Schnöde Werbung, oder doch mehr?

Friesengeist

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Ich bin im Simplicissimus (8. März 1926 | 30. Jahrgung Nr.49) über eine Werbeanzeige gestolpert.
Ist die Aussage "Die Beherrschung des Orients" einfach nur als Werbeslogan und Wunschdenken der Firma Reemtsma zu sehen oder spiegelt sich da vielleicht auch etwas anderes wieder?

Selbst wenn ich berücksichtige das es sich bei der Zeitschrift um "Satire" handelt, finde ich diese Werbeaussage sehr merkwürdig.
 
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Ich bin im Simplicissimus (8. März 1926 | 30. Jahrgung Nr.49) über eine Werbeanzeige gestolpert.
Ist die Aussage "Die Beherrschung des Orients" einfach nur als Werbeslogan und Wunschdenken der Firma Reemtsma zu sehen oder spiegelt sich da vielleicht auch etwas anderes wieder?

Selbst wenn ich berücksichtige das es sich bei der Zeitschrift um "Satire" handelt, finde ich diese Werbeaussage sehr merkwürdig.


Nun mir fällt da zuerst mal auf, dass Reemtsma unter Orient was anderes versteht als ich.
Stammen die "Orient-Tabake" evt. alle vom Balkan?

Ohne jede Belastung durch irgendwelches Wissen::pfeif:
Interpretieren würde ich die Anzeige wie folgt:
Durch die unnachamliche Mischung von 12 Orient-Tabaken ist die Reemtsma-Zigarette so unvergleichlich.
Reemtsma "beherrscht" die beste Tabak-Mischung aus 12 Orient-Tabaken.
 
...und das wären dann die 12 Gründe zur Leistungsfähigkeit?

Ich weiss nicht, so richtig kann ich mich mit der Interpretation noch nicht anfreunden - auch wenn sie schlüssig klingt
 
Ich bin im Simplicissimus (8. März 1926 | 30. Jahrgung Nr.49) über eine Werbeanzeige gestolpert.
Ist die Aussage "Die Beherrschung des Orients" einfach nur als Werbeslogan und Wunschdenken der Firma Reemtsma zu sehen oder spiegelt sich da vielleicht auch etwas anderes wieder?

Selbst wenn ich berücksichtige das es sich bei der Zeitschrift um "Satire" handelt, finde ich diese Werbeaussage sehr merkwürdig.

War das eine offizielle Anzeige der Firma Reemtsa?
Dann wurde sie auch in anderen Zeitungen veröffentlicht und dann fände ich den Krallenarm auch sehr merkwürdig, weil in meinen heutigen Augen wenig werbewirksam?
Aber dann könnte man die Veränderungen im Ausdruck der Werbung untersuchen, wäre ein interessantes Thema, bei dem wir etwas über den Zeitgeist der 20er erfahren könnten.
 
Keine Ahnung ob das eine offizielle Werbung von Reemtsma gewesen ist.
Macht zumindest einen offiziellen Eindruck.
Da ich den Simplicissimus nicht weiter kenne, kann ich nicht beurteilen ob da Firmen anhand einer "Werbung" durch den Kakao gezogen wurden.

Für den Fall das sich jemand die Ausgabe mal anschauen möchte.
Wieso bekomme ich bei dem Wort "jemand" jetzt immer Assoziationen?:pfeif:

http://swk-web1.weimar-klassik.de/simplicissimus/30/30 49.pdf
 
...und das wären dann die 12 Gründe zur Leistungsfähigkeit?

Ich weiss nicht, so richtig kann ich mich mit der Interpretation noch nicht anfreunden - auch wenn sie schlüssig klingt


Ich habe mal "Ernte" geraucht.
Ist mir gerade eben wieder eingefallen, das Zeichen darauf sah mir doch sehr ähnlich aus, wie das auf Deinem Werbebild.
Und siehe da:

aus dem Link:
Im Jahr 1923 fiel die Ernte des in Nordgriechenland angebauten Orienttabaks so groß aus, dass die Experten von Reemtsma sie als Mischungsgrundlage empfahlen. Der Tabak wurde 1924 Basis für die neue, von Hans Domizlaff geschaffene Marke Ernte 23.
Ungewöhnlich für die damalige Zeit war die Farbgestaltung der Ernte 23-Packung. In den Farben Grün und Orange entwarf der Designer Erich Etzold eine Packung, die sich auffallend von den Farbkombinationen anderer Marken abhob.

scheint mir schon die Verbindung Reemtsma - Orienttabak zu geben.



OT: Rauchen - das einzige Laster dass ich nachhaltig unterlassen konnte.
 
War das eine offizielle Anzeige der Firma Reemtsa?
Dann wurde sie auch in anderen Zeitungen veröffentlicht und dann fände ich den Krallenarm auch sehr merkwürdig, weil in meinen heutigen Augen wenig werbewirksam?
Aber dann könnte man die Veränderungen im Ausdruck der Werbung untersuchen, wäre ein interessantes Thema, bei dem wir etwas über den Zeitgeist der 20er erfahren könnten.

Krallenarm? Da kommt man anhand eines Wiki-Artikels ja auf ganz andere Gedanken.

Der rasante Aufstieg des Unternehmens in der Weimarer Republik und in der NS-Zeit fußte auf modernen Produktions- und Marketingmethoden, vor allem aber auch auf aggressiver Expansionspolitik und engen Kontakten zu den Mächtigen in Politik und Wirtschaft. Innerhalb weniger Jahre erwarb Reemtsma die Zigarettenfabriken Manoli (Berlin), Büssum (Bussum/NL), Josetti (Berlin), Jasmatzi (Dresden), Batschari (Baden-Baden), Delta (Dresden), Garbáty (Berlin), Constantin (Hannover) und Yenidze (Dresden) und kooperierte außerdem ab 1929 mit dem größten Konkurrenten Haus Neuerburg, der schließlich 1935 ebenfalls vollständig übernommen wurde. 1930 löste die aggressive Verdrängungspolitik der für Reemtsma in Berlin selbständig agierenden Mitarbeiter den Reemtsma-Skandal aus, der ein gerichtliches Nachspiel, allerdings ohne Folgen für Reemtsma hatte. Mitte der 1930er Jahre wurden rund zwei Drittel der deutschen Zigarettenproduktion kontrolliert und der Einfluss des Unternehmens ging weit über die Tabakindustrie hinaus.
Hervorhebung von mir ;)
 
Krallenarm? Da kommt man anhand eines Wiki-Artikels ja auf ganz andere Gedanken.

Hervorhebung von mir ;)


Leute,

ich habe mal eine längere Zeit Literatur der 20er gelesen, sehr gerne gelesen,
Tucholsky, Fallada, Remarque usw. gerade die Weltbühne, ...
Köstlich kann ich Euch sagen, man war in der Zeit sehr wohl in der Lage sich mit einem Lächeln selbst auf die Schippe zu nehmen, mit einer Parodie Werbung zu machen usw. usf.

Auch den Blick auf diese Zeit versperren die "verhängnisvollen 12 Jahre" total.
Bei den Zeitungszeugen werdet Ihr das ja in der nächsten Zeit lesen können, eckelerregend diese Kriecherei in Hitlers Allerwertesten.....

Ein totaler Gegensatz die Zeit zuvor.
 
Leute,

ich habe mal eine längere Zeit Literatur der 20er gelesen, sehr gerne gelesen,
Tucholsky, Fallada, Remarque usw. gerade die Weltbühne, ...
Köstlich kann ich Euch sagen, man war in der Zeit sehr wohl in der Lage sich mit einem Lächeln selbst auf die Schippe zu nehmen, mit einer Parodie Werbung zu machen usw. usf.

Auch den Blick auf diese Zeit versperren die "verhängnisvollen 12 Jahre" total.
Bei den Zeitungszeugen werdet Ihr das ja in der nächsten Zeit lesen können, eckelerregend diese Kriecherei in Hitlers Allerwertesten.....

Ein totaler Gegensatz die Zeit zuvor.

Inzwischen halte ich Satire auch für wahrscheinlicher, wenn echte Werbung Museum der Arbeit // Rauchzeichen - Fotoarchiv Reemtsma / Themen / Werbung so aussah.
 
Ich finde das Bild äußerst interessant. Dass der Orient hier in Südosteuropa liegt ist offensichtlich und gar nicht mal so ungewöhnlich. Griechenland galt anfang des 20. Jahrhundert tatsächlich als orientalisch. Der Orient-Begriff steht noch unter dem Eindruck des untergegangenen Osmanischen Reiches, erst nach der politischen Blockbildung nach 1945 wurde Griechenland nicht mehr als Teil des Orients, nicht mal mehr als Teil des Balkan, sondern als Teil des "Westens" verstanden.
Ich mal ein wenig gegooglet und immer wieder wird die Vormachtstellung Reemtsmas mit dem professionellen und modernen Marketing und Werbekampagnen des Werbeberaters Hans Domizlaffs begründet. Er erfand auch 1923 die Marke "Ernte 23" mit dem Orienttabak.
Ich glaube im Grunde geht es bei der Beherrschung des Orients um den Duft der weiten Welt sowie ums das bloße Auffallen. Dass die Parole "Beherrsche den Orient" für Verwirrung sorgt, war wohl ganz im Sinne des Werbepsychologen.
Dazu das Hans-Domizlaff-Archiv:
Unter Domizlaffs Ägide entstanden bei Reemtsmaseit 1921 neben dem typischen „tabakfachlichen Reklamestil des Hauses Reemtsma“ und der Gestaltung sämtlicher Werbemittel viele glanzvolle Markennamen der Zwischenkriegszeit: die Klassiker R6, Ernte 23 und Ova sowie Gelbe Sorte, Swaneblom, Cavalla und Erste Sorte. Außerdem die noch heute legendäre Senoussi, die als eine von wenigen Verpackungen mit einer von Domizlaff selbst gezeichneten Illustration ausgestattet ist: eine geheimnisvolle Versammlung von Beduinen in der Wüste, die bei den Konsumenten Assoziationen von Kara Ben Emsi und Laurence von Arabien weckte. Aus dieser Zeit stammen die damals ungewöhnlichen Slogans „Ova im Araberformat“ und „R6 – doppelt fermentiert – 4 Pfennig“.
Interessanterweise löste in den 50er Jahren der Virgina-Tab den Orient-Tabak ab. Folglich wurden auch in der Werbung Araber und Orientalen durch Indianer ersetzt.
 
War das eine offizielle Anzeige der Firma Reemtsa?
Dann wurde sie auch in anderen Zeitungen veröffentlicht und dann fände ich den Krallenarm auch sehr merkwürdig, weil in meinen heutigen Augen wenig werbewirksam?

Das sehe ich ganz genau so. So wie heute Werbungen in Zeitschriften als Artikel getarnt werden, so scheint hier die Kritik an Reemtsma als Werbung getarnt zu sein.
 
Das sehe ich ganz genau so. So wie heute Werbungen in Zeitschriften als Artikel getarnt werden, so scheint hier die Kritik an Reemtsma als Werbung getarnt zu sein.


Womit Domizlaff sein Ziel absolut erreicht hätte:
.„Die Kunst der Reklame beruht darin, so wenig wie möglich Reklame zu machen, d.h. soweit sich dies mehr oder weniger in Geld ausdrückt, um dafür aber mit einem Minimum an Kräften die größtmögliche Wirkung zu erzielen.“ Dies notierte Hans Domizlaff 1929 in seinem Buch „Typische Denkfehler der Reklamekritik“. Die Durchdringung der Massenseele war für ihn durch klugen Verzicht erreichbar, wobei alles zu unterbleiben hatte, was nicht dem Stil dient. Oder wie Domizlaff es in einem gerne zitierten Bonmot festhielt: "Die schönste Reklame ist die, die man sich ersparen kann."
Aber ich habe meine Zweifel. Auch damals haben die Zeitungen von den Anzeigen gelebt. Nicht vom Verkaufspreis.

Fällt mir noch ein Beispiel ein, der traurige Held Tredup in "Bauern, Bomben und Bonzen" (übrigens ein sehr lesenswertes Buch Falladas) ist Anzeigenwerber einer Zeitung.

Direkt unter der Reemtsma-Anzeige steht übrigens der Preis RM 1,25 je Zeile. Ich hab mir in Friesengeists Link den Simpl angeschaut, das ist eine eindeutige Anzeige. Und bei Fallada,siehe oben, habe ich auch die Begründung gelesen, warum eine Zeitung sowas nicht machen würde "Die bezahlen uns sonst nie wieder eine Anzeige" sagt Stuff seines Zeichens Chefredakteur.
 
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Womit Domizlaff sein Ziel absolut erreicht hätte:
Aber ich habe meine Zweifel. Auch damals haben die Zeitungen von den Anzeigen gelebt. Nicht vom Verkaufspreis.

Fällt mir noch ein Beispiel ein, der traurige Held Tredup in "Bauern, Bomben und Bonzen" (übrigens ein sehr lesenswertes Buch Falladas) ist Anzeigenwerber einer Zeitung.

Direkt unter der Reemtsma-Anzeige steht übrigens der Preis RM 1,25 je Zeile. Ich hab mir in Friesengeists Link den Simpl angeschaut, das ist eine eindeutige Anzeige. Und bei Fallada,siehe oben, habe ich auch die Begründung gelesen, warum eine Zeitung sowas nicht machen würde "Die bezahlen uns sonst nie wieder eine Anzeige" sagt Stuff seines Zeichens Chefredakteur.

Das ist ein guter Tip @Repo den verlinkten Simpl anzuschauen.
Die schlüpfrigen Kleinanzeigen auf Seite 703 muten fast zeitgenössisch an, Zeitungen müssen Anzeigen verkaufen.
Darüber die Creme Mouson-Werbung, die dem Teint ein "vornehm" mattes Aussehen verspricht.
Im Zusammenhang mit Mouson, Kaloderma, BMW kommt mir der Krallengriff von Reemtsa schon eine Spur weniger merkwürdig vor und wenn man dann noch auf Seite 706 über "Politische Südfruchte" liest.
Es gab scheinbar schon damals simple Produktwerbung und Firmen-PR.
 
Ist denn noch keinem aufgefallen, dass die Grenzen nicht den Stand von 1926 widerspiegeln? Polen hat man kurzerhand komplett vereinnahmt, die k.& k.-Monarchie gibt es auch noch.
 
Ist denn noch keinem aufgefallen, dass die Grenzen nicht den Stand von 1926 widerspiegeln? Polen hat man kurzerhand komplett vereinnahmt, die k.& k.-Monarchie gibt es auch noch.

Nein, ich habe nur den gierigen Arm über dem Balkan wahrgenommen.
Was sagt uns deine Entdeckung der falschen Karte?
 
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