War Caesar ein Staatsmann?

Gerade wenn es keine potentielle Konkurrenz mehr gab, hätte das doch ein Ansporn sein können, sich Augustus' zu entledigen, in der Hoffnung, dass dann wieder die Republik funktioniert statt dass es zu erneuten Machtkämpfen kommt.

Ich denke allerdings schon, dass es in den frühen Jahren von Augustus' Alleinherrschaft (neben Agrippa) noch andere Politiker/Feldherren gab, die das nötige Ansehen und den nötigen Einfluss hatten, um im Fall von Augustus' frühzeitigem Ableben nach der Macht greifen zu können (oder das zumindest zu glauben). Dass sie heute nur noch wenig bekannt sind, dürfte eher der Tatsache geschuldet sein, dass Augustus sie politisch kaltstellen konnte oder sie klug genug waren, sich in die neue Ordnung zu fügen. Zum Vergleich: Die meisten der von Dir genannten Männer wurden auch erst nach Caesars Ermordung wirklich wichtig. Zu Caesars Lebzeiten spielten nur Marcus Antonius und Cicero* eine größere Rolle.

Ich denke an Personen wie Messalla (ehemaliger Konsul und erfolgreicher Feldherr), Asinius Pollio (ehemaliger Konsul, Redner und Feldherr), Ventidius (ehemaliger Konsul und erfolgreicher Feldherr - bei ihm ist allerdings unbekannt, wann er eigentlich starb), Munatius Plancus (ehemaliger Konsul und Feldherr), Statilius Taurus (zweimaliger ehemaliger Konsul und erfolgreicher Feldherr).

* Cicero passt allerdings nicht wirklich in diese Reihe. Er hielt sich zwar selbst für einen Machtfaktor, war aber nie einer. In der Zeit nach seinem Konsulat hatte er nur dann Einfluss, wenn seine Meinung mit der Meinung derjenigen übereinstimmte, die im Senat das Sagen hatten. Er war aber niemand, der tatsächlich die Volksmassen für sich begeistern konnte, und hatte auch keine Anhängerschaft in Form von ehemaligen oder aktiven Soldaten.
 
Ich denke an Personen wie Messalla (ehemaliger Konsul und erfolgreicher Feldherr), Asinius Pollio (ehemaliger Konsul, Redner und Feldherr), Ventidius (ehemaliger Konsul und erfolgreicher Feldherr - bei ihm ist allerdings unbekannt, wann er eigentlich starb), Munatius Plancus (ehemaliger Konsul und Feldherr), Statilius Taurus (zweimaliger ehemaliger Konsul und erfolgreicher Feldherr).
Guter Punkt - die hatte ich gar nicht auf dem Schirm, bzw. drei davon kannte ich gar nicht.
Und mit Cicero hast du natürlich recht, der passt nicht ganz dazu - ich würde ihn zwar schon als theoretischen Machtfaktor zumindest innerhalb Roms bezeichnen, aber in der Praxis nur unter den von dir genannten, zur Zeit Caesars und danach nie wirklich vorhandenen Bedingungen.

Gerade wenn es keine potentielle Konkurrenz mehr gab, hätte das doch ein Ansporn sein können, sich Augustus' zu entledigen, in der Hoffnung, dass dann wieder die Republik funktioniert statt dass es zu erneuten Machtkämpfen kommt.
Ja, hätte sein können. Wobei wir da bei dem sind, was du auch sagst: klug genug, sich in die neue Ordnung zu fügen. Wer die Bürgerkriegsjahre ernsthaft miterlebt hat, hat, denke ich, begriffen, dass die Strukturen der Republik viel zu kaputt waren, um nach Augustus' Tod "in alter Form" wieder zu funktionieren. Nach langem Bürgerkrieg war eine Alleinherrschaft mit (weitgehendem) innenpolitischem Frieden vielleicht das beste, was Rom passieren konnte, um sich zu erholen.
 
@Ravenik
Ich stimme dir in vielen Punkten zu. Bewertungen wie, dass ein System nun konzeptionell neu sei, sind fast immer retrospektive Zuschreibungen. So hatte ich es auch gemeint, nicht etwa, dass Augustus mit seinem Zirkel die "perfekte Monarchie" im Voraus plante. Daher finde ich auch deine Aufzählung von Versuch und Irrtum überzeugend.

In 2 Punkten möchte ich widersprechen:
1) Pompeius: Dieser habe sich ähnlich wie Caesar auch nicht an die Spielregeln gehalten: Das stimmt zwar, aber wie du selbst schreibst hat er es nie gewagt den Referenzrahmen der Senatsherrschaft abzuschaffen. Er hat getrickst, gekämpft und sich rücksichtslos gegenüber republikanischen Traditionen zum mächtigsten Mann der Republik gemacht - aber offensichtlich nicht daran gedacht seine Machtposition in eine Monarchie zu überführen. Hier liegt eben der qualitative Unterschied, den ich zu Caesar sehe.

2) Augustus scheint mir aber doch nochmal anders gelagert. Er übernahm Amtsvollmachten, die darauf zielten langfristig seine Machtposition zu sichern und den Senat zu entmachten. Bspw. die tribunicia potestas, die ihm sowohl das Initiativrecht im Senat, als auch das Vetorecht gegen den Senat bescherte. Seine Amtsvollmachten zielten darauf, dauerhaft den Senat zu entmachten und die eigene monarchische Stellung zu sichern. Pompeius hingegen bewegte sich im alten Referenzrahmen und wollte mit immer neuen Sonderkommanden und Sonderregelungen einfach immer weitere Ehren anhäufen.

@Korbi
Ich stimme da Ravenik zu: Die Sicht, dass bei Augustus halt niemand mehr übrig war scheint mir eine, die retrospektiv stark geprägt ist von dessen Erfolg und dem Scheitern der anderen.
Auch Sulla hatte keine wirkliche Konkurrenz für eine gewisse Zeit. Pompeius auch nicht. Und Caesar? Von den von dir aufgezählten Akteuren würde ich nur Marcus Antonius ein solches Gewicht zurechnen, das zu einer Konkurrenzsituation hätte führen können. Octavius, Agrippa und Lepidus waren unbedeutend. Cicero vollkommen machtlos: Cicero hatte immer nur dann Einfluss, wenn Leute wie Pompeius und Cäsar mitgespielt haben im Game of Ehren. Wenn die keine Lust mehr hatten, wars ganz schnell zu Ende. Dass Brutus und Cassius neben milit. Machtlosigkeit, auch keinerlei politisches Kapital auf die Waage brachten, demonstrierten sie eindrucksvoll nach Caesars Ermordung.
Ich denke einfach, dass kein großer qualitativer Unterschied bestand zwischen der herausgehobenen Stellung eines Caesars und eines Octavians zu Beginn ihrer Herrschaft. Im Gegenteil: Caesar hob sich gerade in militärischen Sachen von seinen Konkurrenten evtl. noch mehr ab, als der relativ unerfahrene Octavius.
 
In 2 Punkten möchte ich widersprechen:
1) Pompeius: Dieser habe sich ähnlich wie Caesar auch nicht an die Spielregeln gehalten: Das stimmt zwar, aber wie du selbst schreibst hat er es nie gewagt den Referenzrahmen der Senatsherrschaft abzuschaffen. Er hat getrickst, gekämpft und sich rücksichtslos gegenüber republikanischen Traditionen zum mächtigsten Mann der Republik gemacht - aber offensichtlich nicht daran gedacht seine Machtposition in eine Monarchie zu überführen. Hier liegt eben der qualitative Unterschied, den ich zu Caesar sehe.
Ja, aber wie ich weiter oben bereits ausgeführt habe, glaube ich nicht, dass es Caesar auf die Alleinherrschaft abgesehen hatte. Er war bestimmt kein Unschuldslamm, aber dass er von Anfang an eine Monarchie plante, glaube ich nicht. Dagegen spricht u.a. Folgendes:
- Er verheiratete seine Tochter mit Pompeius. Caesar konnte ja nicht wissen, dass Iulia frühzeitig sterben würde. Stattdessen musste er damit rechnen, dass sie Pompeius Kinder gebären würde. Es war aber davon auszugehen, dass bei einem Griff nach der Alleinherrschaft Pompeius im Weg stehen würde. Was dann? Sollte Caesar gegen den Ehemann seiner Tochter (und somit indirekt auch gegen seine Tochter, die ja zu Pompeius' familia gehörte, und gegen seine Enkel) Krieg führen? Oder sollte er Iulia zur Scheidung zwingen? Dann wäre Pompeius trotzdem noch der Vater von Caesars Enkeln gewesen. Für so skrupellos halte ich nicht einmal Caesar.
- Er ermutigte Crassus zum Krieg gegen die Parther. Dass Crassus so katastrophal scheitern würde, war nicht abzusehen. Hätte Crassus Erfolg gehabt und zumindest Mesopotamien erobert, wäre er (durch die Kontrolle Syriens, Mesopotamiens und diverser Klientelstaaten sowie natürlich beträchtlicher Truppenmassen) selbst ein Machtfaktor gewesen, der der Alleinherrschaft im Weg gestanden wäre. Ich vermute eher, dass Caesar Crassus zum Gegengewicht gegen Pompeius aufbauen wollte.
- Außerdem waren (mit der einzigen Ausnahme Sullas) alle bisherigen Versuche einer Alleinherrschaft oder eines sonstigen Umsturzes gescheitert und hatten stets mit dem Tod des Umstürzlers geendet.

Ich sehe daher keinen qualitativen Unterschied zwischen Pompeius und Caesar: Beide reizten die Spielregeln extrem aus. Caesar geriet jedoch in eine Situation, in der er nur noch die Wahl hatte, sich seinen politischen Gegnern auf Gedeih und Verderb auszuliefern oder es auf einen Bürgerkrieg ankommen zu lassen. Pompeius war nie in dieser Lage: Selbst als er nach seiner Rückkehr aus dem Osten vom Senat gedemütigt wurde, lief er zumindest nicht in Gefahr, im Tullianum zu landen und dort erdrosselt zu werden oder vom Tarpeischen Felsen gestürzt zu werden. Ihm drohte „nur“ der Verlust eines Teils seines Ansehens. Caesars Gegner hingegen wollten ihm den Prozess machen, für ihn ging es um das Überleben. Wie Pompeius in einer solchen Situation gehandelt hätte, wissen wir nicht, aber ich bezweifle, dass er sich einfach ergeben hätte. Caesar ließ es auf den Bürgerkrieg ankommen, und nach seinem Sieg musste er sehen, wie es weitergehen konnte. Ich glaube, dass sich für Caesar erst zu diesem Zeitpunkt die Frage nach der Alleinherrschaft stellte.
2) Augustus scheint mir aber doch nochmal anders gelagert. Er übernahm Amtsvollmachten, die darauf zielten langfristig seine Machtposition zu sichern und den Senat zu entmachten. Bspw. die tribunicia potestas,die ihm sowohl das Initiativrecht im Senat, als auch das Vetorecht gegen den Senat bescherte. Seine Amtsvollmachten zielten darauf, dauerhaft den Senat zu entmachten und die eigene monarchische Stellung zu sichern. Pompeius hingegen bewegte sich im alten Referenzrahmen und wollte mit immer neuen Sonderkommanden und Sonderregelungen einfach immer weitere Ehren anhäufen.
Auch Augustus hatte allerdings das „Problem“, nach einem Bürgerkrieg übrigzubleiben. Somit hatte er zwei Möglichkeiten: Auf all seine Macht zu verzichten und sich tatsächlich ins Privatleben zurückzuziehen bzw. nicht mehr als einfacher Senator zu sein – und damit zu riskieren, Opfer neuer Machthaber zu werden. Oder aber irgendeine Form von De-Facto-Alleinherrschaft zu etablieren.
Pompeius befand sich – anders als Caesar und Augustus – nie in einer solchen Situation.

Auch bei Octavianus glaube ich nicht, dass er es von Anfang an auf die Alleinherrschaft abgesehen hatte. Dagegen spricht für mich u.a. wiederum, dass er seine Schwester Octavia mit Marcus Antonius verheiratete. Dass Antonius die Ehe komplett gegen die Wand fahren würde, war nicht zwingend vorherzusehen. Zwar war Antonius‘ unsteter Lebenswandel bekannt, aber auch andere Römer vergnügten sich, ohne es dermaßen zu übertreiben.
Octavianus war sich allerdings vermutlich bereits frühzeitig (spätestens nach dessen endgültiger Abwendung von Octavia) darüber im Klaren, dass die gemeinsame Herrschaft mit Antonius auf Dauer nicht funktionieren würde, und wird ab dann eine Alleinherrschaft ins Auge gefasst haben.

Mit ist natürlich bekannt, dass in Rom Ehen oft nur politischen Zwecken dienten (so ja auch bei Iulia und Octavia) und mitunter wieder gelöst wurden, wenn sich der Zweck erledigt hatte. Aber gezielt eine nahe Angehörige an jemanden zu verheiraten, den man bereits zum Zeitpunkt der Eheschließung komplett auszuschalten beabsichtigte, wäre doch noch ein anderes Kaliber gewesen.

Marcus Antonius war außerdem lange Zeit der wesentlich erfahrenere und erfolgreichere Feldherr. Octavianus wird es sich gut überlegt haben, sich mit ihm anzulegen. Bis dahin ging es ihm wohl eher darum, sich (z.B. durch die Verschwägerung) gegen Antonius abzusichern, als ihn auszuschalten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Dass Brutus und Cassius neben milit. Machtlosigkeit, auch keinerlei politisches Kapital auf die Waage brachten, demonstrierten sie eindrucksvoll nach Caesars Ermordung.
Ganz so niedrig würde ich Brutus und Cassius nun auch wieder nicht veranschlagen. Richtig ist, dass sie sich mit Caesars Ermordung komplett verkalkuliert hatten: Statt als Freiheitshelden gefeiert zu werden, mussten sie vor den aufgebrachten Massen aufs Kapitol fliehen und verdankten es ausgerechnet Marcus Antonius (den einige Verschwörer gleich mitermorden wollten), dass sie mit heiler Haut davonkamen. Aber immerhin hatten sie die Unterstützung des zeitweise tonangebenden Teils des Senats, und, was faktisch wichtiger war, im Bürgerkrieg konnten sie einen Großteil des östlichen Mittelmeerraums unter ihre Kontrolle bringen.
Für zwingend vorprogrammiert halte ich ihr Scheitern nicht: Marcus Antonius kam zugute, dass er sich mit Octavianus und Lepidus zusammenraufte und sich auch der zunächst schwankende und von Cicero umworbene Munatius Plancus, der Gallien und beträchtliche Truppenkontingente kontrollierte, den Triumvirn anschloss.
 
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