Titusbogen. Der steht auch nicht am Stadteingang, sondern mitten in der Stadt.

Zum Brandenburger Tor gehörte ursprünglich eine Mauer, die tatsächlich die ganze Stadt umschloss, ohne eine militärische Bedeutung zu haben:
https://de.wikipedia.org/wiki/Berliner_Zollmauer
 
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