Stellenwert von Tagebüchern ... gesch.Kontext

Liebe Forenfreunde,

...manchmal sind es gerade Tagebücher, die dazu führen dass man den historischen Kontext bei einigen geschichtlichen Ereignisse zu begreifen lernt. Trotzdem habe ich den Eindruck, dass Tagebücher bei FUnktionären doch recht selten waren, weil dazu das Alltagsgeschäft meist keine Zeit liess ...

Ist diese Vermutung zutreffend. Meines Wissens gibt es nur wenige Tagebücher die dann später Historikern zugänglich gemacht wurden ... hat ja auch nicht selten einen erheblichen familiengeschichtlichen Wert, muss man betonen ... !!!
 
Liebe Forenfreunde,

...manchmal sind es gerade Tagebücher, die dazu führen dass man den historischen Kontext bei einigen geschichtlichen Ereignisse zu begreifen lernt. Trotzdem habe ich den Eindruck, dass Tagebücher bei FUnktionären doch recht selten waren, weil dazu das Alltagsgeschäft meist keine Zeit liess ...

Ist diese Vermutung zutreffend. Meines Wissens gibt es nur wenige Tagebücher die dann später Historikern zugänglich gemacht wurden ... hat ja auch nicht selten einen erheblichen familiengeschichtlichen Wert, muss man betonen ... !!!
Also ich kenne schon einige Tagebücher. Das nette ist doch, dass diese Tagebücher, den historischen Personen zu einer ungeahnten Berühmtheit verhalfen, da sie eben seltene Einblicke in die Welt von Damals liefern.

Da ist so ein Tagebuchautor, dessen Geheimschrift man erstmal entziffern und entschlüsseln musste: Samuel Pepys - Wikipedia Heute ist er daher berühmt bei Leuten, die sich mit seiner Zeit beschäftigen.

Der Vorteil der Tagebücher ist wohl, dass sie zumeist noch weit authentischer wirken und sein dürften, als die Memoiren.
 
Wobei es aber auch Tagebücher gibt, bei denen durchaus an eine spätere Veröffentlichung gedacht wird, siehe etwa Goebbels.
 
Wobei es aber auch Tagebücher gibt, bei denen durchaus an eine spätere Veröffentlichung gedacht wird, siehe etwa Goebbels.
Also muss man da auch schauen, ob das jeweilige Tagebuch eine Überrest- oder Traditionsquelle ist. (Soviel habe ich im Geschichtegrundkurs mitbekommen.) So leicht ist das manchmal nicht zu trennen und man muss sicherlich individuell schauen. Manchmal sind die Motivationen einer historischen Person ein Tagebuch zu schreiben auch selbst den heutigen Forschern schleierhaft, so z.B. wenn der Autor selbst nichtmal im Tagebuch ein paar Seiten zurückschlug, um z.B. zu erfahren, welchen Hochzeitstag er denn feierte. Andere Tagebuchautoren waren recht akribisch und ergriffen das alte beendete Tagebuch einige Jahrzehnte wieder und versahen es mit Randnotizen, wenn sie eine Charakterisierung eines Menschen oder Vorgangs nicht mehr haltbar fanden. In dem Falle maßen sie sicherlich dem Tagebuch selbst eine hohe Bedeutung bei.
 
nachgehakt

Ich denke die Tagebücher von Anne Frank passten natürlich in den historischen Kontext hinein. Da wurde einfach eine Lücke geschlossen.

Aber ein guter Gedanke. Es ist schwierig ein Tagebuch zu lesen, wenn man über die beschriebenen nichts weiß. Das ist bei Chroniken des 17. und 16. Jahrhunderts deutlich schwieriger gewesen, bis vielleicht auf die Tagebuchaufzeichnungen von James Cook ect. - die hatten ja auch eine festgelegte Systematik ...
 
1. Es ist schwierig ein Tagebuch zu lesen, wenn man über die beschriebenen nichts weiß.

2. Das ist bei Chroniken des 17. und 16. Jahrhunderts deutlich schwieriger gewesen, bis vielleicht auf die Tagebuchaufzeichnungen von James Cook ect. - die hatten ja auch eine festgelegte Systematik ...
1. Ja aber man liest doch ein Tagebuch nicht ohne eine bestimmte Motivation. Ich lese ein Tagebuch gewöhnlich, weil ich Hintergrundwissen über eine Zeit habe und auch vielleicht schon etwas tiefer meinetwegen in das Leben am österreichischen Hof eingestiegen bin und dann sind die Namen und Zusammenhänge der meisten Akteure in den Tagebüchern schon ein Begriff. Dann lese ich das Tagebuch, um weitere Details zu erfahren, welche kulturgeschichtlicher Art oder biographische, welthistorische oder andere Inhalte betreffen.
Anne Frank ist vielleicht ein schlechtes Beispiel, weil sie ja aus einer gewissen Isulierung heraus schreibt und die Personen mit welchen sie zusammen ist, nicht erforscht sind oder Gegenstadt großer historischer Forschung wie es bei Herrschern und Akteuren z.B. an einem absolutistischen Hof der Fall wäre.

2. Ich persönlich fand immer irgendeine Systematik, ich verstehe nicht ganz worauf Du hinaus willst.:grübel:
 
Ich finde Anne Frank sogar ein sehr gutes Beispiel. Meiner Ansicht nach war die historische Forschung eine lange Zeit eben auf Herrscher und Nationen fixiert. Doch herauszufinden, welche Auswirkungen etwa gesetzliche Massnahmen auf alltäglicher Ebene - Anne Frank ist sicher hier ein extremes Beispiel - haben, halte ich für ebenso wichtig, untersucht man hier doch im Grunde die Reichweite solcher Maßnahmen.
 
Tagebücher sind ganz hervorragende mentalitätsgeschichtliche Quellen. Gerade über Zeitgenossen, von denen wenig überliefert ist, die nicht den Eliten angehörten, die historische Ereignisse aus der Froschperspektive erlebt haben, erfährt man durch Tagebücher eine ganze Menge.

Die Art, wie sie etwas buchstäblich erlebt haben und die naive Sicht des Anderen macht z. B. Tagebücher von hessischen Soldaten in Amerika für mich so reizvoll.

Hochinteressant ist das Tagebuch, das Meister Franz Schmidt, der Scharfrichter von Nürnberg Ende des 16. Jahrhunderts führte. Alle "Aufträge", seine Delinquenten und Delinquentinnen samt den Vergehen hat er peinlich genau aufgeführt. Sein Tagebuch ist eine wahre Fundgrube für Rechtshistoriker und Kulturanthropologen.
 
Ich finde Anne Frank sogar ein sehr gutes Beispiel. Meiner Ansicht nach war die historische Forschung eine lange Zeit eben auf Herrscher und Nationen fixiert. Doch herauszufinden, welche Auswirkungen etwa gesetzliche Massnahmen auf alltäglicher Ebene - Anne Frank ist sicher hier ein extremes Beispiel - haben, halte ich für ebenso wichtig, untersucht man hier doch im Grunde die Reichweite solcher Maßnahmen.
Du scheinst mich misszuverstehen. Es geht mir nicht darum, dass Anne Frank ein schlechtes Beispiel für ein historisch interessantes Tagebuch ist, eigentlich ist jedes Tagebuch historisch interessant, denn es beschreibt Alltags-, Kulturgeschichte etc. authentisch aus erster Hand, nein es ging mir nur darum, dass es ein schlechtes Beispiel dafür ist, wenn man als Leser ein Hintergrundwissen über die Hauptcharaktere vor Aufschlagen des Buches haben will.

Hm, gehen eure Beiträge Scorpio und Scarlett nicht an der Fragestellung vorbei? Den Wert der Tagebücher hat ja Helmut Schuhl nie bestritten. Es ging ihm eher um die Fragen der Systematik und Begreifbarkeit, wohl auch Einordnungsschwierigkeiten der Tagebücher in den historischen Kontext und dass dies scheinbar ohne umfangreiches Vorwissen sehr schwierig ist.
 
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Der Sohn ist berühmt: Niccolò, fast unbekannt ist der Vater: Bernardo Machiavelli. Er hat ein Tagebuch hinterlassen, ein "libri di ricordi" oder "ricordanze"; ein Heft, bestehend aus 32 gefalzten Doppelblättern, das heute in der Biblioteca Riccardiana in Florenz aufbewahrt wird.

Der Tagebuchschreiber hatte nicht die Absicht, politisches Tagesgeschehen zu vermerken oder etwas Bestimmtes über den florentinischen Alltag zu hinterlassen. Es ist im Grunde eine Aufzählung dessen, was ihm wichtig erschien; sei es, dass er Olivenöl verkaufte, wieviel er dafür bekam, dass ein Verwandter ein Dienstmädchen verführte, ein Streit mit dem Metzger....

Ich denke, so etwas ist immer eine sinnvolle Ergänzung zur "bekannten Geschichte", zur großen Politik. Umfangreiches Vorwissen ist m. E. nicht unbedingt nötig, aber Grundkenntnisse sollte man schon haben, um so etwas einordnen zu können. Es kann allerdings auch umgekehrt sein, dass so ein Tagebuch eines damaligen Durchschnittsbürgers Interesse weckt, sich mit dem politischen Umfeld zu beschäftigen.
 
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