Tenochtitlan

Man muss natürlich bedenken, dass Diaz del Castillo sein Werk am Ende seines Lebens verfasste. Vielleicht hatte er alles auch größer in Erinnerung, als es wirklich war? Und hat dann, um dies hervorzuheben, die Vergleiche mit Rom, Konstantinopel, Sevilla, etc. angeführt? Ich kann mir nicht vorstellen, dass viele der Konquistadoren bis Konstantinopel kamen. Es gab zwar militärisches Eingreifen Spaniens in andere Städte wie z.B. Algier und auch der Konflikt mit den Osmanen könnte einige Soldaten nach Osten geführt haben, aber zumindest Diaz selbst war - meines Wissens - nicht in den von ihm aufgezählten Orten. Das zeigt schon, dass die Angabe unverlässlich ist, wenn er selbst es gar nicht beurteilen konnte.
 
Er selbst beurteilt das ja gar nicht wirklich, er beruft sich ja auf andere:
"...entre nosotros hubo soldados que habían estado en muchas partes del mundo, y en Constantinopla y en toda Italia y Roma,..." - "...unter uns gab es Soldaten, die an vielen Orten der Welt gewesen sind, in Konstantinopel und in ganz Italien und Rom..."
Es ist vielmehr zu fragen, ob er wirklich das Staunen seiner Kameraden in Erinnerung hatte - oder ob er mit seinem Bericht und der Wahl seiner Worte an explizit dieser Stelle noch andere Ziele verfolgte.
 
Ich halte es nicht für abwegig. In Konstantinopel gab es in Pera ein ganzes lateinischen Viertel in dem Venezianer, Genuesen und andere Italiener ein und aus gingen. Ich weiss nicht, ob es unter den Leuten Cortes auch irgend ein Italiener war, es ist aber nicht unmöglich, dass Spanier in italienischen Diensten bis nach Konstantinopel gelangt wären. Auf jeden Fall waren mehrere dabei, die vorher in Italien gekämpft hatten.

Oder auch auf andere Wege: Cervantes ist ja ein halbes Jahrhundert später eher unfreiwillig nach Algier geraten. Andere Gefangene wurden auch nach Konstantinopel gebracht und von dort wieder freigekauft.
 
Die Krone Aragón hatte ja Anspruch auf Sizilien und Neapel und diesen Anspruch hat Fernando el Católico durchgesetzt. Der Gran Capitán, der sich auch bei der Eroberung von Granada hervorgetan hatte, eroberte Neapel für die aragonesische Krone wieder, nachdem sich die aragonesische Trastámara-Linie aufgespalten und sein Vater Juan II. den aragonesisch-katalanischen Teil und sein Cousin Ferrante den neapolitanisch-sizilianischen Teil geerbt hatten (von Alfonso V. el Magnánimo).
Fernando hatte es gewissermaßen zugelassen, dass die Anjou-Valois seinen Cousin und Namensvetter Ferrante und nach diesem dessen Sohn Alfonso etc. bekämpften. Die Rückeroberung Neapels 1504 durch den Gran Capitán geschah dann zu Fernandos Gunsten, nicht mehr zu denen der italienischen Linie. (Die Familiengeschichte der Trastámara im 15. Jhdt., mit ihrem kastilischen Zweig und ihrem aragonesischen Zweig sowie der Abspaltung des italienischen Zweiges vom aragonesischen - oder umgekehrt? - ist eine ziemlich komplizierte Angelegenheit, vor allem, wenn man dann noch die Konflikte zwischen Carlos de Viana und Juan II. um Navarra mit einbezieht. Fernando II. erbte nämlich Navarra von seinem Vater, obwohl dieser es ihm gar nicht hätte vererben dürfen, da es seinem - also Fernandos - Halbbruder aus der ersten Ehe des Vaters gehört hätte...)
Also es gab schon Gründe, warum spanische Soldaten sich in Italien und weiter östlich aufhielten. Später, unter Karl V./Carlos I. wieder. Im 15. und 16. Jhdt. wurde ein gewichtiger Teil der spanischen Kulturgeschichte in Süditalien geschrieben.
 
Es gibt bei Bernal Diaz noch eine Stelle mit einem Hinweis auf Veteranen aus den Italienischen Kriegen:

"3. Capítulo CXXVI
Cómo nos dieron guerra

Pues desque amaneció, acordó nuestro capitán que con todos los nues-
tros y los de Narváez saliésemos a pelear con ellos, y que lleváse-
mos tiros y escopetas y ballestas, y procurásemos de los vencer, a
lo menos que sintiesen más nuestras fuerzas y esfuerzo mejor que el
día pasado. Y digo que si nosotros teníamos hecho aquel concierto,
que los mejicanos tenían concertado lo mismo, y peleábamos muy bien;
mas ellos estaban tan fuertes y tenían tantos escuadrones, que se
mudaban de rato en rato, que aunque estuvieren allí diez mil Héto-
res troyanos y otros tantos Roldanes, no les pudieran entrar; por-
que sabello[x] ahora yo aquí decir cómo pasó, y vimos este tesón en
el pelear, digo que no lo sé escribir; porque ni aprovechaban tiros
ni escopetas ni ballestas, ni apechugar con ellos, ni matalles trein-
ta ni cuarenta de cada vez que arremetíamos; que tan enteros y con
más vigor peleaban que al principio. [...]
Por manera que nos maltrataban y herían muchos de los nuestros, e
no sé yo para qué lo escribo así tan tibiamente; porque unos tres
o cuatro soldados se habían hallado en Italia, que allí estaban con
nosotros, juraron muchas veces a Dios que guerras tan bravosas jamás habían visto en algunas que se habían hallado entre cristianos, y contra la artillería del rey de Francia ni del Gran Turco,
ni gente como aquellos indios con tanto ánimo cerrar los escuadrones vieron; y porque decían otras muchas cosas y causas que daban a ello,
como adelante verán.
"
 
Bei Michael D. Coe & Rex Koontz (Mexico, 2002, pg.190) habe ich mal nach einer Größenangabe Tenochtitlans (zusammen mit Tlatelolco) gesucht: Die Autoren geben den Rasterplan mit 4 Quadratmeilen bzw. 15 Quadratkilometern an. Wenn ich das jetzt mit einer Karte von Byzanz (bei Wikipedia) vergleiche (http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/7/7b/Byzantine_Constantinople_de_150dpi.png), scheint mir die aztekische Kapitale doch größer gewesen zu sein.
 
Bei Michael D. Coe & Rex Koontz (Mexico, 2002, pg.190) habe ich mal nach einer Größenangabe Tenochtitlans (zusammen mit Tlatelolco) gesucht: Die Autoren geben den Rasterplan mit 4 Quadratmeilen bzw. 15 Quadratkilometern an. Wenn ich das jetzt mit einer Karte von Byzanz (bei Wikipedia) vergleiche (http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/7/7b/Byzantine_Constantinople_de_150dpi.png), scheint mir die aztekische Kapitale doch größer gewesen zu sein.

Wobei noch zu berücksichtigen ist, das Byzanz vor der Eroberung durch die Osmanen gegenüber der alten Glanzzeiten sehr stark geschrumpft war (von ca. 500.000 Einwohner auf weniger als 100.000) und durch die Belagerung und Eroberung nochmals stark litt. Wie weit sie sich bis zur Jahrhundertwende erholt hatte und von den Osmanen neu bevölkert und wiederaufgebaut wurde, sei dahingestellt, sie hatte jedenfalls einen wesentlich größeren Ruf, als dass was zu dem Zeitpunkt zu sehen war.
 
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