Tabuisierung und Verdrängung sind mit Sicherheit nicht die Mittel um mit dem Thema umzugehen. Aber ein bisschen mehr Objektivität der heutigen Generation gegenüber wäre wünschenswert. Wenn man sich die Dokumentationen im Fernsehen mal genauer ansieht, ist man hinterher ganz erschlagen von soviel Bosheit und Grausamkeit.
Nur denke ich, ist der Effekt den diese Dokus erzielen nicht der, der vorgesehen sein sollte. Hier muss ich mal den Begriff "Infotainment" einwerfen.
Die meisten Dokumentationen, die man heute im Fernsehen sieht, dienen nicht wirklich dazu, aufzuklären. Es wird meist wie eine Gruselgeschichte erzählt, über einen bösen Mann, der das Unheil brachte.
Wenn man sich die momentane Entwicklung der neonazistischen Szene ansieht, wie sie versuchen, die Demokratie mit ihren eigenen Mitteln zu schlagen... DA muss mehr Aufklärung her.
Ein Beispiel: Ein Parteiverbot der NPD würde zur Folge haben, dass die Mitwirkenden in den Untergrund gehen, wo man sie nicht sehen und kontrollieren kann. Stattdessen sollte man sie zwingen die Parteiziele und Ideologien offen zu legen. Und zwar so, dass jeder sie versteht, auch Menschen, die der fremdwortgeschwängerten Sprache der Politiker nicht gewachsen sind. (OT, ich weiß, aber ich brauchte ein Beispiel :rotwerd: )
Gerade die NS-Zeit ist ein heikles Thema, da einen Mittelweg zwischen Verharmlosung und ständiger Schuldzuweisung zu finden, ist sehr schwierig.
Ich versuche einfach, auch die Schüler zu verstehen, die täglich aufs neue mit der Vergangenheit konfrontiert werden in Form von: "Sieh mal, was deine Vorfahren da früher gemacht haben, das ist schrecklich".
Natürlich war es schrecklich und es darf nie wieder passieren. Aber ob es der richtige Weg ist, die Bevölkerung (nicht nur die Schüler, denn die Dokus erreichen ja ein viel breiteres Spektrum) permanent einzuschüchtern, so dass die Menschen sich nicht mehr trauen, kritische Gedanken (kritisch, nicht antidemokratisch oder faschistisch*!!) zu äußern aus Angst, als Neonazi abgestempelt zu werden... damit kann ich mich irgendwie nicht wirklich anfreunden.
Ein Beispiel dafür wäre eine Diskussion zwischen meinen Bekannten: Es ging um die Migrationspolitik in Deutschland und es haben sich einige kritisch geäußert. Ihnen gefällt eben nicht, wie die Regierungen der letzten Jahre mit dem Thema umgingen. Sind sie deswegen Nazis? Meiner Ansicht nach nicht, denn nur, weil mir die Politik nicht gefällt, heißt das nicht, dass ich Menschen anderer Ethnien hasse, oder mich als höher gestellt betrachte, bis dahin ist es noch ein weiter Weg! Dennoch kam vom Nachbartisch ein bösartiges "Faschopack" herübergeweht... von einem türkischstämmigen Mitbürger.
Was die "Gnade der späten Geburt" angeht, so will ich sie nicht beanspruchen. Oder zumindest nicht in der Form, dass ich mich von dem Thema vollkommen distanziere. Aber ich sehe eben nicht ein, dass man mir - und anderen aus meiner Generation und der Generation vor uns - immer noch mehr oder weniger die Geschichte vom "bösen" Deutschland erzählt. Es ist 60 Jahre her, die Ideologie hat sich geändert, viele Menschen gehen bewusster an die Geschehnisse heran. Das wird jedoch nicht gesehen, stattdessen wird immer darauf herumgeritten, dass wir "immer noch Nazis haben" und somit ja immer noch suspekt sind.
Und dass die Bevölkerung da sehr unsicher ist, wird mit Sicherheit niemand bestreiten. Man könnte hier einige Beispiele aufzählen, aber die wären Tagespolitisch und hätten in diesem Forum nichts verloren
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Statt also die Leute weiter wegen des dritten Reiches zu verunsichern, sollte man sie vielleicht eher in ihrem Bestreben, kein "viertes" Reich entstehen zu lassen, bestärken.
Und gerade Jugendliche sollte man nicht von Anfang an zu so einer Verunsicherung erziehen, sondern zum Bewusstsein um die Aufgabe, soetwas nicht wieder geschehen zu lassen. Man sollte ihnen kein ungerechtfertigtes schlechtes Gewissen einreden, sondern ihnen die Augen öffnen, damit sie nicht in der Zukunft denselben Fehler machen, wie ihre Großeltern und Urgroßeltern. Denn ein schlechtes Gewissen frustriert, und Frustration kann zu Kurzschlussentscheidungen führen ("Wie, ich darf/soll nicht? Dann erst recht!"). Dabei ist es auch wichtig den Jugendlichen zu vermitteln, dass es hier nicht das übliche "ich hab Recht, weil ich mehr Erfahrung habe"-Schema ist, sondern "ich hab Recht, sieh selbst"...
*Anm.: ich weiß, dass Faschismus und Nationalsozialismus nicht dasselbe sind, aber sie liegen in einigen Fällen sehr nahe beieinander.