Sich an Juden und ihren Habseeligkeiten zu bereichern, war relativ normal, wenn auch nicht unbedingt erlaubt. So gab es Verfahren gegen SS-Leute, die sich an den Hinterlassenschaften von Juden in den Konzentrationslagern bereicherten. Rudolf Höß soll ganze Waggonladungen an Habseeligkeiten für sich persönlich beansprucht haben. Aber letztlich war fast jede "Arisierung" eines Geschäfts, also der Zwangsverkauf von Juden an nichtjüdische Deutsche oder die Zwangsüberlassung von Geschäftsanteilen an nichtjüdische Geschäftspartner eine Form der Ausplünderung. Warum ich das einschränkende
fast benutze? Weil es durchaus auch Versuche gab, Eigentum für "danach" zu retten. Auch wenn dies sicher nach dem Krieg bei vielen Profiteuren eine beliebte Ausrede war, so gab es auch Fälle, wo dies tatsächlich Ziel der Aktion war - was natürlich nur dann etwas brachte, wenn die Betroffenen überlebten.
Höß, Frank und Göring dürften wohl diejenigen sein, die sich am schamlosesten bereicherten.
Wenn man nun vom Bereicherungskomplex allgemein auf die Korruption kommt. Sicher hat es die gegeben, es gibt sogar Berichte von Überlebenden der Todesmärsche, dass Bewacher auf Juden zukamen und ihnen Händel anboten, wenn sie ihr Überleben sicherten, ob diese dann nach Kriegsende zu deren Gunsten aussagen würden. Hier geht es dann natürlich nicht mehr um Bereicherung, sondern um die Erkenntnis, was einem angesichts der verübten Verbrechen blühen würde.
Sich aber freizukaufen hatte immer ein Risiko. Die Übergabe der Werte musste quasi geschehen, solange man noch in der Hand der Häscher war. Man hätte also das Vertrauen haben müssen, dass derjenige, dem die Rolle als Herr über Leben und Tod in den Schoß gefallen war, sich auch dann noch an die Abmachungen hielt, wenn er etwaige Wertgegenstände bereits erhalten hatte. Ich bin mir sicher, dass es solche Versuche gegeben hat. fast genauso sicher bin ich mir, dass die Menschen das trotzdem nicht überlebt haben, weil die korrumpierbaren Nazi-Größen letztlich nur in dem Korruptionsversuch die Bestätigung ihrer antisemitischen Vorurteile gesehen hätten. Und der Mensch ist ja zu vielen Gedankenleistungen fähig, auch zu der sich korrumpieren zu lassen, die Schuld aber alleine beim (Geld)Geber zu suchen und sich als Nutznießer und Empfänger mit einer reinen Weste zu sehen.
Recht gut kenne ich den Fall einer jüdischen Geschäftsfrau. "Arisch" verheiratet. [...]
Sie hat den Krieg in unserer Kleinstadt überlebt, das Geschäft hat es überlebt, ich kannte die Frau noch persönlich. [...]
Wie die beiden das geschafft haben, weiß ich konkret nicht.
Man hat auf "arische" Ehepartner von Juden nach 1935/1938 einen erheblichen Druck ausgeübt, sich scheiden zu lassen. Meine Hochachtung für alle, die sich diesem Druck widersetzt haben.
Sehr sehr lange war es - nachdem 1941 die Deportationen begannen - für die "arisch" verheirateten Juden ein Schutz, "arisch" verheiratet zu sein, da sie von den Deportationen zunächst ausgespart blieben.
Victor Klemperer, dessen Frau ebenfalls "Arierin" war, erhielt noch Anfang Februar 1945 den Befehl, den restlichen verbliebenen Juden in Dresden - einschließlich sich selbst - den Befehl zu übermitteln, sich zur Deportation einzufinden (nur mal zur zeitlichen Einordnung: am 27. Januar feiern wir die Befreiung von Auschwitz; uneingedenk dessen, dass der Krieg verloren war, die Vernichtungsinfrastruktur zusammenbrach, hörte die NS-Verwaltung immer noch nicht damit auf, verbliebene Juden zu deportieren). Die Angriffe vom 13. auf den 14. Februar ermöglichten seiner Frau und ihm die Flucht aus dem Chaos.
Was man aber nicht vergessen darf, auch der große "Führer" hat ein paar Tausend zu "Ehren-Ariern" ernannt. Warum soll dieses Beispiel nicht bei den kleinen regionalen "Führern" Schule gemacht haben?
Weil sie nicht die Macht dazu hatten.