Der französische Wunsch nach Sicherheit nach dem deutschen Einmarsch war ja durchaus nicht unverständlich. Nur die Realisierung war wohl doch eher eindeutig misslungen, denn der Vorsitzende der Konferenz Clemenceau und in seinem Gefolge Marschall Foch ließen sich nicht von dem Gedanken nach Versöhnung leiten, sondern den nach Rache, Vergeltung und auch der Revanche für 1870/71. Die eigene selbstkritische Reflexion zu 1870/71 war eine vollkommene Fehlanzeige.
Stellt sich aber auch die Frage, was innerhalb Frankreichs vermittelbar gewesen wäre.
Es ist richtig, dass Clemenceau und Foch nicht unbedingt auf Versönung aus waren, aber sich waren auf amerikanischen und britischen Druck hin immerhin bereit auf die Maximalvorderung der Annexion auch des Saargebiets, der Abtrennung des Rheinlands, wie der bedingungslosen Überlassung ganz Oberschlesiens an Polen zu verzichten.
Das war nicht unbedingt im Geist der Versöhnung, aber einfach nur das Bedürfnis nach blindwütiger Rache war es auch nicht.
Innenpolitisch bröselte die Union Sacrée schon mächtig, die politische Linke hatte sich faktisch bereits daraus zurückgezogen
Auf dieser Basis, Rache, Vergeltung und Revanche, ließ sich kein erfolgreicher Frieden schließen. Das man im Vertrag eine explizite Schuldzuweisung vornahm, war im Völkerrecht etwas vollkommen neues und im vorliegenden Fall eine einzige Katastrophe. Die Deutschen wurden geächtet und wie Paria behandelt und erst gar nicht zur Konferenz nach Paris eingeladen. Die Unterschrift unter den Vertrag wurde praktisch mit vorgehaltener Pistole erzwungen, da schon die Bedingungen für den Waffenstillstand, praktische eine bedingungslose Kapitulation, die gewünschte Voraussetzung für dieses Vorgehen geschaffen hatte. Deswegen kann auch hier von einen Diktatfrieden gesprochen werden.
War das ein Diktat? Tue ich mich aus 2 Gründen schwer mit.
1. Weil ja durchaus einige Dinge verhandelt oder nachverhandelt wurden. Das betrifft die Zukunft Oberschlesiens, die Auslieferung der Kriegsverbrecher, die Höhe der zu leistenden Repatationen, die Modi in denen das zu geschehen hatte, die Höhe der Anrechnung der erbrachten Sachleistungen. Der Ausschluss Deutschlands aus dem Völkerbund wurde fallen gelassen auch der Zeitplan für den Abzug der interalliierten Rheinlandbesetzung neu verhandelt.
Ich würde meinen, das ist schon einiges an Nachverhaldlungen, auch bereits vor der Zeit des NS und in Teilen auch schon vor den Locarno-Verträgen.
2. Man hätte das immernoch ablehnen können.
Natürlich, die Drohung der Fortsetzung des Krieges und der Besetzung Deutschlands stand im Raume. Aber wissen wir, ob die Soldaten der Entente da mitgegangen wären, je nachdem welche Punkte des Versailler Vertrages man zurückgewiesen hätte? (natürlich keine grundsätzichen Kernforderungen)
Ich würde meinen, was dann passiert wäre, das lässt sich kaum einschätzen, diese Option hat man einmal nicht gewählt und vielleicht war es gut, verantwortungsvoll und richtig, sie nicht zu wählen, aber diese Option war da.
Deswegen würde ich das "Diktat" unter Vorbehalt stellen.
Artikel 227 sah vor, dass Kaiser Wilhelm II. und neben ihm viele andere auch vor einem Gericht zur Rechenschaft gezogen werden sollte. Auch so etwas hatte es bis dato nicht gegeben. Kaiser Napoleon III. beispielsweise war bis März 1871 auf Schloss Wilhelmshöhe, der ehemaligen Residenz seines Onkels Jerome, unter Arrest gestellt und ging dann ins Londoner Exil. Da kam niemand auf die Idee ihm vor ein Militärgericht zu stellen.
Naja. Den ersten Napoléon hat man ja immerhin mehr oder weniger zur Verbannung verurteilt, wenn auch nicht in einem ordentlichen Gerichtsprozess, sondern qua Beschluss der andere Großmächte und Murat hat seine Aktion anno 1815 letztendlich nach Gefangenahme und Urteil mit dem Leben bezahlt.
Insofern hat es das vielleicht in solchen Ausmaßen nicht und im Rahmen eines formaljuristischen Prozesses selten gegeben, aber ich würde meinen, es ist duchaus schon vorgekommen, dass man einen Herrscher oder Teile der Generalität für das vom Zaun brechen von größeren Kriegen belangt hat.
Inwiefern aber, ist dem Artikel in der Nachbetrachtung noch besondere Bedeutung beizumessen? Die Frage der Auslieferung der Kriegsverberecher oder derer, die die Entente dafür hielt, ist ja eine, die sich am Ende größtenteils in Nachverhandlungen abwenden ließ.
Weder der Kaiser, noch der Kronprinz, noch Hindenburg und Ludendorff wurden letztendlich ausgeliefert.
Jedenfalls hat dieser desaströse Artikel 231 in Deutschland die Gemüter heftig erregt. Das dieser Artikel nur die Rechtsgrundlage für die umfänglichen Reparationsforderungen der Alliierten sein sollte, wusste auf deutscher Seite wohl niemand. Es begann die publizistische Auseinandersetzung über die Deutungshoheit der Geschehnisse im Juli 1914.
Ist mir etwas zu einseitig.
Einfach deswegen, weil die provisorische Regierung und dann auch die folgenden Reichsregierungen es schlicht unterließen (sicher mit Rücksicht auf die eigene Position), an Dokumenten zum Kriegsausbruch zu publizieren, was man hatte.
Natürlich erregte dieser Vertrag und der daraus resultierende Anspruch die Gemüter und wohl auch nicht zuletzt im Hinblick auf die Operationsgeschichte des Krieges, namentlich im Bezug auf das südliche Elass und Kleinlitauen.
Aber da ist dem Artikel mMn nicht die Alleinschuld an der Problematik zuzuschieben, sondern, dass die Politiker, die damals am Ruder waren, sich dafür entschieden haben, dass, was sich über das vabanque-Spiel der kaiserlichen Regierung und der Generalität in den letzten Wochen vor Beginn des Krieges wusste, in dieser Form auch offen zu legen, spielt da sicher auch eine gewisse Rolle.
Möglicherweise hätte das der Bevölkerung schon auch geholfen zu verstehen, wie dieser Artikel mit zustande gekommen ist, mindestens hätte diese Bevölkerung dann aber nicht mehr im Brustton der Überzeugung davon ausgehen können, die eigentlich Überfallenen zu sein.