Wobei das Mittelalter natürlich genauso wenig einheitlich war wie die Antike oder die Neuzeit. Für 99,99 % der Menschen blieb die Erde eine Scheibe, falls sie überhaupt über so etwas nachdachten.
„Während die antike Geographie und die ihr folgenden Schriftsteller des Mittelalters (Beda Venerabilis, Adam von Bremen, Wilhelm von Conches, Lambert von Saint Omer) von der Vorstellung der Sphärenhaftigkeit der Erde ausgingen, behaupteten andere Autoren, die darüber beunruhigt waren, dass diese Konzeption der Bibel wiederspreche, dass die Erde eine flache Scheibe sei (Cassiodorus, Isidor von Sevilla) oder sie waren bemüht, beide Ansichten zu kombinieren (der heilige Basilius und andere). In der Darstellung des Isidor von Sevilla wird die Erde von allen Seiten vom Ozean umspült, und die Erdscheibe selbst ist T-förmig durch das Mittelmeer in drei Teile geteilt: Asien („das Land des Sem“), Europa („Land des Japhet“) und Afrika („Land des Ham“). Der Alexandriner Kosmas Indikopleustes, Autor einer im Mittelalter populären „Christlichen Topographie“, stellte sich direkt das Ziel, die Ketzerei zu widerlegen, die da lautet, dass die Erde eine Kugel und keine Scheibe sei, wie es die Heilige Schrift lehre …Die allegorische Geographie des Mittelalters – als „Dienerin der Theologie“ – vereinte die gesamte heilige und irdische Geschichte auf einer räumlichen Ebene. Auf den Weltkarten befinden sich das Paradies mit Adam und Eva, biblische Personen, Troja, die Eroberungen Alexanders des Großen, die römischen Provinzen, die „heiligen Stätten“, christliche Staaten und das „Ende der Welt.“
Aaron J. Gurjewitsch: Das Weltbild des mittelalterlichen Menschen, München 1992, S. 73 f. u. 98. (sehr empfehlenswert)
Hier eine Weltkarte nach Isidor von Sevilla.