Stratege Arminius und Hasenfuß Germanicus?

Tief ins Archi(e)v

nun, gerade die Völker nördlich der Mittelebirge, bei den anderen weiß ichs nicht, haben ein gewaltiges Problem ...

Auf 100 Mädchen werden 108-110 Jungen geboren. Kommt dann noch die Vielweiberei und das Erstgeburtsrecht bei den Nordleuten hinzu, gibts sehr gute Gründe, sich auswärts zu verdingen bzw auf Raubzug zu gehen. Das trifft auch die Eingeborenen der nrdtsch. Tiefebene. Früher war das Verhältnis erst ab 30 1:1, davor gabs mehr junge Männer als Frauen.
Wie das bei Römern u.ä. war, weiß ich leider nicht, im Norden kamen Knben und Mädchen wohl gleich "durch den Winter"

Das ist jetzt kein Witz oder so ...

Ich wußte gar nicht, daß die ollen Germanen Standesämter hatten und Bevölkerungsstatistiken führten.
 
Berli erobern lassen, weil er in Stalingrad rechtzeitig die Kurve gekriegt hat. Es ist nun mal so, das nicht der nen Krieg gewinnt, der heldenmütig stirbt, sondedrn der, der ganz feige immer wieder kämpfen kann.

Dass er die Kurve gemacht hat ist nicht meine Kritik. M.E. hätte er sich zu Caecina zurückziehen müssen anstatt Tür und Tor für den Angriff zu öffnen.
Wäre das unmöglich gewesen... wir haben bezüglich Kommunikation mehrere Seite über das Wie quasi ein Nebengefecht geführt. Germanicus war verpflichtet den Ausgang seiner Mission sowie seine Entscheidung abzuhauen an Caecina mitzuteilen. -> Der baute aber in Ruhe weiter als er von Arminius angegriffen wurde. Er war miserabel informiert.
Germanicus hat natürlich eine große Verantwortung darüber zu tragen, was an der langen Brücke abgegangen ist und kam keiner seiner Verpflichtungen nach. D.h. entweder war er seiner Position nicht gewachsen oder war einfach auf der Flucht: Nach mir die Sintflut.

Diese Diskussion hier erinnert mich ehrlich gesagt an Pispers. Pispers zeigt eine Umfrage, die vorzeigt, dass 80% der Bevölkerung in Deutschland mit der Regierung nicht zufrieden wären. Aber 80% wären zufrieden mit der Merkel als Kanzlerin. Er ginge (spottend) davon aus, dass es bestimmt die gleichen 80% waren. Irgendwann, meinte er, nach der Regierung Merkel würden viele meinen: „Tja, wenn das die Merkel gewusst hätte.“ – Wie es eben viele aus der 2.-Weltkrieg-Generation über Hitler geäußert haben: „Tja, wenn das der Führer gewusst hätte.“

Hier wird doch mit aller Mühe mitgeteilt, dass der, der die Verantwortung hat, gar nicht verantwortlich war. Passt nun mal der allgemeinen deutschen Logik.
 
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Dass er die Kurve gemacht hat ist nicht meine Kritik. M.E. hätte er sich zu Caecina zurückziehen müssen anstatt Tür und Tor für den Angriff zu öffnen.
Wäre das unmöglich gewesen... wir haben bezüglich Kommunikation mehrere Seite über das Wie quasi ein Nebengefecht geführt. Germanicus war verpflichtet den Ausgang seiner Mission sowie seine Entscheidung abzuhauen an Caecina mitzuteilen. -> Der baute aber in Ruhe weiter als er von Arminius angegriffen wurde. Er war miserabel informiert.
Germanicus hat natürlich eine große Verantwortung darüber zu tragen, was an der langen Brücke abgegangen ist und kam keiner seiner Verpflichtungen nach. D.h. entweder war er seiner Position nicht gewachsen oder war einfach auf der Flucht: Nach mir die Sintflut.

Schauen wir uns noch mal an, was im Jahre 15 passiert ist. Zunächst einmal haben wir einen Feldzug im Frühsommer gegen die Marser.
Dann haben wir einen zweiten Feldzug. Germanicus teilt sein Heer auf und befiehlt Reiterei und Caecina an die Ems, wo er selber mit Schiffen landet.
Dann zieht man durch die Ländereien der Brukterer, verfolgt schließlich, nach einem Besuch des Varusschlachtfeldes Arminius, mit dem man in der avia ein Scharmützel hat, dann kehrt das Heer zur Ems zurück, wo es sich wieder aufteilt. Jeder marschiert, reitet und segelt zurück, wie er hergekommen ist.

Damit reißt die Kommunikation zwischen den einzeln operierenden, nicht gerade kleinen Truppenverbänden ab. Germanicus hat dann noch Probleme mit dem Verständnis des Wattenmeeres, was zu einer kleineren Katastrophe führt. Das kann man ihm als federführenden Feldherren sicher in Teilen anlasten. Heute müsste ein Politiker dafür sicher den Hut nehmen (musste Germanicus ja schließlich auch).

Dass aber Caecina noch eine schwere Konfrontation mit Arminius haben würde, war wohl kaum vorauszusehen. Immerhin muss Arminius dafür die römischen Truppen überholt haben. Dies dem Germanicus anzulasten, ist durch nichts zu rechtfertigen.
 
Das müsstest du mal aus den Quellen näher erläutern.

Es gibt nur die Quelle.


Die Flotte wurde durch einen Sturm auseinandergetrieben, einige Schiffe sind dabei wohl verloren gegangen. Germancius dürfte froh gewesen sein, diesen Sturm überhaupt überlebt zu haben. Daraus eine Charakterschwäche herzuleiten ist mehr als seltsam.

Wo hast du diesen Gefangenenfreikauf her? Und wieso bedeutet ein Gefangenenfreikauf, dass Germanicus feige war?

1. Nach der Quelle, wäre Germanicus lieber durch die Flut gestorben.
2. Die Quelle sagt aus, dass er als einziger unbeschadet bei den CHAUKEN landete. Dass viel später schwer zerstörte Schiffe am Platz von Germanicus ankamen. Diese Schiffe wurden später für das Einsammeln von verstreuten Legionäre verwendet.
3. Die Quelle sagt aus: dass „die meisten“ allerdings von den Ampsivarier „tief im germanischen Gebiet“ freigekauft worden sind. Die Ampsivarier dürfen dabei nicht mit den Angrivarier verwechselt werden.

Das war ein Sturm sage ich Dir. Der hat die schwerausgerüsteten Römer mehr verstreut als das Laub.

4. Dass die meisten über den Landweg zur Ems und später nach Hause gingen. Tacitus klärt nicht ganz, was Germanicus mit der Schifffahrt bezweckte. Einen D-Day höchst wahrscheinlich nicht. Vermutlich war es zum größten Teil zum Transport von Kriegsgüter gedacht, u.a. für die Artillerie, Verpflegung etc. Und er fuhr mit, weil er als Cesar eine Privatjacht hatte und ihm sicherlich die Seefahrt via Windkraft komfortabler erschien. Hätte ich als Feldherr auch vorgezogen.

5. Vorweg, nach Tacitus landeten die Schiffen irgendwo an der Ems und trafen sich dort mit der Landestruppe. Danach marschierten sie gemeinsam bis zur Weser, wo es zur Bruderdiskussion kam. Die Heimschiffreise bestand im Allgemeinen durch eine Seefahrt verbündeter Germanenstammen: Ampsivarier, Chauken, Friesen und zuletzt Bataver. Es ist auch für die Sicherheit der Schiffe anzunehmen, dass sie an der Ems bei einem verbündeten Gebiet gelandet sind. Die Flussküste der Ampsivarier ist der südlichste Teil der verbündeten Germanen und hatte die Grenze zum Feindgebiet. Die Chauken südöstlich allerdings auch und hatten auch den nördlichen Teil der Weser für sich.

Die Emsmündung wird allgemein als Gebietsgrenze zwischen Friesen und Chauken angenommen. Wenn nicht, dann nicht weit davon. Jedenfalls lag der größte Teil der chaukischen Küstenregion östlich von der Emsmündung sowie die größte Teil der friesischen Küstenregion westlich von der Emsmündung.

D.h. Germanicus kann nur gerade die Flussfahrt beendet haben als er als Erster und Einziger an der Küste der Chauken ankam. Der Sturm muss zum größten Teil in der Flussfahrt geschehen sein. Ein Sturm an der Küste wäre eine Landung bei den Friesen oder Bataver eher anzunehmen.

Wie man es dreht und wendet, der Sturm erklärt einem nicht, wieso dieser Sturm die meisten Männer tief im germanischen Gebiet verstreut haben solle. Außer man erkennt neuerdings an, dass die Strömung eines Fluss vom Meer „tief“ ins Land fließt. Dass die Windkraft in einem Sturm stärker wird als die Wasserkraft (Strömungszunahme bei einem Sturm).

Dafür gibt es nach der Verwendung des Ockham's Razor nur einen Sinn: Gefangene von der Schlacht des Angrivarierwall.


Ob das nun Plünderungszüge waren oder wie Tacitus schreibt, eine Demonstration seiner Handlungsfähigkeit nach dem Flottendesaster, ist doch letztlich egal. Daraus Feigheit zu konstruieren, besagt mehr über die persönliche Antipathie deinerseits gegenüber einem Menschen, der seit 2000 Jahren tot ist, als auf den Charakter des Germanicus

Die Marser und Chatten waren im Arsch. So dolle war das ganz und gar nicht. Außer man streicht alle Vorgeschichten, die Tacitus über beide Stämme zu berichten hatte. Selbst im Frühjahr 16 entführte er ja auch die Tochter eines Chattenfürsten.
 
Zuletzt bearbeitet:
1. Nach der Quelle, wäre Germanicus lieber durch die Flut gestorben.
2. Die Quelle sagt aus, dass er als einziger unbeschadet bei den CHAUKEN landete. Dass viel später schwer zerstörte Schiffe am Platz von Germanicus ankamen.
Was die zunächst dramatisch erscheinende Lage deutlich entschärfte.

Diese Schiffe wurden später für das Einsammeln von verstreuten Legionäre verwendet.
Nachdem man sie instand gesetzt hatte.

3. Die Quelle sagt aus: dass „die meisten“ allerdings von den Ampsivarier „tief im germanischen Gebiet“ freigekauft worden sind. Die Ampsivarier dürfen dabei nicht mit den Angrivarier verwechselt werden.
Wer auch immer gemeint ist, Angrivarier oder Ampisvarier, da steht weder etwas von maxima pars noch maioritas o.ä. sondern multos: 'viele'. Auch davon, dass sie "tief in germanischem Gebiet" freigekauft worden seien steht dort nichts, sondern von ab interioribus reddidere, also aus dem Landesinnern (≠ tiefstes Germanien) wurden sie zurückgegeben. Mit dem freikaufen, das ist nun eine Frage, wie man redemptos zu interpretieren hat. Ich würde hier jedenfalls nicht die Übersetzung 'freikaufen' wählen sondern eher 'erlösen', ich würde das in etwa als "vom Schicksal erlöst wurden sie zurückgegeben" verstehen.
Offensichtlich sind einige schiffbrüchig durch die Gegend geirrt, von Angrivariern oder Ampisvariern aufgegriffen worden (vielleicht haben sie sich versucht auf dem Landweg durchzuschlagen) und sind zu Germanicus zurückgebracht worden. Ein Wunder, dass man sie nicht stattdessen massakriert hat.

Das war ein Sturm sage ich Dir. Der hat die schwerausgerüsteten Römer mehr verstreut als das Laub.
Ist das die Antwort auf meine Frage, wie man aus einem Sturm eine Charakterschwäche des Germanicus herleiten kann? Sollte die Antwort "ja" lauten, sei gleich eine weitere Frage hinterhergeschoben: Ernsthaft?

4. Dass die meisten über den Landweg zur Ems und später nach Hause gingen. Tacitus klärt nicht ganz, was Germanicus mit der Schifffahrt bezweckte. Einen D-Day höchst wahrscheinlich nicht. Vermutlich war es zum größten Teil zum Transport von Kriegsgüter gedacht, u.a. für die Artillerie, Verpflegung etc. Und er fuhr mit, weil er als Cesar eine Privatjacht hatte und ihm sicherlich die Seefahrt via Windkraft komfortabler erschien. Hätte ich als Feldherr auch vorgezogen.
Kann es sein, dass du hier die Ereignisse der Jahre 15 und 16 vermengst? Denn während man sich im Jahre 15 nach getrenntem Anmarsch an einem uns unbekannten Punkt der Ems traf, fuhr man im Jahre 16 gemeinsam zur Emsmündung, wo man, was Tacitus heftig kritisiert, am Westufer ausschiffen ließ und somit wertvolle Zeit und - schlimmer noch - batavische Hilfstruppen verlor.

5. Vorweg, nach Tacitus landeten die Schiffen irgendwo an der Ems und trafen sich dort mit der Landestruppe. Danach marschierten sie gemeinsam bis zur Weser, wo es zur Bruderdiskussion kam.
Tatsächlich, du vermengst die Ereignisse von 15 und 16. Im Jahre 16 gab es kein Treffen an der Ems. Erst beim Abmarsch wurden die Truppen wieder geteilt.


Die Emsmündung wird allgemein als Gebietsgrenze zwischen Friesen und Chauken angenommen. Wenn nicht, dann nicht weit davon. Jedenfalls lag der größte Teil der chaukischen Küstenregion östlich von der Emsmündung sowie die größte Teil der friesischen Küstenregion westlich von der Emsmündung.
Das ist korrekt.

D.h. Germanicus kann nur gerade die Flussfahrt beendet haben als er als Erster und Einziger an der Küste der Chauken ankam. Der Sturm muss zum größten Teil in der Flussfahrt geschehen sein.
Das wiederum ist Unsinn.

Ein Sturm an der Küste wäre eine Landung bei den Friesen oder Bataver eher anzunehmen.
Tacitus schreibt doch deutlich, dass die Schiffe außer Kontrolle gerieten. (Tac. ann. II, 24).

Wie man es dreht und wendet, der Sturm erklärt einem nicht, wieso dieser Sturm die meisten Männer tief im germanischen Gebiet verstreut haben solle. Außer man erkennt neuerdings an, dass die Strömung eines Fluss vom Meer „tief“ ins Land fließt. Dass die Windkraft in einem Sturm stärker wird als die Wasserkraft (Strömungszunahme bei einem Sturm).
Wie gesagt: Nicht die meisten Männer, sondern viele. Viele ist ein dehnbarer Begriff. Sie sind sicher nicht an Land geflogen... Aber was würdest du machen, wenn du mit einem Schiff strandest und du wüsstest, in welcher Richtung der nächste sichere Ort liegt, losmarschieren und bleiben würde beides gleichermaßen das Risiko in sich bergen, Menschen zweifelhafter Absicht in die Hände zu fallen? Also ich würde losmarschieren. Und dann würde man mich wo aufgreifen? Wohl wommöglich im Landesinneren.

Die Marser und Chatten waren im Arsch. So dolle war das ganz und gar nicht. Außer man streicht alle Vorgeschichten, die Tacitus über beide Stämme zu berichten hatte. Selbst im Frühjahr 16 entführte er ja auch die Tochter eines Chattenfürsten.
Das ist - abgesehen vom Ausdruck - kein Gegenargument.
 
Wer auch immer gemeint ist, Angrivarier oder Ampisvarier, da steht weder etwas von maxima pars noch maioritas o.ä. sondern multos: 'viele'. Auch davon, dass sie "tief in germanischem Gebiet" freigekauft worden seien steht dort nichts, sondern von ab interioribus reddidere, also aus dem Landesinnern (≠ tiefstes Germanien) wurden sie zurückgegeben. Mit dem freikaufen, das ist nun eine Frage, wie man redemptos zu interpretieren hat. Ich würde hier jedenfalls nicht die Übersetzung 'freikaufen' wählen sondern eher 'erlösen', ich würde das in etwa als "vom Schicksal erlöst wurden sie zurückgegeben" verstehen.
Offensichtlich sind einige schiffbrüchig durch die Gegend geirrt, von Angrivariern oder Ampisvariern aufgegriffen worden (vielleicht haben sie sich versucht auf dem Landweg durchzuschlagen) und sind zu Germanicus zurückgebracht worden. Ein Wunder, dass man sie nicht stattdessen massakriert hat.
Ist "erlösen" für "redimere" nicht eher eine erst später, im christlichen Kontext, aufgekommene Bedeutung? Etymologisch bedeutet das Wort jedenfalls "zurückkaufen", und im klassischen Latein scheint es mir stets etwas in diesem Sinn oder wie "freikaufen", "loskaufen" o. ä. bedeutet zu haben. Im vorliegenden Fall würde ich daher tatsächlich davon ausgehen, dass die Angrivarier "viele" freigekauft haben; wohl um sich mit den Römern gutzustellen. "interioribus" kann wohl entweder die weiter innen wohnenden Stämme oder die weiter innen liegenden Gegenden bezeichnen, wobei ich auch eher dazu neigen würde, "ab interioribus" noch auf "multos ... redemptos" zu beziehen statt auf "reddidere".
Also: "Die neulich in Gnade aufgenommenen Angrivarier gaben viele von den weiter innen wohnenden Stämmen / aus den weiter innen liegenden Gegenden Freigekaufte zurück."

Sonst Zustimmung.
 
Dann müsste man tatsächlich mit Sten Berg eine Gefangenschaft aus eine der früheren Schlachten annehmen.
 
Normalerweise würde ich das auch eher vermuten: Da die Angrivarier sich erst kurz zuvor unterworfen hatten, wollten sie sich wohl jetzt den Römern gefällig erweisen oder es war überhaupt eine Bedingung der Unterwerfung, dass sie sich bemühen würden, gefangene Römer freizubekommen.
Problematisch ist aber natürlich, dass der Satz mit den von den Angrivariern Freigekauften mitten in einem Bericht darüber steht, wie die durch den Schiffbruch Zerstreuten wieder eingesammelt wurden.
Vielleicht passt sinngemäß, was Du geschrieben hast:
Offensichtlich sind einige schiffbrüchig durch die Gegend geirrt, von Angrivariern oder Ampisvariern aufgegriffen worden (vielleicht haben sie sich versucht auf dem Landweg durchzuschlagen) und sind zu Germanicus zurückgebracht worden. Ein Wunder, dass man sie nicht stattdessen massakriert hat.
Etliche Schiffbrüchige versuchten sich auf dem Landweg durchzuschlagen, wurden dabei von anderen Stämmen gefangengenommen und von den Angrivariern (freiwillig oder auf Druck der Römer) freigekauft. Zwischen Schiffbruch und Rückgabe kann durchaus schon mehr Zeit verflossen sein; schließlich steht im nächsten Satz, wie andere Schiffbrüchige von britannischen Kleinkönigen zurückgeschickt wurden, was auch nicht von heute auf morgen geschehen sein wird.
 
Das war ein Sturm sage ich Dir. Der hat die schwerausgerüsteten Römer mehr verstreut als das Laub.
Ist das die Antwort auf meine Frage, wie man aus einem Sturm eine Charakterschwäche des Germanicus herleiten kann? Sollte die Antwort "ja" lauten, sei gleich eine weitere Frage hinterhergeschoben: Ernsthaft?
Hier hab ich mich verlesen und dadurch den ironischen Unterton nicht als solchen erkannt. Die Frage(n) sind damit gegenstandslos. :winke:
 
Schauen wir uns noch mal an, was im Jahre 15 passiert ist. Zunächst einmal haben wir einen Feldzug im Frühsommer gegen die Marser.
Dann haben wir einen zweiten Feldzug. Germanicus teilt sein Heer auf und befiehlt Reiterei und Caecina an die Ems, wo er selber mit Schiffen landet.
Dann zieht man durch die Ländereien der Brukterer, verfolgt schließlich, nach einem Besuch des Varusschlachtfeldes Arminius, mit dem man in der avia ein Scharmützel hat, dann kehrt das Heer zur Ems zurück, wo es sich wieder aufteilt. Jeder marschiert, reitet und segelt zurück, wie er hergekommen ist.

Damit reißt die Kommunikation zwischen den einzeln operierenden, nicht gerade kleinen Truppenverbänden ab. Germanicus hat dann noch Probleme mit dem Verständnis des Wattenmeeres, was zu einer kleineren Katastrophe führt. Das kann man ihm als federführenden Feldherren sicher in Teilen anlasten. Heute müsste ein Politiker dafür sicher den Hut nehmen (musste Germanicus ja schließlich auch).

Dass aber Caecina noch eine schwere Konfrontation mit Arminius haben würde, war wohl kaum vorauszusehen. Immerhin muss Arminius dafür die römischen Truppen überholt haben. Dies dem Germanicus anzulasten, ist durch nichts zu rechtfertigen.


Zuerst einmal, habe ich in der Tat ein Fehler begangen. Germanicus hatte keine Chance eine Kommunikation.
  1. Caecina gingen von der Ems aus mit Germanicus mit
  2. Sie treffen auf Armnius…
  3. Dann gab es ein (kein)„Scharmützel“
  4. Germanicus zog sich mit Caecina zur Ems zurück
  5. Germanicus fuhr mit seiner Flotte zurück nach Hause
  6. Caecina baute wieder die „lange Brücke“ auf, die etwa 10 Jahre zuvor von den Römer gebaut worden war.
  7. Caecina Armeen wurden fast aufgerieben. Die Germanen wurden mit der Zerstörung der Rheinbrücke aufgehalten.

Ein Scharmützel ist ein Kampf kleinerer Einheiten innerhalb eines größeren Konflikts. Dafür spricht gar nichts, sondern es spricht auf das erste große Zusammentreffen von Germanicus auf Arminius. Tacitus macht es deutlich, dass Germanicus „sofort“ sich danach zurückzog. Er spricht auch von einem „Strom“ von Flüchtenden.
Wie man einem Germanicus nicht vorhalten kann, dass er es nicht hätte erahnen können, dass Arminius sie weiterverfolgt, ist, nett gesagt, sehr blauäugig. Arminius ist der gnadenloser Bezwinger von drei Legionen, wofür er viele Tage gebraucht hat. Arminius ist der Germanicushasser, da Germanicus ziemlich kurzzeitig – wenigen Monaten zuvor - seine Frau entführt hatte.
Es entspricht auch nicht der allgemeinen Kriegsstrategie, dass man tausende Männer für den Krieg aufrüsten lässt, und nach der ersten Konfrontation – noch weniger bei einem Scharmützel – die Männer wieder nach Hause schickt.
Es ist wie, wenn Millionen von Menschen sich für die Loveparade sich treffen, aber doch nicht tanzen wollen. Oder nach einem kurzen Tanzabend so gut wie alle wieder nach Hause wollen. Schlicht UNREALISTISCH.
Viele Strapazen nahm Germanicus auf, um auf Arminius zu stoßen. Germanicus war der Aggressor, der Angreifer, der Mann mit Eroberungsabsichten, im Auftrag der Rache für das Imperium. Bei ihm macht es noch weniger Sinn für einen grundlosen Heimweg.
Realistisch besteht einfach die Frage, wieso Germanicus sofort die Sicherheit aufsuchte. Wieso er seinem Adjutanten alleine in Gefahr ließ. <- Eben wegen Caecina braucht auch keiner mit dem drohenden Winter zu kommen.
Bezüglich Tacitus habe ich über die Ereignisse des Feldherrn Vitellius sogar Verständnis. Bei ihm wirkt es wie eine Nebengeschichte ohne größere Folgen für Germanicus. Wieso auch? Nach fast 30 jährigem Eroberungsversuch der Römer über die Provinz Germania kannten die Römer sich auch mit dem Wattenmeer aus. Das Verschulden bei der Heimreise des Vitellius von der kommenden Flut des Wattmeers zu ertrinken, ist alleine auf Vitellius zu schieben. Um viele Männer kann es sich auch nicht gehandelt haben, da die meisten auf den Schiffen Germanicus sowie beim Straßenbau bei Caecina aufgehalten haben. Es ist eher anzunehmen, dass die Tragödie des Vitellius die Menschen der Antike mehr beeindruckt hat als die Anzahl der Opfer. Dass Legionäre mit einer Flut weggespült wurden, war sicherlich nicht häufig.
Tacitus unterspielt allerdings mit seiner Antisympathie auf Tiberius die schlichte Tatsache, dass die Familie von Germanicus in Gefahr geraten war. Inclusive Caligula und die noch in der Mutter vorhandenen Agrippina die Jüngere. Agrippina die Ältere war in dieser Zeit wie Thusnelda schwanger, als sie die Rheinbrücke zerstören ließ.

Arminius hätte sich sicherlich sehr gefreut, die Familie Germanicus als Gefangene zu haben. Und da stand er kurz davor. Tiberius ist der Onkel von Germanicus und schlicht schon als Onkel, konnte er davon nicht begeistert gewesen sein, bzw. war Tiberius auch bewusst, dass es als Kaiser von Rom nicht egal sein konnte, wie es seiner Familienmitglieder so ergeht.
 
"tief in germanischem Gebiet" freigekauft worden seien steht dort nichts, sondern von ab interioribus reddidere, also aus dem Landesinnern (≠ tiefstes Germanien) wurden sie zurückgegeben.
[...]Mit dem freikaufen, das ist nun eine Frage, wie man redemptos zu interpretieren hat. Ich würde hier jedenfalls nicht die Übersetzung 'freikaufen' wählen sondern eher 'erlösen'

Hui, Wortgefechte sind leider nicht mein Metier. Es ändert nichts an der Sachlage.


Wie gesagt: Nicht die meisten Männer, sondern viele. Viele ist ein dehnbarer Begriff. Sie sind sicher nicht an Land geflogen... Aber was würdest du machen, wenn du mit einem Schiff strandest und du wüsstest, in welcher Richtung der nächste sichere Ort liegt, losmarschieren und bleiben würde beides gleichermaßen das Risiko in sich bergen, Menschen zweifelhafter Absicht in die Hände zu fallen? Also ich würde losmarschieren. Und dann würde man mich wo aufgreifen? Wohl wommöglich im Landesinneren.
[FONT=&quot]Es ist natürlich sehr sinnvoll, bei einem aufkommenden Sturm, besser nicht zu ankern. Besser man bleibt im Wasser als am Land an Menschen mit zweifelhafter Absicht in die Hände zu geraten. Die man auch noch vorher besiegt hat und so.
Ach, vielleicht sollte man nicht vergessen, dass eine Mission von 80.000 Mann sogar über 1.000 Jahre danach recht sehr selten war. Dass die Schlachten der Idistaviso und des Angrivarierwall zu den größten Schlachten der Antike gehören. Das stört ja auch dem Bild, dass die Römer Germanien ja ganz und gar nicht erobern wollten. [/FONT]

Nein, ich hätte mit 80.000 Mann keine Angst vor zwielichtige Gestalten gehabt. Auch mit 30.000 Mann nicht, die ja noch zahlenmäßig von Tacitus später bei der Plünderung der Chatten genannt wird. Immerhin entspricht es nur fast die Zahl, womit Britannien später erobert wurde.


Das ist - abgesehen vom Ausdruck - kein Gegenargument.
Der Ausdruck verdeutlicht das Argument. Tacitus berichtet, dass Germanicus Anno 14 sowie Anno 15 beinahe Genozide bei zwei Stämmen begeht. Wie beinahe lässt sich von mir aus streiten, aber nicht, dass gerade diese zwei Stämmen, die Marser und die Chatten, die größten Verlusten erlitten. Daran ist nichts heldenhaft:
- jemand nochmals zu bestehlen, obwohl man in praktisch einen Tag zuvor auf den Boden geschlagen hatte und ausraubte.
- Jemanden zu bestehlen, der quasi noch im Krankhaus liegt und durch den Raub davor, gar nichts mehr viel haben kann.


Das ist schlicht eine Verzweiflungstat von jemanden, der woanders keine Beute machen konnte.

Umso lächerlicher wird noch Tacitus große Reden, wie sehr die Germanen erkannt haben wollen, wie stark Rom immer noch sei. Das wird umso lächerlicher, wenn man auch weiß, dass der Herr Germanicus trotz zwei Siege bei den Cheruskern nichts, aber rein gar nichts erreichte. Kein beinahe Genozid, keine Sklavenabfuhr, keine Plündern von Reichtum und Nahrungsmittel, nicht mal wie der eigene Vater Drusus zur Elbe zukommen, schlicht nichts.
Tacitus beschreibt es, dass das alles die Absichten der Reise war. Und gerade weil rein gar nichts bei dieser Mission gelangt, sind die Siegesmeldungen schon alleine absurd. Das wird mit der Plünderung bei dem am Arsch liegenden Stämmen fett und deutlich unterstrichen. Siehe oben.
 
Ein Scharmützel ist ein Kampf kleinerer Einheiten innerhalb eines größeren Konflikts. Dafür spricht gar nichts, sondern es spricht auf das erste große Zusammentreffen von Germanicus auf Arminius. Tacitus macht es deutlich, dass Germanicus „sofort“ sich danach zurückzog. Er spricht auch von einem „Strom“ von Flüchtenden.

Das mit dem Strom von Flüchtenden ist nicht Tacitus sondern seinem Übersetzer Sontheimer anzulasten. Bei Tacitus steht nichts von einem Strom. Nur dass die fliehenden Reiter und die Auxiliarkohorten durcheinandergeraten und dadurch das Durcheinander noch mehr vergößert wurde (Tac. ann. I, 63). Germanicus führte dann die Legionen heran und stellte sie auf. Offensichtlich kam es dann zu keinen weiteren Kampfhandlungen. Für mich ist das ein Scharmützel. Aber ich ich will mich auf dieses Wort nicht festlegen, denn es geht mir da ganz, wie dir:

Wortgefechte sind leider nicht mein Metier.


Wie man einem Germanicus nicht vorhalten kann, dass er es nicht hätte erahnen können, dass Arminius sie weiterverfolgt, ist, nett gesagt, sehr blauäugig. Arminius ist der gnadenloser Bezwinger von drei Legionen, wofür er viele Tage gebraucht hat. Arminius ist der Germanicushasser, da Germanicus ziemlich kurzzeitig – wenigen Monaten zuvor - seine Frau entführt hatte.
Es entspricht auch nicht der allgemeinen Kriegsstrategie, dass man tausende Männer für den Krieg aufrüsten lässt, und nach der ersten Konfrontation – noch weniger bei einem Scharmützel – die Männer wieder nach Hause schickt.
Es ist wie, wenn Millionen von Menschen sich für die Loveparade sich treffen, aber doch nicht tanzen wollen. Oder nach einem kurzen Tanzabend so gut wie alle wieder nach Hause wollen. Schlicht UNREALISTISCH.

Wir können dem Text entnehmen, dass es bereits Mitte bis Ende September war, denn das Flottenunglück ist auf den Tag der Tag- und Nachgleiche datiert (Tac. ann I, 70), also den 22./23. September. Insofern ist es kaum verwunderlich, dass Germanicus, nachdem er bereits im Frühjahr einen Feldzug geführt hatte und jetzt erst das Bruktererland verwüstet, die Varuslegionen bestattet und Arminius verfolgt hatte, umkehrte.
Nicht zuletzt musste er ja auch die Versorgung des Heeres sicherstellen, schließlich war die Erntezeit vorbei, sprich, fouragieren dürfte schwierig geworden sein.

Viele Strapazen nahm Germanicus auf, um auf Arminius zu stoßen. Germanicus war der Aggressor, der Angreifer, der Mann mit Eroberungsabsichten, im Auftrag der Rache für das Imperium. Bei ihm macht es noch weniger Sinn für einen grundlosen Heimweg.
Auch ein Aggressor muss sein Heer versorgen.


Realistisch besteht einfach die Frage, wieso Germanicus sofort die Sicherheit aufsuchte. Wieso er seinem Adjutanten alleine in Gefahr ließ. <- Eben wegen Caecina braucht auch keiner mit dem drohenden Winter zu kommen.
Er hat ihn dort allein gelassen, wo er ihn getroffen hat: An der Ems. (Tac. ann. I, 63) Wohl eine Frage der Notwendigkeit. Ansonsten hätte er wohl die Schiffe und mit diesem schweres Gerät zurücklassen müssen. Wenn er das getan hätte, würdest du ihm das jetzt als Fahrlässigkeit vorwerfen. Um Caecina zu überfallen, musste Arminius diesen überholen. Dieser Gefahr war sich Germanicus, zumindest der Darstellung des Tacitus nach, wohl bewusst, denn er warnte Caecina ja (ebd.: Tac. ann. I, 63).


Bezüglich Tacitus habe ich über die Ereignisse des Feldherrn Vitellius sogar Verständnis. Bei ihm wirkt es wie eine Nebengeschichte ohne größere Folgen für Germanicus. Wieso auch? Nach fast 30 jährigem Eroberungsversuch der Römer über die Provinz Germania kannten die Römer sich auch mit dem Wattenmeer aus. Das Verschulden bei der Heimreise des Vitellius von der kommenden Flut des Wattmeers zu ertrinken, ist alleine auf Vitellius zu schieben. Um viele Männer kann es sich auch nicht gehandelt haben, da die meisten auf den Schiffen Germanicus sowie beim Straßenbau bei Caecina aufgehalten haben.
Laut Tacitus waren vier Legionen bei Caecina, vier bei Germanicus, von denen zwei Legionen im Watt ausstiegen (Tac. ann. I, 70).


Es ist eher anzunehmen, dass die Tragödie des Vitellius die Menschen der Antike mehr beeindruckt hat als die Anzahl der Opfer. Dass Legionäre mit einer Flut weggespült wurden, war sicherlich nicht häufig.
Tacitus unterspielt allerdings mit seiner Antisympathie auf Tiberius die schlichte Tatsache, dass die Familie von Germanicus in Gefahr geraten war. Inclusive Caligula und die noch in der Mutter vorhandenen Agrippina die Jüngere. Agrippina die Ältere war in dieser Zeit wie Thusnelda schwanger, als sie die Rheinbrücke zerstören ließ.

Jetzt verwirrst du mich. Wieso zerstören ließ? Im Gegenteil, sie verhinderte doch den panischen Aktionismus derer, die die Brücke zerstören wollten: Im Übrigen spricht diese Stelle, dass man wegen des Ausbleibens der Legionen ihre Vernichtung annahm, auch dafür, dass Germanicus sich durchaus dazu hat hinreißen lassen, länger als üblich im Feindesland zu verweilen

Sten Berg;734743 schrieb:
Arminius hätte sich sicherlich sehr gefreut, die Familie Germanicus als Gefangene zu haben. Und da stand er kurz davor.
Wie kommst du darauf, dass er kurz davor stand?

Wie gesagt: Nicht die meisten Männer, sondern viele. Viele ist ein dehnbarer Begriff. Sie sind sicher nicht an Land geflogen... Aber was würdest du machen, wenn du mit einem Schiff strandest und du wüsstest, in welcher Richtung der nächste sichere Ort liegt, losmarschieren und bleiben würde beides gleichermaßen das Risiko in sich bergen, Menschen zweifelhafter Absicht in die Hände zu fallen? Also ich würde losmarschieren. Und dann würde man mich wo aufgreifen? Wohl womöglich im Landesinneren.
Es ist natürlich sehr sinnvoll, bei einem aufkommenden Sturm, besser nicht zu ankern. Besser man bleibt im Wasser als am Land an Menschen mit zweifelhafter Absicht in die Hände zu geraten. Die man auch noch vorher besiegt hat und so.
Was erzählst du denn da? Die Gestrandeten sind doch nicht freiwillig gestrandet und haben sich aus purer Lust versucht durchzuschlagen, sondern deswegen, weil es ihre einzige Möglichkeit war, irgendwie wieder in sicheres Territorium zu gelangen.
 
Eigentlich OT, aber mE wichtig:
Falls meine Anmerkungen, ebenfalls OT, in einen anderen Thread sollen -kein Problem. Aber ich sehe meinerseits hier einigen Korrekturbedarf.
Es bleibt mE dabei, dass Germanien wirtschaftlich eniger entwickelt war als Italien, Gallien oder auch Süd-England. Entwickelt wohl gemerkt; die klimatischen ua Voraussetzungen mögen da gewesen sein, aber die sozialen nicht, und darauf wies ich hin.

Vorweg das unstrittige: Den Germanen fehlte die hellenistische schriftliche Tradition, und damit das, was unseren heutigen Begriff von Wissenschaft prägt. Alles "Germanische" damit auf "Handwerk" zu reduzieren, greift aber zu kurz - es gab mündliche Tradition, vermutlich auch ein "Lehrlings"-System (Wanderjahre?). Die Germanen hatten sehr wohl Mechanismen zur Wissenserweiterung und -vermittlung, die den mediterranen nicht unbedingt unterlegen sind (vgl. die aktuellen Diskussionen um den deutschen "Facharbeiter", oder die Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa). Diese Systeme sind jedoch archäologisch schwer fassbar.
Ein Aspekt der fehlenden Schriftlichkeit ist die ebenfalls hellenistische Mathematik, und darauf berhuhende Disziplinen wie Vermessung und Ingenieurwesen. Auch hier steht der hohe römische Entwicklungsstand ausser Frage. Aber Wasserwaage und Lot wird den Germanen auch nicht fremd gewesen sein. Wer sich germanische Hausgrundrisse von manchmal über 30m Länge ansieht, merkt schnell, dass der Holzbau absolut "state of the art" war - bloss Steinbau war halt nicht "ihr Ding". Laut Tacitus badeten die Germanen täglich, hatten wohl eine Sauna in oder am Haus. Die Römer nutzten öffentliche Bäder. Letztere hat man ausgebuddelt, die Saunen sind verrottet.
Geldnutzung, Städte, eine arbeitsteilige, hierarchische Gesellschaft und alles, was da dran hängt, fallen nicht vom Himmel.
Geldnutzung: Zunächst einmal wurden durchaus Nachahmungen römischer Münzen gefunden. Bevor jetzt "Ja, Nachahmungen.." kommst -keltische Münzen waren nichts anderes, nur dass dort griechische Münzen imitiert wurden. Und der US-Dollar ahmt namentlich den Taler nach. Auf den britischen Inseln begann das Münzwesen erst kurz vor Christi Geburt. Große Entwicklungsunterschiede zu Germanien, auch zeitlich, sind da nicht zu erkennen.
Viel wichtiger aber ist, dass Geld nicht mit Münzen verwechselt werden darf. Wer sich heutzutage anhand des Münzumlaufs ein Bild über den internationalen Finanzsektor machen will, wird kläglich scheitern. Wir kennen bronzezeitlich auf später germanischem Gebiet schon die standardisierten kupfernen "Ösenringe", vermutlich auch Bernstein, als verbreitete Zahlungsmittel. Die Wikinger hatten das Hacksilber, basierend auf genormten bleiernen "Silbergewichten", deren Kartierung sehr gut die Abgrenzung norwegischer, dänischer und schwedischer Einflusszonen im Frühmittelalter erlaubt. Aus der Verbreitung runder Metallplättchen mit Kaiserbild lässt sich nicht auf die Geldnutzung schliessen - in Germanien können ganz andere Geldformen verbreitet gewesen sein.

Städte: Dass Germanen anders, aufgelockerter siedelten, ist unstrittig. Begriffe wie "Ackerbürger", "Reihenhaus" und "Schrebergarten" deuten auf eine lange Tradition, die wenig mit der griechischen "Polis" gemein hat. Im funktionalen Sinn, d.h. als Orte mit zentralen politischen, religiösen, Rechtsfindungs- und Handelsfunktionen, wimmelte es in Germanien nur so von Städten - wohl alle 30 km ein regionaler Hauptort. Dies war kein Rom, auch kein Köln - wobei Marobodum wohl auch nicht ganz klein war, und Hauptorte einiger Stämme, wie das chattische Mattium, den Römern durchaus gezielte Vernichtungszüge wert waren. Hier stellt sich jetzt wieder die Frage des Bezugssystems: Vergleiche ich Berlin mit Paris, ist die "Reihenfolge" letztendlich klar. Schaue ich dann auf Hamburg vs. Marseille, München vs. Lyon, Köln vs. Toulouse, Dortmund vs. Lille etc. (jeweils die Städte, nicht die Fussballvereine:winke:), kehrt sich das Ergebnis um.

Arbeitsteilung: Hatten wir eigentlich schon - Blei aus Brilon, verhandelt nach Soest-Ardey, wo es zu Pfannen für Salzsieder in Soest und Werl verarbeitet wurde, und die Salzsieder sind sicherlich auch nicht selbst Brennholz sammeln gegangen. Metallverarbeitung ist flächendeckend belegt, und was die Duisburger Stadarchäologie da so am Kaiserberg ausgegraben hat, sieht ziemlich nach spezialisierter Textilherstellung aus (kein Wunder, Flachs wächst deutlich besser in der Börde als im Mittelgebirge, dort gibts dafür Brennholz und Metalle).
Der Mythos vom Eisenmangel ist offenbar nicht tot zu kriegen, obwohl die Archäologie längst das Gegenteil bewiesen hat. Die norddeutsche Tiefebene verfügte mit Raseneisenerz über einen einfach abzubauenden und zu verhüttenden Rohstoff. Die Germanen mussten sich nicht zwischen Schwertern und Pflugscharen entscheiden - es gab genug Eisen für beides, Scheren für die Hausfrau waren auch noch drin. Und wenn es keine spezialiserten Zimmermänner gab, wurden sie eben durch die Axt im Haus ersetzt. Alles in einer sozial wenig differenzierten Gesellschaft, also als Massenartikel, die irgendwer auch in entsprechenden Massen schmiedete, nachdem das Eisenerz in entsprechender Menge verhütter worden war, wofür jemand aus waldreicheren Gebieten Holzkohle produziert und geliefert hatte...

Du willst hier nicht werten, und das glaube ich Dir. Aber die von Dir angelegten Maßstäbe sind alles andere als neutral. Im Endeffekt basiert Deine Einschätzung, überspitzt gesagt, auf Münzen mit Kaiserbild, Thermen und Thriumphbögen. Diese dokumentieren v.a. Macht(-anspruch), nicht Entwicklung. Aus dem Glanz Roms und anderer Zentren lässt sich nicht auf das römische Reich als Ganzes schliessen, dieser Glanz ist ebenfalls zunächst Ergebnis und Ausdruck der Zentralisierung von Macht.

Warum gingen Germanen in römische Dienste? Etwas von der Welt sehen, vielleicht auch dem ländlich-kleinstädtischen Provinzialismus entfliehen.. [Warum gehen Schwaben nach Berlin - weil es Schwaben wirtschaftlich so schlecht geht?] Wetter, Küche, andere Frauen, schnellere Pferde, Stress mit dem Bürgermeister, der beste Kumpel ist auch schon da - tausend mögliche Gründe. Ausserdem war Rom (und später Bagdad und Konstantinopel) an germanischen "Fachkräften" interessiert, warb vielleicht sogar aktiv um sie.

Was bleibt, ist zweierlei:


  1. Der demographische Druck innerhalb Germaniens stieg kontinuierlich, während die Bevölkerungszahl des römischen Reichs sich nie von den Epidemien des 2./3. Jahrhunderts erholte. Dies spricht nicht für Unterlegenheit der germanischen Landwirtschaft.
  2. Den Germanen gelang es nicht, ausreichend neue nicht-landwirtschaftliche Arbeitsplätze aufzubauen, d.h. sich quasi zum "Exportweltmeister" ins römische Reich zu entwickeln. Die Gründe hierfür mögen vielfältig gewesen sein - ein "inkompatibles" Wirtschaftsmodell, römische Einfuhrbeschränkung, Stagnation des römischen Markts infolge geringer Massenkaufkraft und fehlendem Bevölkerungswachstum - oder eben auch germanische technologische Rückständigkeit und/oder Fehlen leistungsfähiger mittelgroßer Betriebe inmitten des dezentralen "Klein-Kleins".
    [Dies könnte eine spannende Diskussion werden, die wir dann aber definitiv in einem separaten Thread führen sollten].
Das (west-)römische Reich zerfiel nicht ohne Grund. Nach seinem Verfall, unter germanischer Führung, waren die Paläste zwar weniger prächtig, die Bewohner der Hütten aber deutlich besser genährt..
 
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Auch hier Augusto, wirfst du wieder einiges aus Vorgeschichte/Antike und teilweise Hochmittelalter durcheinander. Der Ackerbürger beispielsweise - das ist ein Begriff der einen sozialen Status des Hoch- und Spätmittelalters beschreibt - hat im Germanien der Zeitwende nun wirklich nichts verloren.
Und dass die ollen Germanen die Wasserwaage kannten, wage ich auch zu bezweifeln!

Die Germanen haben auch kein Blei für die Salzsiederei verwendet, sondern Tontöpfe. Die sind auch archäologisch nachgewiesen.
 
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Die Germanen hatten sehr wohl Mechanismen zur Wissenserweiterung und -vermittlung, die den mediterranen nicht unbedingt unterlegen sind (vgl. die aktuellen Diskussionen um den deutschen "Facharbeiter", oder die Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa). Diese Systeme sind jedoch archäologisch schwer fassbar.
...in der Tat! Der deutsche Facharbeiter und die südeuropäische Jugendarbeitslosigkeit sind archäologisch schwer fassbar...=)
allerdings haben sie, entgegen deiner Behauptung :autsch:, nüscht mit den antiken und spätantiken Römern und Germanen zu tun.

Das (west-)römische Reich zerfiel nicht ohne Grund. Nach seinem Verfall, unter germanischer Führung, waren die Paläste zwar weniger prächtig, die Bewohner der Hütten aber deutlich besser genährt..
...offenbar wussten die dummen Römer der römischen Kaiserzeit nicht, dass sie hungerten, während nordöstlich des Rheins das Schlaraffenland lag... (und die Germanen selber bemerkten nicht, dass sie in Schlaraffia lebten, denn sie zogen es vor, gen Südwesten zu marodieren)
Wie kommt es bloß, dass man innerhalb des Territoriums des röm. Imperiums für die Römerzeit Garum, Olivenöl, Wein etc. nachweisen kann, hingegen der nachfolgende merowingische Mittagstisch deutlich karger ausfiel?
 
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Die Erklärung ist einfach::yes:
:das liegt daran, dass Bier nährt (daher auch der Begriff Nährbier ) und der auf der Bärenhaut liegende, biertrinkende Germane daher einen geringeren Hunger hatte als der ständig mit Gepäck über die Alpen marschieren müssende Römer ,der zudem noch aus demselben Wein trank und das macht bekanntlich Apetit-
Der Mehrowinger hatte,wie der Name schon andeutet zwar mehr Hunger als der Altgermane , speziell auf Macht und Land , aber weniger als der Römer
Deshalb war sein Speisezettel auch weniger opulent ausgestattet als der römische.
 
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Nö, aber die Verteilung der Lebensmittel war bei den frühen Merowingern offensichtlich eine andere als bei den Römern. "Die im Lichte schreibn Geschichte, die im Dunkln können nur munkeln" ...
Und , entschuldigt mal, Garum, Olivenöl und Wein, dazu Baguette ode Ciabatta und Käse, is lecker, aber macht jetzt nicht satt ...

Was die Plündereien angeht, auch wenn man nicht hungert, reizt so was, schon allein wegen des Ansehens "Der hat aus Spanien xy mitgebracht" u.ä.
 
...in der Tat! Der deutsche Facharbeiter und die südeuropäische Jugendarbeitslosigkeit sind archäologisch schwer fassbar...=)
allerdings haben sie, entgegen deiner Behauptung :autsch:, nüscht mit den antiken und spätantiken Römern und Germanen zu tun.
Wenn ich mal nichtarchäologische Quellen nehme: Was, meinst Du, war der soziökonomische Hintergrund für "Brot und Spiele"? Staatliche Altersfürsorge ("Nur weiches Brot, denkt an die Zahnlosen. Und das Collosseum bitte behindertengerecht bauen....")? Was gab Anlass zu spätantiken Preisedikten?
Ich bin nicht sehr bewandert in germanisch-nordischen Sagas, aber der "Meisterschmied" scheint dort ziemlich regelmäßig vorzukommen (übrigens auch bei den Kelten, siehe die Artus-Sage). Die Wikinger verhandelten, archäologisch belegt, fränkische Schwerter bis nach Bagdad. Da ist hohe Handwerkskunst entstanden, nicht als Einzelfall, sondern geographisch durchaus weit verbreitet. Die genauen Mechanismen von Wissenserwerb, -erweiterung und -weitergabe kennen wir nicht, aber es muss solche gegeben haben, und sie waren offensichtlich effektiv.
...offenbar wussten die dummen Römer der römischen Kaiserzeit nicht, dass sie hungerten..
Oh, sie wussten es genau, und die Kaiser auch, siehe oben ("Brot und Spiele", Preisedikte).
Wie kommt es bloß, dass man innerhalb des Territoriums des röm. Imperiums für die Römerzeit Garum, Olivenöl, Wein etc. nachweisen kann,
Zwischen "nachweisbar" und "regelmäßig für alle verfügbar" gibt es durchaus Unterschiede. Weinanbau ist in Schweden mindestens frühmittelalterlich "nachweisbar" (vgl. auch das "Vinland" der Wikinger).
...hingegen der nachfolgende merowingische Mittagstisch deutlich karger ausfiel?
Nicht doch! Der Fleischkonsum in merowingischer Zeit war deutlich höher als der spät-kaiserzeitliche. Für Käse fehlen Belege, da würde ich jedoch, angesichts des germanischen Landwirtschaftsmodells, ähnliches annehmen. Hühnerhaltung gilt eh als gallische Erfindung (lat. gallus="Hahn"). Davon abgesehen war das Mittagsessen bei den Römern eher Zwischenmahlzeit, gross gegessen wurde erst abends.
Essen und Trinken in römischer Zeit
Statt Olivenöl nutzten die Germanen übrigens Leinsamen und andere Ölsaaten (Gänsefuß-Samen etc.), gerne auch in ihrem Brot/Brei/Müsli, vgl. nachfolgende Studie aus Schweden:
http://www.archaeology.su.se/polopoly_fs/1.169024.1393842696!/menu/standard/file/LA7.Hansson.pdf
Wilfried: Und, entschuldigt mal, Garum, Olivenöl und Wein, dazu Baguette ode Ciabatta und Käse, is lecker, aber macht jetzt nicht satt ...
Darüber, ob Garum lecker ist, dürfte die Meinung durchaus geteilt sein. Die Tomaten, die zu Ciabatta und Käse eigentlich auch noch gehören, wuchsen damals nur westlich des Atlantiks. Lecker wird das Ganze u.a. durch Basilikum - den hatten die Römer von den Griechen...:winke:
El Quijote: Und dass die ollen Germanen die Wasserwage kannten, wage ich auch zu bezweifeln!
Warum? Die Technik an sich ist alles andere als neu, schon die Sumerer kannten und nutzten sie. Wasserwaagen kommen natürlich vor, als Luft-Wasser-Einschlüsse in Fossilien, insbesondere Bernstein, und an dem mangelte es den Germanen nun wahrlich nicht.
Steinkern.de Forum &bull; Thema anzeigen - "Wasserwaage" in Baltischem Bernstein
Das grundsätzliche Problem der Wohn-Stall-Häuser ist, zu verhindern, dass die Gülle in die Wohnräume läuft. Daher sind mittelalterliche/ frühneuzeitliche Hallenhäuser immer mit etwa 2% Gefälle von der "Guten Stube" zur Tennentür angelegt (ergibt ca. 50 cm Höhenunterschied auf 25m Länge = 8 Stützpfosten). Auch der Hof hat entsprechendes Gefälle, damit Starkregen nicht ins Haus läuft. Wir kennen nur die Pfostensetzungen germanischer Hallenhäuser, nicht ihre Fussböden (Stampflehm? Bodendielen?), so dass wir die Bodenneigung nicht nachmessen können. Aber die Germanen, vermutlich schon die ebenfalls in Wohn-Stall-Häusern lebenden Bandkeramiker, dürften sich intensiv Gedanken darüber gemacht haben, wie der Wohnbereich mittels Geländenivellierung und leichter Gefälleanlage wasser- und güllefrei gehalten werden kann. Entwässerungsgräben um die Häuser herum sind aus germanischen Siedlungen belegt.
El Quijote: Die Germanen haben auch kein Blei für die Salzsiederei verwendet, sondern Tontöpfe. Die sind auch archäologisch nachgewiesen.
Die Nutzung von Tongefässen (Briquetage) reicht zurück bis in die Kupferzeit und ist zumidest vorgermanisch, vielliecht sogar vor-indogermanisch. Halle/Saale gilt als ältestestes archäologisch belegtes Salzsiedezentrum nördlich der Alpen/ Karpaten (in Bulgarien gibt es jedoch noch ältere, jungsteinzeitlich Funde). In Westfalen wird jedoch von einem Wechsel zu Bleipfannen unter keltischem oder römischen Einfluss ausgegangen (Salzsiederei in Bleipfannen ist insbesondere für das römerzeitliche Britannien belegt). Steht ausführlich in den hier im Forum mehrfach verlinkten Publikationen der westfälischen Landesarchäologie, die Du vor Deinem Zwischenruf vielleicht mal hättest konsultieren können.
[Das Schattenboxen zu "Ackerbürgern" lohnt kein Eingehen meinerseits].
 
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...in der Tat! Der deutsche Facharbeiter und die südeuropäische Jugendarbeitslosigkeit sind archäologisch schwer fassbar...=)
allerdings haben sie, entgegen deiner Behauptung :autsch:, nüscht mit den antiken und spätantiken Römern und Germanen zu tun.

Der deutsche Facharbeiter nicht, aber die Wikinger! :cool:

Ich bin nicht sehr bewandert in germanisch-nordischen Sagas, aber der "Meisterschmied" scheint dort ziemlich regelmäßig vorzukommen (übrigens auch bei den Kelten, siehe die Artus-Sage). Die Wikinger verhandelten, archäologisch belegt, fränkische Schwerter bis nach Bagdad.

Hühnerhaltung gilt eh als gallische Erfindung (lat. gallus="Hahn").
Woraus wir dann wohl messerscharf schließen dürfen, dass die Römer nie dahinterkamen, wie man diese Vögel züchtet und verspeist? :grübel:
So wie die Amerikaner bis heute nicht dahintergekommen sind, wie man von einem Truthahn satt werden kann, schließlich gilt der turkey eh als türkische Erfindung...

Wasserwaagen kommen natürlich vor, als Luft-Wasser-Einschlüsse in Fossilien, insbesondere Bernstein, und an dem mangelte es den Germanen nun wahrlich nicht.
Steinkern.de Forum &bull; Thema anzeigen - "Wasserwaage" in Baltischem Bernstein
Leider geriet diese bahnbrechende germanische "Erfindung" dann wieder in Vergessenheit. :still:
 
Ich bin mal ganz vorsichtig:
Die Wasserwaage und die Schlauchwaage , so wie wir sie heute kennen, dürfte Römern und Germanen unbekannt gewesen sein. Um allerdings so ein schönes Langhaus oder auch einen Vierseithof zu bauen, braucht man beides nicht. Sowas geht auch mit ner Murmel und nem Brett oder einer gedrechselten Schale.

Das mit der Hühnerhaltung und den Galliern, Bankivahuhn ? Wikipedia

Da könnten sowohl die Römer als auch irgendwelche Kelten dran schuld gewesen sein
 
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