Also, was die Meinung der Bevölkerung angeht...
Mein Stiefvater hat den Krieg nicht mehr erlebt, aber sein Vater. Und bis heute sagt mein Stiefvater (hat er wohl so von seinem Vater übernommen), dass Willy Brandt zu Unrecht (wenn auch demokratisch einwandfrei gewählt) Ende der sechziger Jahre Bundeskanzler wurde.
Erst hätte er zu Zeiten, als er noch seinen Geburtsnamen Frahm trug, zwei Menschen in Lübeck erschlagen und dann hat er auch noch Muffensausen gekriegt und sich ins Ausland verkrümelt, als man ihn gebraucht hätte. Und als er wieder da war spielte er sich als Retter auf. Auch wenn das faktisch nicht ganz korrekt ist, wurde Willy Brandt doch zwangsweise ausgebürgert.
Ich denke, das spiegelt doch wieder, wie verbittert die Bevölkerung teilweise war, die zwar keinen offenen Widerstand leistete, aber doch auch nicht einverstanden war mit dem was unter Hitler geschah. Es war eine Mentalität des Aushaltens, man wartete auf all die Politiker, die sich hätten vor das Volk stellen können, man hoffte auf Retter.
Stattdessen hat man nach dem Krieg den Amerikanern danke sagen müssen, ihre Zigaretten rauchen, ihre Cola trinken - kurz: ihre Wirtschaft ankurbeln helfen müssen - und dann kommt noch so ein "ständig besoffener" (Spitzname Weinbrand-Willy) Feigling aus dem Exil zurück und tut so, als wäre er der Held der Stunde.
Ich denke, viele, sehr viele Menschen haben gehofft, dass sich noch was ändert (so wie heute übrigens, wenn auch aus anderen Gründen) und nur die Wenigsten waren bereit dazu, für diese Veränderung selbst in die Bresche zu springen. Wie schon erwähnt wurde, da waren Familien, Kinder... wenn ich nur die Möglichkeit habe, etwas zu tun, was für mich nicht moralisch einwandfrei ist, oder mein Kind ist in Gefahr (ob nun, wegen Widerstandes ermordet zu werden, oder aufgrund der Ausgrenzung/Arbeitslosigkeit zu verhungern), denke ich, würden auch heute noch die Meisten lieber die Zähne zusammenbeißen und weitermachen... und nebenher beten, dass sich die Situation schnellstmöglich ändert.
So anders als heute, waren die Menschen damals auch nicht. Auch heute haben wir genug politische und wirtschaftliche Probleme, aber die Wenigsten kümmern sich.
Hier wird geschrieben, dass sich die Bevölkerung nicht gegen die Repressalien wie Aufhebung jeglicher Privatsphäre etc. erhoben hat. Wie ist es denn heute? Ich will nicht großartig in die Tagespolitik abgleiten, aber um mal ein aktuelles Beispiel aufzuzeigen: auch wir haben kein wirkliches Briefgeheimnis/Telefongeheimnis mehr. Jeder Schritt im Internet ist nachvollziehbar, jedes Telefonat, jedes Handygespräch (übrigens ist es möglich ein Handy auf 2-5 km genau zu orten, aber das nur nebenbei), in fast jedem Laden stehen Kameras (teilweise auch in Straßen oder auf Bahnhofsvorplätzen wie in München z.B.)... wehrt sich denn dagegen jemand? Und kommt mir jetzt nicht mit: das ist doch etwas völlig Anderes... das ist es nämlich nicht, auch wenn die Beweggründe heute Andere sind als damals (und die Folgen auch).
Und genauso wie damals tut niemand etwas dagegen... ich wette, damals war auch das Lieblingsargument aller: ich hab mir nichts zu Schulden kommen lassen, mir kann also so oder so nichts passieren. Bis zu dem Tag an dem die SS oder SA in die Wohnung kam und einem etwas anhängte.
Es ist unsere Mentalität. Wo andere Völker schon längst protestierend auf die Straße gingen, sitzen wir zuhause, stecken den Kopf in den Sand und hoffen, dass das Alles schnell vorbei ist. Warum sollen wir so viel besser sein als unsere (Ur-) Großeltern? Der einzige Vorteil, den wir haben, ist, aus den Fehlern vergangener Generationen lernen zu können.
Bitte nehmt mein Beispiel von da oben nicht so auf, als wolle ich die heutige Politik dem Nationalsozialismus gleichsetzen, denn das tue ich entschieden nicht. Ich wollte lediglich aufzeigen, dass das Nicht-Aktiv-Protestieren kein allzu ungewöhnliches Verhalten ist. Auch heute nicht.
Wenn man sich jetzt noch vorstellt, wie viel Angst die Menschen gehabt haben, dass sie die Nächsten sein könnten, die einfach mal "verschwinden", kann ich es nachvollziehen, wenn die Meisten sich auf stilles Hoffen und Beten verlegt haben.