Warum kam es zu keiner Gebietsreform im HRR?

So viel ich weiß, spielte es auch eine Rolle, da die kleineren Reichsritter meist die Erzbischöfe von Mainz und Trier und damit zwei der Kurfürsten stellten. Köln war in der frühen Neuzeit größtenteils von einem Wittelsbacher besetzt. Dadurch konnten die kleinen Reichsterritorien, Druck aus über vor allem gegenüber dem Kaiser. Die Habsburger sahen sie aber größtenteils als Verbündete. Sie gaben den Habsburgern ihre Stimme bei der Wahl eines Kaisers und der Kaiser garantierte die unverletzheit ihrer Ansprüche und Territorien.

Mainz und Trier das waren Kirchensprengel, die zu den bedeutendsten des Reiches gehörten, und es kamen im 17. und 18. Jahrhundert mehrere Erzbischöfe, die aus den Häusern von Metternich, von Schönborn, von Dalberg, von Erthal, die aus Reichsgräflichen oder Reichsfreiherrn stammten, aber "kleine Reichsritter" waren das sicher nicht, und es hätten solche auch kaum genügend Stimmen im Domkapitel bekommen.
 
Ich möchte mal über die oben genannte Frage sprechen! Wir alle wissen ja, dass das HRR, ein ziemlicher "Fleckenteppich" war.:eek:

Da fragt man sich doch, warum es im Laufe der Jahre nach 1648, nicht zu einer Art Flurbereinigung unter den deutschen Staaten gekommen ist? Neben großen Herrschaften, wie Bayern, Württemberg, Hannover und Preußen, gab es noch eine Menge kleiner Gebiete, kaum lebensfähig waren.

Die dortigen Adelsfamilien, so man sie als solche bezeichnen will, unterschied in Wirklichkeit nicht viel von ihren bürgerlichen Untertanen.

Da wäre es doch naheliegend, anstatt Kriege zu führen, die kleineren Herrschaften, einfach aufzukaufen.

Das kam durchaus vor, dass kleinere Herrscher abdankten und gegen eine Apanage Herrschaftsrechte an Nachbarn verkauften oder das Nachbarn eine Herrschaft aufteilten. 1793 starb Friedrich August von Anhalt-Zerbst ohne Erben, und Anhalt-Zerbst fiel an die Nachbarn Anhalt-Dessau, Anhalt-Köthen und Anhalt-Bernburg. 1792 starb mit Karl Alexander der letzte Markgraf von Ansbach-Bayreuth, und das Territorium fiel an Preußen.

Mit solchen Erbteilungen oder Erbteilungsvereinbarungen war das aber auch so eine Sache: 1523 hatte der Kurfürst von Brandenburg die Herrschaft Jägerndorf gekauft. Über die Herzögtümer Liegnitz, Brieg und Wolau hatte es 1537 mal eine Erbverbrüderung zwischen dem Herzog und Kurfürst Joachim II. von Brandenburg. Kaiser Ferdinand II. hatte aber diese Vereinbarung nicht anerkannt und Jägerndorf im Dreißigjährigen Krieg konfisziert.

Der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm hatte im 17. Jahrhundert die Ansprüche erneuert, und Friedrich Wilhelm I. erlangte 1728 eine kaiserliche Garantie auf das Herzogtum Berg, die allerdings nie eingelöst wurde.

Die Ansprüche aus dem 16. Jahrhundert erneuerte dann Friedrich II. von Preußen und forderte ultimativ die Abtretung von ganz Schlesien. Die Antwort Maria Theresias wartete er aber erst gar nicht ab, sondern ,marschierte in Schlesien ein.

Doch zurück zur Ausgangsfrage: Warum hat man die kleineren Herrschaften nicht aufgekauft?

Es kam vor, dass Territorien gekauft, vererbt, von den Nachbarn geschluckt werden, es kam vor, dass Fürsten abdankten und gegen eine Apanage ihre Herrschaft abtraten. Es war aber dabei der Haken, ob der Kaiser dabei mitmachte und Erbteilungen anerkannte oder eben nicht.
Die ganzen reichsunmittelbaren Territorien aufzukaufen war schlicht unmöglich. Es gab deren einfach viel zu viele. Allein im Südwesten des Reiches gab es mehr als 600 selbständige Herrschaften. Das mochten Ländchen sein, aber es waren mit der Reichsunmittelbarkeit auch eine Reihe von Privilegien und Rechten verbunden, auf die die Reichsfreiherrn nicht ohne weiteres zu verzichten bereit waren.
 
So viel ich weiß, spielte es auch eine Rolle, da die kleineren Reichsritter meist die Erzbischöfe von Mainz und Trier und damit zwei der Kurfürsten stellten. Köln war in der frühen Neuzeit größtenteils von einem Wittelsbacher besetzt. Dadurch konnten die kleinen Reichsterritorien, Druck aus über vor allem gegenüber dem Kaiser. Die Habsburger sahen sie aber größtenteils als Verbündete. Sie gaben den Habsburgern ihre Stimme bei der Wahl eines Kaisers und der Kaiser garantierte die unverletzheit ihrer Ansprüche und Territorien.

Da überschätzt du die politische Macht der Kurfürsten recht deutlich vor allem in der Zeit zwischen dem 30-Jährigen Krieg und dem Ende des Reiches.

Zum einen sollte man gerade was die Bischöfe unter den Kurfürsten angeht auf dem Schirm haben, dass diese schon deshalb nicht völlig frei waren im Intrersse der eigenen Familien mit der Kaiserwahl eigene Hauspolitik zu betreiben, weil sie sich als Bischöfe Rom gegenüber verantworten mussten.
Hätten die Bischöfe dementsprechend auch nur offen erwogen einen protestantischen Kandidaten für die Wahl zum Kaiser zu unterstützeen, hätte ihnen das seitens Rom die Absetzung als Bischof, wenn nicht gar die Exkommunikation einbringen können und hätte Rom einen Erzbischof von Mainz, Köln oder Trier tatsächlich abgesetzt, so dass er des geistlichen Amtes, dass er innehatte verlustig gegangen wäre, hätte sich das mit der Kurstimme dieses Ex-Bischofs auch schnell erledigt gehabt.

Die Wahl eines protestantischen Kandidaten als Druckmittel schied also aus.

Die Wahl eines mindermächten kleinen katholischen Fürsten zum Kaiser wäre auch kaum eine Option gewesen, da grade die kleineren Herrschaften im Süden und im Westen des Reiches, mitunter auf kaiserlichen Schutz und kaiserliche Fürsprache angewiesen waren um nicht von ihren größeren Nachbarn geschluckt zu werden.

Das diverse Amtsinhaber da von Haus aus schon etwas mehr waren als "kleine Reichsritter" waren ist ja von anderer Seite bereits angesprochen worden nur waren dass als relativ kleine Fürstenhäuser keine Militärmächte, die ihre eigenen Territorien ohne kaiserliche Protektion hätten schützen können.
Bei den kleinen Territorien im Süd-Westen kommt erschwerend die Randlage im Reich, gegenüber einem immer expansiver auftretenden Frankreich hinzu, die einen starken Kaiser um so nötiger machte.
Hinzu kommt, dass völlig unkalkulierbar gewesen wäre, wie Habsburg auf eine offene Drohung in Sachen Kaiserwahl reagiert hätte.

Eine ähnliche Situation hatte es ja gegeben, als sich Friedrich V. von der Pfalz am Vorabend des 30-Jährigen Krieges zum König von Böhmen wählen ließ und damit, wenn das durchgegangen wäre Habsburg der Verlust der Kaiserwürde gedroht hätte.
Die Folge ist bekannt, Habsburg antwortete mit Krieg.
Dieses Risiko hätten die Erzbischöfe auf sich genommen, wenn sie offen versucht hätten den Kaiser über die Wahl des Nachfolgers zu erpressen, wobei sie mit Rücksicht auf Rom keinen Protestantischen Kandidaten ins Auge hätten fassen und somit auf keine Unterstützung aus dem protestantischen Lager hätten rechnen können (sofern man von "Lager" überhaupt sprechen kann, denn Sachsen verhielt sich ja immer sehr kaisertreu und mit der Konversion Augusts des Starken zum Katholizismus um die polnische Krone erwerben zu können, ist auch fraglich ob man von Sachsen als protstantischer Macht (wenngleich der Großteil der Bevölkerung protestantisch blieb) noch sprechen kann).

Die einzige alternative zu Habsburg, die für die Erzbischöfe gangbar gewesen wäre, insofern dass ein Katholischer Fürst sein musste um Rom keinen Anlass zur Intervention zu bieten und er mächtig genug sein musste um die kleineren Reichsstände effektiv schützen zu können, wäre Wittelsbach gewesen.

Das hätte allerdings vorausgesetzt, dass die Bayerischen Wittelsbacher selbst bereit gewesen wären das Risiko einzugehen, sich mit dem mächtigen Nachbarn anzulegen, was nicht ohne weiteres vorausgesetz werden konnte.

Das war in Situationen denkbar in denen Bayern-Wittelsbach über starke Partner außerhalb des Reiches verfügte, was durch verschidene Verbindungen mit Frankreich seit dem Spanischen Erbfolgekrieg bis in die Napoléonik immer mal wieder vorkam, allerdings zeigte sich dabei auch immeer wieder, dass Wittelsbach allein Habsburg nicht gewachsen war und es im Konflikt mit Habsburg immer wieder militärisch in Not geriet, wenn Hilfe von anderer Seite ausblieb.

Den tatsächlichen Versuch Habsburg abzusetzen hat es ja seit dem 30-Jährigenn Krieg bis zum Ende des Reiches nur ein einzuges mal gegeben und dass war, als sich im Zuge des Österreichischen Erbfolgekrieges Karl Albrecht von Wittelsbach kurzfristig zum Kaiser wählen lassen konnte.
Das funktionierte in dieser Form aber nur, weil Habsburg gerade keinen männlichen Prätendenten für den Kaiserthron aufzubieten hatte und die Erzbischöfe spielten dabei keine herausgehobene Rolle.

Zudem war auch das Gewicht der drei geistlichen Kurfürsten im Laufe des 17. jahrhunderts dadurch gemindert worden, dass das Kurfürstenkollegium um zwei weitere weltliche Kurstimmen (Bayern und Braunschweig-Lüneburg) erweitert wurde, womit nunmehr 3 geistliche Kurfürsten 6 Weltlichen gegenübeerstanden.

Insofern Kur-Köln seit 1583 bis zum Ende des Reiches nur zwei Erzbischöfe hatte, die nicht entder selbst Wittelsbacher oder Habsburger waren, ergab sich hier auch relativ wenig Spielraum um das Kurfüstentum als Basis für die Hausmachtspolitik kleinerer Dynastien zu instrumentalisieren.
 
Mainz und Trier allein, wo sich die Gelegenheit dazu ergab, waren in einem Kurfürstenkolleegium mit mittlerweile 9 Stimmen, wovon Habsburg eine (Böhmen) und Wittelsbach zwei (Bayern und Pfalz) bereits gepachtet hatten und über weite Zeitäume mit Köln (Zunächst Bayern gegen ende des Reiches Habsburg) noch eine weitere in der Tasche hatten nicht gewichtig genug den Kaiser tatsächlich über die Wahl des Nachfolgrs erpressen zu können, zumal ihnen wie angemerkt die Option einer Allianz zu Gunsten eines protestantischen Fürsten nicht offen stand, Sachsen ohnehin traditionell zur Zusammenarbeit mit Habsburg tendierte und sich mit der Konvrsion Augusts des Starken zum Katholizismus auch für die Zeit der Sächsich-Polnisch-Litauischen Union das Gewicht im Kurfürstenkollegium zu Gunsten der Katholiken verschob, was auf der sächsichen Seite Bedenken gegen eine Fortsetzung des habsburgischen Kaisertums grundsätzlich eher abgebaut haben dürfte.

Habsburg verfügte mit Böhmen fest über eine Kurstimme, Wittelsbach fest über zwei, Sachsen über eine und hinzu kommt für den größten Teil der Zeit vom ausgehenden 16. jahrhundert bis zum Ende des Reiches noch die Kölner Kurstimme, die sich meist in der Hand der Wittelsbacher oder Habsburger befand.

Waren diese 3 Dynastien sich einig, war der Kaiser gemacht, völlig egal, wie die geistlichen Kurfürsten dazu standen

Zumal seit der Britisch-Hannoverschen Personalunion und der im Zuge der traditioneellen Allianzpolitik zwischen Großbritannien und Habsburg (die zugegeben Mitte des 18. Jahrhunderts im Rahmen des Siebenjährigen Krieges zwischenzeitlich in die Brüche ging, spätestens seit den Revolutionskriegen aber wieder auflebte) auch von welfischer Seite (Kurstimme für Braunschweig-Lüneburg/"Kurhannover") eine gewisse Veranlassung bestand Habsburg zu stützen um die britisch-habsburgische Allianzpolitik nicht zu gefährden.

Die Wettiner brauchten in der Zeit der Sächsich-Polnisch-Litauischn Union dazu mitunter Habsburger Unterstützung um sich als Könige von Polen halten zu können.

Der einzige andere Inhaber einer Kurstimme, der verhältnismäßig wenig auf die Habsburger angewiesen war, waren die Hohenzollern, aber auch die hatten mit der Anerkennung der Preußischen Königswürde und dem Jülisch-Klevischen Erbfolgestreit, der auch im 18. Jahrhundert mehr oder weniger seine Fortsetzung erlebte und die Hohenzollern in Gegensatz zu Wittelsbach brachte (die stittigen Territorien befanden sich im Besitz einer Wittelsbacher Nebenlinie).
Dadurch hatten auch die Hohenzollern zweitweise gute Gründe Habsburg in Sachen Kaiserwahl zu unterstützen, vor allem hatten sie aber wegen der umstrittenen Herzogtümer Jülich und Berg, bei deren Erwerb ihnen ein Habsburger Kaiser helfen konnte, die ein Wittelsbacher Kaiser aber nie zugesprochen hätte, einen sehr guten Grund die Wittelsbacher als einzige realistische Gegenkandidaten in keinem Fall zu unterstützen.
Das ändert sich erst mit Friedrich II. der die Politik sich über die bestehenden Ansprüche am Rhein im Westen des Reiches zu arrondierenn zu Gunsten eines Zusammeenghens mit Wittelsbach verwirft um sich Schlesien enverleiben zu können.
Allerdings bis zum Österreichischen Erbfolgekrieg, waren auch die Hohenzollern in ihrer Roll als Kurfürsten keineswegs in einer Position, dass Habsburg sie nicht auf ihre Seite hätte ziehen können.

Hinzu kommt, dass Habsburg über seine ausgedehnten italienischen Besitzungen auch immer die Möglichkeit hatte enormen machtpolitischen Druck auf den Krichenstaat auszuüben und darüber den Papst zu zwingen die geistlichen Kurfürsten falls nötig im Sinne Habsburgs zu disziplinieren.



Die Vorstellung nach dem 30 Jährigen Krieg hätten die kleineren Inhaber der geistlichen Kurstimmen großn Druck auf den Kaiser ausüben können, dürfte so nicht zutreffend sein.
Ich würde mich noch weiter aus dem Fenster lehnen und behaupten, dass sie das im Grunde bereits seit der Reformation nicht mehr konnten, weil es ihnen umöglich war einen protestantischen Kandidaten zu unterstützen, seit dem beginnenden 17. Jahrhundert aber Wittelsbach und Habsburg die beiden einzigen größeren Fürstenhäuser im Reich waren (jedenfalls nördlich der Alpen), die die Sache des Katholizismus offensiv vertraten.
Alle anderen Fürstenhäuser waren dazu entweder nicht mächtig genug (z.B. Lothringen und andere Territorien im Süden und Westen) versuchten, sofern sie selbst zunächst mal katholisch blieben einen Modus vivendi mit den Protestanten zu finden (Kursachsen), wurde in der Folge selbst protestantisch oder besaßen hatten gar die Stirn Calvinisten zu werden und sich damit sogar außerhalb der Grenzn des Augsburger Religionsfriedens zu stellen.

Insofern damit Habsburg und Wittelsbach die einzig denkbaren Kandidaten blieben, so lage die Katholiken die Mehrheit im Kurfürstenkollegium hatten, war dann auch die Entscheidung für Habsburg nicht schwer, Habsburg besaß, im Besonderen auch durch die 2. Linie erheblich mehr Machtmittel, also genau dass, was sich mindermächtige Reichsstände wünschten, weil allein die Präsenz eines mächtigen Kaisers der die legitime Ordnung aufrechterhalten konnte landhungrige Nachbarn zur Vorsicht annhalten musste.
 
Das ist ja teilweise auch geschehen.
Man denke auch an den Besnhäuser Tauschvertrag von 1619. Aber solche "Gebietsreformen" mussten natürlich den Interessen der beteiligten Dynasten auch entsprechen, die sich von einer solchen "Gebietsreform" einen Vorteil versprachen, also ohne Win-Win keine "Gebietsreform". Die Vorstellung einer Gebietsreform, die den Namen auch verdient vor dem 19. Jhdt. dürfte ziemlich unhistorisch sein.
 
Das hätte zumindest das Verwalten einfacher gemacht.
Preußen, war ja auch jahrelang kein zusammenhängendes Territorium. Die Kleinstaaterei trieb schon seltsame Blüten.
Da wundert es nicht, dass Länder wie Frankreich und England, in vielem weit voraus waren.

Man sollte sich aber auch darüber im Klaren sein, dass "Kleinstaaterei" ein abwertender Kampfbegriff ist, der im 19. Jahrhundert von alldeutsch-nationalistischen Autoren wie Friedrich Ludwig Jahn geprägt wurde. Bis in alle Ewigkeit gedankenlos Kampfbegriffe aus dem 19. Jahrhundert nachzuplappern kann es ja nun auch nicht sein.

Statt (aus dem Bauch heraus) eine angebliche Überlegenheit zu konstatieren, wäre überhaupt zu fragen, worin denn nun der "Fortschritt" in GB oder F bestand und ob die Unterschiede in Lebensstandard , tatsächlich so groß waren wie suggeriert.

Im 18. Jahrhundert durch das Heilige Römische Reich zu reisen- da konnte man schon Zustände bekommen, wenn allenthalben Zölle zu bezahlen waren, wenn man in diesem Land den Kaffee, in einem anderen den Tabak und in einem dritten Seidenstoffe im Gepäck verstecken musste.

In Thomas Manns Roman rät selbst der biedere Konsul Buddenbrook seinem Schwiegersohn Grünlich wegen der "Akzise" die Spitzen von Madame Grünlich, geborener Buddenbrook unter das "Paletot" zu nehmen. Dabei war in Deutschland zur geschilderten Zeit (kurz vor der 1848er Revolution) die "Kleinstaaterei" schon ziemlich beseitigt.

Wo die Kleinstaaterei tatsächlich mitunter bizarre Blüten trieb, das war auf dem Gebiet der inneren Sicherheit, auf dem Gebiet der Bandenbekämpfung. Banditen brauchten in der Regel nur die nächste Grenze zu überqueren, um Verfolger abzuschütteln. Grenzübergreifende Razzien zu organisieren, war sehr aufwändig.

Auch wenn Autoren wie Carsten Küther betonten, dass das Polizeiwesen inkompetent und ineffektiv gewesen sei, so haben doch größere Flächenstaaten durchaus erfolgreich gegen Banden Maßnahmen ergriffen.

Ein Blick über die Landesgrenzen nach Frankreich oder GB beweist aber, dass die auch nicht erfolgreicher waren. Auch in Frankreich gab es in jeder Provinz Räuberbanden, und im Vergleich zu GB, wo im 18. Jahrhundert Highwaymen die Landstraßen unsicher machten, erschien das Heilige Römische Reich damit verglichen fast wie eine Oase des Friedens. Die größeren Flächenstaaten Österreich, Preußen, Hannover, Bayern oder Sachsen schnitten auf dem Gebiet der inneren Sicherheit sicher nicht schlechter, eher etwas besser ab, als GB und F.

Wenn man Berichte von Zeitgenossen aus dem 17. und 18. Jahrhundert in GB liest über den Zustand der Straßen und Beschwerlichkeiten der Reise, so dürften auch da die Territorien des Reiches nicht wesentlich schlechter abgeschnitten haben.

Ein Autor, der in vielem seiner Zeit voraus war, war Johann Gregorii. Im Grunde war er der Vater der "Reiseführer".

Johann Gottfried Gregorii – Wikipedia
 
Man denke auch an den Besnhäuser Tauschvertrag von 1619. Aber solche "Gebietsreformen" mussten natürlich den Interessen der beteiligten Dynasten auch entsprechen, die sich von einer solchen "Gebietsreform" einen Vorteil versprachen, also ohne Win-Win keine "Gebietsreform". Die Vorstellung einer Gebietsreform, die den Namen auch verdient vor dem 19. Jhdt. dürfte ziemlich unhistorisch sein.

Selbst wenn bei einer Win-Win-Situation die Dynasten sich einig waren, so musste immer noch das Staatsoberhaupt-der Kaiser- eine solche "Gebietsreform", "Erbverbrüderung" absegnen.


So hatte der Kurfürst von Brandenburg 1523 das Herzogtum Jägerndorf erworben. Ansprüche auf die Herzogtümer Brieg, Wolau und Liegnitz resultierten aus einer Erbverbrüderung es Herzogs mit Joachim II. von Brandenburg aus dem Jahre 1537.

Der Kaiser hatte das aber niemals abgesegnet und Ferdinand II. hatte die Anerkennung verweigert und während des Dreißigjährigen Krieges Jägerndorf annektiert.

Eine "Gebietsreform" wie @Griffel sie sich vorstellt, entsprach nicht den Spielregeln, bzw. es hätte einen massiven Rechtsbruch beinhaltet und es hätte das Heilige Römische Reich gesprengt, wenn man die Interessen der kleineren reichsunmittelbaren Territorien so übergangen hätte.
 
Statt (aus dem Bauch heraus) eine angebliche Überlegenheit zu konstatieren, wäre überhaupt zu fragen, worin denn nun der "Fortschritt" in GB oder F bestand und ob die Unterschiede in Lebensstandard , tatsächlich so groß waren wie suggeriert.

Wurden denn im Hinblick auf den Lebensstandart jemals große Unterschiede suggeeriert?

Nach meinem Empfinden, ging es bei dem Beschwören der Vorteile des Nationalstaats nach westeuropäischem Vorbild doch vor allem und den "Machtstaat" und die Möglichkeiten der Wehr- und Außenpolitik.
Aber das relativiert sich natürlich stark, durch die Entwicklungen des 20. Jahrhunderts, wie die Ächtung des Krieges als Mittel der Politik und den weitgehenden Konsens auf Verzicht auf Eroberungen.

In Sachen, Wirtschaftsraum und Rechtsraum, das war ja schon angesprochen worden, waren Großbritannien und Frankreich ja bei weitem nicht so homogen, wie der Blick auf die Landkarte das suggeriert.

In Großbritannien, gab es die Problematik der Binnenzölle sicherlich nicht so stark und das Land hatte (Blanning stellt das in "The Pursuit of Glory" schön heraus", wohl mit die beste Infrastruktur Europas, jedenfalls, was das Straßensystem angeht (weniger bei den Kanälen), aber natürlich waren das alles Mautstraßen, so dass die Problematik der Wegerechte, wenn man so möchte, nach wie vor gegeben war.

In Frankreich waren bis zur Revolution die historischen Provinzen während des "Ancien Régime" sicherlich weiträumiger so dass Problematiken, was Binnenzölle und Steuerunterschide kleiner waren, als im Heiligen Römischen Reich, aber das Durcheinander bei den Parlements und die verschiedenen Steuerlasten und -Privilegien führten ja (z.B. im Hinblick auf die "gabelle") auch zu mancherlei Absurdität und blühendem Schmuggel.
 
Selbst wenn bei einer Win-Win-Situation die Dynasten sich einig waren, so musste immer noch das Staatsoberhaupt-der Kaiser- eine solche "Gebietsreform", "Erbverbrüderung" absegnen.


So hatte der Kurfürst von Brandenburg 1523 das Herzogtum Jägerndorf erworben. Ansprüche auf die Herzogtümer Brieg, Wolau und Liegnitz resultierten aus einer Erbverbrüderung es Herzogs mit Joachim II. von Brandenburg aus dem Jahre 1537.

Der Kaiser hatte das aber niemals abgesegnet und Ferdinand II. hatte die Anerkennung verweigert und während des Dreißigjährigen Krieges Jägerndorf annektiert.

Eine "Gebietsreform" wie @Griffel sie sich vorstellt, entsprach nicht den Spielregeln, bzw. es hätte einen massiven Rechtsbruch beinhaltet und es hätte das Heilige Römische Reich gesprengt, wenn man die Interessen der kleineren reichsunmittelbaren Territorien so übergangen hätte.

Ich denke, dass in dieser Hinsicht auch der Umstand, dass der Kaiser selbst hier mitunter Arrondierungs- und Tauschprojekt nicht immer realisieren konnte, die Sache recht eindrucksvoll unterstreicht, man denke etwa an den Versuch Joseph II. die österreichisch-niederländischen Provinzen bei den Wittelsbachern gegen Bayern einzutauschen.
Rein administrativ hätte das durchaus Sinn ergeben, statt der Streubesitzungen einen einheitlichen Österreichischen Raum im Südosten zu schaffen.

Für die Sicherheit des Reiches wäre das durchaus nicht unbedingt von Vorteil gewesen, weil dann keine größere Macht im Westen des Reiches mehr ein Gegengwicht zum angrenzenden Frankreich dargestellt hätte.

Vor diesem Hintergrund, lohnt es sich möglicherweise auch darüber nachzudenken, ob unter den damaligen Gegebenheiten Verschiebungen für das Reich insgesamt wünschenswert gewesen wären (für einzelne Dynastien, die dadurch die Problmatik von Exklaven los wurden und ihre Gebite abrunden und besser verwalten konnten, sah das natürlich anders aus).
 
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