Übernahme von Sprachen, Widerstand, Macht

Das hat die Sprache der Troubadoure, das Okzitanische, nicht vor dem (nahezu vollendeten) Untergang bewahren können, obwohl sie als Literatursprache im Mittelalter ein außerordentliches Prestige genoss.

Mit den Albingenserkreuzzügen ging das Okzitanische als Literatursprache unter.

Ob das der Hauptgrund ist, oder eher die hinter dem Kastlischen stehende machtpoltische Dominanz, sei dahingestellt.

Das das Kastilische eigentlich schon ein sekundärer Dialekt des Asturischen ist, der sich in seiner toledanischen Form erst in der Reconquista bzw. durch die Reconquista entwickelte, ist das gar nicht so gesagt. Es hätte sich z.B. auch der leonesische Dialekt durchsetzen können.
 
Dass Sprachen durch Verfolgung und Verbote erlöschen können, habe ich weiter oben schon ausgeführt, versteht sich von selbst und war daher nicht mehr Gegenstand dieses Postings.

Schade eigentlich, daß du den Einwand nicht direkt angehst, weil du deine eigene Argumentation unterminierst, wie ich dir im folgenden auf dem Hintergrund deiner eigenen, guten Beiträge, so wie ich sie verstanden habe, aufzeigen möchte:

Ich verstehe deine Darstellung dahingehend, daß dem Aspekt der Repression eher wenig Bedeutung/Einfluß für Sprachwandel beimißt, wenn von du z. B. schreibst:

Sprachentod hat es in der Geschichte hundertfach gegeben. Das muss nicht unbedingt an brutaler Unterdrückung liegen, sondern kann auf ganz friedlichem Wege durch Überschichtung durch eine dominante Sprache geschehen, die über ein höheres Prestige verfügt oder aber aus Gründen einer dahinter stehenden ökonomischen Überlegenheit die Vorherrschaft gewinnt.

Ob dann der sprachliche Selbstbehauptungswille stark oder schwach ausgeprägt ist, lässt sich weder vorhersagen noch durch behördliche Maßnahmen regulieren oder erzwingen. Eine solche künstlich am Leben erhaltene Sprache wird langfristig zu einem anachronistischen, musealen Objekt, das späteren Generationen in Sprachkursen wie eine Fremdsprache vermittelt wird.

Daß du beim Sprachwandel impliziten Normierungstendenzen und pragmatischen Gesichtspunkten den Vorrang einräumst, betonst du auch in einem Folgebeitrag:

Ein Sprachwechsel erfolgt immer dann, wenn die Übernahme der Sprache für die übernehmenden Sprecher nützlicher ist, als an der überkommenen Sprache festzuhalten. Man muss das ganz unromantisch unter rationalen Aspekten sehen. [...]

Sprachen sind dynamisch in ihrer Entwicklung und wenn ihr Gebrauch dem Menschen aus verschiedenen Gründen nicht mehr nützt, dann tritt ein Sprachwechsel ein. Das lässt sich nicht künstlich verhindern.

Ich sehe das sehr ähnlich, bin aber über den Verlauf deiner Diskussion mit El Quijote etwas verwundert:
Jein, natürlich gibt es Mittel, das Prestige einer Sprache zu erhöhen oder zu vermindern. Das beginnt bei der Diskriminierung der Sprecher und endet mit deren Verfolgung bzw. Bestrafung im Falle des Sprechens ihrer Sprache . [...]
Umgekehrt beginnt das Prestige einer Sprache zu wachsen, wenn sie standardisiert wird, etwa wenn sie zur Literatursprache wird und in der Schule gelehrt wird, die Massenmedien in dieser Sprache verfügbar sind und auch ein breites Spektrum erreichen. [...]
Als ein Grund dafür, dass sich das Toledaner Kastilische zur Dachsprache in Spanien entwickeln konnte gilt z.B. dass es die erste Volkssprache war, die systematisch verschriftlicht wurde.

El Quijote widerspricht dir ja nicht grundsätzlich, vielmehr bringt er gerade als subtil relativierendes Moment einen machtpolitischen Aspekt ein, von dem ich den Eindruck hatte, daß du diesem gerade – und mit gutem Grund - eher weniger Bedeutung beimißt, weshalb mich der letzte Satz deines aktuellen Posts ziemlich verblüfft:

Ob das der Hauptgrund ist, oder eher die hinter dem Kastlischen stehende machtpoltische Dominanz, sei dahingestellt.

Hiermit relativierst du nämlich deine eigene Argumentation zum Sprachwandel, wenn du dann damit dem machtpolitischen Aspekt höhere Bedeutung beimißt als dem normierenden Sog durch Verschriftlichung.
 
nach dem Erfolg der spanischen Sprachpolitik und der zeitlichen Einordnung

Jein, natürlich gibt es Mittel, das Prestige einer Sprache zu erhöhen oder zu vermindern. Das beginnt bei der Diskriminierung der Sprecher und endet mit deren Verfolgung bzw. Bestrafung im Falle des Sprechens ihrer Sprache (das hat es im Falle des Arabischen in Spanien gegeben, bis dahin, dass ein Teil auch der spanischen Vokabeln, die aus dem Arabischen kamen durch Französische oder Katalanische ersetzt wurden, im Falle des Inselkeltischen hier und dort).

Für Beispiele, daß bestimmte Gruppen gelegentlich versuchen Lehnworte aus einer Sprache zu eliminieren, ist ein wohl immer wieder vorkommendes Phänomen aus weiteren Sprachen, ist doch aber eher als Versuch zu werten, bestimmte Wandlungsprozesse, meist im lexikalischen Bereich, zu beeinflussen; gewissermaßen durch Purifizierung quasi rückgängig zu machen.

Wie erfolgreich war die Sprachpolitik in bezug auf die Ersetzung der aus dem Arabisch kommenden Vokabeln durch französische oder katalanische? Ich habe kurz bei Wikipedia eine Angabe von Arabismen im Spanischen gefunden, die nicht ganz 1300 an der Zahl erreichen - was mir ziemlich beträchtlich erscheint. Gibt es Schätzungen/ Angaben in der Literatur zu den von dir angegebenen Ersetzungen?

Vor allem würde mich aber noch interessieren, in welchen Zeitraum ist die Verfolgung des arabischen Sprachgebrauchs zu datieren? Ich wäre dir dankbar, wenn du mir das eine oder andere Stichwort dazu geben könntest (z. B. Herrschername, Gesetzesbeschluß oder auch ein Link).
 
Das ist ein Problem, welches zunächst die Morisken betraf (wobei der Begriff des Morisken zunächst nach 1492 verbliebene Muslime auf der iberischen Halbinsel bezeichnet, später mehr und mehr deren christliche Nachfahren, zum Teil freiwillig, aber wohl zum größeren Teil zwangskonvertiert).
Ein königlicher Erlass, dass bestimmte Worte eliminiert werden sollten, ist nicht überliefert, mehr eine diffuse Angst, sich durch den Gebrauch von Arabismen verdächtig zu machen.

Ich hab dazu schon mal was geschrieben:

Es gab im 16. Jhdt. in Spanien eine Politik der sprachlichen Reinigung. Heute sind etwa 1200 spanische (Alltags-)Worte arabischen Ursprungs (Zählung Volker Noll im DRAE). Es muss aber um 1500 mehr Arabismen gegeben haben bzw. das ist sicher. Wörterbücher des mittelalterlichen Spanisch weisen Arabismen auf, die es heute nicht mehr gibt und im 16. Jahrhundert gibt es einen deutlichen Anstieg lateinischer, griechischer und französischer Lehnworte, wobei allerdings bei den lateinischen und griechischen Entlehnungen der renacentistische Zeitgeist wohl eher ausschlaggebend ist, als die Reinigung vom Arabischen. Bei Alltagsworten ist eher der frz. Anteil ausschlaggebend. So wurde z.B. der kastilische Arabismus alfaiate durch den Gallizismus sastre ersetzt. (Aber es gibt auch lateinische BspBsp.: asp. alfaza > nsp. lechuga < lat. lactuca)

Sprachreinigung als Mode würde ich eher im 19. denn im 20. Jahrhundert beginnend ansetzen - man nehme wiederum Spanien, aber auch Preußen, Großbritannien etc.

Den Zeitraum, der Verfolgung würde ich mit 1499 bis 1614 ansetzen.
 
Eine Diffuse Angst sich Orientalismen türkischen, arabischen und persischen Wörter Gebrauch gab es auch auf den Balkan in der Zeit des Unabhängigkeit werden. Bulgarisch und Rumänisch wurden weitgehend gesäubert. In Griechenland und in Serbien gab es Ähnliche Projekte die sich aber nicht durchsetzten. In Serbien war es Vuk Karadzic der dies Verhinderte und das Slawenoserbische (eine Hybridsprache aus dem Kirchenslawischen der russischen Redaktion, russisch und serbisch) zur Geschichte machte, mit den Kroaten eine gemeinsame Schriftsprache aushandelte.

Nach den 90ern gab es eine neue Runde, in Kroatien wurden in den offiziellen Medien ausländische Wörter durch Neologsimsen ersetzt, dafür gibt es auch ein eigenes Ministerium, oder Wörter aus den nichtstokavischen Dialekten aufgewertet.

Beispiele

serbokroatisch - neukroatisch - deutsch

aerodrom - zracka luka - Flughafen

televizor - dalekovid - Fernsehrer

univerzitet - sveuciliste (Alles Lehranstalt) - Universität

helikopter - zrakoplov - Helikopter

In Montenegro wurde ein neues Alphabet eingeführt Montenegrinisch als Unterrichtssprache eingeführt - Bildung International - derStandard.at ? Bildung.

Im Bosnischen werden in den offiziellen Medien orientalische Wörter wieder eingeführt, die wahrscheinlich sogar zur Zeit des Osmanischen Reichs nur wenige kannten, aber in älteren Texten gefunden wurden.

Im Serbischen gibt es derzeit keine solche gezielte Sprachänderung gegenüber dem serbokroatischen (in den letzten Worten sind viele englische Begriffe dazugekommen), aber auch da wird von einigen Linguisten und Politikern mehr Einmischung der Politik in die Sprachentwicklung gefordert.
 
Sprachwechsel

im Laufe der Geschichte haben wir häufiger das Phänomen gehabt, das eine Bevölkerung ihre Sprache im Laufe der Jahrhunderte gewechselt hat. So haben sich zunächst verschiedene indogermanische Sprachen in Europa ausgebreitet und haben sich im Laufe der Zeit gegenseitig ersetzt.

In Britannien z. B. wurde die Bevölkerung zunächst keltisiert, dann romanisiert und letztendlich anglisiert. Die französische Sprache hingegen konnte sich dort nicht durchsetzen. Weitere Beispiele sind die Ablösung der keltischen Sprachen, die sich nur noch in einigen Teilen Irlands, Frankreichs und Britanniens halten konnte. Die slawischen Sprachen in Deutschland sind bis auf die sorbischen Dialekte weitgehend ausgestorben. Weitere Beispiele lassen sich wohl überall in Europa finden

Wie geschieht so ein Sprachwechsel? Wir sprechen hier von Zeiten, in denen es noch keinen Schulunterricht und Massenmedien in der Standardsprache gibt.
 
Im Prinzip geht man davon aus, dass die Eliten, sofern sie nach einer Eroberung ihre Funktion halten können, sich den neuen Machthabern anpassen und deren Sprache annehmen, eben um ihre Funktion zu erhalten. Zunächst nur im "Geschäftsbereich", dann allmählich auch immer mehr im Alltag. Die Bevölkerung passt sich nach und nach den Eliten an, zunächst im "Geschäftsbereich", dann mehr und mehr im Alltag. So erklärt man die Latinisierung Westeuropas.
Das würde ggf. auch erklären, warum England sprachlich nicht normannisiert wurde, da der französisch-sprachige normannische Adel trotz jahrhundertelanger Herrschaft irgendwie immer ein Fremdkörper blieb und mit dem angelsächsischen Adel in Konflikt lag. Dagegen die schottischen Lowlands, die wie England unter normannischen Einfluss geraten feudalisiert wurden, wo sich das Scots entwickelte, ein englischer Dialekt, während man in den Highlands von den "Sassenach" und der normannischen Feudalisierung kaum berührt, lange dem Gälischen treu bleiben konnte, welches erst seit den Niederschlagungen der Jakobiter im 18. Jahrhundert aktiv bekämpft wurde und daher heute so gut wie ausgestorben ist, trotz einer mittlerweile eingesetzten Sprachpflege.
 
So erklärt man die Latinisierung Westeuropas.
wobei die Latinisierung (und kulturelle Romanisierung) gleichsam ein Sonderfall ist: es kam ja keine Elite nach z.B. Gallien, welche die Herrschaft an sich riss um hernach eifersüchtig die Grenzen nach außen dicht zu machen, sondern Gallien wurde als Provinz Teil eines größeren (und mächtigeren) Ganzen, des römischen Imperiums.
anders gestaltete sich der Sprachwechsel im Fall "kleinräumigerer" Machtübernahmen durch anderssprachige Eliten, die sich dann meist nach ein paar wenigen Generationen sprachlich und kulturell der eroberten Majorität anpassten (z.B. die Wisigoten im unbeirrt romanisiert gebliebenen Spanien)
 
Ja, hier liegt das auch am Prestige der Sprache. Latein war nun mal die etablierte Schriftsprache. Zwar gab es seit Wulfila mit der gotischen Bibel mittlerweile auch eine gotische Schriftsprache, aber die scheint nur im kultischen Kontext in Anwendung gekommen zu sein. Ob die Westgoten außerhalb der Kirche überhaupt noch Gotisch sprachen, als sie nach Spanien gelangten, ist unter den Sprachhistorikern umstritten. Positive Belege dafür gibt es nicht, lediglich ein recht dünner germanischer Sonderlehnwortschatz in den iberoromanischen Sprachen, der in den anderen romanischen Sprachen nicht oder in anderer Form vorkommt, wäre ein Indiz für die andauernde Benutzung des Gotischen durch die Goten. Bei den Vandalen behauptete mal ein Bischof auf einem "Kongress" zwischen katholischen und arianischen Klerikern in Karthago: "Nescio Latine - Ich spreche kein Latein." Diese Aussage wird zu Recht angezweifelt (und offenbar hat er, als er das sagte, wohl Lateinisch und nicht Gotisch* gesprochen).
Wenn die Goten noch Gotisch gesprochen haben sollten, waren sie aber mit ihrer rigiden Religions- und Heiratspolitik selbst Schuld daran, dass ihre Sprache nicht dauerhaft überleben konnte.

*Gotisch ist kein Irrtum, Prokop klassifizierte die Sprache der Vandalen als Gotisch, was wir heute wohl am ehesten mit "Ostgermanisch" übersetzen dürften, weshalb Gotisch auch gerne als Snonym für das Ostgermanische verwendet wird.
 
Ja, hier liegt das auch am Prestige der Sprache. Latein war nun mal die etablierte Schriftsprache.
und Latein war die Sprache der größten politischen Macht im antiken/spätantiken Europa, und das nicht wenige Jahrhunderte lang (!) - freilich gab es im römischen Imperium noch den Sonderfall des griechischen als Kultur- und Schrfitsprache. Die Latinisierung griff in Griechenland nicht so um sich, wie z.B. in Spanien und Frankreich. In gewissem Sinn war Rom auf kultureller Ebene latent zweisprachig (lat. & griech.)
(natürlich müssen wir jetzt nicht zum balkanromanischen etc. abschweifen, es genügt ja, den kulturellen Sonderfall "hellenistisch" im röm. Imperium zu konstatieren)

bzgl. der gotischen Sprache in Prokops Kriegsschriften (ich glaube im Gotenkrieg): er teilte mit, dass sämtliche Goten, Vandalen, Heruler, Gepiden ("und wie sie alle heißen") die gotische Sprache sprachen
 
Zuletzt bearbeitet:
Der gesamte Osten latinisierte sich höchstens oberflächlich. In Ägypten etwa wurden vor allem Griechisch und Koptisch/Demotisch verwendet, Latein blieb die Sprache der römischen Verwaltung.

Interessantes Beispiel einer Dreisprachigkeit. Zum einen die "ursprüngliche" Sprache Koptisch bzw. Demotisch, dann Griechisch, das wiederum mit der griechisch-(sprachigen) Elite unter den Ptolemäern ab dem 3. Jhdt. v. Chr. eingeführt wurde, und dann das Latein der römischen Verwaltung ab dem 1. Jhdt v. Chr.

Das Koptische hat sich als Sprache der ägyptischen Christen bis heute erhalten, während der Rest der Bevölkerung im Folge der arabischen Eroberung im 7. Jhdt. zum Islam übertrat und zur arabischen Sprache wechselte.

Wir haben vermutlich Effekte eines Elitetransfers (Ptolemäer) und einer Selbstassimilation der Oberschicht, die sich im Laufe der Zeit mit den eingewanderten Griechen vermischt haben. Das Koptische dürfte sich durch eine Art Isolation der Christen innerhalb der mehrheitlich muslimischen Bevölkerung gehalten haben.
 
Im Prinzip geht man davon aus, dass die Eliten, sofern sie nach einer Eroberung ihre Funktion halten können, sich den neuen Machthabern anpassen und deren Sprache annehmen, eben um ihre Funktion zu erhalten. Zunächst nur im "Geschäftsbereich", dann allmählich auch immer mehr im Alltag. Die Bevölkerung passt sich nach und nach den Eliten an, zunächst im "Geschäftsbereich", dann mehr und mehr im Alltag. So erklärt man die Latinisierung Westeuropas.
Ich halte es für wichtig, wenn man sich zuerst einen Überblick über das Phänomen Sprachwechsel verschafft und am Besten über solchen der zeitlich nahe liegt. Das garantiert natürlich nicht, daß es sich in der Vergangenheit auch so abgespielt haben muß.
Eliten können etwas mit Sprachwechsel zu tun haben, müssen es aber nicht notwendiger Weise. Wir hatten hier das Thema Schleswig. Obwohl Schleswig unter dänischer Oberhoheit stand, setzte sich hier das Niederdeutsche und letztlich das Hochdeutsche durch. Dabei strahlte die deutsche Sprache von den Städten, insbesondere den Handels- oder Hansestädten. In Masuren brachten polnische Siedler aus Masowien ihre Sprache mit und sorgten zT auch dafür, daß ehemals deutschsprachige Gebiete polonisierten, obwohl die Eliten deutschsprachig waren. Deutsch setzte sich erst spät durch, vor allem als die masuren sich nationalbewußt zeigen wollten und Deutsch als Kultursprache galt, polnisch bzw. Masurisch aber als Sprache der Ungebildeten galt. Dies ist ähnlich dem Vorgang der Verdrängung des Niederdeutschen. Meine Mutter zB verbot ihrer Großmutter Platt zu sprechen, das galt als bäurisch und ungebildet.

Das würde ggf. auch erklären, warum England sprachlich nicht normannisiert wurde, da der französisch-sprachige normannische Adel trotz jahrhundertelanger Herrschaft irgendwie immer ein Fremdkörper blieb und mit dem angelsächsischen Adel in Konflikt lag.
Das würde ich weitgehend unterstützen, wobei die Kluft eher zwischen den französisch-normannisch Invasoren und dem einfachen Volk lag, als zwischen normannischem und angelsächsischem Adel. Der angelsächsische Adel wurde doch sehr schnell beseitigt oder absorbiert oder hatte zT schon vorher familiäre Beziehungen zu skandinavischen oder kontinentalen Familien.


Dagegen die schottischen Lowlands, die wie England unter normannischen Einfluss geraten feudalisiert wurden, wo sich das Scots entwickelte, ein englischer Dialekt, während man in den Highlands von den "Sassenach" und der normannischen Feudalisierung kaum berührt, lange dem Gälischen treu bleiben konnte, welches erst seit den Niederschlagungen der Jakobiter im 18. Jahrhundert aktiv bekämpft wurde und daher heute so gut wie ausgestorben ist, trotz einer mittlerweile eingesetzten Sprachpflege.
Das ist so nicht richtig, da Schottland durch den Clyde sprachlich schon länger geteilt war. Ganz besonders in Bernicia bzw. Northumbria sprach man schon englisch bzw. Vorläufersprachen und das brythonische Galloway übernahm sogar das Schottisch-Gälische.
Richtig ist sicherlich, daß gerade die herrschenden Dynastien Balliol, Bruce und Stewart stark mit dem englischen Adel verbunden waren bzw. normannischer Herkunft waren, de Bailleul, de Bruis, de Dol. Richtig ist sicherich auch, daß gerade unter den Dunkeld starke Bindungen richtig Süden bestanden. Doch auch andere Clans, zB in den Highlands hatte anglo-normannischen bzw. kontinentalen Ursprung und dies führte nicht zum Sprachwechsel. Das Scots war noch im frühen 15. Jahrhundert nicht weit über den northumbrischen Bereich hinaus. Erst als es zu dieser Zeit das Französische als Kultursprache verdrängen konnte, u.a. durch einen Ausbau des Stadtsystems, konnte es das Gälische immer weiter zurückdrängen. Standardenglish ersetzte dann das Scots besonders nach den Acts of Union. Gälisch verlor seine Bedeutung dann insbesondere mit der Vernichtung der Clan-Gesellschaft in den Highlands nach den Jakobitenaufständen.
 
Ja, hier liegt das auch am Prestige der Sprache. Latein war nun mal die etablierte Schriftsprache......
das kann so nicht immer sein, denn sowohl das Latein in Britannien, wie auch das Griechisch in Anatolien oder dem Balkan verschwand oder wurde zumindest zurückgedrängt. Es muß also noch andere faktoren geben.
 
das kann so nicht immer sein, denn sowohl das Latein in Britannien, wie auch das Griechisch in Anatolien oder dem Balkan verschwand oder wurde zumindest zurückgedrängt. Es muß also noch andere faktoren geben.

Es ist überhaupt umstritten, dass sich in der britischen Bevölkerung, trotz der knapp vierhundertjährigen römischen Besatzung Englands, das Lateinische als Sprache der Bevölkerung durchsetzen konnte. Ein Britoromanisch hat es wohl nie gegeben, anders als ein Galloromanisch oder Iberoromanisch.
Dass es immer so sei, habe ich auch nie gesagt.
Ich kann z.B. nach wie vor nicht verstehen, wie sich das Slawische hat durchsetzen können: http://www.geschichtsforum.de/f56/erfolgsgeheimnis-der-slawischen-sprachen-24744/
 
Zuletzt bearbeitet:
Im Prinzip geht man davon aus, dass die Eliten, sofern sie nach einer Eroberung ihre Funktion halten können, sich den neuen Machthabern anpassen und deren Sprache annehmen, eben um ihre Funktion zu erhalten. Zunächst nur im "Geschäftsbereich", dann allmählich auch immer mehr im Alltag. Die Bevölkerung passt sich nach und nach den Eliten an, zunächst im "Geschäftsbereich", dann mehr und mehr im Alltag. So erklärt man die Latinisierung Westeuropas.
Ich halte es für wichtig, wenn man sich zuerst einen Überblick über das Phänomen Sprachwechsel verschafft und am Besten über solchen der zeitlich nahe liegt. Das garantiert natürlich nicht, daß es sich in der Vergangenheit auch so abgespielt haben muß.

Natürlich nicht. Für das Lateinische kann man das allerdings teilweise nachweisen: Die alten Eliten blieben als Funktionseliten nach Eroberung erhalten und assimilierten sich recht schnell an die römische Obrigkeit wohingegen die Bevölkerung länger dafür brauchte. Das ist natürlich kein fortwährend gültiges Naturgesetz.

Dagegen die schottischen Lowlands, die wie England unter normannischen Einfluss geraten feudalisiert wurden, wo sich das Scots entwickelte, ein englischer Dialekt, während man in den Highlands von den "Sassenach" und der normannischen Feudalisierung kaum berührt, lange dem Gälischen treu bleiben konnte, welches erst seit den Niederschlagungen der Jakobiter im 18. Jahrhundert aktiv bekämpft wurde und daher heute so gut wie ausgestorben ist, trotz einer mittlerweile eingesetzten Sprachpflege.
Das ist so nicht richtig, da Schottland durch den Clyde sprachlich schon länger geteilt war. Ganz besonders in Bernicia bzw. Northumbria sprach man schon englisch bzw. Vorläufersprachen und das brythonische Galloway übernahm sogar das Schottisch-Gälische.

Über welche Zeit sprechen wir? Ich spreche von der Zeit um Wilhelm den Eroberer bzw. die schottische Canmore-Dynastie und mache dann den Sprung ins 18. Jhdt.

Gälisch verlor seine Bedeutung dann insbesondere mit der Vernichtung der Clan-Gesellschaft in den Highlands nach den Jakobitenaufständen.
Zumindest da stimmen wir ja in unseren Darstellungen überein. Was den Rest angeht, da müsste ich mich noch mal vertieft einlesen.
 
Natürlich nicht. Für das Lateinische kann man das allerdings teilweise nachweisen: Die alten Eliten blieben als Funktionseliten nach Eroberung erhalten und assimilierten sich recht schnell an die römische Obrigkeit wohingegen die Bevölkerung länger dafür brauchte. Das ist natürlich kein fortwährend gültiges Naturgesetz.
Für Gallien oder Iberien würde ich das auch so sehen. ZB der aquitanische Adel integrierte sich sehr rasch in den römischen Staat.

Über welche Zeit sprechen wir? Ich spreche von der Zeit um Wilhelm den Eroberer bzw. die schottische Canmore-Dynastie und mache dann den Sprung ins 18. Jhdt.
Ich im Prinzip auch. Der Einfluß des Englischen begann in den Lowlands aber halt nicht mit anglo-normannischer Eroberung, sondern geht zurück bis zum angelsächsischen regnum Bernicia. Und eben hier hatte auch der clan Dunkeld oder auch Canmore-Dynastie Einfluß, nicht zuletzt mit David I und seiner familiären Verbindungen nach Northumbria. Nicht zu vergessen ist auch die Heirat seines Vaters mit Margaret von Wessex. Richtig ist allerdings schon, daß auch die schottischen Könige Anglo-Normannen und andere "Kontinentale" (aufgrund der Sprache vielleicht eher Franko-Normannen) in ihre Dienste nahmen und diese dann zT bedeutende Clans begründeten, die Sinclairs, Frasers, Kerrs, Murray, Douglas etc. Dies hatte aber oft keinen Einfluß auf die Gälische Sprache bzw. die Ausbreitung des Englischen, da Französisch Kultursprache war, nicht Englisch.

Zumindest da stimmen wir ja in unseren Darstellungen überein. Was den Rest angeht, da müsste ich mich noch mal vertieft einlesen.
ja, bei der verdrängung des Gälischen kann ich so zustimmen.
 
ich versuche einige Faktoren zusammenzutragen, die einen Sprachwechsel verursachen können:

  • Eroberung durch eine fremdsprachige Macht
  • Etablierung einer neuen Elite mit einer neuen Sprache
  • Immigration
  • Kulturübernahme (dies beinhaltet auch Religionen)
  • Wechsel zu einer Sprache mit höherem Prestige (z. B. verschriftlichte Sprachen ggü. nur mündlich tradierten Dialekten, oder auch Staatssprachen ggü. Regionalsprachen)

Das Fortbestehen einiger sprachlicher bzw. ethnischer Minoritäten müßte sich eine gewisse Abgeschiedenheit von der Mehrheitsbevölkerung erklären lassen. So gab bzw. gibt es in Osteuropa eine Reihe von deutschen Minderheiten, die nicht in die jeweilige Mehrheitsbevölkerung assimiliert worden sind. Gleichzeitig sind natürlich auch eine Reihe von Deutschen in der Mehrheitsbevölkerung aufgegangen.

Trennungsfaktoren können naturräumlich oder siedlungsbedingt sein: also geschlossene, ethnisch und sprachlich homogene Siedlungen (diverse Sprachinseln wie Sorben in Sachsen und Brandenburg, irischsprachige Gemeinden in Irland, bretonischsprachige Gemeinden in der Bretagne etc.). Andererseits können auch innerhalb der Gesellschaft gewisse "Parallelgesellschaften" weiter existieren. Ich denke da an die Kopten in Ägypten oder auch an diverse Chinatowns oder Little Italy in Amerika und Europa.
 
ich versuche einige Faktoren zusammenzutragen, die einen Sprachwechsel verursachen können:

  • Eroberung durch eine fremdsprachige Macht
  • Etablierung einer neuen Elite mit einer neuen Sprache
  • Immigration
  • Kulturübernahme (dies beinhaltet auch Religionen)
  • Wechsel zu einer Sprache mit höherem Prestige (z. B. verschriftlichte Sprachen ggü. nur mündlich tradierten Dialekten, oder auch Staatssprachen ggü. Regionalsprachen)
Es gibt aber auch Völker, die verbissen an ihrer Sprache festgehalten haben oder nur einige Worte übernommen haben. Es ist doch erstaunlich, dass ein kleines Volk wie die Malteser an ihrer semitischen Sprache festgehalten haben und lediglich das lateinische Alphabet und ein paar italienische Lehnswörter wie Grazzi (danke) von ihren jahrhundertelangen Besatzern übernommen haben .Erst war französisch ,dann Italienisch, während der ganzen Zeit, in der die Johanniter die Insel beherrschten, die Amtssprache. Später Englisch, trotzdem blieb die maltesische Sprache erhalten. Auch die katholische Religion, die auf Malta mit Inbrunst praktiziert wurde und wird, vermochte nicht die arabischstämmigen Sprache zu verdrängen.
 
Es gibt vielleicht aber auch eine ganz "niedere" Ebene, nämlich in Dörfern und Landstädten mit gemischten Ethnien. Welche Sprache wird als lingua franca genutzt, die der Mehrheit, bei mehreren eher gleichstarken ethnischen Gruppen die einfachere, die der höheren Kulturstufe etc. Im thread über Schleswig hatten wir gesehen, daß man vielfach das Niederdeutsche verwendete, selbst wenn Friesen und Dänen miteinander sprachen.
 
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