Welches Bündnis war aggressiver?

Sowjetische Völkerrechtslehre war aggressiver! - Lehre vom gerechten"Befreiungskrieg"

Pope schrieb:
Ich sage nur, wie es ist.

Aggressivität ist kein objektiver Begriff. Was bedeutet "aggressiv" auf zwischenstaatlicher Ebene?
Ich möchte in diesem Zusammenhang mal auf das nach dem Zweiten Weltkrieg überarbeitete Völkerrecht zu sprechen kommen, welches in Reaktion auf Aggressoren wie Hitler, Mussolini und Japan gerade darauf ausgerichtet wurde, künftige Aggressionen einzudämmen. Um dieses Ziel zu erreichen, sieht die Charta der Vereinten Nationen (SVN) seit deren Gründung (1945) in Artikel 2 Nr. 4 ein umfassendes Verbot für die Anwendung und Androhung von Gewalt vor. Von diesem Verbot sind neben den militärischen Zwangsmaßnahmen des Weltsicherheitsrates nur das "naturgegebene Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung" (Art. 51 SVN) ausgenommen, wobei letztere Ausnahme nur solange besteht, bis der Weltsicherheitsrat Massnahmen beschlossen hat (vgl. Art. 51 SVN). Nach der Charta der Vereinten Nationen sind also - abgesehen vom Weltsicherheitsratskrieg - nur Selbstverteidigungskriege erlaubt.

Abweichend von dieser Rechtslage sah die sowjetische Völkerrechtslehre neben dem Verteidigungskrieg auch den Befreiungskrieg als erlaubt an: "Zu den gerechten Kriegen gehören Verteidigungs- und nationale Befreiungskriege. Die gesamte fortschrittliche Menschheit begrüßt derartige Kriege und unterstützt die Kämpfe für Freiheit und Unabhängigkeit" (Akademie der Wissenschaften der UdSSR - Rechtsinstitut - (Hrsg.), Völkerrecht, Hansischer Gildenverlag, Hamburg, 1960, S. 416). Diese weitere Ausnahme vom Gewaltverbot widersprach der UN-Charta und enthält insoweit eine aggressive Spitze. Zudem wirft sie viele Fragen auf, die die Rechtssicherheit vor Gewaltandwendung in Frage stellen: Wann ist ein Befreiungstatbestand gegeben? Wer darf befreien? Muß die vorherige Zustimmung des Befreiten vorliegen? In welcher Form muss diese Zustimmung vorliegen? Genügt die Zustimmung eines Gremiums, auch wenn dieses von einem Ein-Parteien-System beherrscht wird? Dürfen auch andere Staaten als die SU befreien?

Die Völkerrechtslehre in den westlichen Staaten kannte meineswissens keine derartige Ausnahme vom Gewaltverbot, die über das in der UN-Charta verbürgte Selbstverteidigungsrecht hinausging.

Vor dem Hintergrund von Goethes Mahnung, auf seine Gedanken zu achten, da diese zu Worten werden, und auf seine Worte zu achten, da diese zu Taten werden, erscheint mir in diesem Zusammenhang die sowjetische Völkerrechtslehre aggressiver zu sein als die der "bürgerlich-kapitalistischen Staaten". Übrigens spiegelt sich auch in den Formulierungen der sowejtischen Völkerrechtslehre eine stärkere Aggressivität wieder oder hätte ein westlicher Völkerrechtslehrer geschrieben, dass die fortschrittliche Menschenheit Kriege "begrüßt"? Der Selbstverteidigungskrieg war zwar erlaubt, aber nach westlichem Verständnis stellte die Selbstverteidigung eine bedauerliche Notwendigkeit dar, um sich der Ausbreitung des Unrechts entgegenzustellen.
 
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