Warschitz

Pardela_cenicienta

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Kein archäologischer, aber ein archivaler Fund:
6 Taschen eines Diplomaten, die er 1531 zu treuen Händen im Katharinenspital in Regensburg zur vorübergehenden Aufbewahrung gegeben hat, was man dort auch 500 Jahre lang brav getan hat:

Mich fasziniert schon die wunderschöne Leinentasche, und erst recht das Konvolut: Passeport ou passe-partout d'un diplomate?
 
Kein archäologischer, aber ein archivaler Fund:
6 Taschen eines Diplomaten, die er 1531 zu treuen Händen im Katharinenspital in Regensburg zur vorübergehenden Aufbewahrung gegeben hat, was man dort auch 500 Jahre lang brav getan hat:

Mich fasziniert schon die wunderschöne Leinentasche, und erst recht das Konvolut: Passeport ou passe-partout d'un diplomate?
Das ist wirklich beeindruckend. Bemerkenswert finde ich ja auch die Formulierung "weitgehend unbeachtet". Mit anderen Worten, hin und wieder hatte doch mal jemand die Taschen in den Händen? Welch ein Riesenglück, dass sie in all den Jahren nicht weggeworfen wurden.
 
@Pardela_cenicienta Ich glaube, im Literaturportal Bayern hat sich bei diesem Fund ein Druckfehler eingeschlichen.
Die Lebensdaten des Diplomaten werden mit "1500-1531" angegeben, gleichzeitig wird behauptet, der zeitliche Schwerpunkt des Nachlasses liege auf dem Jahr 1509. Aus diesem Jahr könnte evtl. das erwähnte deutsch-tschechische Wörterbuch stammen, Briefe, Tagebücher und andere private Schriften Warschitz' aber kaum. Laut einem Artikel von Edith Feistner in der Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur stammen diese Schriften aus den Jahren 1513-1531. Ich vermute, statt 1509 war eher 1529 gemeint.
 
Kein archäologischer, aber ein archivaler Fund:
6 Taschen eines Diplomaten, die er 1531 zu treuen Händen im Katharinenspital in Regensburg zur vorübergehenden Aufbewahrung gegeben hat, was man dort auch 500 Jahre lang brav getan hat:

Mich fasziniert schon die wunderschöne Leinentasche, und erst recht das Konvolut: Passeport ou passe-partout d'un diplomate?

@Pardela_cenicienta Ich glaube, im Literaturportal Bayern hat sich bei diesem Fund ein Druckfehler eingeschlichen.
Die Lebensdaten des Diplomaten werden mit "1500-1531" angegeben, gleichzeitig wird behauptet, der zeitliche Schwerpunkt des Nachlasses liege auf dem Jahr 1509. Aus diesem Jahr könnte evtl. das erwähnte deutsch-tschechische Wörterbuch stammen, Briefe, Tagebücher und andere private Schriften Warschitz' aber kaum. Laut einem Artikel von Edith Feistner in der Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur stammen diese Schriften aus den Jahren 1513-1531. Ich vermute, statt 1509 war eher 1529 gemeint.
Ganz so neu scheinen die Funde nicht zu sein, also abgesehen von de cAusstellung im Katharinenspital 2017.

Das Literaturportal Bayern (auch dort die Angabe 1509):

Johann Maria Warschitz​

1. Angaben zum Bestandsbildner:

Name:
Johann Maria Warschitz. *1500, †1531.
Namensvarianten: Giovanni Maria Berzisi Warschitz.
Beruf: Diplomat im Dienst des Pfalzgrafen Friedrich von der Pfalz (Wittelsbacher), Geheimsekretär.
Verstarb vermutlich auf Durchreise im Katharinenspital in Regensburg und hinterließ dort seine private Registratur.

2. Bestandsumfang:

Ca. 0,5 lfm.

3. Erschließungsstand:

Der Bestand ist zur Benutzung erschlossen.

3.1. Katalogisierung:

Der Bestand wurde chronologisch geordnet, grob hausintern verzeichnet [Repertoriumeintrag Spitalarchiv: Nachlass Johann Maria Warschitz, 1509–1531] und teilweise digitalisiert.

4. Bestand:

4.1. Werk:


- Der Bestand enthält:
- Akten,
- Urkunden,
- Handschriften.

4.2 Korrespondenzen:

- Der Bestand enthält Briefe.

4.3. Lebensdokumente:

- Der Bestand enthält biografische Dokumente, darunter:
- Spesenabrechnungen,
- Reisetagebücher,
- Notizen über unterwegs in Anspruch genommene amouröse „Dienstleistungen“.

4.4. Sammlungen:

- Der Bestand enthält:
- Bildobjekte,
- tschechisches Konversationshandbuch, Sammlung von „Anbahnungsliteratur“ (darunter Einzelblätter mit Liebesliedern).

5. Zugang:

Eine Benutzung ist für wissenschaftliche Zwecke gestattet.

6. Veröffentlichungen zum Nachlass:

- Handbuch der Bayerischen Archive, München 2001, S. 335.

7. Vermerk zur Erwerbung:

[leer]

8. Bemerkungen:

Der Nachlass, dessen zeitlicher Schwerpunkt auf dem Jahr 1509 liegt, ist in originalbeschrifteten, ölgetränkten Leinentaschen aus der Zeit um 1530 überliefert; enthält u.a. die ältesten gedruckten deutsch-tschechischen Konversationslexika. Weitere Nachlässe 20./21. Jahrhundert: Nachlass Franz Dietheuer (†1996), ca. 4 lfm; Nachlass Josef Hanauer (†2003), ca. 2 lfm (unverzeichnet, gesperrt).
 
6 Taschen eines Diplomaten, die er 1531 zu treuen Händen im Katharinenspital in Regensburg zur vorübergehenden Aufbewahrung gegeben hat, was man dort auch 500 Jahre lang brav getan hat:
Ich habe mir gestern (in einer Präsenzbibliothek) das 2010 veröffentlichte Reisetagebuch angeschaut, es ist dort jeweils linke Spalte italienisch/frühneuhochdeutsch (Überschriften italospanisch, Text fnhd) recht Spalte nhd publiziert. Demnach ist Warschitz 1531 im Katharinenspital verstorben. Zur vorübergehenden Aufbewahrung kann man also nicht wirklich sagen.
Das Reisetagebuch ist innerhalb einer halben Stunde gut zu lesen. (Also ich habe aus Zeitgründen die Übersetzung gelesen, nicht den frühneuhochdeutschen Teil), den wissenschaftlichen Teil habe ich sehr oberflächlich cursorisch gelesen.

Warschitz war laut der Herausgeberin Karin Hellwig gebürtiger Italiener (Giovanni Maria Berzisi), der Name Warschitz sei die eingedeutschte Variante.
Friedrich II. von der Pfalz habe Warschitz als Reiseleiter für die Reise seines Neffen Ottheinrich durch Spanien und Portugal engagiert, Warschitzs Reisetagebuch beginnt in Barcelona und endet in La Coruña. Warschitz kümmert sich z.B. um Pässe.

Warschitz‘ Bericht gibt die Stationen an, wo man Halt machte und wo man dort übernachtete (Herberge, Bauernhof, Schloss), wo man auf Deutsche traf (ein Büchsenmacher, ein Buchdrucker und ein Glasbläser), macht manchmal Angaben über Wirt/Wirtin oder Herberge oder wer in den Orten lebt (Morisken, Ritter, Adelige, Händler, Handwerker), regelmäßig hören die Herren irgendwo eine Messe und immer wieder geht es darum, dass irgendjemand aus der Reisegruppe Sex hatte, also mal hat ein Wirt seine Töchter der Reisegruppe zur Verfügung gestellt, mal stellte eine Frau den Männern nach, oder „da war sind jonge morin, di lis sich jucken“ (in der nhd ÜS überträgt die Herausgeberin das mit ‚vögeln‘) und Warschitz schreibt an einer Stelle, dass er (allein?) ins Frauenhaus gegangen sei. Eine Stelle hörte sich für mich so an, als habe jemand aus der Reisegruppe Sex mit der Frau des Gastgebers (keines Schankwirts, sondern eines Grafen) gehabt und offensichtlich standen die Herren bei einzelnen Damen Schlange.

Was Warschitz ebenfalls immer wieder bemerkt, ist, wenn ein Pferd erkrankt oder gar stirbt. Ab und zu machen sie auch Abstecher von ihrer Route, lassen die eigenen Pferde zurück und mieten sich Pferde oder Esel.

Das hört sich jetzt an, als sei der Reisebericht sehr ausführlich, aber das ist er - aus heutiger Sicht - nicht einmal.

Was mich irritiert: die Herausgeberin schreibt an zwei oder drei Stellen, dass Friedrich II. bereits vor dieser Reise in Spanien gewesen sei und zwar in Madrid. Madrid war aber zu diesem Zeitpunkt ein Dorf mit einer vermutlich ziemlich verfallenen arabischen Burg. Sie bezieht sich dabei auf Herbers/Paravicini.
Ich frage mich, warum Friedrich der Weise in dem abgelegenen Dörflein Madrid gewesen sein sollte, das erst Jahrzehnte später von dem noch ungeborenen Philipp II. zur Hauptstadt Spaniens gekürt und aufwendig ausgebaut wurde.
 
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Eine Stelle hörte sich für mich so an, als habe jemand aus der Reisegruppe Sex mit der Frau des Gastgebers (keines Schankwirts, sondern eines Grafen) gehabt

Beim nochmaligen Nachlesen der Stelle (ich hatte mir zwei Stellen aus dem Buch fotografiert, dies hier war zufälligerweise eine der beiden Stellen, weil es um Granada ging), stelle ich fest, dass ich sie gestern falsch verstanden habe.
Wenn ich das richtig verstehe, hat der Herzog von Terronova (Luis Fernández de Córdoba y Zúñiga) die Frau geheiratet, die Ottheinrich hätte heiraten sollen.
Es handelt sich hier um den Neffen und die Tochter des Gran Capitán, also Cousin und Cousine. Der erste Herzog von Terranova war der Gran Capitán gewesen, der im Hieronymuskloster in Granada bestattet ist. Eben der erwähnte Gonzalo Fernández (Gonzalo Fernández de Córdoba y Aguilar). Seine Tochter Elvira Fernández de Córdoba hat den Titel des Herzogs von Terranova als Alleinerbin des Gran Capitán mit in die Ehe gebracht.
Kennt sich irgendjemand mit dem Pfalzgrafen Ottheinrich hinreichend aus, dass der Elvira Fernández hätte heiraten sollen? Sie wäre zwei Jahre älter als Ottheinrich (*1502) gewesen, ihr Cousin und tatsächlicher Mann war 20 Jahre älter (*1480) als sie (Heirat 1518).
 
Bei Katrin Nina Marth (Die dynastische Politik des Hauses Bayern an der Wende vom Spätmittelalter zur Neuzeit. Diss. Regensburg 2009.) finde ich nun folgendes:

Nach der Werbung um die Königinwitwe Johanna von Neapel, ergaben sich für Ludwig noch weitere Gelegenheiten zur Heirat. Erneut auf Vermittlung Kaiser Maximilians kam eine „reiche Erbin aus dem spanischen Hochadel“ infrage. Denn „noch im nämlichen Jahre empfahl der Kaiser Ludwig als Braut eine Tochter Gonsalvo’s [sic!] von Cordova, doch zerschlug sich auch dieses Projekt“. Durch sein Amt als Statthalter in Neapel von 1503 bis 1506 verfügte Gonzalo über eine gute Verbindung zu Maximilian. Dessen Engagement bei der Verheiratung der begehrten Tochter erklärt sich wohl daraus. Besonders interessant als Heiratspartnerin war Gonzalos Tochter Elvira deshalb, weil sie von ihrem Vater als Erbtochter eingesetzt worden war. Schon zu Lebzeiten ihres 1515 verstorbenen Vaters plante der spanische König Ferdinand nicht zuletzt aus diesem Grund, Elvira an einen seiner Enkel zu verheiraten. Da Ferdinand nur Enkel aus einer illegitimen Beziehung seines ebenfalls illegitimen Sohnes Fernando, des Erzbischofs von Zaragoza hatte, lag ihm viel an dieser Verbindung. Dieser illegitime Enkel konnte dadurch eine Aufwertung seines Standes erfahren, in den Adel aufsteigen und vor allem Anteil am Vermögen des „Gran Capitán“ haben. Das Projekt wurde allerdings nicht realisiert. Vermutlich war das ehemals gute Verhältnis zwischen Córdoba und König Ferdinand zu diesem Zeitpunkt schon so zerrüttet, dass Ersterer an einer Heirat mit einem aragonesischen Bastard kein Interesse mehr hatte.
Über die Verhandlungen mit Ludwig liegen zwar keine Unterlagen vor, sie fanden aber wohl im Zeitraum nach dem Tod Johannas von Neapel im August 1518 statt. Nachdem die Unterredungen und Abmachungen bezüglich der Königinwitwe bereits so weit gediehen waren und ein aufwändiger Gesandtschaftsapparat bemüht worden war, suchte Maximilian vermutlich nach einem schnellen „Ersatz“: Auch Elvira de Córdoba war in Neapel ansässig und zu diesem Zeitpunkt noch unverheiratet. Allerdings zerschlug sich aus unbekannten Gründen auch dieses Projekt. Elvira blieb bis 1520 unverheiratet.
 
Beim nochmaligen Nachlesen der Stelle (ich hatte mir zwei Stellen aus dem Buch fotografiert, dies hier war zufälligerweise eine der beiden Stellen, weil es um Granada ging), stelle ich fest, dass ich sie gestern falsch verstanden habe.
Wenn ich das richtig verstehe, hat der Herzog von Terronova (Luis Fernández de Córdoba y Zúñiga) die Frau geheiratet, die Ottheinrich [korrekt: Friedrich II. v.d. Pfalz] hätte heiraten sollen.
Es handelt sich hier um den Neffen und die Tochter des Gran Capitán, also Cousin und Cousine. Der erste Herzog von Terranova war der Gran Capitán gewesen, der im Hieronymuskloster in Granada bestattet ist. Eben der erwähnte Gonzalo Fernández (Gonzalo Fernández de Córdoba y Aguilar). Seine Tochter Elvira Fernández de Córdoba hat den Titel des Herzogs von Terranova als Alleinerbin des Gran Capitán mit in die Ehe gebracht.
Kennt sich irgendjemand mit dem Pfalzgrafen Ottheinrich hinreichend aus, dass der Elvira Fernández hätte heiraten sollen? Sie wäre zwei Jahre älter als Ottheinrich (*1502) gewesen, ihr Cousin und tatsächlicher Mann war 20 Jahre älter (*1480) als sie (Heirat 1518).
Friedrich II. wäre 18 Jahre älter als Elvira gewesen, er heiratete erst spät - 1535 - eine 15jährige dänische Prinzessin. Die Ehe blieb kinderlos.
 
„noch im nämlichen Jahre empfahl der Kaiser Ludwig als Braut eine Tochter Gonsalvo’s [sic!] von Cordova
Was hätte eigentlich aus spanischer Sicht außer der kaiserlichen Protektion für diese Ehe gesprochen? Elvira scheint doch die sehr viel bessere Partie gewesen zu sein als einer der seit dem Kölner Schiedsspruch von 1505 territorial und finanziell gerupften pfälzer Wittelsbacher. Anders gefragt: wäre die Kurfürstenwürde des Schwiegersohns in Spanien mit einem nennenswerten Prestigegewinn verbunden gewesen?
 
Herausgeberin Karin Hellwig
[...]
Was mich irritiert: die Herausgeberin schreibt an zwei oder drei Stellen, dass Friedrich II. bereits vor dieser Reise in Spanien gewesen sei und zwar in Madrid. Madrid war aber zu diesem Zeitpunkt ein Dorf mit einer vermutlich ziemlich verfallenen arabischen Burg. Sie bezieht sich dabei auf Herbers/Paravicini.
Ich frage mich, warum Friedrich der Weise in dem abgelegenen Dörflein Madrid gewesen sein sollte, das erst Jahrzehnte später von dem noch ungeborenen Philipp II. zur Hauptstadt Spaniens gekürt und aufwendig ausgebaut wurde.

Monetarius/Hieronymus Münzer war 1495 (also Jahre vor der Spanienreise Friedrichs II. und der von Friedrichs Neffen Ottheinrichs mit Warschitz) tatsächlich in Madrid ("Maiorito, vulgo Madril"), er kam hier auf dem Weg von Toledo nach Guadalajara vorbei und traf hier, tatsächlich auf die Katholischen Könige (was meine Beschreibung der Burg als "vermutlich ziemlich verfallen" wohl obsolet werden lässt).

17. Januarii Toletum exeuntes summo mane per locum uberem et planciem pulcram vino et frumento in multum noctem per 12 leucas ad Maioritum venimus, ubi pro tunc Regie Majestatis quieverant. Et extra civitatem, que esta sita in loco alto, per medium miliare in monasterio Sancte Marie de Basso, quod est ordinis Sancti Ieronimi, quieverant et illis diebus luctum et exequias pro domino cardinali mortuo exercebant. Ubi et Regum et Reginam et filium eius cum magna devocione missam audire videram. Vidimus etiam duos filios junioris Regis Granate, adolescentes pulcros et longos, qui optime sunt in fide nostra eruditi et boni Christiani. Et primo nomen est Ferdinandus, juniori vero Johannes.​
Auch meine Einschätzung Madrid als Dörflein muss ich etwas zurücknehmen.
Est autem Maioritum magnum ut Bibrach, sed maximum habet suburbium. Et habundat fontibus vivis multis, et victualia sunt in bono foro, et habet duas morarias cum Sarracenis plenas.​

Madrid ist in etwa so groß wie Bibrach (welches Bib(e)rach, wie groß und bedeutend war dieses spezielle Bib(e)rach 1494/5?), aber es hat viele Vorstädte. Und es gibt (ich denke habundat ist ein Mischwort aus abundant und habere) viele spudelnde Quellen (vermutlich kommt der Name von Madrid genau daher) und die Lebensmittel sind in bono foro(? - der Lebensmittelmarkt ist gut gefüllt?) und zwei Maurenviertel, die von Sarrazenen dicht bevölkert sind.
 
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