Viel eher könnte ich mir vorstellen, dass z.B. Meyerbeer-Opern mehr Nachhall finden. So werden die Hugenotten gegenwärtig in Straßburg aufgeführt, die Afrikanerin in Chemnitz, der Prophet kam vor einigen Jahren in Münster auf die Bühne, Robert le Diable steht seit der Spielzeit 2011/12 in Erfurt auf dem Spielplan, eine Inszenierung, auf die die Erfurter zu recht stolz sind.
Auch Würzburg hatte voriges Jahr die "Afrikanerin", und am Münsteraner "Prophéte" arbeitete ich mit. Aber Meyerbeers Zeit war schon um 1914 eigentlich zu Ende, nicht nur durch Wagner, bereits eine Berliner "Hugenotten"-Produktion von 1932 war der Versuch einer Renaissance, der zudem 1933 jäh abgeschnitten wurde. Damals inszenierte immerhin Gründgens...
Eine Schreker-Renaissance ist - leider, leider - ebenfalls misslungen, obwohl sich die Frankfurter mit Der ferne Klang (der zur Zeit in der Opéra du Rhin Straßburg auf dem Spielplan steht) oder Der Schatzgräber redlich bemühten. Von den Nazis als "entartet" diffamiert, würde ich gerade dem jüdischen Komponisten Franz Schreker, der 1934 in Berlin starb, eine nachhaltigere Würdigung seiner Opern wünschen.
So schlecht steht es um Schreker gar nicht. In den letzten Jahren gab es eine ganze Reihe von Produktionen, auch in Häusern wie Augsburg und Nürnberg. Sogar der "Schmied von Gent" kam mit einer Chemnitzer Produktion auf CD heraus. Aber er saß schon zu Lebzeiten zwischen den Stühlen, worüber er selbst eine witzige Glosse geschrieben hat:
"Ich bin Impressionist, Expressionist, Internationalist, Futurist, musikalischer Verist; Jude und durch die Macht des Judentums emporgekommen, Christ und von einer katholischen Clique unter Patronanz einer erzkatholischen Wiener Fürstin »gemacht« worden.
Ich bin Klangkünstler, Klangphantast, Klangzauberer, Klangästhet und habe keine Spur von Melodie (abgesehen von so genannten kurzatmigen Floskeln, neuestens »Melodielein« genannt). Ich bin Melodiker von reinstem Geblüt, als Harmoniker aber anämisch, pervers, trotzdem ein Vollblutmusiker! Ich bin (leider) Erotomane und wirke verderblich auf das deutsche Publikum (die Erotik ist augenscheinlich meine ureigenste Erfindung trotz Figaro, Don Juan, Carmen, Tannhäuser, Tristan, Walküre, Salome, Elektra, Rosenkavalier u.s.f.).
Ich bin aber auch Idealist (Gott sei Dank!), Symboliker, stehe auf dem linkesten Flügel der Moderne (Schönberg, Debussy), stehe nicht ganz links, bin in meiner Musik harmlos, verwende Dreiklänge, ja sogar noch den ganz »trivialen« verminderten Septakkord, lehne mich an Verdi, Puccini, Halévy und Meyerbeer an; bin absolut eigenartig, ein Spekulant auf die Instinkte der Masse; Kinodramatiker; ein Mensch, »der aus Sehnsucht und Morbidezza seine Kräfte zieht«; schreibe ausschließlich homophon, meine Partituren sind gleichzeitig kontrapunktische Meisterwerke, auch »Künsteleien«, meine Musik ist rein und echt, erklügelt, ergrübelt, gesucht, ein Meer voll Wohllaut, eine gräuliche Häufung von Kakophonien, ich bin im Gegensatz zu anderen ein Reklameheld ärgster Sorte, bin »des süßen Weines voll«, »ein grandioses Dokument des Unterganges unserer Kultur«, verrückt, ein klarer berechnender Kopf, ein miserabler Dirigent, auch als Dirigent eine Persönlichkeit, ein glänzender Techniker, vermag nicht einmal meine Werke zu dirigieren (und dirigiere sie immerzu); ich bin auf jeden Fall ein »Fall« (einige werden behaupten ein böser, andere, ein »Reinfall«), ferner bin ich ein schlechter Dichter, aber ein guter Musiker, meine dichterische Begabung ist allerdings weitaus bedeutender als meine musikalische, meine Musik erwächst aus der Dichtung, meine Dichtung aus der Musik, ich bin ein Antipode Pfitzners, der einzige Nachfolger Wagners, ein Konkurrent von Strauss und Puccini, schmeichle dem Publikum, schreibe nur, um alle Leute zu ärgern und trug mich kürzlich tatsächlich mit dem Gedanken, nach - Peru auszuwandern.
Was aber - um Himmels Willen - bin ich nicht? Ich bin (noch) nicht übergeschnappt, nicht größenwahnsinnig, nicht verbittert, ich bin kein Asket, kein Stümper oder Dilettant, und ich habe noch nie eine Kritik geschrieben."