War der Holocaust kriegsentscheidend?

narziss

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Bislang war es eher so, dass der Holocaust aus Sicht des Dritten Reiches als Fehler angesehen wurde und Hitler mehr schadete als nützte.

Das Verschleppen von Millionen Menschen in Züge belastete einerseits die Infrastruktur innerhalb des besetzen Europas und band andererseits Arbeitskapazitäten, die an der Front oder in den Fabriken besser aufgehoben wären.

Die Judenvernichtung war außerhalb Europas ein wichtiger Propagandagrund und hat nicht zuletzt auch viele Juden motiviert gegen Hitler zu kämpfen. Ich hab da mal die Zahl gehört, dass 1 Mio Juden gegen Hitler kämpften(kann die Zahl vielleicht noch jemand verifizieren?)

Die Deportationen riefen in Norwegen, Dänemark und der Niederlande den Widerstand adliger und kirchlicher Kreise auf den Plan und versetzten somit vermutlich der Kollaborationsbereitschaft in diesen Ländern einen Dämpfer.


Eher spekulativ: Hitlers Antisemitismus brachte jüdische Wissenschaftler dazu Deutschland zu verlassen. Vielleicht hätte Hitler Deutschland als wissenschaftlichen Stanpunkt Nr1 der Welt(der es zu Zeiten der WR war) erhalten können und vielleicht die Atombombe gehabt, vielleicht bessere Syntheseverfahren für chemische Stoffe die Kriegsentscheidend sein könnten gehabt etc.

Aber nun hat Götz Aly gezeigt, dass die Nazis sich bei der Judenvernichtung enorme Reichtümer unter den Nagel gerissen haben. Dieses Geld kam der Rüstungsindustrie zu gute.

Nun stelle ich mir die Frage ob der Holocaust einer der Faktoren war, die zu Hitlers Niederlage beitrugen.
 
Das ist im Grunde eine interessante Fragestellung, wenn man daran denkt das der Einmarsch der Wehrmacht von vielen Menschen in der Ukraine und Weissrussland als Befreiung von Stalins stählener Faust sahen. Der STimmungsumschwung kam dann, als Himmlers Henkerhelfer dann die Zivilbevölkerung durchkämmten usw.
 
Aber das war ja von Anfang an das Ziel Hitler´s: Lebensraum im Osten gewinnen und "minderwertige" Rassen vernichten. Also denke ich, dass die Diskussion ziemlich egal ist...
 
Wussten das aber seine damaligen Unterstützer in den besetzen Gebieten? Ich denke nicht, also ist dies ein sehr wichtiger Punkt!
 
In der Endphase des Krieges hat der Holocaust den Nazis bestimmt geschadet, denn die Motivation der Allierten oder vielmehr ihr Hass auf die Deutschen dürfte bei den Befreiungen der KZs gewaltig gestiegen sein.
 
askan schrieb:
Wussten das aber seine damaligen Unterstützer in den besetzen Gebieten? Ich denke nicht, also ist dies ein sehr wichtiger Punkt!

Ja, aber auch nur, weil die meisten Führungspersonen in der Wehrmacht nicht sehr klug waren. Es hätte gereicht, wenn man damals "Mein Kampf" gelesen hätte. Da stehen alle Pläne von Hitler geschrieben...
 
pippigro schrieb:
Ja, aber auch nur, weil die meisten Führungspersonen in der Wehrmacht nicht sehr klug waren. Es hätte gereicht, wenn man damals "Mein Kampf" gelesen hätte. Da stehen alle Pläne von Hitler geschrieben...
Nein. Ich würde der Wehrmachtsführungsriege die Intelligenz nicht absprechen. Die Wehrmacht war die beste Armee ihrer Zeit und das geht nicht mit dummen Offizieren.
 
askan schrieb:
Wussten das aber seine damaligen Unterstützer in den besetzen Gebieten? Ich denke nicht, also ist dies ein sehr wichtiger Punkt!

pippigro schrieb:
Ja, aber auch nur, weil die meisten Führungspersonen in der Wehrmacht nicht sehr klug waren. Es hätte gereicht, wenn man damals "Mein Kampf" gelesen hätte. Da stehen alle Pläne von Hitler geschrieben...

Ich denke askan meinte damit die Menschen in den besetzten Gebieten die Hitler unterstützt haben und nicht die Wehrmachtsoffiziere.

Es wurde ja schon angesprochen das die Menschen in der Ukraine und in Weissrussland froh waren als die Deutsche Armee einmarschierte. Sie erhofften sich eine Besserung. Und ich glaube kaum, dass diese Menschen Mein Kampf gelesen haben, auch wenn das Buch in zehn Sprachen übersetzt wurde.

Die Menschen in der Ukraine und Weissrussland wussten nicht, was auf sie zukommt. Sie waren einfach mal froh von Stalin befreit zu sein.
 
Es ist zwar hypothetisch, aber mit großer Sicherheit hätte die Bewaffnung der Wlassow Armee, die sich aus Kriegsgefangenen rekrutierte eine große Entlastung bedeutet. Alfred Rosenberg scheiterte aber mit diesem Ansinnen, da einserseits den eroberten Gebieten eine gewisse Autonomie zugestanden werden mußte, was Hitler konsequent ablehnte und andererseits der Wehrmachtsführung Unbehagen bereitete, wenn plötzlich über 1 Million bewaffnete Russen neben den eigenen Truppen gestanden hätten.

Noch 1943 wurde der Plan abgelehnt und laut Rosenberg, der sich auf Wlassow berief, wäre die Bewaffnung erfolgreich durchzuführen gewesen. ansonsten dürfte der Holocaust keine auswirkungen auf das russische volk gehabt haben, da der Antisemitismus wie auch in vielen anderen westlichen Völkern in der Bevölkerung latent verankert war. Eher war dies die rigorose Behandlung der osteuropäischen Bevölkerung als Untermenschen allgemein der Fall, was diesen Stimmungsumschwung zu ungunsten der Deutschen bewirkte.
 
Schnitter schrieb:
Noch 1943 wurde der Plan abgelehnt und laut Rosenberg, der sich auf Wlassow berief, wäre die Bewaffnung erfolgreich durchzuführen gewesen. ansonsten dürfte der Holocaust keine auswirkungen auf das russische volk gehabt haben, da der Antisemitismus wie auch in vielen anderen westlichen Völkern in der Bevölkerung latent verankert war. Eher war dies die rigorose Behandlung der osteuropäischen Bevölkerung als Untermenschen allgemein der Fall, was diesen Stimmungsumschwung zu ungunsten der Deutschen bewirkte.

Der Holocaust hatte auswirkungen auf das russische Volk, den die russischen Juden waren ja ebenfalls Sowjetbürger und die Nazis setzten Juden und Bolschewisten gleich.

Ende 1941 galten in Russland ganze Regionen als "judenfrei". In diesen Regionen starben im Durchschnitt pro Tag 2700 bis 4400 Menschen, d.h. das Ende 1941 ca. 500 000 bis 800 000 Juden ermordet wurden. Wir sprechen hier von Weissrussland und der Ukraine.

Die ersten jüdischen Opfer waren 200 Männer und eine Frau die am 23. Juni 1941 Exekutiert wurden (der Jüngste war 12 Jahre alt), einen Tag später folgten die nächsten 200.

In Krottingen wurden 214 Menschen erschossen.
In Polangen 111 Menschen
Hier handelte es sich um das Einsatzkommando Tilsit, die in Litauen bis zum 18. Juli 1941 3302 Juden ermordeten.

Südlich des litauischen Frontabschnittes ereignete sich folgendes:
Hier wurden 500 jüdische Menschen (darunter viele Frauen und Kinder) in eine Synagoge getrieben, wo sie dann bei lebendigem Leib verbrannten. Und damit das Feuer der Synagoge nicht auf die Stadt übergriff, sprengten die Wehrmachtseinheiten die Nachbarhäuser.

Insgesamt kamen hier 2000 Juden ums leben.

In Zborov wurden 600 Juden ermordet

Mitte Juli wurden in Brest-Litowsk 4000 bis 6000 Juden erschossen.

In Kowno starben 7800 Juden

Aus Lemberg wurde folgendes berichtet:
Ein Bremer Angehöriger der RPB 105 schrieb:
Gestern Nach sind aus diesem Ort 150 Juden erschossen, Männer Frauen, Kinder, alles umgelegt. Die Juden werden gänzlich ausgerottet

Die Ermordung der Juden verlief immer gleich. Wer das nachlesen will unten steht der Literaturhinweis.

Die Entfesslung der Endlösung schrieb:
Den entscheidenden Sprung vom Verschwinden durch Vertreibung zum Verschwinden durch systematischen Massenmord machte man jedoch nicht in Polen, sondern in der Sowjetunion. Den bestehenden Kontext aus rassenimperialistischer Perspektive und untragbaren Verhältnissen ergänzten hier der Kreuzzug gegen den Bolschewismus und der Vernichtungskrieg. Nach Plänen (...) waren in der Sowjetunion Millionen von Menschen zum Tod durch Massenexekutionen, Hunger und Vertreibung verdammt. Dabei blieben sie einem Muster treu: Bei Massenexekutionen waren unter den Opfern bisher immer unverhältnismässig viele Juden gewesen; wo immer Lebensmittel fehlten, verhungerten als Erste Juden; und wo immer Menschen deportiert wurden, konnten sich die Nazis nicht vorstellen, dass auch nur ein Jude zurückblieb.


Quelle: Christopher Browning, Die Entfesselung der Endlösung (1939 - 1942)
 
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Kann man denn den Holocaust einfach so subtrahieren?

Es klingt hier und da schon an. Die Rassenideologie begründete die Herrenmenschenmentalität, die Herrenmenschenmentalität weckte eine germanische "Befreiungssehnsucht". Diese "Befreiungssehnsucht" zielte auf die Unterwerfung bzw. Vernichtung derer, die das Germanische biologisch oder kulturell verunreinigen und politisch beschneiden.

Ohne diese schwarz-weiss (Täter-Opfer) Ausrichtung der Hass-Ideologie hätte Hitler die Menschen nicht derart auf Linie bringen und in den Krieg peitschen können. Und die Gräuel im Hinterland der Ostfront sind aus diesem Kontext nicht wegzudenken. Ebensowenig die Misshandlung und Entbehrungen in den Arbeits- und Konzentrationslagern.

Müssen wir wirklich ausdiskutieren, ob die Endlösung (aus Sicht einer effektiven Kriegsführung) "unnötig" und "kontraproduktiv" war, dass man besser aus logistischen Gründen darauf verzichtet hätte?

Ich glaube nicht. Es war der Gipfel einer kriegsgeilen, menschenverachtenden und letzendlich in die Katastrophe mündenden Ideologie. Ich glaube, dass Hitler und sein Gefolge diesen ultimativen Schritt einfach deshalb taten, weil sie es konnten. Ein radikales Weltbild erfordert radikale Denkmuster, radikale Entscheidungen. Und wenn der "point-of-no-return" ersteinmal überschritten ist, bleibt nichts übrig, als dass man seine Theorie in ALLER Konsequenz in die Praxis umsetzt.

Der Holocaust - der Gipfel der Grausamkeiten - ist m.E. nur eine logische Eskalation, und angesichts der Mittel die letzte. Hätte Hitler die A-Bombe gehabt, hätte er sicher vor der totalen Niederlage noch die Deutschen ausgerottet.

Mal ehrlich: kann man über die Endlösung als "Fehlentscheidung" diskutieren?? Hat Hitler da einen "Fehler" begangen, strategisch gesehen unklug gehandelt? Könnte hier jemand einen günstigeren Zeitpunkt für den Holocaust vorschlagen? Oder vielleicht hat jemand ein kosten- und ressourcenschonenderes Vorgehen anzubieten?

Nein, der Holocaust war nicht kriegsentscheidend - und er ist auch nicht aus dem Dritten Reich wegzudenken. Jede Mutmaßungen darüber, ob Hitler ohne die Judenvernichtung und Versklavungen im Osten den Krieg hätte gewinnen können, leugnet das Wesen des Dritten Reiches und die Radikalität seiner Führung.
 
Ich kann zu diesem Thema nur nochmals die Lektüre von Götz Aly "Hitlers Volksstaat" empfehlen. (Gibts bei der bundeszentrale für wenig geld.)

Außer dem Rassenhass hatte der Holocaust eine sehr wichtige "kriegsfinanzierende" Komponente.

also wikrlich, wer sich dafür interessiert sollte es wirklich gelesen haben.

grüße repo
 
Zitat:"Hätte Hitler die A-Bombe gehabt, hätte er sicher vor der totalen Niederlage noch die Deutschen ausgerottet."

Dabei erinnere ich mich an ein Zitat von Ephraim Kishon, das eine tragische Ironie darin liege; das es ein Glück für die Welt gewesen ist, das Hitler die Juden gehasst habe, denn sonst hätte er wohlmöglich den Krieg gewonnen, aber der Staat Israel nie gegründet worden wäre.
 
askan schrieb:
Dabei erinnere ich mich an ein Zitat von Ephraim Kishon, das eine tragische Ironie darin liege; das es ein Glück für die Welt gewesen ist, das Hitler die Juden gehasst habe, denn sonst hätte er wohlmöglich den Krieg gewonnen, aber der Staat Israel nie gegründet worden wäre.

Götz Aly widerum schreibt, und begründet auch recht schlüssig, dass Hitler den Holocaust brauchte um mit dem Vermögen der Juden einen Teil der Kriegskosten zu bestreiten.

Ein Beispiel zitiert aus dem Gedächtnis nach Aly:
Göring verkündete nach der "Reichskristall-Nacht" im antisemitischen Furor, dass die Juden als Sühne 1 Milliarde Reichsmark zu bezahlen hätten.
Die Sache wurde den Fachleuten im Finanzministerium übertragen, die streckten das Ganze zuerst mal auf 4 Zahlungstermine, und trieben insgesamt deutlich mehr Geld ein.
Ein anderes:
Zur Ernährung des Reichs wurden 1942 Lebensmittel-Lieferungen aus dem Generalgovernement angefordert. Die dortige (deutsche) Verwaltung wehrte sich vehement, die Antwort aus Berlin war, "dass die derzeit 1,4 Millionen Juden im GV nicht mehr ernährt werden müssten, da sie demnächst "wegfallen" würden."
Was dann auch 1942 so geschah.


Grüße mab
 
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v.dem Knesebeck schrieb:
Hätte er dann den Feind nicht ausgerottet????
Zum Ende des Krieges war Hitler alles andere als stolz auf die Deutschen. Hatte er nicht sogar mit Speer Meinungsverschiedenheiten darüber, ob man den deutschen ein weiterleben nach dem Krieg gewähren sollte?
 
Zu meiner Schulzeit hatten wir ein Buch, ich meine es hiess Hitlers Tischgespräche oder Tischgespräche mit Hitler.
Danach soll er sinngemäss gesagt haben, wenn die Deutschen nicht siegen könnten, sollten sie verrecken wie die Hunde.
 
Das war die andere Seite von Hitlers Rassenvorstellungen. Überlegen war die Rasse, die sich im Kampf der Rassen um Lebensraum durchsetzte. Sollte dies den Deutschen gegenüber den Slawen nicht gelingen, dann hatte sich - seiner Sicht nach - das deutsche Volk als minderwertig erwiesen und kein Recht fortzubestehen.
 
Penseo schrieb:
Zu meiner Schulzeit hatten wir ein Buch, ich meine es hiess Hitlers Tischgespräche oder Tischgespräche mit Hitler.
Danach soll er sinngemäss gesagt haben, wenn die Deutschen nicht siegen könnten, sollten sie verrecken wie die Hunde.


"Monologe im Führerhauptquartier"?

Grüße Repo
 
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