Es gibt nach wie vor Ressentiments gegenüber Menschen, die nichts sesshaft sind und im Wohnwägen umherfahren. Wobei das natürlich nicht der eigentliche Grund ist, denn gegenüber einem Weißen*, der das gleiche tut, wird man nicht mit solchen Vorurteilen kommen.
Ich weiß nicht, ob du ab und an mal in NRW unterwegs bist.
Was der hiesige Volksmund mitunter so über niederländische Wohnwagenbesitzer, die mit gelben Numernschildern in Richtung Sauerland touren munkelt, ist mitunter nicht so gannz frei von gewissen Ressentiments.
Was nun aber das Umherfahren mit Wohnwagen mit dem 18. Jahrhundert zu schaffen haben soll, weißt du allein.
Das "unbehauste" Gruppen, gerade in vormodernen Gesellschaften sehr häufig in üblem Ruf standen, lässt sich an anderen Beispielen festmachen:
Z.B. waren Ansehen und Rechtsstatus "fahrender" Spielleute im Mittelalter häufig eher schlecht, auch das Bettler die irgendwo von auswärts kamen, aus den Städten mitunter vertrieben wurden kam im gewisser Regelmäßigkeit vor.
Ein anderes Beispiel wäre der häufig eher zweifelhafte Ruf von Seeleuten.
Das dürfte aber weniger mit irgendeinem Rassismus zu tun gehabt haben als mit zwei wesentlich simpleren Erwägungen:
1. Wer keinen festen Wohnsitz hat, verfügt in der Regel (wir erinnern uns, wir reden von einer Zeit, in der über 90% der Bevölkerung Subsistenzbauern oder sesshafte Handwerker sind), verfügt in der Regel über keine gesicherte Quelle zum Bestreiten des eigenen Lebenunterhalts und wer darüber icht verfügt, muss sich eben irgendwie anders, womöglich mit nicht legalen Mitteln, durchschlagen.
2. Wer keinen festen Wohnsitz hat ist häufig nicht greifbar und kann sich relativ einfach der Verantwortung für alles, was er so anstellt entziehen, was möglicherweise die Hemmschwelle gegen die gesellschaftlichen Spielregeln zu verstoßen herabsetzt.
Denken wir plakativ an den Seemann, der vor Ort irgendjemanden schwängert, sich danach in irgendeine andere Hafenstadt flüchtet und nie wieder blicken lässt um dafür nicht in der Verantwortung zu sein.
Auch die Vorstellung dass jemand der ohne Behausung und feste berufliche Perspektive umherzieht zu einem gewissen Teil von Mundraub, Wilderei und ähnlichem lebt, ist in einer Gesellschaft, die kein soziales Netz und keine Sozialleistungen kannte, nicht so ganz von der Hand zu weisen und hat nicht primär etwas mit Rassismus zu tun.
Selbst die prekären Formen von Unterstützung, die es gab, wie Allmosen oder lokale Stiftungen, später die aufkommenden Arbeitshäuser, die Armen eine gewisse (wenn meist auch kaum erträgliche) Lebensperspektive boten, waren sehr häufig nur den Armen der eigenen Gemeinde zugänglich, da es häufig noch eine gewisse Einsicht gab, für die Bewohner der eigenen Gemeinde irgendwie mit verantwortlich zu sein, aber durchaus keine Einsicht, warum man auch noch Auswärtige (und das bedeutet von Außerhalb der Gemeinde, nicht etwa "Ausländer" im heutigen Sinne des Wortes) mit durchfüttern sollte.
Das ist gemessen an dem Umstand, dass es sich um eine agrarische Mangelgesellschaft handelte, deren Mitglieder sich im permanenten Existenzkampf befanden, weil periodisch immer mal wieder Missernten auftraten, die zu Hunger oder zumindest schwer erträglichen Erhöhrungen der Lebensmittelpreise führten, auch bis zu einem gewissen Grad durchaus verständlich.
Das mit jemandem zu vergleichen, der in der heutigen Zeit seinen Ruhestand damit verbringt per Wohnwagen oder Wohnmobil durch die Gegend zu touren, ohne dabei irgendwem zur Last zu fallen ist dann doch eine ziemlich arge Verzerrung.
Der Vergleich hinkt an allen Ecken und Enden.
Selbst in Fällen, wo der in der Studie häufig gemutmaßte Missbrauch von Sozialleistungen gegeben wäre, wäre die Situation nicht vergleichbar, weil wir heute in einer industriellen Überflussgesellschaft leben, in der Missbrauch von Sozialleistungen allenfalls dazu führt, dass die Besteuerung einen Tick höher angesetzt sein könnte, als sie eventuell sein müsste.
Das mag für den Einzelnen ärgerlich sein, letztendlich ist es aber nicht bedrohlich.
Das sah in einer agrarischen Mangelgesellschaft, die (frühes 18. jahrhundert) noch periodisch mit den alteuropäischen Hungerkatastrophen konfrontiert war, anders aus.
Wenn da durch umherziehende Gruppen, die in Ermangelung anderer Perspektive oder sozialer Unterstützungsmöglichkeiten mindestens teilweise von Diebstählen lebten und sich an der Ernte, dem Saatgetreide oder dem Vieh der Subsistenzbauern vergriff, konnte das für diese eine ausgewachsene wirtschaftliche Katastrophe werden, sollte das Wetter in der nächsten zeit unerfreulich sein und das nächste Jahr die Verluste nicht wieder herinbringen, oder aber der Grundherr sich in Sachen Abgaben wegen des Schadens uneinsichtig zeigen und von den gewohnten Forderungen nicht abrücken.
Insofern viele Abgaben zu dieser Zeit noch in Naturalien gelistet wurden, konnte Diebstahl an bäuerlichem Eigentum, Nahrungsmitteln etc. auch als direkter Griff in die Staatskasse verstanden werden, im Besoneren, sollten die Herrschaftlichen Domänen betroffen gewesen sein.