über Hosentrageverbote für Frauen

Gleichwohl wird in anderen Fäden immer wieder betont, die Kirche hätte keine weltliche Macht inne,
In welchen Fäden wird das behauptet?
In denen die mir bekannt sind, wird lediglich behauptet, dass die Kirche nur in dem Maße weltliche Macht inne hatte, wie es angehörigen des Klerus gelag glichzeitig mit weltlichen Herrschaften oder Ämtern belehnt zu werden oder diese dauerhaft an sich zu bringen und dass sich die weltliche Macht, die in diesem Fall vorhanden war nicht von der jedes anderen Inhabers dieser Herrschaften/Rechte untersschied.

aber jetzt, in diesem Fall, wird es besonders deutlich, dass sie doch bestimmte, was Recht und was Unrecht zu sein hat.
Und woran, wenn man fragen darf?
Auf die sehr unterschiedliche Meinung von Klerikern zum Fall Jeannne d'Arc bist du bereits hingewiesen worden.

Denn natürlich hat sie damals und bis weit in das 20. Jahrhundert die moralische Schnur vorgegeben – dass man nicht immer auf sie hörte, steht auf einem anderen Blatt.
Sofern du von Kirche im Singular sprichst absolut falsch,
Die moralische Strahlkraft der Katholischen Kirche war nach der Refrormation (oder besser den verschiedenen Reformationen) in den Protestantischen Gebieten gleich Null.
Für einen Protestanten bestand der katholische Klerus aus Ketzern und umgekehrt, aber sicherlich nicht aus moralischen Autoritäten.

Ich weiß ja, dass dir die Reformation bei deinem Blick auf die Kirche nicht ins Konzept passt, aber nimm doch bitte zur Kenntnis, dass sie und ihre Konsquenzen stattgefunden haben.

Jedenfalls war sie hier stark genug, eine junge Frau zum Tode zu verurteilen, nur weil diese es gewagt hatte, sich nicht so zu verhalten, wie von der Kirche vorgegeben.
Was genau hatte ihr DIE KRICHE als ganzes, nicht etwa die zur englischen Partei gehörenden Kleriker denn vorgegeben?
Wofür hatte DIE KIRCHE als ganzes sie verurteilt?

Das weiß ich, nur gibt es in diesem Forum Beiträge, die die Rolle der Kirche als höchste moralische Instanz negierten oder kleizureden versuchten, so nach dem Motto: Kirche hätte keine Macht, Gesetze zu erlassen, das war nur den jeweiligen Herrschern vorbehalten.
Die Kirche hatte in dem Maße Macht Gesetze zu erlassen, in dem sie es schaffte sich die Rolle weltlicher Herrschaften anzueignen.
Das war z.B. innerhalb der Fürstbistümer des Heiligen Römischen Reiches durchaus gegeben.

Und sie hatte natürlich über das Kirchenrecht die Möglichkeit Bestimmungen betreffend des Klerus zu erlassen.
Sie hatte selbstredend keine Befugnisse mal eben irgendwo in die Herrschaftlichen Angelegenheiten der weltlichen Fürsten einzugreifen und denen irgendwelche Bestimungen zu diktieren.

Formal ist das natürlich richtig, praktisch aber nicht, denn der Vogt in Rouen hatte nach dem Urteil in von der Kirche geführten Inquisitionsprozess keine Wahl: Er musste Jeanne auf dem Scheiterhaufen verbrennen lassen.
Verzeihung, was ist das für eine schräge Logik?

Ein Vogt liber Dion, ist nichts anderes als ein belehnter Statthalter, der selbstredend die Weisungen seines Herrn zu erfüllen hatte.
Das hat nichts mit Machtanspruch der Kirche zu tun.
Ein Vogt, der selbst lediglich Verwalter war, konnte selbstredend nicht mal eben Urteile aufheben, die nicht in seinen Zuständigskeitsbereich fielen und ebensowenig hatte er als bloßer Verwalter und Exekutor des eigentlichen Machthabers eine Handhabe sich gegen die Vollstreckung eines Urteils zu stellen, dass sein Herr gebilligt hatte.

Dem ist jetzt vielleicht so, aber wie war die Situation damals? Hier habe ich in “Corpus iuris canonici (Gratians Decretum) cum Glossis Joh. Teutonici”, erschienen in Venedig im Jahr 1525, auf Folio 45 etwas über “virili veste” gefunden. Ich kann kein Latein, aber was dasteht, ähnelt schon dem Spruch in 5 Mose 22,5 aus dem Alten Testament aus – siehe den roten Pfeil im Bild.
Ein kleiner Tipp:

Wenn man kein Latein kann (und meines ist zugegebenermaßen auch nicht besonders gut, ich muss auch oft die Grammatik danebenlegen) kann man sich darum bemühen es zu erlernen oder aber man sollte dann aufhören anderen erzählen zu wollen, was in lateinischen Texten steht.

Latein funktioniert auf verschiedenen Ebenen etwas anders als moderne Sprachen weil sehr sehr viele Informationen in den Wortendungen stecken.
Und damit können Sätze, die sich irgendwie "ähneln" durchaus schonmal sehr sehr unterschiedliche Bedeutungen haben.
 
SI qua mulier suo proposito vtile iudicans, vt virili veste vtatur, propter hoc virilem habitum imitetur: anathema sit.

"Wenn eine Frau es für ihre Zwecke als nützlich erachtet, Männerkleider zu tragen und sie aus diesem Grund männliches Aussehen imitiert, sei sie ausgeschlossen."

Interessant in diesem Fall was Jeanne d'Arc btrifft, dürfte vor allem der Einschub: propter hoc virilem habitum imitetur sein.

Denn wenn das Tragen von Männerkleidern allein für einen Kirchenbann und Ausschluss nicht hinreichend war, sondern die Veränderung des Aussehens mit der Kalulation eines bestimmten nützlichen Zwecks, also mit dem Vorsatz der Täuschung begangen worden sein müsste um das zu begründen, dann dürfte durchaus fraglich sein, ob das auf Jeanne tatsächlich zutraf.

Denn das Anlegen von Waffen, wenn man sich darauf kaprizieren möchte, diente ja keinem Täuschungszweck.

Und wenn man sie in Gefangenschaft zur Anlegung von Männerkleidern zwang, würde das diesem Satz zur Folge keine Handhabe sein, um ihr eine Widerholungstat vorzuwerfen, denn wenn sie gezwungen wurde, intendierte sie natürlich keine Täuschungsversuch zu eigenen Zwecken.


Jedenfalls wenn man diesen Text zu Grunde legen würde.


Dann wäre daraus auch kein generelles Verbot für Frauen zum Tragen von Männerkleidung abzuleiten, sondern lediglich eines dies zum Zweck der Täuschung zum eigenen Vorteil zu tun.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn sie dafür bestraft werden konnten, dann müsste sich ja auch ein Beleg dafür finden.
Gibt es ja auch. Siehe Johanna von Orleans. Auch hatten wir in diesem Forum mal den Fall einer frühmittelalterlichen Pilgerin diskutiert, die in Männerkleidern reiste, um sich vor Übergriffen zu schützen. Leider finde ich den Faden gerade nicht.
Es müsste sich auch wenigstens ein Beleg dafür finden, das eine Frau für das Tragen von Hosen bestraft wurde. Wenn es tatsächlich illegal- und nicht bloß ungebührlich oder unschicklich für Frauen war, Hosen zu tragen, wenn das tatsächlich ein Straftatbestand war- Ja dann müsste sich doch wenigstens eine Kleiderordnung unter den unzähligen Ordnungen finden, die das tatsächlich verbietet.
Nochmals: Ich halte ein solches explizites Verbot für überflüssig. Wenn das Tragen von Männerkleidern allgemein geahndet werden konnte, musste eine Norm nicht eigens bestimmte Kleidungsstücke unter Strafe stellen. Den Frauen wäre allgemein vorenthalten, was zur jeweiligen Herrenmode gehörte.

Aber ich möchte nun folgende Gegenfrage stellen: Wenn das Tragen von Hosen im Mittelalter und der frühen Neuzeit den Frauen nicht verboten war, sondern bloß tabuisiert, müsste es dann nicht eine Fülle von bildlichen oder schriftlichen Zeugnissen dafür geben, dass Frauen Hosen trugen?

Immerhin ist die fragliche Zeit voll von Beispielen für Moden, die sich aus Tabus entwickelten. Im 15. Jahrhundert war es in Frankreich sogar eine Zeitlang in Mode, dass Frauen von Stand barbusig unterwegs waren. Warum hat Agnès Sorel mit dieser drastischen Entscheidung Schule gemacht, aber Johanna von Orleans nicht mit ihrem Tragen von Hosen? Immerhin war La Pucelle auch in allen anderen Fragen eine Ikone für Französinnen, deren manche sich noch Jahrzehnte später als wiedergekehrte Johanna ausgaben.
Auch diese Urteile sind Positionen der Kirche - ändert sich die politische Situation, ändert auch die Kirche mitunter ihre Meinung.
Nein, Poitier und Rouen verkörpern zwei zeitlich parallele Positionen von Klerikern, und nicht Positionen "der Kirche".

In Poitier war der Klerus beauftragt, Johannas Rechtgläubigkeit und Charakter zu begutachten, und (vereinfacht gesagt) ein Urteil darüber zu fällen, ob es in Ordnung ging, was sie sich vorgenommen hatte.

Vor allem Jolanthe von Aragón machte durchaus Druck auf die Kommission, sie hatte das politische Potential der Jungfrau erkannt; aber der Klerus ließ sich auch durchaus Zeit mit der Begutachtung. Die Bischöfe in Karls Umfeld waren nicht begeistert von der Idee, dass ein dahergelaufenes Bauernmädchen, das nach damaliger Lesart leicht eine Häretikerin hätte sein können, am Hof des Dauphins eine solch eminente Stellung einnehmen sollte. Sie waren tendenziell ebenfalls voreingenommen gegen Johanna – urteilten aber zu ihren Gunsten.

Das Inquisitionsgericht, dem Pierre Cauchon vorsaß, war eine immens tendenziöse Veranstaltung, die sich mit dem kanonischen Recht den Hintern abwischte. Es handelt sich schlicht um einen Justizmord. Die erhaltenen Prozessakten lassen auf geradezu tragikomische Weise erahnen, dass der gute Bischof mit seinem Latein am Ende und ihm jedes Mittel Recht war, die von Bedford bestellte Verurteilung zu erreichen.

Johannas Rehabilitation hat nichts mit "Kirche-ändert-Meinung" zu tun, sondern beseitigte ein offenkundiges Unrecht. "Die" katholische Kirche war niemals der Auffassung, dass Johanna auf den Scheiterhaufen gehörte. Außerhalb des englischen Machtbereichs – ungefähr 3% des europäischen Kontinents – wäre sie höchstwahrscheinlich nicht einmal vor Gericht gestellt, geschweige verurteilt worden.

Jedes Mal, wenn es um Religion geht, taucht früher oder später das Problem auf, dass Du Die Kirche als monolithischen Block behandelst. Ein Pierre Cauchon kann aber nicht pars pro toto stehen, wenn er sich außerhalb alles dessen stellt, was ihn zum Teil des Ganzen machte.
 
Gibt es ja auch. Siehe Johanna von Orleans. Auch hatten wir in diesem Forum mal den Fall einer frühmittelalterlichen Pilgerin diskutiert, die in Männerkleidern reiste, um sich vor Übergriffen zu schützen. Leider finde ich den Faden gerade nicht.

Ich kann ihn auch nicht finden, dafür habe ich das gefunden:

"Geschichten von Frauen, die als Männer verkleidet in ein Kloster eintraten, waren im Mittelalter ein beliebtes Motiv in Heiligengeschichten, so wird Ähnliches von einer Euphrosyne in Alexandria erzählt oder auch von Eugenia von Rom, Pelagia von Jerusalem, Hildegund von Schönau und anderen .Männerkleidung gab Frauen damals die Freiheit zu reisen oder alleine zu leben, ohne Angst vor Gewalt oder sexueller Belästigung. Die Klosterbewegung für Männer entwickelte sich zudem lange vor der für Frauen."

 
War es evtl. Uta von Tarasp? Kann mich aber nciht erinnern, dass wir hier im Forum mal über die diskutiert haben.
 
Auch hatten wir in diesem Forum mal den Fall einer frühmittelalterlichen Pilgerin diskutiert, die in Männerkleidern reiste, um sich vor Übergriffen zu schützen.
Um sich von Übergriffen zu schützen, hatte das auch Jeanne angegeben – es hat ihr nichts genutzt.

Wenn das Tragen von Männerkleidern allgemein geahndet werden konnte, musste eine Norm nicht eigens bestimmte Kleidungsstücke unter Strafe stellen.
Eben. Diese Norm war offenbar so bekannt, dass es, außer im kanonischen Recht, auf das im ersten und zweiten Prozess gepocht wurde, gar nicht kodifiziert werden musste. Dass ist ein wenig wie heute die Nacktheit in der Öffentlichkeit: Sie ist nicht explizit verboten, dennoch wird man abgeführt und ggf. bestraft, wenn man nackt in einer Fußgängerzone spaziert. Begründung heute: Erregung öffentlichen Ärgernisses. Bei Wiederholung kann man auch ins Gefängnis wandern. Das gilt vor allem für Männer, bei (jungen) Frauen ist man nachsichtiger. ;)

Nein, Poitier und Rouen verkörpern zwei zeitlich parallele Positionen von Klerikern, und nicht Positionen "der Kirche".
Nach meinem Verständnis sind Bischöfe schon die Kirche – auch der Papst ist offiziell nur der Bischof von Rom. Sie alle sind bestimmend, ohne sie läuft nichts in der Kirche.

In Poitier war der Klerus beauftragt, Johannas Rechtgläubigkeit und Charakter zu begutachten, und (vereinfacht gesagt) ein Urteil darüber zu fällen, ob es in Ordnung ging, was sie sich vorgenommen hatte.

Vor allem Jolanthe von Aragón machte durchaus Druck auf die Kommission, sie hatte das politische Potential der Jungfrau erkannt; aber der Klerus ließ sich auch durchaus Zeit mit der Begutachtung. Die Bischöfe in Karls Umfeld waren nicht begeistert von der Idee, dass ein dahergelaufenes Bauernmädchen, das nach damaliger Lesart leicht eine Häretikerin hätte sein können, am Hof des Dauphins eine solch eminente Stellung einnehmen sollte. Sie waren tendenziell ebenfalls voreingenommen gegen Johanna – urteilten aber zu ihren Gunsten.
Auch beim dritten Mal waren die Bischöfe gegen Jeanne eingestellt, aber beugten sich dem politischen Druck und sprachen sie frei.* Im allen Prozessen haben Bischöfe im Namen der Kirche Recht gesprochen – so wie heutige (weltliche) Richter in Namen des Volkes urteilen.

Das Inquisitionsgericht, dem Pierre Cauchon vorsaß, war eine immens tendenziöse Veranstaltung, die sich mit dem kanonischen Recht den Hintern abwischte.
Ja, dennoch argumentierten sie mit dem kanonischen Recht – die Form wurde gewährt und auf die kam es an.

Die erhaltenen Prozessakten lassen auf geradezu tragikomische Weise erahnen, dass der gute Bischof mit seinem Latein am Ende und ihm jedes Mittel Recht war, die von Bedford bestellte Verurteilung zu erreichen.
Ja, deswegen wurde der Prozess - außer am Anfang - bald nicht mehr öffentlich geführt.

Johannas Rehabilitation hat nichts mit "Kirche-ändert-Meinung" zu tun, sondern beseitigte ein offenkundiges Unrecht.
Nichts mit "Kirche-ändert-Meinung" zu tun? Ich habe oben gezeigt – auch auf deinen Beitrag hin, in dem du davon schriebst, die Bischöfe im dritten Prozess hätten eigentlich keine Lust gehabt, Jeanne freizusprechen -, dass in allen Prozessen der politische Druck Urheber für die Urteile war.

Außerhalb des englischen Machtbereichs – ungefähr 3% des europäischen Kontinents – wäre sie höchstwahrscheinlich nicht einmal vor Gericht gestellt, geschweige verurteilt worden.
Diese 3 % muss man relativieren. Rouen liegt in der Normandie, die zu diesem Zeitpunkt wieder in englischer Hand war oder besser gesagt: In Hand der Anglonormannen - Wilhelm der Eroberer stammte aus der Normandie. Heinrichs V. Wappen enthielt je zu Hälfte französische Lilien und normannische/englische Löwen. Der Wappen seines Sohnes Heinrich VI., der eine französische Mutter hatte und seit 1429 auch König von Frankreich war, hatte zu ¾ französische Lilien und nur zu ¼ die englischen Löwen.

* Nicht unwichtig: Der Duke of Bedford, der die Geschäfte des unmündigen König Heinrich VI. In Frankreich führte und in den ersten beiden Prozessen Druck ausgeübt hatte, war im September 1435 gestorben – der Weg war also frei, aber erst 24 Jahre später, 1455, d.h. 2 Jahre nach dem Sieg Frankreichs im 100-jährigen Krieg, wurde die Kommission bestellt, die Jeanne freisprach.

"Geschichten von Frauen, die als Männer verkleidet in ein Kloster eintraten, waren im Mittelalter ein beliebtes Motiv in Heiligengeschichten, so wird Ähnliches von einer Euphrosyne in Alexandria erzählt oder auch von Eugenia von Rom, Pelagia von Jerusalem, Hildegund von Schönau und anderen .Männerkleidung gab Frauen damals die Freiheit zu reisen oder alleine zu leben, ohne Angst vor Gewalt oder sexueller Belästigung. Die Klosterbewegung für Männer entwickelte sich zudem lange vor der für Frauen."
Mit Ausnahme der Hildegund von Schönau und Euphrosyne sind alle anderen Fälle in der Antike gewesen, zum Teil noch bevor das Christentum das Sagen hatte.

Doch abgesehen davon galt auch damals: Wo kein Kläger, da kein Richter.
 
Mit Ausnahme der Hildegund von Schönau und Euphrosyne sind alle anderen Fälle in der Antike gewesen, zum Teil noch bevor das Christentum das Sagen hatte.
Und wo wäre der Einwand?
Sie wurden doch alle im Mittelalter als Heilige verehrt, also in einer Zeit, als "das Christentum das Sagen" hatte.
 
Das Heilige heiligt, d.h. es annulliert alles, was sonst verboten oder mit Abscheu betrachtet wird. So konnten auch Prostituierte Heilige werden – Beispiel: Maria die Büßerin

Das war auch bei Jeanne d’Arc so: Zuerst eine Ketzerin, die Männerkleidung trug, 600 Jahre später eine Heilige!
 
Gibt es ja auch. Siehe Johanna von Orleans. Auch hatten wir in diesem Forum mal den Fall einer frühmittelalterlichen Pilgerin diskutiert, die in Männerkleidern reiste, um sich vor Übergriffen zu schützen. Leider finde ich den Faden gerade nicht.Nochmals: Ich halte ein solches explizites Verbot für überflüssig. Wenn das Tragen von Männerkleidern allgemein geahndet werden konnte, musste eine Norm nicht eigens bestimmte Kleidungsstücke unter Strafe stellen. Den Frauen wäre allgemein vorenthalten, was zur jeweiligen Herrenmode gehörte.

Aber ich möchte nun folgende Gegenfrage stellen: Wenn das Tragen von Hosen im Mittelalter und der frühen Neuzeit den Frauen nicht verboten war, sondern bloß tabuisiert, müsste es dann nicht eine Fülle von bildlichen oder schriftlichen Zeugnissen dafür geben, dass Frauen Hosen trugen?

Immerhin ist die fragliche Zeit voll von Beispielen für Moden, die sich aus Tabus entwickelten. Im 15. Jahrhundert war es in Frankreich sogar eine Zeitlang in Mode, dass Frauen von Stand barbusig unterwegs waren. Warum hat Agnès Sorel mit dieser drastischen Entscheidung Schule gemacht, aber Johanna von Orleans nicht mit ihrem Tragen von Hosen? Immerhin war La Pucelle auch in allen anderen Fragen eine Ikone für Französinnen, deren manche sich noch Jahrzehnte später als wiedergekehrte Johanna ausgaben.Nein, Poitier und Rouen verkörpern zwei zeitlich parallele Positionen von Klerikern, und nicht Positionen "der Kirche".

Wenn es tatsächlich verboten war, Hosen zu tragen, dann sollte sich doch wenigstens eine einzige Kleiderordnung finden lassen, die das tatsächlich belegt. Ein politischer Schauprozess ist ja nun nicht so sehr überzeugend.


Man muss sich ja auch mal fragen, welche Frauen Hosen tragen, warum sie das taten und ab welchem Zeitraum hosentragende Frauen überhaupt in größerem Umfang in Erscheinung treten.

In der Regel wurden die Hosen von Frauen ja nicht angelegt, um damit zu provozieren, um zu demonstrieren, um auf etwas aufmerksam zu machen. Hosen waren für die Jagd, fürs Reiten, für Reisen für eine Reihe von Aktivitäten einfach weitaus bequemer sind, sie erleichterten Bewegungen, und Hosen wurden häufig von Frauen getragen, um nicht sofort als Frauen aufzufallen, um Frauen vor Avancen und sexueller Belästigung zu schützen.

Es gab wohl mal die ein oder andere Adelige, die auf der Jagd Hosen trug, weil es praktischer war und vor allem auch weit weniger gefährlich war, als im Damensitz und Damensattel über ein Hindernis zu setzen oder hinter der Meute zu galoppieren.

Es kam vor bei Gaunern und Banditen. Da hatte es aber nur den einzigen Zweck, dass man oder besser laufen konnte in Hosen. Zum Ladendiebstahl, dem "Schottenfellen" dem weiblichen Delikt schlechthin, wurden allerdings bevorzugt Röcke getragen, weil man unter einem Rock leichter Sore verstecken konnte, und man schon schweren Verdacht haben musste, ehe man einer Frau unter die Röcke griff.
Mary Read soll in Flandern sich hat anwerben lassen, und sie und Anne Bonny trugen Männerkleidung, um als Frauen inkognito zu sein.
Es kam im Militär hin und wieder vor, dass sich Frauen inkognito anwerben ließen, bei den Lützower Jägern erinnere ich mich an ein oder zwei Fälle.


Ansonsten aber waren das über die Jahrhunderte wenige Fälle. Es war auch nicht die Industrielle Revolution, wie @Dion zu glauben scheint, die das Tragen von Hosen befördert hätte. Oder jedenfalls nur indirekt.

Das Frauen in größerem Umfang Hosen trugen, das war viel eher der Sport- und Freizeitkultur Ende des 19. Jahrhunderts zu verdanken, als eben auch Frauen sich sportlich betätigten oder Fahrrad fuhren. Bogenschützinnen und Radfahrerinnen hatten durchaus ein fast verruchtes Image, und Modekreationen wie der Hosenrock wurden teilweise heftig kritisiert.

Dann traten mit den Suffragetten und den Bloomer-Pants auch Frauen auf den Plan, die nicht nur sportlich, sondern auch sehr militant und zerstörungswütig waren, und die auf noch mehr Empörung konservativer Zeitgenossen stießen wie die "schimpfenden Weiber und patriotischen Jungfrauen" im Vormärz und der 1848er Revolution, von denen die Göttinger Anthropologin Carola Lipp schrieb.

Dass hosentragende Frauen stärker in die Öffentlichkeit traten, hatte auch nichts mit der Kirche, der Industriellen Revolution, ja nicht einmal mit dem Feminismus und militanten Suffragetten zu tun, sondern war der Tatsache geschuldet, dass Frauen wegen des 1. Weltkriegs ihren Mann stehen und Tätigkeiten übernehmen mussten, weil die Männer an der Front waren.

In seinen Weltkriegs-Erinnerungen "Gespenster am toten Mann" berichtet Paul Ettighofer wie er und seine Kameraden bei einem Heimaturlaub 1916 erstmals Frauen in Hosen und als Schaffnerinnen erlebte.
 
Wenn es tatsächlich verboten war, Hosen zu tragen, dann sollte sich doch wenigstens eine einzige Kleiderordnung finden lassen, die das tatsächlich belegt.
Etwas, das als selbstverständlich betrachtet wird, muss nirgendwo schriftlich erwähnt werden – siehe meinen Hinweis auf die einfache Nacktheit im öffentlichen Raum heute, die verfolgt wird, obwohl es keinen Paragrafen im Strafgesetzbuch gibt, der sie verbietet.
 
Etwas, das als selbstverständlich betrachtet wird, muss nirgendwo schriftlich erwähnt werden
woher wissen wir dann, dass es dieses selbstverständliche vor hunderten von Jahren gab?
(Achtung Schlaubi-Alarm: hier sind keine Selbstverständlichkeiten wie atmen, essen, trinken gemeint, sondern angeblich soll ein Hosenverbot für Frauen eine Selbstverständlichkeit gewesen sein - eine kühne, da bislang unbelegbare (!) These)
siehe meinen Hinweis auf die einfache Nacktheit im öffentlichen Raum heute, die verfolgt wird, obwohl es keinen Paragrafen im Strafgesetzbuch gibt, der sie verbietet.
und das soll eine Begründung für ein nirgends schriftlich überliefertes Hosenverbot für Frauen sein?
 
Etwas, das als selbstverständlich betrachtet wird, muss nirgendwo schriftlich erwähnt werden – siehe meinen Hinweis auf die einfache Nacktheit im öffentlichen Raum heute, die verfolgt wird, obwohl es keinen Paragrafen im Strafgesetzbuch gibt, der sie verbietet.
Nichts auf der Welt ist so selbstverständlich, dass es nicht sicherheitshalber auch als Gesetz festgehalten und in Paragraphen gegossen wird, weil es immer und überall auf der Welt mindestens einen Deppen gibt, für den das Selbstverständliche eben nicht selbstverständlich ist.


Für die meisten Menschen mit einigermaßen Sozialisation ist es selbstverständlich, dass man nicht raubt, stiehlt, Brandstiftung oder Mord begeht, dass Inzest tabu ist und eigentlich auch die Frau des Kollegen. Regeln, Normen Gesetze regeln das menschliche Zusammenleben, und die meisten Menschen haben diese Regeln so verinnerlicht, dass sie niemals auf die Idee kommen, gegen diese Regeln zu verstoßen.

Trotzdem gibt es überall auf der Welt Gesetze, Normen und Regeln, und sie sind auch nicht überflüssig, weil die Menschheit nun einmal nicht so beschaffen ist, dass nur weil etwas als selbstverständlich gilt, es noch längst nicht selbstverständlich ist, dass dagegen nicht verstoßen wird.



In Kleidungsordnungen der frühen Neuzeit wurde minutiös geregelt, welche Materialien, welcher Schnitt den unterschiedlichen Ständen vorbehalten war. Da wurde die Zahl der Unterröcke festgeschrieben, wurde en Detail geregelt, welche Pelze zugelassen waren, welche Pelzteile einem Handwerker oder einem Ratsherren und ihren Frauen erlaubt waren.

Wenn man sich mal Kleidungsordnungen ansieht, fällt auf, dass da wirklich eine große Regelungswut vorhanden war. Selbstverständlich durfte etwa ein Lodergeselle kein Samtfutter auf der Straße tragen. Dass sich alle selbstverständlich an die Ordnungen hielten-das war eben nicht selbstverständlich.
 
Ihr beide, @dekumatland und @Scorpio, ignoriert das Beispiel mit der einfachen Nacktheit in der Öffentlichkeit, die nicht verboten ist und somit belegt, dass es keinen Paragrafen bedarf, um etwas, was sich laut Überlieferung nicht gehört, doch zu sanktionieren.
 
Ihr beide, @dekumatland und @Scorpio, ignoriert das Beispiel mit der einfachen Nacktheit in der Öffentlichkeit, die nicht verboten ist und somit belegt, dass es keinen Paragrafen bedarf, um etwas, was sich laut Überlieferung nicht gehört, doch zu sanktionieren.

Wenn man Flitzer und Nudisten sanktionieren will, dann braucht man logischerweise auch Gesetze und Verordnungen und sei es auch nur wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses oder grobem Unfug.
 
Nackt durch eine belebte Fußgängerzone zu spazieren ist für dich “Erregung öffentlichen Ärgernisses oder grober Unfug”? Selbst wenn sich von den Anwesenden keiner beschwert, also keine Erregung öffentlichen Ärgernisses stattfindet, schreitet die Polizei ein. Davon wir immer wieder mal berichtet.
 
Nackt durch eine belebte Fußgängerzone zu spazieren ist für dich “Erregung öffentlichen Ärgernisses oder grober Unfug”?
Es ist nicht die Frage ob es für @Scorpio “Erregung öffentlichen Ärgernisses oder grober Unfug” ist.
(.. und es gibt ja durchaus Zeitgenossen die man lieber nicht nackt sehen will)
 
Ihr beide, @dekumatland und @Scorpio, ignoriert das Beispiel mit der einfachen Nacktheit in der Öffentlichkeit, die nicht verboten ist und somit belegt, dass es keinen Paragrafen bedarf, um etwas, was sich laut Überlieferung nicht gehört, doch zu sanktionieren.
Ich persönlich habe 2x einen Mann in Frankfurt/Main gesehen* , der "mit wehender Banane" durch die Straßen ging, auch zum Einkaufen.
Der Mann war wohl einigermaßen bekannt und wurde m.E. nach nicht sanktioniert.
*in den 1990/2000er Jahren

EDIT: Google sagt, es war der "nackte Jörg"
 
Zuletzt bearbeitet:
Ihr beide, @dekumatland und @Scorpio, ignoriert das Beispiel mit der einfachen Nacktheit in der Öffentlichkeit
Warum schreibst du solchen Blödsinn? Was mich betrifft: ich habe dein "Argument" nicht ignoriert, sondern stattdessen zitiert.
Aber a) überzeugt es mich nicht, weshalb ich dir b) nicht zustimme.
 
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