Stand, Klasse, Milieu,...

Mit den Begrifflichkeiten tue ich mich schwer, mag Klasse von links und Stand von rechts kommen und Prekariat eine Neuschöpfung sein, wichtig ist doch, wodurch waren welche Unterschiede in der Geschichte bedingt, ererbt, erworben und inwieweit war es möglich, den eigenen Status zu verändern.
 
Die Diskussion wäre einfacher, wenn nicht viele solcher Kategorien belastet, will sagen: von Interessen/Standorten bestimmt wären. Die "Klasse" kommt von links, der "Stand" von rechts, und die "Modernen" verkochen alles zum Milieu-Ratatouille.;)
Und Weber, der beide Begriffe verwendete, war liberal.
Es sind unterschiedliche Konzepte Gesellschaftsstrukturen zu beschreiben. Sie widersprechen sich nicht, sondern können sich gut ergänzen. Manchmal lohnt es sich stärker mit Klassen zu arbeiten, weil man eine ökonomische Fragestellung hat oder die Klassenstruktur der untersuchten Zeit deutlicher hervortritt (für Weber immer der Fall, wenn die Gesellschaft im Umbruch ist, während Stände sich in stabilen Phasen profilieren) ein andernmall sollte man lieber von Kasten oder Ständen oder... reden.
Es sind wie verschiedene Dimensionen eines Raumes. Ein Stand kann mehrere Klassen umfassen, eine Klasse in mehrere Stände reichen,...
Man kann eine Gesellschaft auch nach Altersgruppen unterteilen.
Zugegeben, viele Modelle wurden politisch instrumentalisiert (und können deshalb auch zu Erkenntnissen über ihre Entstehungszeit beitragen), aber sie lassen sich auch in politikunabhängig verwenden.
 
Da mir das auch alles klar ist, hatte ich anfänglich ja ein paar "elementare" Fragen formuliert:
(1) Wie differenziert ist denn das Klassensystem? 2, 3, 4, 5, noch mehr Klassen?
(2) Was genau ist denn das "Privileg", das mit einer entsprechenden Klassenzugehörigkeit verbunden ist?
(3) Wird man in eine Klasse (a) "hineingeboren", wird man (b) "ernannt", oder gibt es (c) eine "Zulassung auf Antrag" beim Vorliegen notwendiger Kriterien?
(4) Unter Voraussetzung von (3a), ist eine "Mesalliance", eine Heirat außerhalb der Klasse, erlaubt?
 
kann man pauschal nicht sagen. Selbst Marx der jeder Gesellschaft 2 Hauptklassen nachsagt, verschweigt nicht, dass es noch viele Nebenklassen gibt.
Da Klassen nicht offiziell sind, sondern praktisch immer ökonomisch definiert sind, ist es am ehesten vielleicht eine nachträgliche Zuschreibung durch Historiker und Soziologen
mal 2 Sachen zu Weber (kenne ich beide aus dem bereits erwähnten Seminar, gerade das Buch von Burzan ist als Einführung in die verschiedenen Theorien recht nützlich, auch wenn ich das Gefühl habe, dass sie bei Marx nur auf die frühen Schriften eingeht, da mich ihre Ausführungen sehr an das Manifest erinnern, aber vom Kapital kenne ich gar nichts, weshalb ich eigentlich auch nichts konkretes wiedererkennen kann)http://books.google.de/books?id=RWK...&hl=de&sa=X&oi=book_result&resnum=1&ct=result
http://www.sociosite.net/topics/texts/weber_klassen.pdf
Soziale Ungleichheit: eine ... - Google Buchsuche
Beim Burzanauszug von Googlebooks fehlt übrigens der Parteienbegriff, aber der wurde ja bisher noch nicht ins Spiel gebracht und dessen Fehlen lässt sich daher hoffentlich vorläufig verkraften.
 
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Unterschied Ständegesellschaft - Klassengesellschaft

Wo würdet ihr den Unterschied sehen? Beide Gesellschaften zeichnen sich dadurch aus, dass die gesellschaftlichen Gruppen in ihrer Zusammensetzung sehr stabil, geradezu festgefahren sind, ein Aufstieg schwer möglich ist und es große materielle wie soziale Unterschiede gibt, die die einzelnen Gruppen charakterisieren.


Ist der Unterschied, dass der Ständestaat größtenteils von den Mitgliedern als gottgegeben, als göttliche Ordnung akzeptiert ist? Das die den einzelnen _Ständen zugeordneten Aufgaben hingenommen werden?

Wohingegen gerade die unteren Klassen in der Klassengesellschaft oftmals ihr Los negativ sehen, ein "Klassenbewusstsein" (entwickeln sollen) haben und gegen ihren Zustand opponieren.

Ist die Klassengesellschaft also ein Produkt der Industrialisierung, die mittelalterlichen Ständegesellschaften keine Klassengesellschaften?
 
Wo würdet ihr den Unterschied sehen? Beide Gesellschaften zeichnen sich dadurch aus, dass die gesellschaftlichen Gruppen in ihrer Zusammensetzung sehr stabil, geradezu festgefahren sind, ein Aufstieg schwer möglich ist und es große materielle wie soziale Unterschiede gibt, die die einzelnen Gruppen charakterisieren.

Man unterscheidet die Klassengesellschaft von der Ständegesellschaft gerade dadurch, dass die Klassengesellschaft nach oben und unten durchlässig ist. Die Leibeigenschaft wird aufgehoben, der Lehnsherr ist seinen Hörigen gegenüber nicht mehr verantwortlich, es entsteht eine Art Proletariat, Adelstitel werden käuflich, es entstehen Timokratien (Herrschaft der Reichen statt des Geburtsadels), Söhne sind nicht mehr auf den Beruf des Vaters festgelegt...
 
Man unterscheidet die Klassengesellschaft von der Ständegesellschaft gerade dadurch, dass die Klassengesellschaft nach oben und unten durchlässig ist. Die Leibeigenschaft wird aufgehoben, der Lehnsherr ist seinen Hörigen gegenüber nicht mehr verantwortlich, es entsteht eine Art Proletariat, Adelstitel werden käuflich, es entstehen Timokratien (Herrschaft der Reichen statt des Geburtsadels), Söhne sind nicht mehr auf den Beruf des Vaters festgelegt...

Ah, okay, danke, hät ich mir eigentlich auch selber denken können...:autsch:
 
Ein weiterer Unterschied: Klassen definieren sich vorrangig nach Besitz, Stände nach der rechtlichen Stellung.
Ein Ritter bleibt Ritter, egal wie arm er ist und darf deshalb keinem Gewerbe nachgehen.
Armut ist in Ständegesellschaften ohnehin etwas relatives. Da von jedem erwartet wurde, dass er ein "standesgemäßes" Leben führt, konnte ein Adliger durchaus als arm gelten, obwohl er mehr besaß als ein "reicher" Handwerker.
 
Webers Klassentheorie

Erstmal das Zitat aus folgenden Posting:
lKlasse wird im allgemein immer ökonomisch definiert, [...] Weber [macht es] an der Marktlage [fest] [...].
Quelle: http://www.geschichtsforum.de/347326-post3.html

Wie ist das zu verstehen? Wie war überhaupt Webers Sicht auf den Markt? Denkt er wirklich in Angebot und Nachfrage? Kann es demnach - nach Weber - sein, dass ein einfacher Arbeiter in Beruf X, je nachdem, wie gefragt seine Qualifikation ist, entweder zur oberen oder zur unteren Klasse gehört?
 
Da hast du Themistokles missverstanden.
In einer ständischen Gesellschaft bestimmt, unabhängig vom tatsächlichen Besitz, die Herkunft über den sozialen Status. In einer Klassengesellschaft bestimmt der Besitz über den sozialen Status. Unsere Gesellschaft ist aber mittlerweile so differenziert, dass der Begriff der Klassengesellschaft nicht mehr anzuwenden ist. Man spricht daher von sozialen Milieus.
 
Bei Weber (Wirtschaft und Gesellschaft, 1980, S. 177ff) wird das Konstrukt "Klasse" bzw. "Stände" diskutiert.

Es heißt dort:
"Klasse soll jede in einer gleichen Klassenlage befindliche Gruppe von Menschen heißen"

Und die Klassenlage ist definiert durch die Chance des Zugangs zu folgenden Ressourcen:
- die Güter- und Dienstleistungsversorgung
- der außeren Lebensstellung
- des inneren Lebensschicksals.

Die derzeit wohl am besten ausformulierte Theorie bzw. auch Empirie zum Thema "Klasse" , vgl. z.B. die "feinen Unterschiede", und Chancen liegt, Themistokles hat darauf hingewiesen, bei Bourdieu vor.

Besonders relevant sind diese Ergebnisse in Hinsicht auf die "Mobilitätsforschung" und die Beschreibung von gravierend unterschiedlichen Chancen der "Klassen" in Deutschland. Alternativ kann man den Begriff "Schichten" verwenden, wie bei Kleining und Moore, die teilweise auf eine "objektive" Zuordnung basieren bzw. eine subjektive Selbstzuordnung als gesellschaftliche Stratifizierung nutzen.

Der Begriff der "sozialen Milieus" berücksichtig vor allem den "cultural turn" einer sich ausdifferenzierenden Gesellschaft (vgl. G. Schulze: Die Erlebnisgesellschaft). Und führt, so U. Beck, in der Konsequenz zu einer radikalen Auflösung von Gesellschaftsstrukturen bzw. zur extremen Individualisierung von Gesellschaft (vgl. U. Beck & E. Beck-Gernsheim: Individualization und Putnam: Bowling alone).

Entsprechende Vorarbeiten gab es von Riesmann (Die einsame Masse), die H. Arendt als Grundlage bzw. Erklärung für ihre Sicht auf den Nationalsozialismus herangezogen hatte. Und damit wird deutlich, das die soziale Integration von Gesellschaften, sprich die Inklusion bzw. die Integration auf allen Ebenen nicht nur ein gesellschaftliches Phänomen ist, sondern sich schnell in die Dimension der Politik fortsetzt und den Aufstieg eines Hitlers erklären hilft.

Wie von Wehler und anderen dargestellt und von der Politikwissenschaft, sowohl von konservativeren Politologie wie Dahl oder auch von links-liberaleren wie Streek etc., in Hinblick auf die Chanchengleichheit bei der politischen Partizipation kritisch vermerkt wird

https://books.google.de/books?id=SDS2lH1ltjwC&printsec=frontcover&dq=wehler+land+ohne+unterschichten&hl=de&sa=X&ei=AXuiVduEI6S7ygPOgrOYDg&ved=0CCEQ6AEwAA#v=onepage&q=wehler%20land%20ohne%20unterschichten&f=false

https://books.google.de/books?id=f-gf5axS9hEC&pg=PT5&dq=wehler+land+ohne+unterschichten&hl=de&sa=X&ei=AXuiVduEI6S7ygPOgrOYDg&ved=0CCcQ6AEwAQ#v=onepage&q=wehler%20land%20ohne%20unterschichten&f=false
 
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