Warum entwickelten sich Nord- und Südamerika so unterschiedlich

Die Flotte, die Du meinst war die Silberflotte. Bei der wurde das Silber der Bergwerke in den Anden transportiert. Das war die Flotte des Königs. Wer sagt, das Privatleute keine eigenen Schiffe schickten?
Ugh Valencia hat ja dankenswerterweise den Wikipedia-Eintrag zur Silberflotte verlinkt. Da heißt es unter anderem:
"Am .. 1561 ordnete König Philipp II. an, dass zwei Flotten pro Jahr zu den Kolonien aufbrechen sollten. Schiffe auf der Amerikaroute durften nur über Sevilla (später Cadiz) aus und nur im Flottenverband fahren." Und weiter unten: "Das Freihandelsregiment aus dem Jahr 1777 gestattete den freien Schiffs- und Handelsverkehr zwischen nahezu allen kolonialen Häfen und denen des Mutterlandes."
Das klingt für mich schon so, als sei der Schiffsverkehr davor im Prinzip auf diese zwei Geleitzüge im Jahr beschränkt gewesen, obwohl das so nicht ganz klar dasteht.
 
Das klingt für mich schon so, als sei der Schiffsverkehr davor im Prinzip auf diese zwei Geleitzüge im Jahr beschränkt gewesen, obwohl das so nicht ganz klar dasteht.

Es machte angesichts der Bedrohung durch Freibeuter/Piraten und der Verlustquoten der noch nich allzu widerstandsfähigen Schiffe durch Wettereinflüsse etc. zunächst einmal vollkommen Sinn den Verkehr mit den Kolonien über Flottenverbände abzuwickeln.

Das dem in der Theorie so war bedeutet allerdings noch lange nicht, dass sich auch jeder de facto streng daran hielt.
 
"Das Freihandelsregiment aus dem Jahr 1777 gestattete den freien Schiffs- und Handelsverkehr zwischen nahezu allen kolonialen Häfen und denen des Mutterlandes."
Das klingt für mich schon so, als sei der Schiffsverkehr davor im Prinzip auf diese zwei Geleitzüge im Jahr beschränkt gewesen, obwohl das so nicht ganz klar dasteht.
Ich denke, das spielt auch auf den bereits verlinkten Asiento de Negros als Teil des transatlantischen Dreiecks-Handels an. Ich zitiere aus dem wiki-Artikel:
"Die Sklaven für den Verkauf durften ausschließlich nach Cartagena, Portobelo oder Veracruz gebracht werden. Die Rückfrachten sollten innerhalb des spanischen Flottensystems transportiert werden, soweit dies zur Verfügung stand." Damit waren die Häfen für (Sklaven)Handel in Lateinamerika Cartagena, Portobello und Veracruz sowie in Spanien mit Sevilla/Cadiz für Produkte aus den Kolonien festgelegt. Die Liberalisierung bezieht sich mMn eher darauf, dass nach 1777 auch andere Häfen direkt angelaufen werden konnten.
 
Warum konnte sich in Südamerika keine eigene wirtschaftliche Eigendynamik entwickeln?
Die Silberflotte zeigt doch ganz gut, dass das spanische Kolonialreich als eine Art Kommandowirtschaft funktionierte und privater Initiative wenig Raum gelassen wurde. Das dürfte in den englischen Kolonien anders gewesen sein.
Übrigens gab es zwei Flotten, weil es zwei koloniale Großräume gab; Neuspanien (Mexiko) und Peru (mit dem übrigen spanischen Südamerika), beide hatten ja auch bedeutende Silbervorkommen.
Dass der Großgrundbesitz schädlich war, glaube ich gern. Er entstand wohl auch deswegen, weil es eine beherrschte indigene Bevölkerung gab, was einer inklusiven gesellschaftlichen Entwicklung natürlich entgegenstand (und entgegensteht). Das war in Argentinien allerdings anders, und nicht zufällig ist ja gerade dieses Land für einige Zeit zu Wohlstand gekommen, den es leider wieder verspielt hat.
Das klingt jetzt alles so negativ, dabei sind etwa die mexikanischen, von der spanischen Kolonialzeit geprägten Städte in meinen Augen von einer faszinierenden Schönheit.
 
Na ja,

Zugegebener weise waren die wirtschaftliche Entwicklung in Nord- bzw. Südamerika geprägt, durch das gesellschaftliche System in den jeweiligen Mutterländer.

Das denke ich weniger. Ich meine, dies hat tatsächlich, wie Du auch vermutestet, zum Mindesten für Amerika mit dem Grossgrundbesitz zu tun. Die Industralisierung hatte nicht nur in Südamerika sondern auch in den Südstaaten der USA Verspätung.
 
So einfach kann man das Argument nicht abtun. Arbeitslosigkeit gibt es natürlich immer, zu 100% ist die Wirtschaft kaum je ausgelastet, und trotzdem ist das Argument des komparativen Kostenvorteils entscheidend, um zu verstehen, warum auch ein Land, das keine Gütergruppe effizienter produziert als irgendein ausländisches, davon profitiert, am Welthandel teilzunehmen.
Es wird dadurch konkurrenzfähig, dass es sich mit niedrigeren Faktorentlohnungen begnügt als die effizienteren ausländischen Produzenten, das haben gerade Korea und Japan lange erfolgreich praktiziert, mittlerweile haben sie das nicht mehr nötig.

Es gibt ein Haufen Länder die keinen oder nur geringe komparative Vorteile haben und grade bei den ärmsten Ländern der WElt ist es so, dass sie häufig die gleichen haben. Wie vielen Ländern haben die Wirtschaftsexperten raten, diese sollen lieber Kaffee, statt Grundnahrungsmittel anbauen, weil Grundnahrungsmittel können die hochsubventionierten und hochmechanisierten USA besser machen und der Kaffeepreis ist ja hoch.

Haiti ist ja voll auf dieser Schiene gefahren.

Als alle Länder umstellten, brach der Kaffeepreis ein, weil alle Kaffee produzieren wollten (okay jetzt ist er wieder relativ hoch). Ich bin ja gnädig und glaube die "Wirtschaftsexperten" glauben wirklich an ihre Theorien, mein Vater ist da radikaler und meint, es war volle Absicht, damit wir auch schön billigen Kaffee im Supermarkt haben.

Das komperative Vorteile durchaus Sinn machen können, will ich ja nicht bestreiten, aber so wie man dies denkt funktioniert es halt nicht und da hat Flassbeck Recht.

Vor allem Südamerika ist ja nicht bitterarm, sondern mittelentwickelt und zum großen Teil "in der Falle des mittleren Einkommens gefangen". Brasilien hat ja komparative Vorteile die es nutzt im Agrarsektor. Vom Fleck kommen sie jedenfalls nicht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Silberflotte zeigt doch ganz gut, dass das spanische Kolonialreich als eine Art Kommandowirtschaft funktionierte und privater Initiative wenig Raum gelassen wurde.
Und darf man fragen, was genau dich zu dieser Annahme führt?
Die Vorstellung einer "Kommandowirtschaft" halte ich um ehrlich zu sein, für ziemlich weit hergeholt, schon allein deswegen, weil die Nachrichtenwege zwischen der iberischen Halbinsel und den Kolonien viel zu lang waren, als dass sich, was in den Kolonien passierte in irgendeiner Form zentral hätte überwachen lassen.

Ansonsten mussten wegen der Passatwinde und deren Nutzung die aus den spanischen Kolonien zurückkehrenden Schiffe bei der Überquerung des Atlantiks relativ nah an Gewässer heran, in denen damit zu rechnen war englische oder niederländische Schiffe anzutreffen.
Schon aus diesem Grund machte es absolut Sinn in Flottenverbänden zu fahren.
Außerdem ermöglichte das, sollten einzelne Schiffe auf der Rückreise durch Stürme oder andere Wetterphänomene beschädigt werden, Seeleute und Teile der Ladung auf die anderen Schiffe zu übernehmen, so dass diese nicht verloren gingen.
Das ist kein Zeichen irgendeiner Kommandowirtscahft, sondern das war unter den gegebenen Umständen einfach sinnvoll.

Das dürfte in den englischen Kolonien anders gewesen sein.
Auch die britischen Handelsgesellschaften, die mit den kolonialen Räumen verkehrten funktionierten für eine sehr lange Zeit nach dem Prinzip von Monopolgesellschaften, die je nach Zeitepoche und zurückzulegender Strecke nach Möglichkeit in Flottenverbänden fuhren. Aus genau diesen Gründen.


Dass der Großgrundbesitz schädlich war, glaube ich gern. Er entstand wohl auch deswegen, weil es eine beherrschte indigene Bevölkerung gab, was einer inklusiven gesellschaftlichen Entwicklung natürlich entgegenstand (und entgegensteht). Das war in Argentinien allerdings anders, und nicht zufällig ist ja gerade dieses Land für einige Zeit zu Wohlstand gekommen, den es leider wieder verspielt hat.
Das klingt jetzt alles so negativ, dabei sind etwa die mexikanischen, von der spanischen Kolonialzeit geprägten Städte in meinen Augen von einer faszinierenden Schönheit.

Naja, dann irgendwann "beherrschte" indigene Bevölkerung gab es ja durchaus auch in Nordamerika.
Und wenn wir mal ehrlich sind, ist Großgrundbesitz jetzt nichts, was auch dem Norden der Vereinigten Staaten fremd wäre.
 
Das komperative Vorteile durchaus Sinn machen können, will ich ja nicht bestreiten, aber so wie man dies denkt funktioniert es halt nicht und da hat Flassbeck Recht.

Das Problem im Hinblick auf die komparativen Kostenvorteile ist eben einfach, dass es sich dabei um Grundsätze handelt, die für einen Einzelakteur durchaus sinnvoll sind und zum Problem werden können, wenn sich zu viele Akteure daran orientieren.
Die gesamte Theorie stammt eben auch aus einer Zeit, in der es noch keinen wirklich entwickelten Weltmarkt gab und keine im heutigen Sinne industrialisierte Produktion, entsprechend viel weniger mit Übersättigungseffekten zu rechnen war.

Das Problem, wie bei so gut wie allem anderen, was aus der klassischen Ökonomie kommt ist nicht, dass es in irgendeiner Form bösartig gedacht wäre oder grundsätzlich nicht funktionieren würde, sondern dass das Modelle sind, die für Zusammenhänge erdacht wurden, in denen die Gesellschaften weitgehend agrarisch geprägt waren und das weiterverarbeitende Gewerbe gerade anfing, sich im Takt einzelner Dampfhämmer und dampfbetriebener Webstühle über die Arbeitseffizienz des Manufakturwesens hinaus zu entwickeln.
Aber das war nie für eine Welt gedacht in der Märkte durch entwickelte Industriegesellschaften beherrscht werden und in diesem Sinne ist es eben nur begrenzt adaptionsfähig.
 
Auch die britischen Handelsgesellschaften, die mit den kolonialen Räumen verkehrten funktionierten für eine sehr lange Zeit nach dem Prinzip von Monopolgesellschaften, die je nach Zeitepoche und zurückzulegender Strecke nach Möglichkeit in Flottenverbänden fuhren. Aus genau diesen Gründen.


Naja, dann irgendwann "beherrschte" indigene Bevölkerung gab es ja durchaus auch in Nordamerika.
Ad 1: Im britischen Kolonialreich gab es eben keine königliche organisierte Flotte, die einmal im Jahr den Großteil des Handels zwischen Mutterland und Kolonien abwickelte. Das sehe ich als Hinweis darauf, dass im britischen Reich private wirtschaftliche Aktivitäten eine größere Rolle spielten als im spanischen. Auch wenn es sicher auch britische Geleitzüge gab.

Ad 2: In Nordamerika wurde die indigene Bevölkerung weniger unterworfen als verdrängt oder, muss ich wohl leider aussprechen, vernichtet.
 
Es gibt ein Haufen Länder die keinen oder nur geringe komparative Vorteile haben und grade bei den ärmsten Ländern der WElt ist es so, dass sie häufig die gleichen haben. Wie vielen Ländern haben die Wirtschaftsexperten raten, diese sollen lieber Kaffee, statt Grundnahrungsmittel anbauen, weil Grundnahrungsmittel können die hochsubventionierten und hochmechanisierten USA besser machen und der Kaffeepreis ist ja hoch.

Haiti ist ja voll auf dieser Schiene gefahren.

Als alle Länder umstellten, brach der Kaffeepreis ein, weil alle Kaffee produzieren wollten (okay jetzt ist er wieder relativ hoch). Ich bin ja gnädig und glaube die "Wirtschaftsexperten" glauben wirklich an ihre Theorien, mein Vater ist da radikaler und meint, es war volle Absicht, damit wir auch schön billigen Kaffee im Supermarkt haben.

Das komperative Vorteile durchaus Sinn machen können, will ich ja nicht bestreiten, aber so wie man dies denkt funktioniert es halt nicht und da hat Flassbeck Recht.

Vor allem Südamerika ist ja nicht bitterarm, sondern mittelentwickelt und zum großen Teil "in der Falle des mittleren Einkommens gefangen". Brasilien hat ja komparative Vorteile die es nutzt im Agrarsektor. Vom Fleck kommen sie jedenfalls nicht.


Als ich Deinen Kommentar durchlas, habe ich mich gefragt, ob ich darauf antworten soll.
Da er einerseits ein Thema aus der Volkswirtschaftslehre behandelt und wir hier in einen Geschichtsforum sind
und er andererseits ideologisch gefärbt ist.

Ich will es auch ganz kurz machen, da ich als Wirtschaftsingenieur selber kein Experte bin.
Der "Komparative Vorteil" ist ein Modell mit dem sich bestimmte volkswirtschaftliche Zusammenhänge erklären lassen.

Aber es ist ein Modell.
Modelle haben ja die Funktion, Zusammenhänge anschaulich darzustellen und erheben sicherlich keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit.
Ist so ähnlich wie mit den "Bohrschen Atommodell". Damit lässt sich in der Welt der Chemie vieles erklären, aber ab einen bestimmten Punkt kommt es an seinen Grenzen.

So ähnlich verhält es sich mit den 'Komparativen Vorteil" (das Modell wurde ja schon im Jahr 1817 entwickelt und ist somit schon fast so alt, wie die Dampfmaschine)
 
Ad 1: Im britischen Kolonialreich gab es eben keine königliche organisierte Flotte

Im spanischen Kolonialreich auch nicht. Was Spanien oder besser Kastilien betrifft, reglementierte den Verkehr mit den Amerikas die "Casa de Contratación", also durchaus nicht das Königshaus selbst.
Das Königshaus beteiligte sich zwar regelmäßig mit Kapital und Schiffen, stellte aber weder die gesamten Grundlagen, noch hatte es die vollständige administrative Kontrolle darüber.

Das ist im Grunde nicht so weit von den unter königlicher Schirmherschaft (und in Teilen mit königlicher Beteiligung) laufenden Monopol-Handelsgesellschaften in England weg.

Das sehe ich als Hinweis darauf, dass im britischen Reich private wirtschaftliche Aktivitäten eine größere Rolle spielten als im spanischen. Auch wenn es sicher auch britische Geleitzüge gab.

Das sehe ich nicht in dem Maße.
Letztendlich war sowohl in England, als auch in Spanien der Seeverkehr mit den Kolonien eine Kooperation von Krone und Privatleuten (Händler die Schiffe stellten, wie Investoren, die Kapital vorschossen) und wurde auch so gehandhabt.
In Kastillien war der Regulierungsmechanismus vielleicht etwas anders organisiert, aber so große Unterschiede sehe ich nicht.
 
Im spanischen Kolonialreich auch nicht. Was Spanien oder besser Kastilien betrifft, reglementierte den Verkehr mit den Amerikas die "Casa de Contratación", also durchaus nicht das Königshaus selbst.
Das Königshaus beteiligte sich zwar regelmäßig mit Kapital und Schiffen, stellte aber weder die gesamten Grundlagen, noch hatte es die vollständige administrative Kontrolle darüber.
Wikipedia schreibt:
The Casa de Contratación (Spanish pronunciation: [ˈkasa ðe kontɾataˈθjon], House of Trade) or Casa de la Contratación de las Indias ("House of Trade of the Indies") was established by the Crown of Castile, in 1503 in the port of Seville (and transferred to Cádiz in 1717) as a crown agency for the Spanish Empire. It functioned until 1790, when it was abolished in a government reorganization.
 
Als ich Deinen Kommentar durchlas, habe ich mich gefragt, ob ich darauf antworten soll.
Da er einerseits ein Thema aus der Volkswirtschaftslehre behandelt und wir hier in einen Geschichtsforum sind
und er andererseits ideologisch gefärbt ist.

Ich will es auch ganz kurz machen, da ich als Wirtschaftsingenieur selber kein Experte bin.
Der "Komparative Vorteil" ist ein Modell mit dem sich bestimmte volkswirtschaftliche Zusammenhänge erklären lassen.

Aber es ist ein Modell.
Modelle haben ja die Funktion, Zusammenhänge anschaulich darzustellen und erheben sicherlich keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit.
Ist so ähnlich wie mit den "Bohrschen Atommodell". Damit lässt sich in der Welt der Chemie vieles erklären, aber ab einen bestimmten Punkt kommt es an seinen Grenzen.

So ähnlich verhält es sich mit den 'Komparativen Vorteil" (das Modell wurde ja schon im Jahr 1817 entwickelt und ist somit schon fast so alt, wie die Dampfmaschine)

Naja würde man Entwicklungsländern nicht Anhand solcher Modelle Tipps geben und die funktionieren nicht, hätte ich gegen die Modelle ja kein Problem.

Fakt ist, wir geben den Entwicklungsländern ständig Tipps nach Modellen die Funktionieren und sagen auch, wenn ihr diese Modelle nicht macht, kriegt ihr keine Kredite oder schlimmer noch keine Entwicklungshilfe.

Hätten diese "Modelle" gemeinsam mit unfähigen Regierungen nicht so viel Leid zu verantworten und würden sich die Leute im Westen nicht wegen den Migranten aufregen, die unter anderem Dank solcher Modelle zu uns kommen, weil ihre Lebensgrundlage zerstört ist.

Würden solche Modelle in meinem Geburtsland Serbien und in ganz Osteuropa als "heiliger Gral" und "absolute dogmatische Gewissheit" verkauft werden, würde ich mich nicht aufregen.

Tun sie aber, deswegen rege ich mich auf.
 
Naja würde man Entwicklungsländern nicht Anhand solcher Modelle Tipps geben und die funktionieren nicht, hätte ich gegen die Modelle ja kein Problem.

Fakt ist, wir geben den Entwicklungsländern ständig Tipps nach Modellen die Funktionieren und sagen auch, wenn ihr diese Modelle nicht macht, kriegt ihr keine Kredite oder schlimmer noch keine Entwicklungshilfe.

Hätten diese "Modelle" gemeinsam mit unfähigen Regierungen nicht so viel Leid zu verantworten und würden sich die Leute im Westen nicht wegen den Migranten aufregen, die unter anderem Dank solcher Modelle zu uns kommen, weil ihre Lebensgrundlage zerstört ist.

Würden solche Modelle in meinem Geburtsland Serbien und in ganz Osteuropa als "heiliger Gral" und "absolute dogmatische Gewissheit" verkauft werden, würde ich mich nicht aufregen.

Tun sie aber, deswegen rege ich mich auf.

Na, das eine ist halt Volkswirtschaft.
Das andere halt Politik.

Und es ist ja kein Geheimnis, dass sich Politik "ihre Argumente" so zurecht legt, wie es ihnen passt.

In der Geschichte gibt es hierzu Tausende von Beispielen.
 
Wikipedia schreibt:
The Casa de Contratación (Spanish pronunciation: [ˈkasa ðe kontɾataˈθjon], House of Trade) or Casa de la Contratación de las Indias ("House of Trade of the Indies") was established by the Crown of Castile, in 1503 in the port of Seville (and transferred to Cádiz in 1717) as a crown agency for the Spanish Empire. It functioned until 1790, when it was abolished in a government reorganization.

Was jetzt inwiefern meinen Ausführungen wiederspricht?

Es war eine theoretisch der Krone unterstehende (durchaus de facto aber auch von anderen Seiten beeinflusste) Behörde und nicht die Krone selbst.

Und sie organisierte auch keine staatlichen Flotten, sondern sie kümmerte sich um Konzessionen für den Handel mit den Amerikas und um die Besteuerung von Gütern aus den Kolonien und Genehmigungen für Expeditionen etc.

Das funktionierte bei den Engländern und ihren Handelskompanien etwas anders, die neigten dazu nicht die eine Behörde mit diesen Aufgaben zu versehen.
De facto schufen sie dafür Monopol-Aktiengesellschaften, die in Teilen der Welt mit quasi-staatlichen Rechten ausgestattet wurden und durch Beteiligung der Krone oder entsprechende Gesetzesänderungen ebenso dem Einfluss des Staates unterlagen.
Es brauchte in 1858 nichts weiter als einer Hand voll gesetzlicher Erlasse um halb Indien von de facto Besitz der EIC in eine britische Kronkolonie zu verwandeln, so viel zu den Eingriffsmöglichkeiten des englischen/britischen Staates und seinem kolonialen Modell.

Es gab bei den kolonialen Unternehmungen dieser Zeit keine strikte Trennung zuwischen Handel und behördlichen Funktionen oder staatlichen Zugriffsmöglichkeiten.
Allenfalls waren die Mechanismen das zu managen etwas andere.
 
Es war eine theoretisch der Krone unterstehende (durchaus de facto aber auch von anderen Seiten beeinflusste) Behörde und nicht die Krone selbst.
Um das mal zu skizzieren: Hernán Cortés hatte sich ja von seinem Herrn, dem Statthalter von Kuba, Diego Velázquez de Cuéllar abgesetzt. Dieser war ein wankelmütiger Typ, der erst seinen Sekretär Cortés, dann einem Verwandten die Oberbefehl über die Truppe zur Bekämpfung der Yucateken hatte geben wollen. Cortés war offenbar selbstbewusst, selbstsüchtig und auch charismatisch genug, um sich nicht auf diese Weise ausbooten zu lassen und sammelte seine Truppen und Schiffe und kam den Boten des Statthalters meist zuvor oder konnte, auch wenn er ihnen nicht zuvor kam, die Soldaten unf Matrosen für sich gewinnen. Ähnlich scheint es ihm später, als ihm eine Truppe von Panfilio Narváez hinterhergeschickt worden war, die den Azteken deutlich machte, dass es Cortés an Rückhalt von seinem Herkunftsgebiet aus mangelte, ergangen zu sein, denn offensichtlich gelang es ihm noch während der Schlacht gegen Panfilio Narváez große Teile von dessen Truppen auf seine Seite zu ziehen. Weil der Bischof Juan Rodríguez de Fonseca der Casa de Contratación vorstand und ein Verbündeter von Velázquez war, versuchte Cortés die Casa de Contratación zu umgehen, und sich direkt an den König zu wenden. Der Vorwurf war immer auch, dass Fonseca sich das Geld selbst in die Tasche wirtschaftete.
 
Es brauchte in 1858 nichts weiter als einer Hand voll gesetzlicher Erlasse um halb Indien von de facto Besitz der EIC in eine britische Kronkolonie zu verwandeln, so viel zu den Eingriffsmöglichkeiten des englischen/britischen Staates und seinem kolonialen Modell.
Gerade dass bis Mitte des 19. Jahrhunderts das indische Kolonialreich in der Hand einer privaten Aktiengesellschaft war, zeigt doch besonders krass, wie viel Spielraum den privaten Unternehmern in England eingeräumt wurde, und eben nicht nur in einer frühen Phase der Okkupation.
Ganz allgemein gesprochen etablierte sich das privatkapitalistische System nun mal in Nordwesteuropa (und ein wenig später in den ehemalgen englischen Kolonien), nicht etwa in den iberischen Kolonialreichen, obwohl es da natürlich auch privates Unternehmertum gab.
Na ja, vielleicht sollte ich jetzt dazu nichts mehr sagen, denn das scheinen mir alles eher Binsenweisheiten zu sein, und so viel Detailwissen habe ich in Kolonialgeschichte nicht.
 
Gerade dass bis Mitte des 19. Jahrhunderts das indische Kolonialreich in der Hand einer privaten Aktiengesellschaft war, zeigt doch besonders krass, wie viel Spielraum den privaten Unternehmern in England eingeräumt wurde

Ja, dass tut es, allerdings nicht in dem Sinne, in dem du es herzureden versuchst.
Das waren doch keine Aktiengesellschaften im modernen Sinne.

Das waren:

1. Gesellschaften, die ein staatlich sanktioniertes und geschütztes Monopol genossen und verwalteten. Heißt an diesen Gesellschaften und ihren Statuten vorbei lief zumindest auf rechtlichem Wege nichts, also von wegen private Eigeninitiative.
2. In diesem Sinne hatten sie Mechanismen zur Preisregulierung inne, aus denen einzelne Händler nicht mal eben so ausscheren konnten.
3. Die Einfuhr nach England wurde über die "navigation acts" ebenfalls restriktiv reglementiert.
4. Die Monopolgesellschaften bekamen von der Krone in Teilen hoheitliche Rechte in Übersee eingeräumt. Diese Rechte waren ein Hebel für Monarchie/Staat/Parlament die Gesellschaften zu beeinflusssen, denn selbstrendend konnten diese Rechte auch eingeschränkt oder aufgehoben werden.
5. Der Begriff "Aktiengesellschaft" verdeckt hier schlicht und ergreifend, dass Krone und Staat an diesen mitunter beträchtliche Anteile halten und damit auch intern deren Politik weitgehend beeinflussen konnten.
 
Ad 1: Im britischen Kolonialreich gab es eben keine königliche organisierte Flotte, die einmal im Jahr den Großteil des Handels zwischen Mutterland und Kolonien abwickelte. Das sehe ich als Hinweis darauf, dass im britischen Reich private wirtschaftliche Aktivitäten eine größere Rolle spielten als im spanischen. Auch wenn es sicher auch britische Geleitzüge gab.

Zu Ad 1: Die HEIC, oder einfacher englische Ostindienkompanie, bildete sehr wohl Konvois, zum Teil von der Royal Navy geschützt, als auch von Kriegsschiffen der HEIC selbst. Und auch hier wurde lange Zeit nur eine Flotte nach Indien gesandt. Dieses Verfahren machen bei sehr teuren Gütern Sinn, zumal ab St. Helena das ausschließliche Gebiet der HEIC war, in dem kein anderer Handel treiben durfte.
Übrigens, die berühmte oder auch berüchtigte Bostoner Teaparty, wurde auf Schiffen der HEIC gemacht, da die HEIC das Teemonopol nicht nur für Großbritannien besaß, sondern auch für die anderen Britischen Kolonien.
 
Warum entwickelten sich Nord- und Südamerika so unterschiedlich

@Little_Tiger, ich versuch mal das so wie ich es bisher versteh:
Die Eroberung der Karibik, von Mittel- und Südamerika erfolgte früher und war auf einen Raub konzentriert, der zunehmend erfolgreich wurde. Dies war stark begünstigt durch die verheerende Wirkung von Europa eingeschleppten Seuchen, gegen die die einfallenden Europäer selbst eine gute Grundimmunität hatten.

Doch erreichten diese Seuchen, z. B. durch ausgewilderte Schweine, Nordamerika noch vor den europäischen Kolonisten. (Ebenso übrigens wie das Pferd. Der „Indianer“ war ein Fußgänger.)
Die Eroberung Nordamerikas war stark auf Siedler bezogen, die nicht nach schnellem Reichtum suchten, sondern den Aufbau einer unabhängigen Existenz. Sie stießen in ein Land vor, das von europäischen Seuchen bereits entvölkert wurde, noch bevor sie ankamen. Und in ein Land auf das nicht hoch gewettet wurde an den bereits vorhandenen Börsen des aufkommenden Raubtierkapitalismus.
Noch während des, schließlich verlorenen, Kriegs Großbritanniens gegen die entstehenden USA, wird den Zuckerinseln der Karibik tendenziell ein höherer Wert zugemessen als den weiten Landflächen Nordamerikas.

Ich würde den wesentlichen Unterschied hier vermuten:
Mittel- und Südamerika waren Objekte der schnellen Ausbeutung, und Nordamerika der Besiedlung durch Aufbauwillige, die nicht von der Gier nach dem schnellen Erfolg getrieben wurden, sondern Land suchten das sie ernährte.

Dazu interessant:
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