Spanien 1808 vs. 1823

Danke für die Korrektur, Excideuil. Von falscher (?) Bescheidenheit hat Napoleon nichts gewusst. Aber vermutlich kann man nur auf diese Weise Karriere machen, in dem man sich im richtigen Licht und ohne hemmende Scham präsentiert. Und abgesehen von Angeberei und Propaganda: Napoleon hat einen unvergleichlichen Aufstieg hingelegt und auf dem Schlachtfeld wie auch in der Politik viel erreicht bzw. geleistet.
 
Ob man als zentrales Motiv in Spanien Patriotismus im modernen Verständnis festmachen kann, muss dahingestellt bleiben. Michael Rowe spricht in diesem Zusammenhang sehr treffend von einem "home defense patriotism", d.h., es ging um die Verteidigung der eigenen Städte und Dörfer, der Familie, der Religion, ... Klar, dass die Anhänger Ferdinands VII. an einem Kampf gegen Napoleon interessiert waren. Aber es ist fraglich, ob der so genannte Unabhängigkeitskrieg der spanischen Patrioten ohne Unterstützung durch britische Truppen und englisches Geld bzw. die Entwicklungen im restlichen Europa von Erfolg gekrönt gewesen wäre.

Diese Sichtweise möchte ich etwas in Frage stellen.

Selbstverständlich gab es einen "lokalen" patriotismus der sich darauf konzentrierte die eigene Region, Stadt oder Dorf zu verteidigen. Dass trotz französischer Besatzung jedoch alle Regionen und wichtigen Städte Delegierte zu den Cortes, erst in Sevilla und dann in Cadiz schickten, ist ein eindeutiges Zeichen, dass es über das Lokale hinaus ging und man ein nationales Ziel verfolgte.

Bezüglich der Briten: In der britischen Sichtweise des Kreges auf der Iberischen halbinsel wird der Spanische Anteil oft stark heruntergesetzt. Dabei war Bailén ein rein spanischer Sieg, zu einem Zeitpunkt an dem die Franzosen Napoleons an allen Fronten praktisch unbesiegt blieben und die Britische Armee unter Moore auf dem Rückzug war. nach Bailen kamen noch einige kleinerer Siege wie Bruc, Valmaseda, Valdepeñas, Vigo oder Puntesampayo, bzw. unentschiedene Gefechte wie Pancorbo, bevor die Franzosen aufstockten und die spanischen Armeen weitgehend zerschlugen. Trotzdem konnten sie nie den komplette militärischen Widerstand niederschlagen, den Zivilen schon gar nicht.

Es ist gut möglich, dass die Spanier ohne den britischen Beitrag die Franzosen nicht aus dem Land hätten werfen können. Die Briten hätten aber ohne den Spanischen Beitrag die Franzosen auf keinen Fall besiegt. Die Armee Wellingtons auf dem Feld betrug die meiste Zeit nicht mehr als 30.000 bis 40.000 Briten und Deutsche, begleitet von einer variablen Anzahl Portugiesen und Spaniern. Erst bei Vitoria waren es ca. 57.000 Briten-Deutsche und ca. 24.000 Portugiesen und Spanier. Die Französischen Truppen auf der Peninsula betrugen dagegen zeitweilg 300.000 Mann, die jedoch nicht in voller Stärke gegen Wellington genutzt werden konnten, weil Sie mit der Sicherung der Eroberung gegen die Spanischen Guerrilleros beschäftigt waren. Die Französischen Verluste im Kleinkrieg waren auch wesentlich größer als die in den relativ wenigen Feldschlachten. Insgesamt verlor Napoleon zwischen 200 und 300.000 Mann in Spanien.

Was die Komposition der Guerillas betrifft, stimmt es zwar auch, dass darunter viele ehemalige schmuggler und Räuber waren, zum Teil waren es aber auch reguläre Milizen wie die Katalanischen Somatenes. Viele Guerillagruppen entstanden aus versprengten Militäreinheiten und aus einigen großen Guerillatruppen entstanden reguläre Einheiten zum Ende. Ein gutes Beispiel ist z.B. General Morillo, dessen 1. Spanische Division bei der Schlacht von Vitoria größtenteils aus Guerrilleros bestand, und der selber, obwohl Berufsoffizier, einen Teil des Krieges als Guerrillaführer hinter den Französischen Linien kämpfte.

Bezüglich des Britischen Geldes: Wir sind gewohnt zu denken, dass so wie die Briten Subsidien an Preussen und andere Kriegsteilnehmer gezahlt haben, dieses auch in Spanien der Fall gewesen sei. Mitnichten. Die Junta in Sevilla, später in Cadiz verfügte über Anfangs noch über beachtliche Geldmittel und die Briten liessen sich ihre Militärhilfe gut bezahlen.
Der Bruder Wellingtons, Richard, war 1809 Botschafter in Cadiz und presste aus den Spaniern bis zum letzten verfügbaren Real heraus, um die Kampagne der britischen Armee in Portugal zu finanzieren. Das ging sogar so weit, dass die Junta zwar die Anstrengungen der Briten bezahlte, für die eigenen Armee in Valencia jedoch nichts übrig blieb.
Ob dieses sich später änderte und die Briten nach dem die spanischen Ressourcen erschöpft waren, ihnen Unterstützung gaben, ist mir nicht bekannt, ich bezweifle es jedoch. Auf jeden Fall fand der größte Teil der spanischen Anstrengungen aus eigenen Mittel statt, und seien diese noch so kanpp gewesen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich könnte mir vorstellen, dass ein großer Unterscheid zwischen 1808 und 1823 in der Versorgung der französischen Armee lag.

In der Zeit der Kabinettskriege wurden die stehenden Heere mit Magazinen und Proviantwagen versorgt, so dass die Zivilbevölkerung vom Krieg verschont blieb.

Napoleon hingegen versorgte seine Armee völlig unzureichend und nahm billigend in Kauf, dass der Krieg wieder den Krieg ernährte, d.h. es wurde geraubt und geplündert wie es in den Herren absolutistischer Fürsten undenkbar gewesen wäre.

Als die Franzosen 1796 Mailand eroberten, wurden sie als Befreier von Österreich jubelnd empfangen. Nur wenige Tage später brach ein Aufstand gegen die Franzosen aus, der erst mit den üblichen Mitteln (Erschießungen etc.) unterdrückt werden konnte.

In Spanien dürfte sich das 1808 wiederholt haben. Das weiß ich nicht genau. Es würde mich aber sehr wundern, wenn es dort anders gewesen sein sollte. Insofern dürften sich die Erfahrungen der Zivilbevölkerung mit den Warnungen des Klerus vor dem "Antichristen" gedeckt haben. Und die Bevölkerung rächte sich mit einem Guerilliakrieg an den französischen Truppen.

1823 wird sich die französische Armee wieder mit Magazinen und Proviantwagen versorgt haben, so dass die Armee - für sich betrachtet - für den Großteil der Bevölkerung keinen Grund gab, sich über diese zu beschweren oder gegen diese einen Aufstand zu wagen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich könnte mir vorstellen, dass ein großer Unterscheid zwischen 1808 und 1823 in der Versorgung der französischen Armee lag.

In der Zeit der Kabinettskriege wurden die stehenden Heere mit Magazinen und Proviantwagen versorgt, so dass die Zivilbevölkerung vom Krieg verschont blieb.

Napoleon hingegen versorgte seine Armee völlig unzureichend und nahm billigend in Kauf, dass der Krieg wieder den Krieg ernährte, d.h. es wurde geraubt und geplündert wie es in den Herren absolutistischer Fürsten undenkbar gewesen wäre.

Als die Franzosen 1796 Mailand eroberten, wurden sie als Befreier von Österreich jubelnd empfangen. Nur wenige Tage später brach ein Aufstand gegen die Franzosen aus, der erst mit den üblichen Mitteln (Erschießungen etc.) unterdrückt werden konnte.

In Spanien dürfte sich das 1808 wiederholt haben. Das weiß ich nicht genau. Es würde mich aber sehr wundern, wenn es dort anders gewesen sein sollte. Insofern dürften sich die Erfahrungen der Zivilbevölkerung mit den Warnungen des Klerus vor dem "Antichristen" gedeckt haben. Und die Bevölkerung rächte sich mit einem Guerilliakrieg an den französischen Truppen.

1823 wird sich die französische Armee wieder mit Magazinen und Proviantwagen versorgt haben, so dass die Armee - für sich betrachtet - für den Großteil der Bevölkerung keinen Grund gab, sich über diese zu beschweren oder gegen diese einen Aufstand zu wagen.

Da ist bestimmt etwas dran. Die Briten waren auch nicht beliebt: Sie waren Ketzer und eigentlich der traditionelle Feind Spaniens. Die Plünderungen von Badajoz, Ciudad Real und San Sebastian, die während dieses Krieges erfolgten, werden ihnen bis heute nachgetragen. Aber Wellington bezahlte den Proviant seiner Truppen in klingender Münze (auch wenn diese vorher aus der Junta in Cadiz herausgepresst worden war) so dass das Volk auf dem Land kein Groll gegen seine Truppen entwickelte. Sonst hätten die Franzosen eventuell auch Vorteile daraus gewinnen können.

Es gab auch Spanier die für Joseph Bonaparte kämpften (Guardias Jurados) und in bestimmten gegenden konnten sie sogar ländliche Milizen (die Migueletes) gegen die Guerilleros aufstellen, weil Teile der Bevölkerung der Übergriffe von diesen überdrüssig wurden. Die Stimmung hätte eventuell auch kippen können, die Französische Arroganz und Brutalität gleich zu Beginn des Krieges, haben jedoch die Ausrichtung weitgehend vorgegeben.
 
Zuletzt bearbeitet:
1823 wird sich die französische Armee wieder mit Magazinen und Proviantwagen versorgt haben, so dass die Armee - für sich betrachtet - für den Großteil der Bevölkerung keinen Grund gab, sich über diese zu beschweren oder gegen diese einen Aufstand zu wagen.
Ich habe zwar nichts konkretes zur Versorgung gefunden, einige Indizien sprechen aber für diese Annahme:

Der König und sein Ministerpräsi. (Villéle) waren zunächst gegen die Intervention.

In der entscheidenden Debatte wurde ein 100 Millionen-Kredit für den Feldzug beschlossen.

Als Oberbefehlshaber wurde der Herzog von Angoulême bestimmt, "dessen gemäßigte Ansichten den Ultras ein Dorn im Auge waren".

Die Zuversicht der Regierung war bezüglich der Mannschaften nur rhetorisch, "denn der in der Armee herrschende schlechte Geist war ihr nicht verborgen. Der "Enkel des heiligen Ludwig", "der Helmbusch Heinrich IV.", "die Monarchie Ludwig XIV." und ähnliche Schlagwörter aus der hist. Rumpelkammer, mit denen die Offiziere die Mannschaften bearbeiteten, machten auf diese herzlich wenig Eindruck."

Ich denke, dass wohl im Vorfeld alles getan wurde, um ein Desaster zu vermeiden.

Angoulême, der während des Feldzuges versucht hatte, "den Schein des fremden Drucks zu vermeiden", schrieb nach seiner Rückkehr an Villéle: "Mein Gewissen ist rein, ich sage nichts mehr, aber ich versichere Ihnen, was an Torheiten begangen werden kann, das wird auch begangen werden."

Grüße
excideuil

Quelle: Oncken, Wilhelm (Hrsg.): „Allgemeine Geschichte in Einzeldarstellungen: 4.Hauptabt. 2.Teil: Das Zeitalter der Restauration und Revolution 1815-1851, von Theodor Flathe, G.Grote’sche Verlagsbuchhandlung, Berlin, 1883
 
Der Vergleich 1808 und 1823 zieht seine Spannung im Wesentlichen daraus, dass man - gewissermaßen in einer Richtung - nachfragt: warum passierte 1823 nicht Ähnliches wie 1808?

Vielleicht muss man dazu auch erst einmal 1808 kritisch betrachten: hier läßt sich möglw. doch eine Veränderung in der historiografischen Betrachtung der Ereignisse in den letzten Jahren feststellen. Die ältere Geschichtsschreibung war doch dreigeteilt:

- sehr von nationalistisch aufgeladenen spanischen Darstellungen geprägt, in denen Qualität und Quantität des Widerstandes resp. Guerillakrieges möglicherweise überzeichnet wurden

- auf der anderen Seite gab es die französischen (memoiren"lastigen" bzw. -geprägten) Darstellungen des Kriegsverlaufes mit Blickwinkel der "höheren" Ebene, die u.a. von den Exkulpationsbemühungen einer Generalität bzw. des Offizierskorps geprägt waren

- die älteren angelsächsischen Studien waren dagegen (glorifizierend?) sehr von der Betrachtung des "Great Man" Wellington geprägt).

Diese Blickwinkel werden neuerdings gerade in der internationalen Forschung zum "Spanish Ulcer", aber auch von den neueren spanischen Historikern hinterfragt, die sich mit dem ersten großen neuzeitlichen "asymmetric engagement" befassen. Das ist dann nicht mehr die "schwarze Geschichte der Okkupation" in Kombination mit einem mystifiziert-heroisch-patriotischen Widerstand und "Befreiungskrieg" (Galdos "Episodios Nacionales" und Goyas 82 Bilder zu den Schrecken des Krieges), sondern der Aufriss in Form soziologisch basierter, emotionsloser, politisch-militärischer Studien zum Widerstand der Guerillabewegungen (Ortunio Martinez, Enrique Ruiz Martinez, Francisco Diaz Torrejon).

Auf der anderen Seite wird auch die Wirkung der Kaiserlichen Propaganda, der Nachhall der (memoirenbasierten) Studien aus der Restaurationszeit zu diesem chaotischen Guerilla-Krieg zunehmend aufgearbeitet und auf Auswirkungen auf die ältere Geschichtsschreibung untersucht.

Schließlich ist in diesem direkten Vergleich 1808/1823 auch die Betrachtung einzelner Folgen des Guerillakrieges schwierig (abgesehen von dessen Interdependenzen mit dem "ordentlichen" Kampagnen-Krieg/dem Peninsular War des Great Man - siehe zB Facetten wie die Evakuierung von 9000 Mann spanischer Truppen aus Dänemark durch die Royal Navy und deren Wirkungen auf den Guerillakrieg).

Ein Beispiel ist die Versorgungsfrage, betrachtet vom "Ausgangspunkt" Frankreich im direkten Vergleich. Hier wäre zu hinterfragen, ob diese schon an der Wurzel unterschiedlich zu 1823 war, durch die Vorbereitungen und die Versorgung, oder ob die mangelhafte Versorgung und das Leben aus dem Land wiederum Folgewirkung des Guerillakrieges war. Betrachtungen gibt es hier für das Versorgungssystem an Truppen, die in einer linearen Betrachtung vom Entsende- zum Zielpunkt teilweise auf unter 30% abschmolzen. War also die schlechte Versorgung vor Ort im napoleonischen Krieg auf der Iberischen Halbinsel Ursache oder eher Auswirkung im "Spanish Ulcer"? War die Versorgung 1823 besser organisiert, und liegt da ein Ansatzpunkt im Vergleich oder ergab sich die schlechtere Versorgung wesentlich durch den asymmetrischen Krieg in einer Art Teufelskreis? Liegt in der kritischen soziologischen Auswertung der französischen Propaganda und dem Abgleich mit der Memoirenliteratur genug Stoff für eine revisionistische Betrachtung des spanischen Abenteuers Napoleons und wenn ja, in welchen Aspekten?

Um eine Beantwortung möchte ich mich herumdrücken. Die Überlegungen sollten nur anreißen, dass die Beantwortung wohl sehr schwierig ist, auch eine Frage des Standpunktes, den man aufgrund der nun gerade jeweils verwendeten Literatur einnimmt.

Jedenfalls, und das hatten wir schon häufig hier im Forum, ist da mE eine starke Tendenz zu sehen, dass sich Blickwinkel auf unter dem jüngst verstärkten soziologischen Aufriss des "Peninsular War" ändern könnten. Manche sprechen von einer Entmystifizierung dieses Guerilla-Krieges, was möglicherweise Folgen für den Vergleich zum "ruhigeren Verlauf" 1823 hätte.

Für die Fragestellung kann ich aber nichts dazu sagen, welche Auswirkungen das für diesen interessanten Vergleich tatsächlich hat. Dazu habe ich vom Thema zu wenig Kenntnisse, eher "kampagnengeprägt" im Blickwinkel Wellingtons. Die Überlegungen sind daher eher als Anregungen zu verstehen, die kritischen Bemerkungen zur Logistikfrage eher beispielhaft.

Ich bin gespannt, was bei der Diskussion noch herauskommt.:winke:
 
Ich bin gespannt, was bei der Diskussion noch herauskommt.:winke:

Boah, das ist ja dann ein Fass ohne Boden quasi:
Wir muessen also eigentlich erst den Krieg 1808 mit all seinen Facetten næher beleuchten (Und hier habe ich in diesem Krieg schon mehr neue Aspekte gelesen als ich mir auch nur denken konnte), um dann zu einem Vergleich zu 1823 zu kommen.
Und auch zu diesem Feldzug weiss man (ich) zu wenig.
Und zu 1808 bin ich eher "traditionell" geprægt, Goya hinterlæsst mit seinen Bildern eben ein eindrucksvolles Bild...

Fazit: Schønes Thema!

Gruss, muheijo
 
....
Die Zuversicht der Regierung war bezüglich der Mannschaften nur rhetorisch, "denn der in der Armee herrschende schlechte Geist war ihr nicht verborgen. Der "Enkel des heiligen Ludwig", "der Helmbusch Heinrich IV.", "die Monarchie Ludwig XIV." und ähnliche Schlagwörter aus der hist. Rumpelkammer, mit denen die Offiziere die Mannschaften bearbeiteten, machten auf diese herzlich wenig Eindruck."

...
Die Armee Angoulemes und die Episode im Allgemeinen wird in Spanien als "los cien mil hijos de san Luis" (also die hunderttausend Söhne des heiligen Ludwigs) genannt.

Der einzige richtige militärische Sieg fand dabei bei Cadiz, bei der Erstürmung des Forts auf der Halbinsel bzw. Insel des Trocadero statt, die relativ nah an der Stadt liegt und die von dort aus beschossen werden kann.
Bei der französischen Belagerung 1810-1812 hatte man diese Stelle nicht erobern können und die Stadt nur mit speziellen Mörsern auf sehr weite entfernung beschiessen können, so dass kaum Schäden entstanden. 1823 wurde aber bei Ebbe über einen Siel das Fort erstürmt, wonach die Stadt direkt und intensiv unter Feuer genommen werden konnte.

Nach drei Wochen Beschuss haben dann die Belagerten mit dem sich in ihrer Macht befindenden König verhandelt und gegen das Versprechen einer Amnestie kapituliert. Der König hat jedoch diese Vereinbarung dann als unter Zwang erfolgt zurückgewiesen und viele der Gefangenen hängen lassen. Nur die misstrauischen unter den Führern, die sich von der beobachtenden Britischen Flotte haben aufnehmen und nach Gibraltar bringen lassen, haben es halbwegs schadlos überstanden.

In Frankreich wurde die Erstürmung des Trocadero als großer Sieg gefeiert (vielleicht durch den Vergleich mit der frustrierenden Belagerung von 1810-12) und einen Platz in Paris danach benannt.
 

Anhänge

  • Situationsplan_von_Cadiz.jpg
    Situationsplan_von_Cadiz.jpg
    97,2 KB · Aufrufe: 519
Zuletzt bearbeitet:
Um an den Beitrag oben noch anzuschließen:

In Anlehnung an Esdaile weist Rink (S. 364) auf eine etwas weniger "patriotische" Zusammensetzung der spanischen "Guerilla" hin.
"Neben einer Reihe von regionalen Milizen boten sich die weiten staatsfernen Räume der vornapoleonischen Ära Spaniens als Refugium für Banditen, Schmuggler, oder Magnaten mit ihren Privatarmeen als Substrat des Widerstands an." (S. 365).

Dieser Hinweis von thanepower, den ich für sehr wichtig halte, und die anschließende Diskussion um einzelne Ereignisse und die Versorgungsfrage (in der dieser Hinweis leider etwas untergegangen ist) waren der eigentliche Anlass, 1808ff. inkl. der älteren Literatur kritisch zu hinterfragen.

Sorry, hätte ich oben gleich erwähnen sollen.:winke:

Bei der französischen Belagerung 1810-1812 hatte man diese Stelle nicht erobern können und die Stadt nur mit speziellen Mörsern auf sehr weite entfernung beschiessen können, so dass kaum Schäden entstanden. 1823 wurde aber bei Ebbe über einen Siel das Fort erstürmt, wonach die Stadt direkt und intensiv unter Feuer genommen werden konnte.

Na ja, da sind wir aber wieder "nur" beim "compound war", hier mit mit seinem Kampagnenteil, und für 1810 sind wir in Cadiz bei 19.000 Mann verteidigender britischer Truppen (bis 1809 "nur" eine Brigade, Februar 1810 dann erst rd. 5000 Mann) mit insgesamt 13 Mio. GBP "verlorenen Zuschüssen".:winke:

Das wäre wieder die militärgeschichtliche Seite des Vergleichs am Beispiel Cadiz, und bzgl. der Feiern mit dem Engagement 1823 der propagandistische Nachhall. Und auf der anderen Seite hätten wir den heroisch-nationalistischen Widerhall in Spanien über 175 Jahre.

Den Vergleich 1808/1823 halte ich nach wie vor für recht komplex, wie sich auch wieder am Beispiel Cadiz zeigen ließe.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Armee Angoulemes und die Episode im Allgemeinen wird in Spanien als "los cien mil hijos de san Luis" (also die hunderttausend Söhne des heiligen Ludwigs) genannt.
Ja, sicher, nur konnte das von den polit. Verantwortl. Frankreichs im Vorfeld vorhergesehen werden?
Auch wenn der Geist der Mannschaften Anlass zur Sorge gab, wie in #25 angedeutet, heißt dies aber nicht, dass der Truppe eine z.B. bonapartische oder republik. Grundhaltung unterstellt werden kann. Wenn dann zu Beginn der Kampagne solche Dinge passieren:
"Ganz anders als einst die Legionen N. wurden sie von der Bevölkerung freundschaftlich, von den königlich gesinnten Basken geradezu als Befreier empfangen" (Oncken)
dann ist das ein zusätzliches positives psycholog. Moment, was nicht unterschätzt werden darf.
Bezüglich des Britischen Geldes: Wir sind gewohnt zu denken, dass so wie die Briten Subsidien an Preussen und andere Kriegsteilnehmer gezahlt haben, dieses auch in Spanien der Fall gewesen sei. Mitnichten. Die Junta in Sevilla, später in Cadiz verfügte über Anfangs noch über beachtliche Geldmittel und die Briten liessen sich ihre Militärhilfe gut bezahlen.
Der Bruder Wellingtons, Richard, war 1809 Botschafter in Cadiz und presste aus den Spaniern bis zum letzten verfügbaren Real heraus, um die Kampagne der britischen Armee in Portugal zu finanzieren. Das ging sogar so weit, dass die Junta zwar die Anstrengungen der Briten bezahlte, für die eigenen Armee in Valencia jedoch nichts übrig blieb.
Ob dieses sich später änderte und die Briten nach dem die spanischen Ressourcen erschöpft waren, ihnen Unterstützung gaben, ist mir nicht bekannt, ich bezweifle es jedoch. Auf jeden Fall fand der größte Teil der spanischen Anstrengungen aus eigenen Mittel statt, und seien diese noch so kanpp gewesen.
Hierzu ergänzend. Die Finanzierung der Brit. war nicht einfach, wobei hier sicher auch betrachtet werden muss, was erhielt ein brit. Sold. im Gegensatz zu den Span.
"Um seine Armee zu versorgen, musste der Herzog Wechsel auf den brit. Staatskanzler ziehen. Eine ganze Meute sizilianischer und maltesischer Finanzleute gaben ihm Geld dafür, natürlich unter Abzug skandalöser Diskontsätze, und leitete die Wechsel auf umständlichen Wegen nach London, um sie dort zum Inkasso vorzulegen."
Die Bankiers Rothschild stellten später dann die Versorgung der brit. Truppen mit Gold auf dem Landweg über Frakreich sicher.
Quelle: Morton, Frederic: Die Rothschilds
In Anlehnung an Esdaile weist Rink (S. 364) auf eine etwas weniger "patriotische" Zusammensetzung der spanischen "Guerilla" hin.
"Neben einer Reihe von regionalen Milizen boten sich die weiten staatsfernen Räume der vornapoleonischen Ära Spaniens als Refugium für Banditen, Schmuggler, oder Magnaten mit ihren Privatarmeen als Substrat des Widerstands an." (S. 365).
Eine Frage ist, ob "diese weiten staatsfernen Räume" 1823 noch bestanden, die wohl wichtige aber, konnten diese Räume und damit die Aktivitäten 1823 eine Rolle spielen, weil im Gegensatz zur Kampagne von 1808 1823 keine Besetzung des Landes im Vordergrund stand. Das wäre dann auch eine Erklärung, warum es 1823 keinen/wenig Widerstand gab.

Grüße
excideuil
 
....
Eine Frage ist, ob "diese weiten staatsfernen Räume" 1823 noch bestanden, die wohl wichtige aber, konnten diese Räume und damit die Aktivitäten 1823 eine Rolle spielen, weil im Gegensatz zur Kampagne von 1808 1823 keine Besetzung des Landes im Vordergrund stand. Das wäre dann auch eine Erklärung, warum es 1823 keinen/wenig Widerstand gab.

Grüße
excideuil

Vor 1808 gab es ein weit verbreitetes Bandenwesen in Spanien, Räuber und Schmugler, vor allem im Süden. Die Sierra Morena zwischen dem kastilischen Hochland und den Andalusischen Vegas waren praktisch Niemandsland und sind in der spanischen Folklore als "das" Räuberland par excellance bekannt.

Privatarmeen von irgendwelchen Magnaten sind mir keine bekannt, man kann jedoch denken, dass die Großgrundbesitzer in Andalusien sich und ihren Besitz irgend wie gegen die zahlreichen Banditen schützten.

Politisch motivierte bewaffnete Gruppen gab es vor 1808 m.W. keine. Nach 1814 jedoch fast ständig bis in das 20. Jahrhundert hinein.

Spanische Historiker haben den "Erfolg" der Guerilleros als einen der Gründe für die immer wieder aufflackernden Bürgerkriege während des 19. Jahrhunderts interpretiert. Die Karlistenkriege begannen mit dem Tode Ferdinands VII. hatten aber schon Vorläufer während seiner Regierung in den liberalen Aufständen gegen ihn und den "Partidas" seiner Anhänger während des Trienio Liberal. Der letzte Karlistenkrieg war eigentlich der Bürgerkrieg 1936-39 bzw. ein Teil davon.

Eine Interessante Figur in diesem Zusammenhang ist Francisco Espoz y Mina.

Geboren in einer Bauersfamilie in Navarra, unterstüzte er 1808 erst einmal die Franzosen. 1809 lief er dann über und schloss sich einem Regiment leichter Infanterie aus Aragon an, das vom britischen Obersten Doyle zur Verteidigung Jacas aufgestellt wurde um dann, nach der Kapitulation Jacas, zu der Truppe seines Neffens "Mina el mozo" (Mina der jüngere) überzuwechseln, interesanterweise genannt, "Corso terrestre de Navarra" was die "private" Komponente hervorhebt.

Mina el Mozo wurde 1810 von den Franzosen gefangen genommen und die Truppe ab da von seinem Onkel geführt. Er sammelte zu einem Zeitpunkt über dreitausend Mann um sich, die sich sehr geschickt zwischen Navarra, dem westlichen Aragón, dem Baskenland und dem Ebrotal bis zu der Alcarria bewegten und dabei viel größere französische Truppen banden. Er erzielte eine ganze Reihe kleinere Siege über die franzosen, nach der klassischen Methode größeren Verbänden aus dem Wege zu gehen und nur dann den Kampf anzunehmen, wenn er im eindeutigen Vorteil war. Er hatte aber auch das Geschick, seine Gruppen so zu bewegen dass sie sich zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle einfanden.

Auf Grund seiner Erfolge wurden ihm von der Junta ein militärischer Rang erteilt, und nach und nach bis zum General befördert, seine Einheit zur "Division de Navarra" erklärt.

Nach dem Ende des Krieges, plädierte er erfolglos für eine Beibehaltung der Einheiten die aus der Guerrilla hervorgegangen waren, was aber nicht stattfand.

1814 nahm er in Zaragoza an einer misslungenen Verschwörung zur Wiedereinführung der Verfassung von 1812 ein und musste paradoxerweise nach Frankreich fliehen. aus dem Ausland nahm er an verschiedenen Verschwörungen teil, um dann nach dem Aufstand Riegos, 1820 nach Spanien zurück zu kehren.

Als General der liberalen Regierung verfolgte er ab 1822 Absolutistische Guerrilleros in Katalonien, wo er sehr effektiv und vor allem sehr hart vorging. Als 1823 Angouleme einmarschierte, versuchte er sich diesem in den Weg zu stellen, musste jedoch mangels Unterstützung zurückweichen. Wieder ging er ins Exil, zuerst nach England und dann wieder Frankreich, wo er die Regierung des "Bürgerkönigs" Louis Philippe de Orleans um Unterstützung der Liberalen Sache in Spanien bat. 1830 gab es einen Versuch ins Baskenland einzudringen der aber misslang.

1833 mit dem Tode Fernando VII. und der Regentschaft Maria Cristinas. wurde er amnestiert, kehrte nach Spanien und es wurde ihm sein militärische Rang zurückerstattet.

Für die Liberale Regierung unter Isabel II (bzw. der Regentin Cristina) kämpfte er als Vizekönig Navarras gegen die Karlisten, mal mit mehr mal mit weniger Erfolg (er wurde mehrfach von dem fast legendären Zumalacarregui besiegt, einen weiteren Veteranen der Guerrillas gegen die Franzosen, der jetzt die karlistischen Partidas anführte) und dabei wieder mit äusserster Härte. So liess er z.B. die Mutter von den Karlistenführer Cabrera ( der Tiger des Maestrazgo) erschiessen was ihn Kritiken sogar im eigenen Lager einbrachte. 1836 trat er Zurück und wollte wieder ins Exil gehen, starb aber während der Vorbereitungen.

Der von mir weiter oben erwähnte Morillo hatte eine ähnliche Laufbahn, kämpfte aber von 1815 bis 1820 Zeit in Amerika gegen die Aufständischen, zu denen sich einige Liberale geflüchtet hatten wie z.B. der Neffe von Espoz y Mina, Javier Mina "el mozo" der nach seiner sehr späten Befreiung durch die Franzosen nach Mexiko ging, dort gegen die Regierung Ferdinands kämpfte und nach der Niederlage in Venadito erschossen wurde (jedoch nicht von den Truppen Morillos sondern vom Vizekönigs von Neu Spanien, Apodaca).

Morillo kehrte gerade nach der Liberalen Revolution aus Amerika nach Spanien und erhielt dort eine militärisches Kommando über die Truppen in Kastilien.

Bei dem Einmarsch der Franzosen ging er zur absolutistischen Seite über und seine Truppen folgten ihm. Er führte eine französische Brigade nach Galizien die dort Vigo und La Coruña besetzten. Aus gesundheitlichen Gründen ging er 1824 nach Frankreich und wurde während seiner Abwesenheit von der Absolutistischen Regierung vor ein Kriegsgericht gestellt und seines Posten und Ranges enthoben, weil er angeblich Konstutionalistisch eingestellt war. Offensichtlich reichte Ferdinand sein späteres Überlaufen so wie seine früheren treuen Dienste nicht. Später diente er noch für einige Zeit der Regentin Maria Cristina.

Er soll eigentlich eher Liberal gewesen sein, jedoch in erster Linie Königstreu, was sein verhalten 1823 erklärt. Er wollte es anscheinend nicht auf einen Bürgerkrieg hinauslaufen lassen, wie er ihn in Amerika geführt hatte.

Espoz y Mina portraitiert durch Goya, Angouleme und Morillo:
 

Anhänge

  • Francisco_Espoz_y_Mina_by_Francisco_Goya.jpg
    Francisco_Espoz_y_Mina_by_Francisco_Goya.jpg
    12,3 KB · Aufrufe: 491
  • Louis_antoine_artois.jpg
    Louis_antoine_artois.jpg
    169,9 KB · Aufrufe: 589
  • Pablo-morillo.jpg
    Pablo-morillo.jpg
    26,8 KB · Aufrufe: 484
Zuletzt bearbeitet:
@Bdaian: Interessante Geschichte, die auch die persönlichen "Wechselfälle" aufzeigt und die chaotischen Abläufe des Guerillakrieges erahnen lässt.

Ich möchte nochmal auf die Bemerkungen oben zur "Finanzversorgung" Wellingtons zurückkommen. Hier mal eine Liste der Gegenstände, die nur an den "Regierungssitz" Cadiz gingen (ohne "portugiesische Lieferungen"), um die Gegenwerte und die britische Unterstützung bezogen auf Spanien darzustellen:

342 Geschütze mit 128.040 "rounds", 22141 Musketen, 2600 Karabiner, 2600 Gewehre, 5640 Pistolen, 87229 Schwerter, 68530 "Pikes", 99000 Ausrüstungen für Mannschaften (Accoutrements), 43,4 Millionen Patronen, 8,5 Millionen Kugeln, 28924 barrel Pulver, 3,99 Mio. Feuersteine.

Das ist nur die militärische Ausrüstung. Dazu kamen für Portugal und Spanien zusammen allein 1810/1811 rund 1 Million barrel Mehl, dazu nicht quantifizierbare Mengen Weizen, vermutlich in ähnlichem Umfang. Die von London organisierte Nahrungsmittelversorgung - Gegenpol zum Finanzstrom - lief aus Südamerika und bis 1812 aus Nordamerika, allein 1811 rund 2121 Schiffe (davon 797 aus den USA, davon 668 ausschließlich mit Getreide).

Mit der Finanzierungsfrage, die nach der Spanischen Sichtweise, und das findet man so auch in der Literatur, oben als Auspressung dargestellt wurde, wird ein sehr komplexer Aspekt aufgemacht. Der "peninsular war" verschlang Unsummen, für 1810 allein rd. 400.000 GBP pro Monat (davon nur ein Viertel für britische Truppen). Von den 400.000 pM war London zeitweise nur in der Lage, direkt ein Viertel als Cash zu liefern. Die "BoE" hatte auf das "loan-system" umgestellt, verweigerte direkte Auszhlungen. Das "loan-system" war der Schlüssel, direkte Goldlieferungen waren nur ein kleiner Aspekt. Hier muss man in der Gesamtschau bedenken, dass die relativen Finanzbelastungen 1798/1815 für Großbritannien diejenigen des Ersten Weltkrieges deutlich übertrafen.

Wellington war also gezwungen, ein "Quittungssystem" (respektive Wechsel-System) einzuführen, da unter Berücksichtigung der heimischen Finanzierung weder die portugiesischen noch spanischen Beiträge die steigenden Belastungen vor Ort ausgleichen konnten. Die Wechsel konnten dann der BoE präsentiert werden. Das sollte man bedenken, wenn zB das Morton-Zitat (?) oben die nach meinem Gefühl eher negative Konnotation Wechsel-Meute-skandalös-umständlich-Inkasso für das Finanzierungssystem aufmacht.

Dann noch mal zurück zur "Requirierung" durch die französischen Truppen, die den Widerstand befeuerte. Hierzu gibt es eine interessante Detail-Studie: Morgan, War Feeding War? The Impact of Logistics on the Napoleonic Occupation of Catalonia, JoMH 2009, S. 83-116.

Wie die Befürchtungen granatengleich zu Beginn der Besatzung einschlugen (bevor eigentlich wirklich etwas "passiert" war, was den Widerstand auslösen konnte), zeigt diese Bemerkung:
'"I need with the utmost urgency six thousand quarteras of wheat to make bread rations [for the French Army],” pleaded Intendant Pedro José Blas de Azanza to the Municipality of Barcelona on 3 March 1808, only a few days after French General Philibert Guillaume, comte Duhesme, had entered the city as an ally leading the Division des Pyrénées Orientales with 12,000 infantry and 2,400 horse.'

Das Versorgungssystem war schon nach Tagen gescheitert, und es spitzte sich durch die unmittelbaren Kriegsfolgen weiter zu (nicht nur durch den Versorgungsbedarf der französischen Armee). Bevölkerungsflucht, Zerstörungen und die gewaltsame "Beschaffung" von allen Seiten, auch von der des Widerstandes, pressten das Land aus, dass sich schon in Friedenszeiten kaum selbst ernähren konnte.

Das "War feeding war"-Prinzip zeigte sich in Gänze, die französischen Truppen in Katalonien "im Ruhezustand" erforderten 10% dessen, was die Bevölkerung pro Tag selbst benötigte. Dazu kamen erhebliche, wirksame Störungen des Seeverkehrs durch die Briten, die den Nahrungsmittelfluss über See abschnitten. Der Widerstand plünderte ebenfalls kräftig das kriegsgeschädigte Land, was zur Dauerkrise der Nahrungsversorgung führte.

Eben diese Kausalkette im "war feeding war" aus Rebellen- und französischen Requirierung, Blockade und Zerstörungen fehlte später in vergleichbarem Umfang und von Beginn an, was die Lage nicht vergleichbar darstellt. Andererseits wird dabei deutlich, dass es nicht nur eine Versorgungsfrage "von Frankreich aus" darstellt, sondern mehrere Faktoren zusammenwirkten.
 
ich finde z.Zt. leider das Buch nicht, in dem über die Zahlungen der Junta an die Briten detailliert erläutert werden.

Auf die Schnelle habe ich jedoch eine andere Quelle gefunden (La desintegración del imperio español, von Josep M. Delgado Ribas) in der Berichtet wird, dass ab 1809 von den Briten wieder der direkte Handel zwischen den spanischen Kolonien und Cadiz ermöglicht wurde (der nach Trafalgar praktisch zum erliegen kam) und so die Silberlieferungen aus Amerika wieder eintrafen. Allein 1810 waren es 43,7 Millionen Silberpesos (wäre jetzt interessant den Wechsel Pesos-Pfund zu kennen).

1811 sanken jedoch diese Lieferungen drastisch (um 78%), weil es in Südamerika begann heftig zu gären. Buenos Aires erklärte sich unabhängig und in Venezuela brach offen Krieg aus. Man musste nun auf britische Finanzhilfe zurückgreifen. Die Briten waren aber selbst bestürzt über das ausbleiben des Silbers, da dieses ihre eigene Solvenz betraf und versuchten zwischen der Regierung in Cadiz und einigen der Südamerikanischen Juntas zu vermitteln.

In diesem Kontext sollte man vielleicht daran erinnern, dass der Krieg zwischen Groß Britannien und Spanien 1804 von Commodore Graham Moore ohne vorherige Kriegserklärung eröffnet wurde, als er die spanischen Fregatten Medea, Clara, Fama und Mercedes angriff, die vom Rio de la Plata mit einer wichtigen Silberlieferung kamen. Das amerikanische Silber war eine Ressource auf die von britischer Seite gerne zurückgegriffen wurde wenn dieses irgendwie möglich war. Die Beziehungen waren auch nach 1808 nicht gerade herzlich und die Briten werden den Spaniern nichts geschenkt haben, so lange diese einen (Silber)Pfennig hatten, den man ihnen hätte abnehmen können.

....
342 Geschütze mit 128.040 "rounds", 22141 Musketen, 2600 Karabiner, 2600 Gewehre, 5640 Pistolen, 87229 Schwerter, 68530 "Pikes", 99000 Ausrüstungen für Mannschaften (Accoutrements), 43,4 Millionen Patronen, 8,5 Millionen Kugeln, 28924 barrel Pulver, 3,99 Mio. Feuersteine.

Nur 22.000 Musketen und 68.000 Piken? Wollten die die Tercios wieder auferstehen lassen? Oder fehlt da irgendwo eine ziffer? Es sind zwar große Mengen an Munition, nicht jedoch an Waffen.

Das "nur" Regierungsbezirk Cadiz ist relativ. Zeitweilig wurde die noch freien Teile der Mittelmeerküste von Cadiz aus beliefert. Die Armee die in Valencia operierte lief aber praktisch barfuß herum und erlitt eine Schlappe in dem Versuch den Franzosen ein Depot mit Ausrüstungsgegenständen abzujagen, während die Junta hohe Zahlungen an die Briten leistete.

Das ist nur die militärische Ausrüstung. Dazu kamen für Portugal und Spanien zusammen allein 1810/1811 rund 1 Million barrel Mehl, dazu nicht quantifizierbare Mengen Weizen, vermutlich in ähnlichem Umfang. Die von London organisierte Nahrungsmittelversorgung - Gegenpol zum Finanzstrom - lief aus Südamerika und bis 1812 aus Nordamerika, allein 1811 rund 2121 Schiffe (davon 797 aus den USA, davon 668 ausschließlich mit Getreide).

....

Die US-Amerikanischen Schiffe folgten damit schon einer früher einsetzenden Erfolgsgeschichte. Zwischen 1798 und 1808 hatten Sie einen sehr lukrativen Dreieckshandel zwischen Nordamerika, Spanien (und teilweise GB) und Südamerika etabliert, den die Spanische Regierung tolerieren musste, obwohl es gegen das eigene Monopol verstiess. Dieses konnte aber in der Praxis durch Mangel an Schiffen nach den Britischen Kaperkrieg 1798-1802 und 1804-1808 nicht mehr aufrecht erhalten werden. Auch da war Getreide bzw. Mehl schon ein wichtiger Bestandteil des Handels. Eine weitere Wichtige Ressource war der Zucker aus Kuba, der nach den Aufständen in den Französischen Karibischen Kolonien wesentlich größere Marktanteile gewann.
 
Zuletzt bearbeitet:
Mexikanischer Peso (Silberdollar) zu GBP war ca. 4:1 bis 5:1, ähnlich wie der US-Dollar bei gleichem Silbergehalt. Das entspricht bei den angegebenen Jahreslieferungen umgerechnet ca. 9 Mio. GBP, die an Spanien für die Bezahlung der Nahrungsmittel und Waffenlieferungen gingen. Da wurde nichts geschenkt, sondern bezahlt oder auf Kredit gesetzt.

Um die jährlichen Silberlieferungen ab 1808 in Relation zu den spanischen Jahreszahlungen an Frankreich vor 1805 zu setzen: ungefähr 50 - 60% der Summe, die p.a. an Napoleon ging. Die britischen Gesamtzuschüsse für Spanien 1808-1812 hatte ich saldiert und "netto" schon angegeben: ca. 13 Mio. GBP, das waren in der Silberrechnung etwa 60 Mio. Mexikanischer Pesos.

Die spanischen Silbertransporte im September 1804 waren - britischerseits bekannt - Kriegsvorbereitung für Napoleon. Führt aber hier im Thema nicht weiter.

Bzgl. der Waffenlieferungen (die Schusswaffen reichten für eine Korps-Ausstattung, die Munition für weit mehr) ist nicht die Zusammensetzung wichtig, die von dem spanischen Bedarf abhing (vielleicht gab es genug Schusswaffen, vielleicht konnten die Briten nicht mehr abgeben, vielleicht war die Produktion ungenügend), sondern in Aggregation mit den britisch organisierten Nahrungsmitteltransporten nur der Gesamtwert. Die angelieferten Nahrungsmittel dürften den Gesamtwert der Waffenlieferungen noch überstiegen haben.

Die amerikanischen Nahrungsverkäufe waren kein "Dreieckshandel" bzw. Mit den spanischen Handelsrouten vergleichbar, sondern direkte (bilaterale) US-Exporte von Getreide und Mehl nach Spanien und Portugal, gegen Zahlung in Silberwährung. Möglich, dass die US-Schiffe mit einem Aufkommen von rd. 1/3 der gesamten Transporte auch mal im Dreieck fuhren, und auch Spanien-Südamerika und anschließend Südamerika-USA bedienten. Daneben liefen die britischen Schiffe und die anderer Nationen, mit rund 2/3 des Aufkommens.

Mit den Details kommen wir aber wohl vom Thema 1808/1823 immer weiter ab.
 
Mit den Details kommen wir aber wohl vom Thema 1808/1823 immer weiter ab.
Wer weiß das schon bei diesem Thema? Jedenfalls habt Bdaian und du hier beeindruckende Beiträge geliefert, die mir ganz nebenbei auch die Endlich- und Bedeutungslosigkeit meiner Quellen zu der Thematik vor Augen geführt haben. Dafür unbedingten :respekt:
Zudem sind mir Darstellungen, die die wirtschaftliche Lage zum Inhalt haben, immer willkommen.
Die Briten waren auch nicht beliebt: Sie waren Ketzer und eigentlich der traditionelle Feind Spaniens. Die Plünderungen von Badajoz, Ciudad Real und San Sebastian, die während dieses Krieges erfolgten, werden ihnen bis heute nachgetragen. Aber Wellington bezahlte den Proviant seiner Truppen in klingender Münze (auch wenn diese vorher aus der Junta in Cadiz herausgepresst worden war) so dass das Volk auf dem Land kein Groll gegen seine Truppen entwickelte. Sonst hätten die Franzosen eventuell auch Vorteile daraus gewinnen können.

Es gab auch Spanier die für Joseph Bonaparte kämpften (Guardias Jurados) und in bestimmten gegenden konnten sie sogar ländliche Milizen (die Migueletes) gegen die Guerilleros aufstellen, weil Teile der Bevölkerung der Übergriffe von diesen überdrüssig wurden. Die Stimmung hätte eventuell auch kippen können, die Französische Arroganz und Brutalität gleich zu Beginn des Krieges, haben jedoch die Ausrichtung weitgehend vorgegeben.
Vllt. liegt hier ein wesentlicher Unterschied zu 1823.
Wenn die Briten als traditioneller und zudem protestant. Feind trotz aller Plünderungen als das "kleinere Übel" angesehen wurden, dann stellt sich mir die Frage, was müssen die Franzosen als Katholiken und trad. Verbündete "angestellt" haben, damit sich dies so darstellte? Ist die Entthronung Ferdinands VII.,"der Ersehnte", in Zusammenhang mit dem neuen König von N. Gnaden Joseph eventuell als Zeigerausschlag in Richtung Briten zu werten, weil ja damit klar war, dass Span.annektiert werden sollte? Gibt es in dem Zusammenhang Darstellungen, wie die Span. über Napoleon als Person und seine Behandlung der Völker Europas dachten? Vllt. liegt ja auch da ein Schlüssel?

Grüße
excideuil
 
Die Franzosen, mehr aber noch Napoleon, wurde von den meisten Spaniern vermutlich als gottlos erachtet, sicherlich aber als solches dargestellt - egal ob Katholiken oder nicht. Erinnert wurde an die kirchenfeindliche Politik der französischen Revolutionäre und auch die oft verkündete Religionsfreiheit war nicht gerade ein Bonus; und auch wenn das Konkordat Napoleons eine Verbesserung für Klerus und Kirche in seinem Machtbereich darstellte, waren seine Maßnahmen außerhalb dieses Territoriums immer noch "kirchenfeindlich". Dazu kommt sein Vorgehen gegen den Papst selbst mit Gefangennahme und Annexion des Kirchenstaates.
 
Joachim Murat versuchte, in den Tagen vor dem Aufstand in Madrid am 02. Mai 1808 sich als guter Katholik darzustellen und besuchte mit großem Pomp Sonntags die Kirche. Damit zog er sich jedoch auch den Unmut der Bewohner zu, da seine Darstellung in großer Paradeuniform, mit Eskorte und Musikern doch zu sehr an einen Vizekönig erinnerte.

Bezüglich der Plünderungen, habe ich kürzlich etwas zu der Kampagne Wellingtons im Süden Frankreichs gelesen, von der Überquerung des Bidasoa bis zur Schalcht von Toulouse. Er war dort sehr bemüht Plünderungen und Übergriffe an der Zivilbevölkerung zu unterbinden, ausdrücklich um zu vermeiden dass dort eine örtliche Guerrillabewegung entstehen würde. Dazu schickte er sogar einen Teil der spanischen Truppen zurück über die Grenze und hielt nur die Division Morillo bei sich, die direkt im britischen Sold stand und disziplinierter war als die Verbände die selbst aus Guerrilleros entstanden waren.

Da die Briten auch hier ihr Proviant in klingender Münze zahlten, kam es zur Paradoxen Situation, dass die allierten Truppen beliebter waren als die vorher dort stationierten französischen Truppen Soults, die einfach alles requirierten was sie benötigten.
 
Interessant ist vllt. auch das, was N. im Nachgang auf St. Helena zu Span. sagte. Er fokussiert auch sehr auf Ferdinand:

"Ich habe einen großen Fehler gemacht im Augenblick, wo ich den span. Krieg begann. Ich brauchte nur ein junges Mädchen zu adoptieren und Ferdinand zur Gemahlin geben, der Bitte über Bitte in diesem Sinne an mich richtete. Man sagte mir:
"Was fürchten Sie denn! Dass er Bourbone ist? Er ist zu dumm, dass er Herrn de Montmorin nicht von Herrn de Bassano unterscheidet. Er liebt weder die Franzosen noch den franz. Adel. Er wird immer Ihrer Unterstützung bedürfen wegen seiner Kolonien."
Als er in Valençay war, schrieb er mir mehrere Male, um mich um Josephs Tochter zu bitten, ich habe einen großen Fehler begangen, indem ich diesen Dummkopf von Joseph auf den Thron setzte."

Dass Joseph ein Dummkopf war, unterschreibe ich natürlich nicht, er war einer der Wenigen, die für den Erhalt des Friedens von Amiens einstanden. N. hat aber wohl erkannt, dass die Frage der Dynastie eine große Rolle spielte, auch wenn seine Begründung zu Bayonne recht eigenwillig klingt:

"Meiner Seel, als ich sah, dass der Sohn den Vater vom Thron stieß und die Mutter versicherte, ihre Kinder seien nicht vom König, da sagte ich mir: Jagen wir sie fort und es wird keine Bourbonen mehr auf der Erde geben."

Grüße
excideuil

Quelle: Gourgaud: „Napoleon – Erinnerungen und Gedanken – St. Helena 1815 -1818“, bearbeitet von Heinrich Conrad, Wilhelm Goldmann Verlag, München, 1961, Seiten 58-59
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben