Hallo Pit,
mir hat die Serie auch gefallen. Trotz der historischen Patzer: kann mir jemand sagen, weshalb man Henrys Schwester Margaret nannte, obwohl es doch eindeutig Mary war, die Charles Brandon geheiratet hatte? Und die vorher Königin in Frankreich und nicht in Portugal war? Weshalb man die wohl in der Serie einen Mord begangen ließ?
Na gut, na ja: hier eine Empfehlung für alle Cromwell Fans: ich hoffe doch, ihr habt die Hilary Mantel Romane gelesen? Wenn ja, bitte um Vergebung, wenn nein, dann heute noch kaufen.
Danke für die guten Beiträge.
Überlegung:
Vielleicht hat die Serie da nur das gemacht, was offensichtlich inzwischen auch zum "guten Ton" für (historische) Romanschreiber/innen gehört: Namensgleichheiten nach Möglichkeiten vermeiden, weil sonst Leser/innen "überfordert" sein könnten. Bei fiktiven Figuren ist das kein Problem, aber bei historischen Figuren kann das auf eine zweischneidige Sache herauslaufen. (Beispiele: Thomas Cromwell oder Thomas More - wer darf Thomas bleiben und wer wird Tommy / Tom (oder nehmen wir gleich überhaupt andere Vornamen?
)
Eine weitere beliebte Methode im historischen Roman ist die Figurenreduktion. Damit Leser/in nicht "überfordert" ist, werden mehrere historische Figuren (vor allem Neben- und Randfiguren) zu einer einzigen Figur zusammengezogen.
Das dürfte die Serie bei den Schwestern von Henry VIII. gemacht haben. Margaret (die Königin von Schottland) und Mary (die Königin von Frankreich und spätere Herzogin von Suffolk) wurden durch eine (fiktive) Schwester Henrys VIII. ersetzt, die von Margaret den Namen und von Mary den Ehemann und ein paar andere Details aus ihrem Leben bekam. Dass der französische König durch einen fiktiven König von Portugal ersetzt wurde, den diese Schwester auch noch umbringen darf - Portugal spielt in der Serie keine Rolle und ist auch für die britische Geschichte des 16. Jahrhunderts nicht so relevant - vielleicht sollte so erreicht werden, dass die Fiktivität dieses Handlungsstranges nicht so auffällt.
Das war wohl bis Hilary Mantel so: In "Wölfe" kommt Thomas More schlecht weg, mit sehr feinem Spott wird der dünkelhaft (auf seinen Intellekt dünkelhaft) auftretende More demaskiert. Ein Eiferer, der nur in der Theorie der war, der er gerne gewesen wäre, ansonsten gnadenlos in der Verfolgung Andersgläubiger. "Utopia" halt. Jemand, der zugesehen hat, ungerührt zugesehen hat, wie Menschen verbrannt wurden.
Ich suche überall nach Hinweisen und Quellen, wie weit es mit dem Edelmut eines Th. More her ist.
Mit Blick auf historische Romane (egal auf welchem Niveau) ist das Thema Tudors inzwischen doch schon sehr abgegriffen. Da ist es (mein Eindruck) auf jedem Fall sehr zu begrüßen, wenn endlich jemand einen Roman schreibt, in dem das Thema ein paar neue Facetten erhält, was bei Hilarry Mantel mit "Wölfen" und "Falken" der Fall ist. Sie wählt mit Thomas Cromwell eine Hauptfigur, die bisher offensichtlich noch nie im Zentrum eines Romans gestanden ist (zumindest war mir bis dahin kein Roman mit Thomas Cromwell als Protagonist bekannt) und bietet zudem eine andere Sicht an, wobei sie allerdings klug genug ist oder genug Fachwissen hat, um aus Thomas Cromwell nicht gleich den "strahlenden Helden" zu machen. Thomas Cromwell ist zumindest als Romanfigur gewöhnlich der "Schurke vom Dienst", zudem fast nur eine Rand- oder Nebenfigur, bei Mantel ist es seine Geschichte. (Dass er vielleicht sein "Negativ-Image" nicht seinen tatsächlichen Taten / Untaten zu verdanken hat, als dem Umstand, dass er ein "Aufsteiger" war, würde ich nicht ausschließen.)
Ob nun Mantels Sicht historisch haltbar ist oder doch eher fragwürdig, in einem Roman finde ich es zuverlässig, auch einmal ein anderes Szenarium zu bieten, solange dieses nicht als einzig Richtiges vermarktet wird und es dafür auch historische Ansatzpunkte gibt.
Ich (das ist allerdings meine persönliche Meinung) finde es immer gut, wenn gewisse geschichtliche Sichtweisen und Überlieferungen hinterfragt werden.
Dass Mantel in ihrem Roman "Wölfe" aus Thomas More (den später auch heilig gesprochen wurde) eine fragwürdige Figur macht, ist zumindest ein interessanter Ansatz. (Abgesehen davon, die meisten "Heiligen" und "Philosophen" waren keineswegs reine Lichtgestalten.)