Der kleine Unterschied zwischen Lenins Staatsterror und dem Stalins ist der, dass sich der ordinäre Lenin'sche Terror noch gegen eine tatsächliche "Opposition" bzw. einen real-existierenden Gegner in einem real-existierenden Bürgerkrieg, den real-existierenden "Klassenfeind" oder wenigstens gegen echte Abweichler richtete, während sich Stalins Säuberungspolitik gezielt gegen unschuldige Kommunisten, Genossen, Parteifreunde usw. des eigenen Lagers richtete.
Immerhin der Versuch einer Differenzierung. :winke:Und bringt sehr berechtigt die unterschiedliche Qualität des Einsatzes von Gewalt im Rahmen der Machteroberung der Bolschewiken, der Konsolidierung und somit auch während des Bürgerkriegs im Vergleich zu späteren Phasen der Konsolidierung der Macht der KP zum Ausdruck. Ein wichtiger, aber nicht zu vertiefender Aspekt.
Die Fragestellugn als solche knüpft dabei interesanterweise an vielen Punkten an ähnlich gelagerte Thematisieng der Frage an, ob Marx für den stalinistischen Terror verantworlich zu machen sei. Im Rahmen der Arbeiten von Tucker wird die deutlich spekulative Seite einer derartigen Vermutung deutlich.
Mit der gleichen Berechtigung ließe sich die Frage aufwerfen, wie ein durchaus historisch belesener Stalin den "Leviathan" pragmatisch "gewendet" hat, wie ein Machiavelli interpretiert wurde (auf den noch zurück zu kommen ist), das "Eherne Gesetz der Oligarchie" von Michels, die Arbeiten von Pareto zur Elitenbildung oder auch die Art der politischen Auseinadersetzung im Zuge der "Bartholomäusnacht".
Nicht zu unterschätzen der prägende Eindruck des Politikstils eines Bismarcks, den vor allem Stalin schätze.
Alles Einflüsse, die im sehr allgemein gehaltenen "Beeinflussungsmodell" von Treibsand oder Silesia eine unmittelbare intellektuelle, politische Prägung von Stalin hätten nach sich ziehen können oder auch müssen?. Und sie verweisen auf die ausgesprochen vielfältigen Einflussgrößen, die das Denken und auch das Verhalten beeinflussen können. Als generelles Modell für die Beeinflussung im Rahmen der politischen Kultur (vgl. K. Mannheim und M. Archer).
Vor diesem Hintergrund und vor allem ohne einen einigermaßen fundierten Ansatz zur politischen Prägung durch die Rolle Lenins als "Vordenker" erscheint das Meiste der bisher formulierten Thesen als serh spekulativ.
Folgt man beispeilsweise S. Fitzpatrick (The Russian Revolution), und beschreitet einen anderen Weg wie vorher beschrieben, dann befand sich Lenin in der Rolle des politischen Mentors gegenüber Stalin.
In dieser Rolle hat er vermutlich den politischen Stil Stalins geprägt und sein Verständnis für die Durchsetzung von Macht. Und leigt vermutlich dabei in der Tat sehr nahe an den oben beschriebenen Theoreitikern.
Konkret: Im Rahmen der innerparteilichen Diskussion Anfang der zwanziger Jahre gab es relativ starke Fraktionierungen. Diese partielle plurale Meinungsbildung trat jedoch zu einer Zeit auf, in der die Macht der Bolschewiken nicht ausreichend gefestigt schien und Lenin die Gefahr einer Konterrevolution als eine realitische Gefahr sah.
Vor diesem Hintergrund wurden Fraktionierungen als parteischädigend, "vorübergehend", eingestuft auf Initiative von Lenin und abweichendes Verhalten sanktioniert.
An diesem Aspekt, allerdings in einer deutlich höheren Intensität, zeigt sich m.E. die embryonale Form bzw. das Muster für den späteren stalinistischen Terror.
Ergänzt wurde dieses Muster durch eine "konspirative Form" der Absicherung von Mehrheiten von Parteitagen etc., eine Strategie, die Lenin meisterlich beherrschte, die zum dominanten Muster stalinistischer Machtdurchsetzung wurde.
Was ich damit sagen möchte ist, dass Lenin primär das operative Know how für Stalin lieferte und keine intellektuelle Anleitung für das Morden von Parteigenossen bzw. normalen Bürgern.
Als der aktuellste Vertreter der starken Nähe von Lenin und Stalin ist Gelately zu interpretieren. Und steht damit in der Tradition der Totalitarismustheorien.
http://books.google.de/books?id=9lU...a=X&ei=iQKUUJ6XCMncsgbst4DgAw&ved=0CDYQ6AEwAA
Allerdings ist somit auch zu sagen, dass eine Vielzahl neuerer sozialhistorischer Studien zu dieser Periode völlig andere Sichweisen vertreten.