Warum kam es zu keiner Gebietsreform im HRR?

Griffel

Mitglied
Ich möchte mal über die oben genannte Frage sprechen! Wir alle wissen ja, dass das HRR, ein ziemlicher "Fleckenteppich" war.:eek:

Da fragt man sich doch, warum es im Laufe der Jahre nach 1648, nicht zu einer Art Flurbereinigung unter den deutschen Staaten gekommen ist? Neben großen Herrschaften, wie Bayern, Württemberg, Hannover und Preußen, gab es noch eine Menge kleiner Gebiete, kaum lebensfähig waren.

Die dortigen Adelsfamilien, so man sie als solche bezeichnen will, unterschied in Wirklichkeit nicht viel von ihren bürgerlichen Untertanen. Da wäre es doch naheliegend, anstatt Kriege zu führen, die kleineren Herrschaften, einfach aufzukaufen. Zumal ja sowieso nicht alle Adelssprösslinge versorgt werden konnten. Daher kam ja die Sitte, die Zweit und Drittgeborenen usw. zu verheiraten, damit man sie aus dem Hause hatte. Was nicht immer gelang. Alternativen waren ja nicht selten die Geistlichkeit oder das Militär.

Der gute Friedrich von Preußen pflegte ja auch nicht gerade freundlich über seine ärmeren Nachbarn zu sprechen!:cool: So bezeichnete er ja die Bewohner des Herzogtums Strelitz, wenig freundlich als Mirokesen.
Ich freue mich auf eure Beiträge.
 
Da fragt man sich doch, warum es im Laufe der Jahre nach 1648, nicht zu einer Art Flurbereinigung unter den deutschen Staaten gekommen ist?

Ist es doch, es hat dazu nur eine Zeitlang gedauert, denn dazu brauchte es einen Napoleon.

Was es nicht gab, war innerhalb des Heiligen Römischen Reiches einen Diktator gab, der durch offenem Rechtsbruch oder über eine Art "Ermächtigungsgesetz" so etwas hätte durchziehen können.
 
Wir alle wissen ja, dass das HRR, ein ziemlicher "Fleckenteppich" war. Da fragt man sich doch, warum es im Laufe der Jahre nach 1648, nicht zu einer Art Flurbereinigung unter den deutschen Staaten gekommen ist?
Dazu kam es doch. 1803 wurde unter der Ägide Napoleons der Reichsedeputationshauptschluß durchgeführt. Kleinere und kleinste deutsche Staaten wurden größeren angeschlossen (Mediatisierung); geistliche Herrschaften wurden aufgelöst (Säkularisation). Dies war so ziemlich die letzte gesetzliche Maßnahme im HRR, bevor es 1806 aufgelöst wurde.
 
Das hätte zumindest das Verwalten einfacher gemacht.
Preußen, war ja auch jahrelang kein zusammenhängendes Territorium. Die Kleinstaaterei trieb schon seltsame Blüten.
Da wundert es nicht, dass Länder wie Frankreich und England, in vielem weit voraus waren.
 
Ich möchte mal über die oben genannte Frage sprechen! Wir alle wissen ja, dass das HRR, ein ziemlicher "Fleckenteppich" war.:eek:

Da fragt man sich doch, warum es im Laufe der Jahre nach 1648, nicht zu einer Art Flurbereinigung unter den deutschen Staaten gekommen ist? Neben großen Herrschaften, wie Bayern, Württemberg, Hannover und Preußen, gab es noch eine Menge kleiner Gebiete, kaum lebensfähig waren.

Die dortigen Adelsfamilien, so man sie als solche bezeichnen will, unterschied in Wirklichkeit nicht viel von ihren bürgerlichen Untertanen. Da wäre es doch naheliegend, anstatt Kriege zu führen, die kleineren Herrschaften, einfach aufzukaufen. Zumal ja sowieso nicht alle Adelssprösslinge versorgt werden konnten. Daher kam ja die Sitte, die Zweit und Drittgeborenen usw. zu verheiraten, damit man sie aus dem Hause hatte. Was nicht immer gelang. Alternativen waren ja nicht selten die Geistlichkeit oder das Militär.

Der gute Friedrich von Preußen pflegte ja auch nicht gerade freundlich über seine ärmeren Nachbarn zu sprechen!:cool: So bezeichnete er ja die Bewohner des Herzogtums Strelitz, wenig freundlich als Mirokesen.
Ich freue mich auf eure Beiträge.

Das ist ja teilweise auch geschehen. Karl Alexander der letzte Markgraf von Ansbach-Bayreuth trat 1792 gegen Zahlung einer Leibrente sein Fürstentum an Preußen ab.

Friedrich August von Anhalt-Zerbst war der Bruder der großen Katherina, regierte aber nur über gut 15 Quadratmeilen. Er soll sich den Tod der französischen Monarchen so zu Herzen genommen haben, dass er aufhörte Nahrung aufzunehmen. Nach seinem Tod 1793 wurde das Fürstentum zwischen den Nachbarn Anhalt-Dessau, Anhalt-Bernburg und Anhalt-Köthen aufgeteilt.


Im Südwesten Deutschlands war die Zersplitterung am größten. Manche von den "kleineren Herrschaften" wie Waldburg-Zeil oder Thurn und Taxis verfügten über ausgedehnten Grundbesitz und auch über erhebliche Einkünfte, die kauften die Wittelsbacher oder Habsburger mit meist maroden Finanzen nicht so leicht auf.
 
Das hätte zumindest das Verwalten einfacher gemacht.
Preußen, war ja auch jahrelang kein zusammenhängendes Territorium. Die Kleinstaaterei trieb schon seltsame Blüten.
Da wundert es nicht, dass Länder wie Frankreich und England, in vielem weit voraus waren.

Das Heilige Römische Reich existierte noch, da war die viel bewunderte und oft nachgeahmte französische Monarchie samt dem Hof von Versailles bereits Geschichte.
 
Nicht übersehen sollte man auch, dass es nicht nur zu Zersplitterungen kam, sondern (etwa auf dem Erbwege) immer wieder auch zu Wiedervereinigungen, etwa im Fall Bayerns, das im Hoch- und Spätmittelalter mehrmals geteilt und in der frühen Neuzeit wiedervereinigt wurde. Auch die habsburgischen Besitzungen wurden mehrmals zwischen verschiedenen Linien geteilt und kamen im 17. Jhdt. wieder in eine Hand. Bereits Ende des 12. Jhdts. endete die zeitweise Zersplitterung Mährens.
 
Etliche der kleineren Reichsstände waren ja auch Freie Reichsstädte, die man nicht einfach aufkaufen konnte, da sie ja keinen Besitzer im eigentlichen Sinne hatte, auch wenn eine Freie Reichstadt auch in Abhängigkeit zu einem Landesherrn geraten konnte. Die geistlichen Territorien konnte man auch nicht einfach aufkaufen.

Die Könige bzw. Kaiser hatten auch ein Interesse daran, dass die kleineren Territorien wie die der Reichsritter und die Freien Reichstädte erhalten blieben, da diese eher eine Stütze des Reichs waren und die Kaiser kein Interesse daran hatten, dass einzelne andere Reichsfürsten zu viel Macht erhielten.
 
Das Heilige Römische Reich existierte noch, da war die viel bewunderte und oft nachgeahmte französische Monarchie samt dem Hof von Versailles bereits Geschichte.
Ja, aber weil sich die Gesellschaft in Frankreich weiterentwickeln konnte und sich dann die Staatsform suchte, die besser zu ihr passte.
Das Deutsche Reich war schon etwas faszinierend Absurdes, und ich denke das war im 18. Jahrhundert auch vielen Zeitgenossen bewusst. Eigentlich könnte man mal untersuchen, ob sich Gebiete besser entwickelten, wenn sie durch den Zufall des Erbgangs in größere Einheiten aufgingen, vielleicht wurde das auch schon gemacht.
Ich weiß nicht, warum Griffel das Thema aufgebracht hat, aber ich muss dabei an den verrückt-gefährlichen dreizehnten Reuß denken, der gehört ja zu einer Reichsfürsten-Familie, die sogar noch bis 1918 in ihren winzigen Territorien "regieren" konnte. Ihr Geraer Schloss, von dem nur der Bergfried den Zweiten Weltkrieg und die SED-Herrschaft überstanden hat, stelle ich mir ein bisschen vor wie das in Kafkas Roman.
 
Die dortigen Adelsfamilien, so man sie als solche bezeichnen will, unterschied in Wirklichkeit nicht viel von ihren bürgerlichen Untertanen. Da wäre es doch naheliegend, anstatt Kriege zu führen, die kleineren Herrschaften, einfach aufzukaufen

Und warum hätten die sich ihre Kleinst-Reiche einfach abkaufen lassen sollen? Welches Interesse hätten sie daran haben können?
Die Vorstellung dass sie nicht allzuviel von ihren Untertanen unterschieden hätte ist Unfug.

Die Herrschaften hatten einen herausgehobenen sozialen Stand, konnten von ihren Untertanen Abgaben erheben, Gesetze erlassen, Recht sprechen, waren selbst von fast sämtlichen Steuern und Abgaben befreit, ihr Stand gab ihnen die Möglichkeit zu ämtern zu kommen, die jedem gemeinen Untertanen verwehrt waren, sie hatten als Landesherren das Recht Untertanen in den Adelsstand zu erheben (und sich das entsprechend bezahlen zu lassen) etc. etc.

Warum genau hätten die entsprechenden Herrschaften das aufgeben sollen? Denn sie hätten es aufgegeben, wenn sie das Stück Land, an dessen Besitz alle diese Privilegien gebunden waren einfach veräußert hätten.

Verkauf machte in der Regel nur dann Sinn wenn es sich einfach um ein ererbtes Stück Land handelte, dass nicht wirklich gut zum übrigen Besitzkomplex passte oder wenn hoffnungslose Überschuldung das notwendig machte.


Ein Großteil der territorialen zersplitterung geht auf die Territorien freier Städte, geistliche Herrschaften etc. zurück, die ohnedies nicht so ohne weiteres aufgekauft werden konnten.
Ansonsten konnten darüber hinaus noch innerdynastische Hausgesetze eine Teilung oder einen Verkauf eines Territoriums verbieten oder dem inzwischen eigengangene Lehensverhältnisse gegenüber einem mächtigeren anderen Herren entgegenstehen.
 
Ich möchte mal über die oben genannte Frage sprechen! Wir alle wissen ja, dass das HRR, ein ziemlicher "Fleckenteppich" war.:eek:

Da fragt man sich doch, warum es im Laufe der Jahre nach 1648, nicht zu einer Art Flurbereinigung unter den deutschen Staaten gekommen ist? Neben großen Herrschaften, wie Bayern, Württemberg, Hannover und Preußen, gab es noch eine Menge kleiner Gebiete, kaum lebensfähig waren.

Die dortigen Adelsfamilien, so man sie als solche bezeichnen will, unterschied in Wirklichkeit nicht viel von ihren bürgerlichen Untertanen. Da wäre es doch naheliegend, anstatt Kriege zu führen, die kleineren Herrschaften, einfach aufzukaufen. Zumal ja sowieso nicht alle Adelssprösslinge versorgt werden konnten. Daher kam ja die Sitte, die Zweit und Drittgeborenen usw. zu verheiraten, damit man sie aus dem Hause hatte. Was nicht immer gelang. Alternativen waren ja nicht selten die Geistlichkeit oder das Militär.

Der gute Friedrich von Preußen pflegte ja auch nicht gerade freundlich über seine ärmeren Nachbarn zu sprechen!:cool: So bezeichnete er ja die Bewohner des Herzogtums Strelitz, wenig freundlich als Mirokesen.
Ich freue mich auf eure Beiträge.

Das hätte zumindest das Verwalten einfacher gemacht.
Preußen, war ja auch jahrelang kein zusammenhängendes Territorium. Die Kleinstaaterei trieb schon seltsame Blüten.
Da wundert es nicht, dass Länder wie Frankreich und England, in vielem weit voraus waren.

Es haben verschiedene Diskussionsteilnehmer schon darauf verwiesen, dass mit dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803, in dem die zuvor selbstständigen, reichsunmittelbaren geistlichen Territorien säkularisiert und die der Reichsritter, Reichsfreiherrn und Reichsgrafen mediatisiert und von den größeren Territorialstaaten annektiert wurden.

In bescheidenerem Umfang hatte es solche "Abrundungen" auch schon früher gegeben durch Auflösung geistlicher Herrschaften, seltener tatsächlich auch dadurch, dass Fürsten wie Karl Alexander von Ansbach oder Friedrich August von Anhalt-Zerbst ihre Herrschaftsrechte gegen Apanagen abtraten. So etwas war schon möglich, aber nur, wenn ein solcher Fürst sich mehr oder weniger freiwillig dazu entschloss. Oft spielten dabei erhebliche Schulden und Amtsmüdigkeit eine Rolle.

Es haben aber schon andere darauf hingewiesen, dass es eben wenig Anreiz gab, solche Herrschaftsrechte zu verkaufen, da damit erhebliche Vorteile und Privilegien verbunden waren: das Recht, Steuern und Abgaben einzuziehen, das Privileg der Steuerfreiheit, die Gerichtsbarkeit, das Marktrecht, Jagd- und Fischereirechte, teilweise auch das Recht, unehelich Geborene zu legitimieren und viele andere Privilegien, die mit handfesten politischen und wirtschaftlichen Vorteilen verbunden waren. Solange ein Territorialherr nicht völlig überschuldet und amtsmüde war, fehlte jeglicher Anreiz, auf solche Herrschaftsrechte und Privilegien zu verzichten.

Aber auch die Kaiser konnten kein Interesse an einer solchen Flurbereinigung im Heiligen Römischen Reich haben, die nur auf Kosten der Reichsritter, Reichsfreiherren und Reichsgrafen geschehen konnte. Der Kaiser in Wien war schon ein mächtiger Mann, seit dem Spätmittelalter ein Mitglied des Hauses Habsburg. Ihre Macht in Europa und im Reich verdankten sie aber ihrer Hausmacht in ihren eigenen Territorien, die wiederum zum großen Teil außerhalb des Reiches lagen. Im Reich selbst, war die Macht des Kaisers beschränkt. Die Reichsfreiherren, Reichsgrafen und Reichsritter waren dem Kaisertum verbunden, viele von ihnen standen in kaiserlichen Diensten als Offiziere und höhere Beamte, waren teilweise von Hofdiensten abhängig und daher im Großen und Ganzen loyal gegenüber der kaiserlichen Politik.

Die reichsunmittelbaren Territorien der Reichsritter, Reichsgrafen und Reichsfreiherren zu mediatisieren und sie den Flächenstaaten im Süden des Reiches, also dem Kurfürstentum Bayern, dem Herzogtum Württemberg dem Herzogtum Baden zuzuschlagen, musste die Macht der Reichsfürsten stärken und die des Kaisers schmälern. Das war ein agieren gegen eigene Interessen, und deshalb unterblieb es eben auch.

Kaiser Franz II. hat mehrfach gegen die Mediatisierung des Reichsdeputationshauptschluss protestiert.

Das Heilige Römische Reich war ein Staatenbund aus Territorien, die sich in Konfession, Staatsform, Wirtschaft sehr stark voneinander unterschieden. Da gab es absolutistische Monarchien, geistliche und weltliche Herrschaften, Freie Reichstädte und Stadtrepubliken wie Hamburg. Es gab keine schriftlich fixierte Reichsverfassung. Das Reich wurde auf der Basis von tradiertem Gewohnheitsrecht regiert. Eine Flurbereinigung, die wie der Reichsdeputationshauptschluss einen radikalen Bruch mit alten Herrschaftstraditionen bedeutete, drohte das fein austarierte System im Reich zu sprengen.

Der Staatsrechtslehrer Samuel Pufendorf veröffentlichte 1667 unter dem Pseudonym Monzabanus über die Verfassung des Heiligen Römischen Reiches (De Statu imperii germanici-Über die Verfassung des Deutschen Reichs eine Streitschrift, in der er das Reich bezeichnet als irregulärer und monströser Körper: irregulare aliquod corpus et monstro simile und eine ziemlich unglückliche Mischung aus Monarchie und Staatenbund.
 
Aber auch die Kaiser konnten kein Interesse an einer solchen Flurbereinigung im Heiligen Römischen Reich haben, die nur auf Kosten der Reichsritter, Reichsfreiherren und Reichsgrafen geschehen konnte

Wobei, was hier vielleicht nicht ganz unerwähnt bleiben sollte, ja gerade auch von Kaiserlicher Seite mit der Reichskreisordnung der Versuch einer etwas anders gearteten "Flurbereinigung" einherging.

Reichskreis – Wikipedia

Damit war zwar die Kleinstaaterei nicht aufgehoben, aber es wurden doch Regionalstrukturen und - Ordnungen geschaffen, die einzelne Räume innerhalb des Reiches ein Stück weit homogenisierten und mit Institutionen versahen ihre inneren Probleme unterhalbt der Reichsebene selbst zu regeln.

Diese Reform geht mir bei dem Verweis auf den "irrationalen Flickenteppich" manchmal etwas zu sehr unter.
 
Ich möchte mal über die oben genannte Frage sprechen! Wir alle wissen ja, dass das HRR, ein ziemlicher "Fleckenteppich" war.:eek:

Da fragt man sich doch, warum es im Laufe der Jahre nach 1648, nicht zu einer Art Flurbereinigung unter den deutschen Staaten gekommen ist? Neben großen Herrschaften, wie Bayern, Württemberg, Hannover und Preußen, gab es noch eine Menge kleiner Gebiete, kaum lebensfähig waren.

Da wäre es doch naheliegend, anstatt Kriege zu führen, die kleineren Herrschaften, einfach aufzukaufen.

Da hätte 1. Zuerst mal überhaupt die Bereitschaft da sein müssen, Herrschaftsrechte zu verkaufen. Das waren doch recht attraktive Privilegien: Steuerfreiheit, Marktrecht, Jagd- und Fischereirechte, Bergwerksrechte u. v. a. Die Reichsritter gehörten nur zum niederen Adel, nicht zum Hochadel und auch nicht zum Reichsfürstenkollegium, sich diese Familien aber als bedürftig vorzustellen und anzunehmen, dass sich ihr Lebensstandard kaum von dem Bürgerlicher unterschieden habe, geht aber an der Realität vorbei.

Im Südwesten war das Heilige Römische Reich am stärksten zersplittert, und es gab dort mehrere Hundert reichsunmmittelbare, selbstständige Territorien von Reichsrittern, Reichsfreiherren und Reichsgrafen, deren Forderungen, wenn sie denn überhaupt bereit gewesen wären, Herrschaftsrechte abzutreten, gewiss nicht gerade bescheiden gewesen wären.
 
Mir ging es speziell darum, dass durch die ungeheure Unordnung im Reich, eine effektive Entwicklung, massiv behindert wurde!

Nehmen wir nur einmal die Rechtsseite. Also das Justizwesen. Durch die vielen Gebiete und Herrschaften, war es praktisch unmöglich, ein einheitliches Recht zu schaffen bzw. das, was es an sogenanntem Reichsrecht gab, durchzusetzen. Auch für die Innerdeutsche Entwicklung, war die Zersplitterung, das pure Gift! Man denke nur an den Handel. Es gab eine Unzahl von Zoll und Mautstationen. Auch ein einheitliches Gewicht und Maßsystem wurde ja in Deutschland erst Ende des 19. Jahrhunderts eingeführt.:rolleyes:

Da hatten es Länder wie Frankreich und England schon wesentlich besser. Natürlich, kann man die damaligen Rechtsordnungen nicht mit heute vergleichen! Aber nehmen wir nun doch nur einmal an:
Eine größere Bankgesellschaft xY, überlegt, wo sie das Geld der Eigner am besten anlegt! In einem Staat, der ein einheitliches geografisches Gebilde ist. Indem es ein einheitliches Rechtssystem gibt und das eine professionelle Verwaltung hat.

Oder!

In einem Konglomerat von Staaten, in welchen zig unterschiedliche Rechtsverordnungen bestehen.

Wie würde sich wohl heute eine große Bank entscheiden!?
Man muss ja nicht gleich von einem Nationalstaat à la England ausgehen. Ein föderalistischer Staat, mit 7 oder 8 Herzogtümern oder Herrschaften, wäre ja schon ein Fortschritt gewesen. Auf diesem Wege, hätte man auch wirklich überstaatliche Strukturen schaffen könne, die etwas getaugt hätten. Es gab zwar das Reichskammergericht, aber das war, soweit ich weiß, weitestgehend wirkungslos.
https://de.wikipedia.org/wiki/Reichskammergericht
 
Es war aber mitnichten so, dass es im 17./18. Jhdt. in allen anderen europäischen Staaten einheitliche Rechtsordnungen und einheitliche Justiz- und Verwaltungssysteme gegeben hätte. Frankreich etwa war von einem Dickicht sich überschneidender (und teilweise konkurrierender) gesamtstaatlicher und regionaler Behörden und Zuständigkeiten überzogen. Reformversuche führten in der Regel dazu, dass alles noch umständlicher wurde. Eine einheitliche gesamtstaatliche Rechtsordnung gab es vor dem Code civil ebensowenig.
Auch andere Staaten hatten mit einem Wust überkommener Rechte, Zuständigkeiten und Privilegien zu kämpfen.
 
Da hatten es Länder wie Frankreich und England schon wesentlich besser.

Inwiefern hatten sie das besser? Gerade im Hinblick auf das Rechtssystem war das Frankreich des "Ancien Régime" alles andere als zentralisiert.
Da gingen regionale Rechtsgepflogenheiten durcheinander, es gab Steuerprivilegien für einzelne Provinzen und Gesetze mussten von den "Parlaments" der einzigen Provinzen angenommen und registriert werden, wogegen sie sich mitunter massiv sträubten und was sie in gewissen Rahmen auch zurückweisen konnten.

Der König konnte die Registrierung von Gesetzesänderungen in den Provinzen durch ein letztinstanzliches Prozedere ("lit de justice" genannt) zwar erzwingen, bis es dazu kam konnte es aber durchaus dauern und es wurde auch recht selten zu dieser Maßnahme gegriffen, so das die Rechtsverhältnisse trotz königlicher Gesetzgebung in den einzelnen Provinzen sehr verschieden sein konnten, je nachdem, wie geneigt die gerade waren neue Gesetze zu akzeptieren.

Und natürlich gab es vor der Französischen Revolution noch das parallele Rechtssystem der katholischen Geistlichkeit.
Seit dem Wiederruf des Edikts von Nantes durch Louis VIX, war die katholische Kirche in Frankreich de facto Staatskirche geworden, was ihr ganz andere Möglichkeiten gab Angriffe auf die überkommenen kirchlichen Privilegien und kirchenrrechtlichen Traditionen abzuwehren, als in den Deutschen Landen, in denen die Reformation die Autorität der katholischen Kirche weitgehend gebrochen und mit den protestantischen Kirchen eine Konkurrenz geschaffen hatte.

In "England" mag es etwas einheitlicher zugegangen sein, wohlbemerkt in England, nicht aber in Wales, Schottland und Irland.
Wales wurde im Laufe der Zeit sicher weitgehend den englischen Verhältnissen angeglichen aber bis Irland und Schottland ebenfalls einer einigermaßen einheitlichen Gesetzgebung unterlagen, dauerte es bis ins 19. Jahrhundert und da haben wir über die überseeischen Besitzungen und deren Rechtsstatus noch gar nicht gesprochen.
England allein mag rechtlich homogener gewesen sein, stellte allerdings auch einen wesentlich kleineren Raum dar, als das Heilige Römische Reich.

Innerhalb des Heiligen Römischen Reiches gab es zwar diverse kleinere Territorien und die Landesherren hatten die Möglichkeit eigene Gesetze zu erlassen, das bedeutet aber nicht, dass es nicht innerhalb des Reiches auch regionale Rechtstraditionen gab, die dafür sorgten, dass die Gesetzgebung im Großen und ganzen innerhlab einer Region ähnlich blieb.
Es gab ja seit dem Mittelalter auch im Heiligen Römischen Reich durchaus versuche regionaler Rechtskodifikationen wie den "Sachsenspiegel" oder den "Schwabenspiegel", und das blieb für die einzelnen Regionen über die Grenzen der Kleinstaaterei hinaus nicht ohne Folgen.

bzw. das, was es an sogenanntem Reichsrecht gab, durchzusetzen.

Um das durchzusetzen gab es die Reichskreise und die Kreisobristen.
Die Durchsetzung von Reichsrecht, wenn dagegen verstoßen wurde konnte der Kaiser durchaus an den regionalen Kreisobristen delegieren und diesem mit der Exekution beauftragen, so das Einrichtungen wie die Reichsacht durchaus keine reinen Papiertiger waren.

Ansonsten hatten es wie gesagt auch die französischen Könige etwa nicht so einfach mit widerspenstigen Provinzen etc. fertig zu werden. Das war auch dort durchaus kein Selbstläufer.

Es gab eine Unzahl von Zoll und Mautstationen.

Die gab es aber auch im Frankreich des "Ancien Régime", schon deswegen weil Pflege und Erhalt der Straßen sehr häufig regionale Angelegenheiten waren, die nicht aus der Staatskasse finanziert wurden und in Teilen auch, weil die französische Monarchie aus ihren notorischen Finanzproblemen heraus immer wieder Rechte und Ämter verkaufte, darunter mitunter auch die Zuständigkeit bestimmte königliche Straßen instand zu halten, und dafür Wegzölle einzuziehen, etc.

Wegzölle, Brückenzölle etc. vielen erst in dem Moment weg, in dem die Pflege des Straßensystems zu einer staatlichen Aufgabe wurde und die dafür benötigten Mittel aus der regulären Besteuerung aufgebracht wurden.

Das war zur Zeit der "Ancien Régime" nicht oder nur teilweise der Fall.
Im Gegensatz zum Heiligen Römischen Reich waren, diejenigen an die diese Gebühren fielen zwar keine eigenen Landesherren mehr, gezahlt werden mussten sie aber doch.

Auch bedeutete die weitgehende territoriale Einheit Frankreichs durchaus nicht, dass da in irgendeiner Form freie Marktwirtschaft geherrscht hätte.
Zunft- und Handelsprivilegien und entsprechende Ein- und Ausfuhrhindernisse gab es auch dort.

In Großbritannien sah das auch nur bedingt anders aus.

Schau dir mal die "Navigation Acts" und die diversen Monopolhandelsgesellschaften dort an.
Da waren die Hindernisse, gerade für auswärtige Händler mitunter viel restriktiver, als das in den meisten deutschen Ländern der Fall war.
 
Mir ging es speziell darum, dass durch die ungeheure Unordnung im Reich, eine effektive Entwicklung, massiv behindert wurde!

Nehmen wir nur einmal die Rechtsseite. Also das Justizwesen. Durch die vielen Gebiete und Herrschaften, war es praktisch unmöglich, ein einheitliches Recht zu schaffen bzw. das, was es an sogenanntem Reichsrecht gab, durchzusetzen. Auch für die Innerdeutsche Entwicklung, war die Zersplitterung, das pure Gift! Man denke nur an den Handel. Es gab eine Unzahl von Zoll und Mautstationen. Auch ein einheitliches Gewicht und Maßsystem wurde ja in Deutschland erst Ende des 19. Jahrhunderts eingeführt.:rolleyes:

Da hatten es Länder wie Frankreich und England schon wesentlich besser. Natürlich, kann man die damaligen Rechtsordnungen nicht mit heute vergleichen! Aber nehmen wir nun doch nur einmal an:
Eine größere Bankgesellschaft xY, überlegt, wo sie das Geld der Eigner am besten anlegt! In einem Staat, der ein einheitliches geografisches Gebilde ist. Indem es ein einheitliches Rechtssystem gibt und das eine professionelle Verwaltung hat.

Auf dem Gebiet des Rechtswesens gab es tatsächlich große Probleme, die aus der "Kleinstaaterei" resultierten.
Das zeigte sich vor allem auf dem Gebiet der Kriminalitäsbekämpfung.
Das Problem war aber nicht, dass es kein einheitliches (Straf)recht gegeben hätte. Bis zu den Justizreformen in der "Franzosenzeit" war in den meisten deutschen Ländern die Constitutio Criminalis Carolina, die alte "Halsgerichtsordnung" Karl V. gültig, die man immer den Umständen angepasst hatte.

Nicht das uneinheitliche Recht war das Problem, sondern, dass man Räuber und Gauner nicht über die Landesgrenzen verfolgen konnte, dass es enorm schwierig war, so etwas wie eine koordinierte Verfolgung zu organisieren. So etwas setzte eine umfangreiche Korrespondenz mit den Nachbarn voraus. Es war kein Zufall, dass Räuberbanden besonders häufig auftraten im Südwesten des Reiches, wo es Hunderte von Territorien gab. Räuber wie Mathias Klostermayer, alias der Bayrische Hiesel zogen sich gerne in die Territorien der Reichsritter zurück, da man sie dorthin nicht verfolgen konnte. Auch die Organisation einer Gendarmerie ließ zu wünschen übrig. Das Justizpersonal war schlecht ausgebildet, unterbezahlt und wenig motiviert. Der Amtmann Schäffer aus Sulz hatte im 18. Jahrhundert mehrere Banditen wie den Konstanzer Hans festnehmen können. Trotz spektakulärer Erfolge auf dem Gebiet der Bandenbekämpfung machte man ihm Vorwürfe wegen hoher Kosten und unterstellte ihm, die Bandenbekämpfung sei ein Lieblingsprojekt von ihm, wegen dem er andere Amtsgeschäfte vernachlässigte.

Andererseits waren die kleinen, reichsunmittelbaren Territorien aber auch so etwas wie eine Freistatt, ein Asyl für Juden, Zigeuner oder Vaganten, die sich keinen Schutzbrief leisten konnten, die in anderen Territorien keinem legalem Gewerbe nachgehen durften, die nirgends geduldet wurden. Manchen Territorialherren war es egal, wen sie duldeten, solange der Geduldete für Schutz bezahlte. Was die Kriminalitätsrate betraf, so gehörten Ortschaften, die "kochem" waren zu den friedlichsten Gegenden, denn es war ein Grundsatz der Rotwelschen, niemals am eigenen Wohnort Straftaten zu begehen.


Um noch einmal auf GB zurückzukommen, so habe ich schon in einem anderen Thread (Unterforum Absolutismus und Aufklärung Warum gab es keine Doppeleffekte?) darauf hingewiesen, dass die britische Justiz des 18. und frühen 19. Jahrhunderts extrem drakonisch war. Es wurden auch Bagatelldelikte, kleinste Diebstähle, selbst Mundraub mit der Todesstrafe- seit dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts auch mit Verbannung-geahndet. Auch Frauen, Minderjährige und Geisteskranke wurden wegen Bagatelldiebstählen gehängt. Das waren in den Territorien des Heiligen Römischen Reiches doch extrem seltene Ausnahmen. Auch in Frankreich und GB war die Kriminalitätsrate sehr hoch, Highwaymen und Räuber wie Dick Turpin oder Cartouche fanden auch in Frankreich und GB ein Aktionsfeld.
 
Mir ging es speziell darum, dass durch die ungeheure Unordnung im Reich, eine effektive Entwicklung, massiv behindert wurde!

Nehmen wir nur einmal die Rechtsseite. Also das Justizwesen. Durch die vielen Gebiete und Herrschaften, war es praktisch unmöglich, ein einheitliches Recht zu schaffen bzw. das, was es an sogenanntem Reichsrecht gab, durchzusetzen. Auch für die Innerdeutsche Entwicklung, war die Zersplitterung, das pure Gift! Man denke nur an den Handel. Es gab eine Unzahl von Zoll und Mautstationen. Auch ein einheitliches Gewicht und Maßsystem wurde ja in Deutschland erst Ende des 19. Jahrhunderts eingeführt.:rolleyes:

Da hatten es Länder wie Frankreich und England schon wesentlich besser. Natürlich, kann man die damaligen Rechtsordnungen nicht mit heute vergleichen! Aber nehmen wir nun doch nur einmal an:
Eine größere Bankgesellschaft xY, überlegt, wo sie das Geld der Eigner am besten anlegt! In einem Staat, der ein einheitliches geografisches Gebilde ist. Indem es ein einheitliches Rechtssystem gibt und das eine professionelle Verwaltung hat.

Oder!

In einem Konglomerat von Staaten, in welchen zig unterschiedliche Rechtsverordnungen bestehen.

Wie würde sich wohl heute eine große Bank entscheiden!?
Man muss ja nicht gleich von einem Nationalstaat à la England ausgehen. Ein föderalistischer Staat, mit 7 oder 8 Herzogtümern oder Herrschaften, wäre ja schon ein Fortschritt gewesen. Auf diesem Wege, hätte man auch wirklich überstaatliche Strukturen schaffen könne, die etwas getaugt hätten. Es gab zwar das Reichskammergericht, aber das war, soweit ich weiß, weitestgehend wirkungslos.
https://de.wikipedia.org/wiki/Reichskammergericht

Weder GB noch Frankreich waren Nationalstaaten. Im Laufe der Zeit entwickelten die Bewohner der britischen Inseln so etwas wie ein Bewusstsein als Briten, GB hat aber im 17. und 18. Jahrhundert große Verwerfungen durch die Jakobitenkriege erlebt, die wie der Nordirland-Konflikt Auswirkungen bis in die Gegenwart hatten. In Schottland und Irland waren zahlreiche Jakobiten deportiert worden nach Westindien, in Irland und Schottland wurde mancherorts verboten Gälisch zu sprechen und die überlieferte Kultur zu pflegen. Irland verlor während der Great Famine fast die Hälfte seiner Bevölkerung durch Tod und Auswanderung. Die Hungerkatastrophe war auch auf die Agrarstruktur und die Herrschaftsverhältnisse zurückzuführen.

In Frankreich gab es eine Menge Landstriche wo mehrheitlich Deutsch, Italienisch, Niederländisch, Baskisch oder Katalanisch gesprochen wurde. Napoleon Bonarpartes Heimat Korsika war erst zwei Jahre vor seiner Geburt von der Republik Genua an Frankreich gekommen, seine Eltern Carlo und Letizia waren recht aktiv in der separatistischen Bewegung gewesen.

Es gab eine geordnete Verwaltung auch in Staaten des Heiligen Römischen Reiches. Zeitgenossen kritisieren häufig die Schwerfälligkeit der Verwaltung. Diese Kritik war auch häufig berechtigt. Das lag aber nicht unbedingt an der straffen Verwaltung, sondern an der unzureichenden Bezahlung der Beamten. Die gab es aber auch in GB und Frankreich. So straff und zentralistisch wie du dir Frankreich vorstellst, war es auch nicht, vor allem nicht im Ancien Regime, wo der Adel in vielem Sonderrechte genoss.

Das Heilige Römische Reich war eben kein Nationalstaat, sondern ein Staatenbund. Es gab damals in Europa nur wenige Staaten mit nur einem Staatsvolk. Auch das ein Staat außerterritoriale Besitzungen Enklaven und Exklaven besaß, war nicht außergewöhnlich. Frankreichs Könige trugen auch den Titel König von Navarra.
 
Bis zu den Justizreformen in der "Franzosenzeit" war in den meisten deutschen Ländern die Constitutio Criminalis Carolina, die alte "Halsgerichtsordnung" Karl V. gültig, die man immer den Umständen angepasst hatte.
Allerdings galt sie nur subsidiär, also sofern es in den Territorien keine abweichenden Regelungen gab.

Bereits im 18. Jhdt. traten regional Strafrechtskodifikationen in Kraft, so 1751 in Bayern der "Codex iuris criminalis Bavarici" und in Österreich 1768 die "Constitutio Criminalis Theresiana" (1787 vom "Allgemeinen Gesetzbuch über Verbrechen und derselben Bestrafung" abgelöst).
 
So viel ich weiß, spielte es auch eine Rolle, da die kleineren Reichsritter meist die Erzbischöfe von Mainz und Trier und damit zwei der Kurfürsten stellten. Köln war in der frühen Neuzeit größtenteils von einem Wittelsbacher besetzt. Dadurch konnten die kleinen Reichsterritorien, Druck aus über vor allem gegenüber dem Kaiser. Die Habsburger sahen sie aber größtenteils als Verbündete. Sie gaben den Habsburgern ihre Stimme bei der Wahl eines Kaisers und der Kaiser garantierte die unverletzheit ihrer Ansprüche und Territorien.
 
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