Bereits 1977 publiziere Inglehart den Befund, dass die traditionellen Konfliklinien - Cleavages - sich verändert haben. Die Zuordnung von Problemen zu einer Links-Rechts-Dichotomie und deren Repräsentanz im Parteiensystem beschrieb nicht mehr ausreichend, die ideologischen Sichten - Wertorientierung - in der Bevölkerung.
Die bis dahin relevante Dichotomie von Links vs Rechts beschrieb er empirisch fundiert mit einer zweiten Dimension, die er als "Materialistisch" vs. "Postmaterialistisch" bezeichnet hatte.
https://de.wikipedia.org/wiki/Wertewandel
Dieser "Wertewandel" spiegelte die Veränderung wider, die Bösch beschrieben hat. Die Nachkriegswelt des Kalten Krieges veränderte sich. Im Islam zeigten sich neue Ansätze, ein neues Selbstbwußtsein - "Identität" - zu formulieren und manifestierte sich in Veränderungen im Iran - Khomeini - und in Afghanistan. Mit Papst Johannes II betrat ein neuer Typ von politische Kirchenmann die Bühne und wirkte massiv in den Ostblock hinein. Befreiungsbewegungen wie die Sandinisten in Nicaragua stürzten autoritäre Diktaturen und es folgte eine Welle der Solidarität. Deng öffnete China, Der Neoliberalismus verdrängte den Keyynesianismus und der Sozalstaat kam in die Defensive. Es gab die zweite Ölkrise in Kombination mit dem Fast-Gau in Harrisburg. Es gab aber auch den Bericht des "Club of Rome" und eine zunehmende Sensibilisierung in Bezug auf den "ökologischen Fussabdruck"
Und es formierten sich in der BRD die "Grünen" bzw. die "Alternativen Listen" und griffen die Veränderung der "Werte" auf, die Inglehart beschrieben hatte.
Diese globale Veränderung, die innenpolitisch 1982 in der BRD mit der Wahl von Kohl zum Kanzler ihren Ausdruck fand, wurde thematisch bereits davon beispielsweise mit den Bänden von Habermas und Glaser zur Diskussion gestellt. Und Habermas beschreibt in seiner Einleitung die Veränderung der politischen Kultur und die abnehmende Bedeutung der links-liberalen Intellektuellen in diesem Kulturbetrieb.
Die Konflikte sind vielschichtig, aber von "Rechts" wurde es primär unter dem Gesichtspunkt der sogenannten These von der "Unregierbarkeit" und der "staatlichen Bevormundung" geführt. Und wendete sich damit gegen Bestrebungen der Demokratisierung und der Aufrechterhaltung des Sozialstaates. Diese "konservative Revolution" ist bei Dubiel beschrieben.
Die Folgen der von Kohl eingeleiteten Wende waren u.a. "Austeritätspolitik" und Abbau sozialstaatlicher Versorgung, Abbau von Mitbestimmungen, Reduzierung der "Staatsquote", und die Zunehmende soziale Polarisierung von Arm und Reich.
Die Beschreibung hat versucht der Komplexität der Ereignisse halbwegs gerecht zu werden, aber muss auch selektiv bleiben.
Bösch, Frank (2019): Zeitenwende 1979. Als die Welt von heute begann. München: C.H. Beck.
Dubiel, Helmut (1987): Was ist Neokonservatismus? Frankfurt
Glaser, Hermann (Hg.) (1981): Fluchtpunkt Jahrhundertwende. Ursprünge und Aspekte einer zukünftigen Gesellschaft. 2 Bände. Frankfurt/M, Berlin, Wien: Verl. Ullstein
Habermas, Jürgen (Hg.) (1979): Stichworte zur "Geistigen Situation der Zeit". 2 Bände. Frankfurt a.M: suhrkamp
Inglehart, Ronald (1977): The silent revolution. Changing values and political styles among western publics. Princeton: Princeton University Press