Warum die positive Bezeichnung "Luzifer" für den Gegenspieler Gottes?

Alles richtig. Ich glaube so ein Thema würde auch eher in ein philosophisches Forum passen.
 
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Eh, nein, es ging nie um Vorherrschaft.
Es werden hier so viele Fässer aufgemacht, dass ich dieses mal so stehen lassen muss- vielleicht später dazu.:winke:

Mich wundert das bei der Gut-Böse-Paradiesgeschichte noch niemand Freud und Jung erwähnt hat!
Das könnte daran liegen, dass die Diskussion "chronologisch" strukturiert ist; zwischen (Vor-)Antike und Freud/Jung liegen noch Tausende von anderen, die sich Gedanken über "Gut und Böse" gemacht haben. Aber wenn Du schon mal bei Freud bist, der als Jude fürs Thema sozusagen doppelt geeignet ist: Auf welche Äußerungen beziehst Du Dich konkret?

Ausserdem der teufel als das Böse ist eine Erfindung der Spätantike, denn vorher im Judentum gab es wenn man so will 2 Teufel: ... "Sohn der Morgenröte" ... Samael ... BluesBrother ...
Mertens (Handbuch der Bibelkunde, S. 404) macht, wie viele andere, die Zäsur bei der Zeit des Exils:
"Die vorexilischen biblischen Erzähler scheinen noch keinen Satan im Sinne von Teufel gehabt zu haben. Für sie stand fest, daß alles von Jahwe kam. Deshalb erzählt 2 Sam 24,1: 'Aufs neue entbrannt der Zorn des Herrn wider Israel.' In 1 Chr 21,1 wird dagegen dasselbe Ereignis anders erzählt: 'Der Satan trat wider Israel auf...'." [Vgl. meinen Hinweis in #107.]
Die Einflüsse in der Exilszeit, insbesondere die Berührung mit Religionen, die den Dualismus bereits stärker beeinhalteten - vgl. Gegensatz zwischen Ahriman und Ormazd im Parsismus - müssen wohl hoch eingeschätzt werden. Zur Namensgebung (ebd.):
"Der SATAN (satán) war der Ankläger vor Gericht (Zach 2,1.2; Ps 109/108,6); der ursprüngliche Sinn des Wortes war wohl 'Feind' (1 Sam 29,4; 3 Kön 5,18; 11,14)); oder einer, der einem anderen Schwierigkeiten macht, ihn verfolgt, ihm entgegentritt (2 Sam 19,23). Deshalb kann sich in der Erzählung sogar der Engel Jahwes 'Satan' nennen (Num 22,32). Von diesem allgemeinsten Sinn scheint das Wort allmählich seinen juristischen Sinn von 'Ankläger' erhalten zu haben, ohne daß es seinen allgemeinen Sinn verlor. ... Vom allgemeinen und juristischen Sinn leitete sich dann der religiös-theologische Sinn des Wortes satán ab."
 
Zitat:"Aber wenn Du schon mal bei Freud bist, der als Jude fürs Thema sozusagen doppelt geeignet ist: Auf welche Äußerungen beziehst Du Dich konkret?"

Gute Frage! Im Studium habe ich sehr viel von Freud und C.G. Jung gelesen, ich müsste mich jetzt erstmal wieder durch mein Bücherregal blättern bis ich kontrete Stellenangaben liefern kann, aber ich kann mich namentlich an den Aufsatz "Religion und Zwangsneurose" von Freud erinnern. Dazu muss gesagt werden das Freud selbst überzeugter Atheist war, aber der Religion an sich durchaus eine sehr wichtige Funktion zu sprach. Über den Eden-mythos schrieb C.G. Jung mehr als Freud. Ich werde blättern.

Übrigens es gibt ein lesenswertes Buch von Meir Shalev " Der Sündenfall- ein Glücksfall" er stellt die verschiedenen biblisches Mythen gegenüber und auch Freud, Jung, Darwin und den Menschenverstand bezieht er mit ein. Ein Rundumschlag durch die Geschichte, Bibel und die Psychologie.
 
... den Aufsatz "Religion und Zwangsneurose" von Freud ...
... gibt es nicht, aber Du meinst bestimmt Zwangshandlungen und Religionsübungen (1907, in: Gesammelte Werke, Bd. 7, S. 129-139 = Studienausgabe Bd. 7, S. 11-21)?! Im letzten Absatz entwickelt Freud den Gedanken, dass der Mensch um der Kulturentwicklung willen bestimmte "konstitutionelle Triebe" verdrängen müsse.
"Ein Stück dieser Triebverdrängung wird von den Religionen geleistet, indem sie den einzelnen seine Trieblust der Gottheit zum Opfer bringen lassen. 'Die Rache ist mein', spricht der Herr. An der Entwicklung der alten Religionen glaubt man zu erkennen, daß vieles, worauf der Mensch als 'Frevel' verzichtet hatte, dem Gotte abgetreten und noch im Namen des Gottes erlaubt war, so daß die Überlassung an die Gottheit der Weg war, auf welchem sich der Mensch von der Herrschaft böser, sozialschädlicher Triebe befreite."
Das führt Freud aber nicht weiter aus und kommt erst in Totem und Tabu (1913) wieder darauf zurück. (Ohne den Künstler kränken zu wollen: So richtig funktioniert hat die "Abtretung" sowieso nicht... :still:)

PS: Den "Sündenfall" schaue ich mir gern mal an, danke für den Tipp.
 
Nun ja,Luzifer könnte tatsächlich die Adaption der eingangs erwähnte Position eines Kulturheros wie Prometheus sein.Der Name "Lichtbringer" deutet zumindest darauf hin. Vielleicht war man sich da in der Frühzeit bereits der Diskrepanz zwischen Religion und Wissenschaft bewußt.Das zeigt sich auch in der Story von der Vertreibungr aus dem Paradies .
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch eine Verbindung zur Gnossis. Etliche gnostische Lehren des Mittelalters wie die der Bogomilen oder Katharer gehen ja davon aus,daß "das Böse " die materielle Welt und die Schöpfung dominiert und im Gegensatz zu einer vom "Guten" beherrschten immateriellen Gegenwelt steht. Danach wird der als oberstes Wesen der materiellen Welt angenommene Gegenspieler Gottes ebenfalls durchaus positiv "demiurg", also Schöpfer genannt und teilweise mit dem Lichtbringer Luzifer gleichgesetzt.Möglicherweise liegt der Namensgebung also gnostisch-dualistisches Gedankrngut zugrunden
 
An den 7. Tag:
dein Beitrag hier wurde von mir gelöscht, weil die Forumsregeln Glaubensinhalte verbieten und Du nichts anderes hier geschrieben hast. Wir Moderatoren beraten über weitere Folgen dieser massiven Regelverletzung.

Noch eine persönliche Anmerkung: Jedem Menschen Schuld und Verantwortung für seine Vergehen und Verbrechen abzusprechen und sie Luzifer zuzuschreiben, ermöglicht es jedes Verbrechen (einschließlich des Holocaustes und alle Dikaturen) zu entschuldigen. Einen Gedanken den ich für gefährlich und ekelhaft halte.
 
Ich versuche mir die Sache mit den alten Mythen immer ganz rational zu erkären. Weniger in Bezug auf Einzelmythen, als um das, was es bei göttlichen bzw. schöpferichen Gegenspielern wie möglicherweise Luzifer grundsätzlich ging:

Sicher hat es in dualistischen Weltbildern, wo u. a. Materie als weltlich galt und Geist als göttlich, Gegenspieler Gottes gegeben, nahm dieser in entsprechenden Mythen Gestalt an. Doch wenn im Monotheismus alles Werden auf EINEN zurückgeführt wurde, dann scheint mir der Gegenspieler des einen Schöpfergottes grundsätzlich auf anderer Ebene zu suchen.

Und dass es im Einhalten schöpferischer (heute z.B. ökologischer, aber auch sozialer) Ordnung falsche menschliche Verhaltensweisen, Gegenspielerer gibt, erleben wir immer wieder mehr als genug. Doch auch das scheint mir noch nicht der in der Kultgeschichte bezeichnete Luzifer bzw. biblische Teufel zu sein, den ich in den alten Texten weniger in der Verhaltensweise bzw. Ethik am Werk beobachte, als in der Diskussion um die richtige Gottesvermittlung.

Bereits die Bilderbücher meiner Kindheit haben den gefallenen Engel bzw. Himmelboten gezeigt, der in die Hölle verbannt wurde. In den Vermittlern bzw. Vermittlungen schöpferischen Willens: in Mythen mit Flügeln dargestellten Gottes-Boten, scheinen auch Falschmelder, Fehlvermittler gesehen wurden zu sein. Das leuchtet mir ein. Gefallene Gottesboten, die dann (bildhaft gesprochen) als Teufeswerkzeuge wirkten, gleichwohl sie weiter wie Engel auftraten (ganz teuflisch).

Könnte in diesem Sinne nicht auch der Begriff Luzifer zu sehen sein? Auch wenn damit dann scheinbar nicht der wahre "Licht"bringer, Schöpfungsordnung/-wille vermittelnde Bote gemeint sein kann, sondern der Verdunkler, der sich als Lichtbringer darstellte.
 
Luzifer, Satan und Teufel stehen im Prinzip für alte Gottheiten, die vom Christentum in böse im wahrsten Sinne des Wortes verteufelt wurden.

Luzifer ist nicht Satan, und der Satan ist nicht der Teufel (und Luzifer ist auch nicht der Teufel). Es handelt sich um drei verschiedene Figuren, die vom Christentum dem Teufel gleichgesetzt wurden.
Ein weiteres Beispiel: der Beelzebub. Sprichwörtlich heisst es "den Teufel mit dem Beelzebub austreiben". Der Name Beelzebub (Oder auch Baal-Sebub) bedeutet Herr der Fliegen und ist eine Verballhornung (im negativen Sinne) des Baal-Zebul (erhabener Fürst/Herr/Meister) oder Baal Zamen (Herr des Himmels = die Sonne).

Anhand des Beelzebub sieht man, wie alte Gottheiten verteufelt wurden.

Der Name des Teufels bedeutet übrigens Zwiespalt-Säer, im Gegensatz zu Gott, der das einigende Element darstellt.
 
Könnte in diesem Sinne nicht auch der Begriff Luzifer zu sehen sein? Auch wenn damit dann scheinbar nicht der wahre "Licht"bringer, Schöpfungsordnung/-wille vermittelnde Bote gemeint sein kann, sondern der Verdunkler, der sich als Lichtbringer darstellte.

Ich weiss nicht, was da von dir gelöscht wurde.
Ich kann da jetzt nicht sehen, ob du da tatsächlich dran glaubst, oder das auf unsere Vorfahren überträgst.
In der heutigen aufgeklärten Gesellschafft muss man sich nicht mehr an Teufeln aufhängen.
Man redet noch über Gottheiten, aber mehr im philosophischem Sinne, als der alles entsprechenden Wahrheit.
 
@florian17160,

sebstverständlich glaub ich an Engel und auch Teufel - in dem von Dir angesprochenen aufgeklärt phiolosophischen Sinne. Und so sehe ich auch Luzifer weiter am Werk. (Durchaus in der doppelten Bedeutung, die ich auch hinter Luzifer vermute: Lichtbringen oder Verdunkler.)

Danke Megatrend für die Begriffserklärung von "Teufel": Ob Gottesboten dann Licht bringen oder Luzifer das Gegenteil bedeutet, liegt (so wie ich aus aus den alten Geschichten lerne) daran, ob sie Zwiespalt säen oder das Glaubens- bzw. Weltbild einen können.

Danke auch für den Hinweis, wie das frühe Christentum die alten Figuren (u. a. Luzifer) verteufelte, es in der Glaubensgeschichte scheinbar immer einen Fortschritt geben musste, dem sich alte Götterboten/Gottes- bzw. Schöpfungsvermittlungen entgegenstellten und daher als teuflisch galten bzw. verteufelt wurden.

Gibt es dann nicht auch in unserer Zeit Engel und Teufel? Boten (wenn auch ohne Flügel) die schöpferische Realitäten vermitteln oder davon abhalten, Hörner aufsetzen ohne die Weltbilder zu vereinen.

Und wenn mir in kirchlichen Newslettern von anerkannten Theologen beigebracht wird, dass die Krise des Glaubens eine Zeit der Erneuerung ist, der neue Atheismus als eine Art Fegefeuer verstanden werden könne, wird dann nicht möglicherweise gar die Bedeutung von Hölle deutlich?

Wer heute Luzifer, Verdunkler oder Lichtbringer ist, wird die Geschichte zeigen.

(Über die "Boten zwischen Himmel und Erde" die in griechisch-römischer Zeit galten, die notwendige Glaubens- bzw. christliche Zeitenwende antiker Aufklärung "beflügelten" und deren philosophische Bedeutung im damaligen Ringen um ein zeitgemäßes Schöpfungs-/Gottesverständnis,das jüdische Gesetzesgläubige und Griechen einte, hat unlängst "Welt und Umwelt der Bibel" - ein Quartals-Magazin der kath. Bibelgesellschaft mit Aufsätzen über Archäologie, Kunst und Geschichte - geschrieben.)
 
Unverhofft kommt oft

Die Diskussion ist ihre Bahnen gelaufen. Es freut mich im Innersten, zu beobachten, wie die Gedanken verschiedene Richtungen einschlagen. Der Grund, warum mir das Forum so ans Herz gewachsen ist? Möglich.

Ich hatte bisher Schwierigkeiten, meine Gedanken zu Sartre zu offenbaren. Zu unausgegoren schienen sie mir. Man mag mir an dieser Stelle verzeihen, dass ich nicht auf das eingehe, was seitdem geschrieben wurde, sondern mich auf das versteife, was gefordert wurde. Zur Erinnerung:

Rafael schrieb:
Ist nach christlicher Vorstellung das Handeln eines jeden Einzelnen von Gott so gewollt und geplant? Oder gesteht das Christentum dem Menschen Eigenständigkeit zu?

Dies ist deshalb interessant, da bei einer gewissen Eigenständigkeit eventuell doch von Eingriffen in Gottes Plan gesprochen werden könnte.

Lukrezia schrieb:
(Zu Sartre habe ich auch noch was im Ärmel, aber dazu vielleicht später mehr.)

Rafael schrieb:
Ich bin mal gespannt, was Du noch zu Sartre im Ärmel hast. Vor allem deshalb, da dieser Gedanke der "Verdammung zu Freiheit" mich immer wieder fasziniert, wenigstens in der Art, dass ich ihn in vielen Gedankengängen von mir finde, einmal um ihn zu negieren, einander mal um ihm Glauben zu schenken.

Lukrezia schrieb:
Zu Sartre:
Die Sache mit der Schöpfung wäre auch der Anknüpfungspunkt für meine Gedanken zu Sartre in diesem Kontext. Vorgestern Nacht habe ich versucht, das in einer Mind Map zu strukturieren, bin aber noch nicht so weit, dass ich diese Ideen jemand antun möchte. Insofern würde ich Dich also noch um etwas Geduld bitten, bis ich wieder mal einen etwas freieren Kopf habe - sofern das überhaupt was wird, denn vieles erscheint mir da allzu schwammig.

Das, was mich in erster Linie auf Sartre gebracht hat, war der Begriff "Eingreifen in Gottes Plan". Das Ganze hat an einer Schaltstelle in meinem Gehirn eine Verbindung zu einem Aufsatz von Josef Pieper hergestellt, der den Titel "Unaustrinkbares Licht" trägt. Ich war entflammt, konnte jedoch meine Gedanken nicht in eine klare Richtung lenken. Mir steht fern zu behaupten, dass das jetzt der Fall ist. Ich mache mich angreifbar, mit dem, was ich im Folgenden schreibe. Dennoch bin ich der Meinung, dass es gesagt werden sollte, um durch die Angreifbarkeit Substanz zu gewinnen. Grenzen müssen gezeigt werden. Die Grenzen sind es, die es möglich machen, die Dinge zu erkennen.

Das, was oftmals in der Geschichte der Philosophie bei der Betrachtung der "christlichen" Philosophie ins Hintertreffen gerät, ist der Begriff der Schöpfung. Von ihm geht alles aus. Alles, was wir empfinden, alles, was wir wahrnehmen, alles, was wir sind, ist Schöpfung. Alles hat eine Linie zum creator. Alles ist creatura. Creatura ist auch das, was Böse ist. Alles ist Geschaffen. Jedoch kann das Böse nicht ohne das Gute existieren. "Das Gute vermag sich in reinerer Gestalt zu verwirklichen als das Böse. Denn es findet sich wohl Gutes, dem nichts Böses beigement ist; nichts aber ist so sehr böse, daß ihm nicht etwas Gutes begement wäre". So Thomas von Aquin in seinen Quaestiones disputatiae de veritate, 16, 2 s. c.

Oh ja, alles ist Schöpfung. Das ist der Punkt. Man kann Thomas von Aquin nicht lesen, ohne diesen Gedanken im Hinterkopf zu haben. Der Schöpfer ist es, von dem alles ausgeht. Der Schöpfer der Dinge. Dinge, die wir wahrnehmen.

_________________>creatura 1
Schöpfer/creator___>creatura 2
_________________>creatura 3

_________________>creatura n


Das "Wesen der Dinge" - ja, ein platonischer Gedanke, den wir nicht zuletzt Dionysius Areopagita zu verdanken haben - ist es, was der Schöpfer den Dingen mit auf den Weg gibt. Den Schöpfer bezeichne ich mit dem Ausdruck intellectus divinius. Er ist es, der den Dingen, res, ihr Wesen gibt. Der ihnen die primäre Wahrheit einhaucht, der maßgebend ist. Maßempfangend jedoch ist der menschliche Verstand, der intellectus humanus. Er richtet sich nach dem, was der göttliche Verstand geschaffen hat. Er ist auf die Sinne angewiesen und das beschränkte menschliche Reflexionsvermögen.


intellectus divinius ___________> res <___________intellectus humanus


Wenn wir nun nach der Wirklichkeit fragen, der Wahrheit, können wir nur mit unserem menschlichem Verstand arbeiten. Wir erkennen das, was auf der Linie vom intellectus humanus zu den Dingen ertastet werden kann. Erahnen und spekulieren können wir, was sich auf der Ebene intellectus divinius - res abspielt. Nicht, weil es nicht erkennbar wäre. Vielmehr ist es so massiv, dass wir es mit unserem Verstand nicht erfassen können. Es handelt sich um das Wesen der Dinge. Um den Gedanken des Schöpfers. Um den Gedanken, der das Wesen der Dinge ausmacht. Das WESEN der Dinge. Nicht Unerkennbarkeit aus Mangel an Wahrnehmungsfähigkeit, sondern Unerkennbarkeit aufgrund schierer Unendlichkeit. "Mag auch das Auge des Nachtvogels die Sonne nicht sehen, es schaut sie dennoch das Auge des Adlers".

Das Wesen der Dinge ist es, was es ausmacht, Wahrheit zu erkennen. Wir erkennen die sekundäre Wahrheit, indem wir die Dinge betrachten. Die primäre Wahrheit, das Wesen der Dinge, ist es jedoch, das uns verborgen bleibt.

What the f*** hat das mit Sartre zu tun?

Nun, während der neuzeitliche Rationalismus den Begriff der Schöpfung ignoriert - Gemachtheit und Schöpfung sind ihm eins, Städte werden neben Wälder gestellt, sie werden nur ihrer Funktionalität her betrachtet - ist es Sartre, der wieder den Begriff der Schöpfung gebraucht. Sartre ist es, der die Wesenheit der Dinge zu ergründen versucht. Sartre mit seiner konsequent atheistischen Position? Oh ja, Sartre...

"Il n´y a pas de nature humaine, puisqu´il n´y a pas de Dieu pour la concevoir" - Es gibt kein Wesen des Menschen, weil es kein Geschöpf gibt, es zu erdenken. Für Sartre gibt es jedoch die vom Menschen geschaffenen Dinge. Und er verleiht ihnen Wesenheit. Der Mensch erdenkt das Wesen des Flaschenöfners und aus dem Gedanken des Schöpfers, also des Menschen, ergibt sich das Wesen des Flaschenöffners. Sartre ist es, der den Dingen das Wesen zurückgibt. Frei vom neuzeitlichen Rationalismus. Das Wesen der Dinge kommt wieder ins Spiel. Das Wesen der Dinge, das die Dinge ausmacht. Das Wesen der Dinge, das zu erkennen primäre Wahrheit verheißt.


Rafael schrieb:
Dies ist deshalb interessant, da bei einer gewissen Eigenständigkeit eventuell doch von Eingriffen in Gottes Plan gesprochen werden könnte.

Gottes Plan, des Menschen Plan. Mir steht es fern, hier einen Favoriten abzugeben - den habe ich, doch wir befinden uns in einem Forum, in dem weltanschauliche Offenbarungen nicht erwünscht sind. Also die sachliche Herangehensweise:

Die christliche Sicht der Dinge hält es so, dass das Handeln jedes einzelnen so gewollt und so geplant ist. Die Vereinbarkeit mit dem freien Willen des Menschen habe ich bereits in meinen voranstehenden Beiträgen darzulegen versucht.

Beim Atheismus von Sartre greift Gottes Plan nicht. Was jedoch greift, ist der Gedanke der Schöpfung. Der Gedanke, dass alles creatura ist. Alles ist von einem creator, alles ist vom Menschen. Wie ist es nun zu beurteilen, dass die Schöpfung sich frei entfaltet? Dass sie so agiert, wie es ihr und nicht ihrem Schöpfer gefällt? Wie kommt sich ein Existenzialist vor - verzeiht den Ausdruck der zu viel überstrapaziert wird, er ist jedoch ursprünglich gemeint - der seine Schöpfung in Bahnen laufen sieht, die er so nicht gedacht hat? Das Wesen der Dinge verändert sich, ohne dass er das so möchte? Darf er eingreifen? Ich lasse das mal so im Raum stehen.

Was um alles in der Welt ist dem Menschen nur aufgebürdet, wird er selbst zum creator? Was ist es für eine Last, sieht man nichts über sich, dem man Verantwortung zuweisen könnte? Ein schönes Gefühl, creator zu sein. Oder nicht?

Auch das lasse ich so stehen. Die Philosophie ist nicht dazu da, Fragen zu beantworten, sondern sie zu stellen. Ich hoffe auf die Gunst meiner Modkollegen, die mir diesen Beitrag nicht zu sehr übel nehmen. Er beschneidet ausgedehnte Gebiete der Philosophiegeschichte, die ein Eindringen in allzu Provokantes gelegentlich voraussetzen.
 
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Oh ja, alles ist Schöpfung. Das ist der Punkt. Man kann Thomas von Aquin nicht lesen, ohne diesen Gedanken im Hinterkopf zu haben. Der Schöpfer ist es, von dem alles ausgeht. Der Schöpfer der Dinge. Dinge, die wir wahrnehmen.

_________________>creatura 1
Schöpfer/creator___>creatura 2
_________________>creatura 3

_________________>creatura n


Das "Wesen der Dinge" - ja, ein platonischer Gedanke, den wir nicht zuletzt Dionysius Areopagita zu verdanken haben - ist es, was der Schöpfer den Dingen mit auf den Weg gibt. Den Schöpfer bezeichne ich mit dem Ausdruck intellectus divinius. Er ist es, der den Dingen, res, ihr Wesen gibt. Der ihnen die primäre Wahrheit einhaucht, der maßgebend ist. Maßempfangend jedoch ist der menschliche Verstand, der intellectus humanus. Er richtet sich nach dem, was der göttliche Verstand geschaffen hat.
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Wenn wir nun nach der Wirklichkeit fragen, der Wahrheit, können wir nur mit unserem menschlichem Verstand arbeiten. Wir erkennen das, was auf der Linie vom intellectus humanus zu den Dingen ertastet werden kann. Erahnen und spekulieren können wir, was sich auf der Ebene intellectus divinius - res abspielt. Nicht, weil es nicht erkennbar wäre. Vielmehr ist es so massiv, dass wir es mit unserem Verstand nicht erfassen können. Es handelt sich um das Wesen der Dinge. Um den Gedanken des Schöpfers. Um den Gedanken, der das Wesen der Dinge ausmacht. Das WESEN der Dinge. Nicht Unerkennbarkeit aus Mangel an Wahrnehmungsfähigkeit, sondern Unerkennbarkeit aufgrund schierer Unendlichkeit.

Das Wesen der Dinge ist es, was es ausmacht, Wahrheit zu erkennen. Wir erkennen die sekundäre Wahrheit, indem wir die Dinge betrachten. Die primäre Wahrheit, das Wesen der Dinge, ist es jedoch, das uns verborgen bleibt.
Der Mensch ist nur Schöpfer der von ihm gemachten Dinge, aber ist nicht ihr Herr; daher können sie auch aus der Bahn laufen.

Bei der Schöpfung allgemein:
Die primäre Wahrheit, das Wesen der Dinge, ist es jedoch, das uns verborgen bleibt.
Wenn das so ist, wer stellt dann mit welcher Kompetenz fest, dass sie aus der Bahn gelaufen sind?
Die Bahn gehört doch wesentlich zum Wesen der Dinge! Und die Bahn ist nach Deiner Aussage unbekannt.

Dass die Dinge anders laufen, als vom Schöpfer gedacht (Eingreifen in Gottes Plan), setzt Freiheit im Sinne des liberum arbitrium voraus. Das ist im Wesentlichen ein Thema der Neuzeit. In der Antike und im Mittelalter wurde diese Frage als irgendwie beantwortet vorausgesetzt und nicht weiter thematisiert. Im Zuge der Hirnforschung wurde sie zum Streitthema Nr. 1.

Wenn das librium arbitrium verneint wird - und dafür spricht viel - dann kann gar nichts aus irgendeiner Bahn laufen. Vielmehr ist, wie es tatsächlich läuft, eben die Bahn, die es laufen soll.
Die Verneinung des librium arbitrium durch Schopenhauer in der Preisschrift über die Freiheit des Willens. Zürich 1977 ist bislang unwiderlegt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich entschuldige mich zunächst dafür, dass ich erst jetzt antworte, aber ich hatte in den letzten Wochen sehr viel um die Ohren und da bleibt für das Forum wenig Zeit. Aber es sind Probleme, mit denen man sich so lange schon beschäftigt, da fallen ein paar Tage auch nicht ins Gewicht.


fingalo schrieb:
Der Mensch ist nur Schöpfer der von ihm gemachten Dinge, aber ist nicht ihr Herr; daher können sie auch aus der Bahn laufen.

Womit begründest Du das?


fingalo schrieb:
Wenn das so ist, wer stellt dann mit welcher Kompetenz fest, dass sie aus der Bahn gelaufen sind?
Die Bahn gehört doch wesentlich zum Wesen der Dinge! Und die Bahn ist nach Deiner Aussage unbekannt.

Da hast Du mich falsch verstanden. Die Bahn ist nicht unbekannt, sondern für uns - so habe ich das auch geschrieben - nicht erkennbar. Das bedeutet nicht, dass sie unbekannt ist. Laut dem Modell des Thomas von Aquin ist die Bahn bekannt. Es ist die Ebene, die sich in meiner zweiten Skizze zwischen intellectus divinus und res befindet. Gott kann sie erkennen, der Mensch jedoch nicht.

Äquivalent bei meinem Versuch an Sartre: Der Mensch als Schöpfer der Dinge, dem die Idee bekannt ist, der das Wesen der Dinge bestimmt.


fingalo schrieb:
Dass die Dinge anders laufen, als vom Schöpfer gedacht (Eingreifen in Gottes Plan), setzt Freiheit im Sinne des liberum arbitrium voraus. Das ist im Wesentlichen ein Thema der Neuzeit. In der Antike und im Mittelalter wurde diese Frage als irgendwie beantwortet vorausgesetzt und nicht weiter thematisiert. Im Zuge der Hirnforschung wurde sie zum Streitthema Nr. 1.

Ich bezweifle, dass das der philosophiegeschichtlichen Wahrheit gerecht wird. Zustimmung jedoch, dass das Thema in der Neuzeit, wie von Dir bereits richtig geschrieben, eine enorme Aufwertung erfahren hat.
 
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