Spanische Krone an Hohenzollern?

MagicMarkusMan

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Hallo liebe Leute, ich bin derzeit in den Vorbereitungen für mein Mündliches Abiur und auf etwas gestoßen was dies zwar nicht direkt betrifft aber mich trotzdem interessieren würde.

Und zwar wurde im 19Jhr. (Jahreszahl bin ich mir grad nicht ganz sicher, wohl so um 1870 rum) einem Hohenzollern, ich meine es war König Leopold, die spanische Krone angeboten.

Aus welchen Grund? Oder war es früher üblich, kronen beliebig weiterzu reichen, bevor die eigene linie ausstirbt? An welche Bedingungen war eine solche Annahme der Krone geknüpft?

Danke
liebe Grüße,
Markus
 
Nach Vertreibung von Königin Isabella II. von Spanien 1868 schlug die spanische Regierung einen Prinzen aus dem Hause Hohenzollern als Thronerben vor. Es handelte sich um Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen, eine Nebenlinie der Hohenzollern. Im Februar 1870 erfolgte das offizielle Angebot durch einen spanischen Sonderbotschafter.

Da Frankreich eine Stärkung der preußischen Machtposition fürchtete, verlangte es einen Thronverzicht. Als dieser erfolgte, erhob Frankreich zusätzliche Forderungen, die der französische Botschafter dem in Bad Ems weilenden preußischen König Wilhelm I. vortrug. Die ablehnende Haltung des Königs wurde Bismarck in einer als "Emser Depesche" bekannt gewordenen Telegramm übermittelt. Bismarck veröffentlichte diese Depesche in einer derart verkürzten und verschärften Form, dass Frankreich sie als Beleidigung empfand. Dies führte 1870 zur Kriegserklärung an Deutschland.

Das ist in verkürzter Form die Sachlage, die du erheblich ausführlicher mit vielen Hintergrunddetails hier beschrieben findest:

Emser Depesche ? Wikipedia
 
Da Frankreich eine Stärkung der preußischen Machtposition fürchtete, verlangte es einen Thronverzicht.


Das ist die offizielle Lesart.

Fakt dürfte eher das sein:
Das Haus Bonaparte war mit Hohenzollern-Sigmaringen seit den Tagen der franz. Revolution sehr eng befreundet. Napoleon der III. war auch mehrfach privat in Sigmaringen.
Von dem her nahm man in Madrid an, dass hier in Paris kein Widerstand zu erwarten war. Man im Gegenteil so die Freundschaft zweier Herrscherhäuser gewinnen würde.

Was Madrid übersah, Napoleon III. war kein Monarch, er war ein Volkstribun der ständig auf die Zustimmung und Unterstützung der franz. Medien angewiesen war.
Und da liegt auch der Hintergrund der expliziten Forderung an Wilhelm, die schließlich zur "Emser Depesche" führte.
 
Repo schrieb:
Von dem her nahm man in Madrid an, dass hier in Paris kein Widerstand zu erwarten war. Man im Gegenteil so die Freundschaft zweier Herrscherhäuser gewinnen würde

Das war ziemlich naiv gedacht. Die Klammer Karl V. war den Franzosen noch sehr präsent und es hätte eigentlich klar sein müssen, verwandschaftliche Bindungen hin oder her, dass das nicht gut gehen konnte. Bismarck war hier doch um einiges realisitischer.
 
Frankreich glaubte auch, mit Preußen noch eine Rechnung offen zu haben, die sie im Grunde gar nichts anging "Rache für Sadowa".
 
Frankreich glaubte auch, mit Preußen noch eine Rechnung offen zu haben, die sie im Grunde gar nichts anging "Rache für Sadowa".
In der älteren Diskussion zu dem Thema wurde darauf hingewiesen, dass die spanische Frage auch strategische Bedeutung hatte. In Paris sah man darin das Äquivalent von 4 Armeekorps: die spanische Grenze würde im Ernstfall 150.000 Mann binden.
 
Das war ziemlich naiv gedacht. Die Klammer Karl V. war den Franzosen noch sehr präsent und es hätte eigentlich klar sein müssen, verwandschaftliche Bindungen hin oder her, dass das nicht gut gehen konnte. Bismarck war hier doch um einiges realisitischer.

Ja, der erkannte die sich bietende Chance

Frankreich glaubte auch, mit Preußen noch eine Rechnung offen zu haben, die sie im Grunde gar nichts anging "Rache für Sadowa".

Mediengezerfe wie heute.

Aber der Bismarck hat den Napoleon schon böse verladen, hat ihm so halb und halb etwas in Aussicht gestellt, und als es der Napoleon einforderte, die Süddeutschen informiert.
Der "Beobachter" eine Stuttgarter liberale Zeitung, bis dato Preussenfresser oben raus, hat daraufhin einen "Präventiv-Krieg" gegen Frankreich gefordert.
Die Württemberger haben badische Instrukteure geholt, um das Militär zügig auf das Zündnadelgewehr umzurüsten.
Ein Vorgang der heute kein Wimpernzucken auslöst, damals aber für einen Schwaben unmittelbar vor dem Selbstmord kam.

Der Gedanke an die "Roten Hosen" franz. Soldaten hat damals in Süddeutschland ähnliche Assoziationen ausgelöst wie das "Dawai" eines Rotarmisten 1955.

Nur um die Stimmung vor der spanischen Kandidatur auch in Deutschland etwas zu umreißen.
 
Hi,
kurz zu der Frage ob es normal war, Kronen an andere Königs- oder Adelshäuser zu vergeben.
Deutsche Adelsgeschlechter hatten im 19. Jh. sozusagen einen Boom, Rumänien, Griechenland oder Mexiko sind ganz gute Beispiel, auch das belgische Königshaus entstammt aus Deutschland.
Kurzzeitig war auch ein Prinz aus Piemont-Sardinien König von Spanien, irgendwann war es ihm dann, salopp ausgedrückt zu viel, und dankte ab.
Also wie man sieht nix ungewöhnliches zu der Zeit.
Ich find es interessant, wenn man sich die heutigen Königshäuser ansieht, woher sie ursprünglich stammen, England aus Deutschland, Belgien aus Deutschland, Schweden aus Frankreich, Monaco aus Italien usw.
 
Frankreich glaubte auch, mit Preußen noch eine Rechnung offen zu haben, die sie im Grunde gar nichts anging "Rache für Sadowa".


Die Franzosen waren so gar nicht mit ihren Souverän einverstanden gewesen, das dieser nicht eingegriffen hat. Napoleon hatte sich mit der vagen Zusicheung auf Luxemburg begnügt.

silesia schrieb:
In der älteren Diskussion zu dem Thema wurde darauf hingewiesen, dass die spanische Frage auch strategische Bedeutung hatte. In Paris sah man darin das Äquivalent von 4 Armeekorps: die spanische Grenze würde im Ernstfall 150.000 Mann binden. In der älteren Diskussion zu dem Thema wurde darauf hingewiesen, dass die spanische Frage auch strategische Bedeutung hatte. In Paris sah man darin das Äquivalent von 4 Armeekorps: die spanische Grenze würde im Ernstfall 150.000 Mann binden. 27.05.2011 11:02

Ja, ist schon eigenatig, das dieser nicht ganz unwesentlicher Punkt, keine Berücksichtigung in der Literatur mehr findet. Vielleicht meint man mit dem Hinweis auf Karl V. dies getan zu haben.
 
Dieter schrieb:
Nach Vertreibung von Königin Isabella II. von Spanien 1868 schlug die spanische Regierung einen Prinzen aus dem Hause Hohenzollern als Thronerben vor. Es handelte sich um Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen, eine Nebenlinie der Hohenzollern. Im Februar 1870 erfolgte das offizielle Angebot durch einen spanischen Sonderbotschafter.

Der preußische Botschafter in München Werther empfiehlt Fürst Karl Anton Hohenzollern-Sigmaringen bereits im Januar 1867 die Kandidatur eines seiner Söhne _Leopold oder Friedrich – für den spanischen Thron.

Man ging in Europa allgemein davon aus, das Isabella sich nicht mehr lange auf dem Thron halten wird. Im Februar darf Werthern dafür von Bismarck eine Rüge in Empfang nehmen. Im September 1868 kommt es dann sin Spanien tatsächlich zur Revolution.

Anfang Oktober 1868 wird der Erbprinz Leopold in diversen als ein möglicher Kandidat gehandelt. Prim und Serrano erklären die Staatsform der Monarchie beibehalten zu wollen und das Kandidatenkarussell dreht sich lange und ausgiebig. Zur Kandidatur von Erbprinz Leopold, lasse wir diesen doch selbst zu Worte kommen.

„Am 13.September 1869 schien in Begleitung des Frhrn. V. Werther, preußischer Gesandter zu München, D. Salazar y Mazrredo, königlicher Reichsrat und Deputierter, im Auftrag des General Prim etc., um mich zur Annahme der spanischen Krone zu bewegen. Mein erster Gedanke war der einer Ablehnung, dem ich auch bei näheren und ernsterem nachdenken aus persönlichen und prinzipiellen Gründen treu blieb und den ich auch aussprach, so das D.Salazar nach einigen Tagen unverrichteter Dinge wieder abreiste.

Die Frage ruhte nun, und ich dachte kaum mehr an die ganze Anglegenheit, obgleich ich für die große und vielleicht dankbare Aufgabe nicht unempfindlich war, bis am 25.Febraur 1870 derselbe Salazar mit Briefen von Prim an S.M., an mich und an Graf Bismarck in Berlin eintraf, wo ich mit meiner Frau zum Besuche war und nun während 10 Tagen mit allen Gründen für Annahme der Krone in mich drang. Ich blieb meiner ersten Auffassung treu und lehnte ab und stellte eine Annahme nur in dem Fall in Aussicht, als S.M. sie aus preußischen und deutschen Staats- und Familieninteressen dringend wünschen sollte. Am 06.März reiste Salazar eigentlich unverrichteter Sache wieder nach Madrid ab. Der König konnte sich nicht zu einem Zwang entschließen, und ich wollte freiwillig nicht annehmen.

Am 15.März befahl S.M. ein Diner bei Papa, dem S.M., der Kronprinz, Papa, Bismarck, Roon, Schleinitz, Moltke, Thile und Dellbrück und ich bewohnten und nach dem eine 1 1/2 stündige Beratung über die spanische Frage stattfand, in welcher S.M. ein kurzes Expose der Angegenheit gab, ohne eine Meinungsäußerung für oder gegen auszusprechen. Der Kronprinz war außer mir der einzige, der dagegen sprach. […] Ich war natürlich sehr päoccupiert und gelangte zum Entschluß, das Opfer zu bringen, was ich am Morgen des 16.März Papa mitteilte; gleichzeitig erschien der Kronprinz, der durch die Beratung von einem Gegner zu einem Anhänger dieser Idee geworden war. Da schlug Papa als Auskunftsmittel vor, Fritz (Anmerkung von mir: Der Bruder Friedrich von Leopold) zur Annahme zu bewegen, worin ich gern einwilligte und daher für meine Person ablehnte.

Fritz wurde aus Paris, auf der Rückreise von Italien, nach Berlin berufen und traf am 26.März ein; er lehnte gleichfalls ab. Am 20.April nochmals nach Berlin berufen, wurde widerholt abgelehnt. S.M. wollte keinen Zwang ausüben und so wurde Ende April die definitive Ablehnung nach Madrid gesendet.

Während dieser Tage, war Bismarck, krankheitsbedingt, auf seinen Gut Varzin und konnte in den Ablauf nicht direkt eingreifen.

Becker, Bismarcks spanische Diversion 1870 und der preußisch-deutsch Reichsgründungskrieg
 
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Fürst Karl Anton war nur mäßig begeistert, dass sein Sohn Friedrich die spanische Krone abgelehnt hat. Das Prinz Friedrich geltend machte, dass er sich für diese hohe Aufgabe nicht berufen und geeignet fühlte, fand Karl Anton nur verächtlich Worte, denn seiner Meinung nach hat sich sein Sohn „in die Hosen gemacht“. Karl Anton gab aber durchaus nicht auf und betrieb die Kandidatur weiter. So schrieb er an König Wilhelm I. , das der ein Befehl seitens S.M. genüge und seine Sohn Friedrich würde gehorsam folgen. Des Weiteren war Karl Anton fest davon überzeugt, dass bei Anwesenheit Bismarcks, die Frage der Thronkandidatur anders entschieden worden wäre.

Und auch beachtenswert ist, dass Napoleon III. bereits am 01.Mai 1870 gegenüber Olòzaga, den kommenden Botschafter Spaniens in Paris, geäußert, dass er die Kandidatur eines Hohenzollern-Prinzen für Frankreich einen casus belli darstelle. Unter dem Datum des 30.April 1870 hat der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Thile König Wilhelm auf diesem Umstand aufmerksam gemacht.
 
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