Interessant!
Gab es eigentlich Länder wo eine Frau Königin werden kann, aber einem eventuellen jüngeren Bruder wegene dessen m. Geschlecht den Trohn überlassen muß?
Also Königin nur wenn keiner da ist der König werden kann.
Im Mittelalter war die weibliche Erbfolge in den Ländern West- und Südeuropas tatsächlich die Regel und nicht die Ausnahme*, allerdings galt das eben nur für den Fall, wenn kein männlicher Erbe vorhanden war.
Eine Eleonore von Aquitanien konnte eben auch nur deshalb ihrem Vater als Herzogin von Aquitanien nachfolgen, weil sie bei dessen Tod die älteste noch lebende Tochter war. Sie hatte noch eine jüngere Schwester und auch einen jüngeren Bruder. Dieser wäre der eigentliche Erbe gewesen, ist aber noch vor dem Vater als Kind gestorben.
Im mittelalterlichen Europa hatte m.W.n. die agnatische/männliche Erbfolge stets den Vorrang vor der kognatischen/weiblichen inne gehabt. Zumindest ist mit im West- und Südeuropäischen Kulturraum kein Fall bekannt, in dem eine ältere Tochter einen Vorrang gegenüber einem jüngeren Sohn eingeräumt bekommen hätte. Sobald ein König einen Sohn hatte, galt dieser als rechtmäßiger Erbe, ungeachtet davon, ob noch eine ältere Tochter als Eventualerbin zu Verfügung gestanden hat.
Zwei Fälle dazu:
König Heinrich I. von England hatte eine ältere Tochter (Mathilde) und einen jüngeren Sohn (Wilhelm Aetheling). Der Sohn galt als sein natürlicher und anerkannter Erbe. Erst als der junge Wilhelm 1120 mit dem "Weißen Schiff" im Ärmelkanal ertrunken war, hatte Heinrich I. den englischen Adel auf Mathilde als seine nunmehrige Thronerbin einschwören können. Das Mathilde beim Tod ihres Vaters dann doch übergangen worden war ist zwar eine andere Geschichte, aber ihre Erben haben sich auf die Erbfolgeregelung Heinrichs I. berufen können um den Thron gegen den Usurpator/Gegenkönig Stephan erkämpfen zu können. Die Nachfolge des Hauses Plantagenet auf dem englischen Thron war ein postumer Sieg Heinrichs I. und stellte die endgültige Durchsetzung weiblichen Erbrechts für den englischen Thron dar. Spätere Thronanwärter konnten sich nun darauf berufen.
Noch älter ist der Erbfall der Königin Urraca von Leon (Spanien). Urraca war das älteste legitim geborene Kind ihres Vaters Alfons VI. Sie galt deshalb lange als rechtmäßige Thronerbin. Dies änderte sich aber, als dem König ein unehelicher Sohn (Sancho) geboren war, dessen Mutter eine muslimische Prinzessin Zaida war. Nachdem die Ehefrau des Königs gestorben war, hat dieser seine maurische Konkubine geheiratet, die dafür den christlichen Glauben angenommen hat. Damit hatte der König seinen Bastardsohn nun zu legitimierenden Würden verholfen und ihn somit problemlos zu seinem neuen Thronerben bestimmen können und die ältere Urraca hatte das Nachsehen. Ihr "Glück", dass der unglückliche Sancho als Teenager in der Schlacht von Uclés von den Mauren zu Tode geschlagen worden ist, womit sie beim Tod des Vaters 1109 doch noch auf den Thron nachfolgen konnte.
Urracas Großvater war übrigens Ferdinand von Kastilien, der seine Thronübernahme in Leon mit dem Umstand gerechtfertigt hat, mit der Tochter Alfons' V. verheiratet zu sein. Allerdings hatte er zuvor noch deren lästigen Bruder, Bermudo III., in einer Schlacht umbringen müssen.
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Das erste Mal, dass in Westeuropa der weiblichen Erbfolge einen Vorrang gegenüber der männlichen eingeräumt worden war, stellte der Präzedenzfall des englischen Rosenkrieges dar. Das Haus York hatte sich in seinem Thronanspruch nämlich nicht auf seine Abkunft auf seinen Stammvater Prinz Edmund von Langley berufen, dem jüngsten Sohn Eduards III., was auf den ersten Blick naheliegen erscheint. Nein, sie haben sich auf Prinzessin Philippa als ihre Vorfahrin berufen. Die war nicht nur die ältere Schwester Edmunds von Langley sondern auch die ältere des Johann von Gent, dem Stammvater der Lancaster. Die Yorks haben also eine weibliche Erbfolge verfochten, obwohl die Plantagenet-Dynastie in agnatischer Linie fortbestand und mit den Lancaster als Seniors die natürlichen Erben nach dieser Erbfolge stellten.
Heute im Jahr 2015 ist die Auffassung der Yorks übrigens zum festen Bestandteil der britischen Erbfolgeregelung geworden, in dem die älteren Königstöchter den Vorrang gegenüber ihren jüngeren Brüdern in der Erbfolge inne haben.
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* Im Mittelalter war die weibliche Erbfolge lediglich in den Geltungsbereichen des Salfränkischen Rechts ausgeschlossen und das waren hauptsächlich das teutonisch/deutsche Regnum und die französische Thronfolge, wie allerdings hier erst zu Beginn des 14. Jahrhunderts festgestellt worden ist.