Tatsächlich sind wohl Napoleons Leistungen als Staatsmann seine bedeutendsten Hinterlassenschaften. Seine Departements existieren noch heute. Das bürgerliche Recht in fast allen europäischen Staaten ist in enger Anlehnung an den Code Civil entstanden. Im Rheinland war der Code Civil bis zur Einführung des BGB gültig, das in vielen Passagen mit dem Code Civil übereinstimmt. Die Gewerbefreiheit, die Gleichheit vor dem Gesetz, die endgültige Beseitigung der Folter, die Judenemanzipation, das alles ging auf seine Reformen zurück. Einige der Justizreformen, wie die Errichtung einer ausgebildeten Gendarmerie oder die Etablierung von Geschworenengerichten, waren so erfolgreich, daß man auch unter der Restauration daran festhielt.
Er war zweifellos ein genialer Stratege und ein charismatischer Kommandeur. Sein angebliches Ausnahmegenie fiel aber, wenn er gegen gleichrangige Truppen und Kommandeure wie Kutusow, Erzherzog Karl, Blücher oder Wellington antreten mußte bescheidener aus.
Er war aber auch ein Despot, der die Ideen der Französischen Revolution mißbrauchte. Unter seiner Herrschaft herrschte rigorose Pressezensur und ein Polizeistaat. Im Empire blühten Vetternwirtschaft und Korruption fast so üppig wie unterm Ancien Regime. Den Völkern Europas erschien seine Herrschaft am Ende als unerträglich. Seine letzten Projekte waren ausdruck eines Ehrgeizes, der absurde Züge angenommen hatte. Einige seiner Marschälle hatten ganz ähnliche Pläne, wie die Männer des 20. Juli, wenn sie auch nicht riskierten an Fleischerhaken aufgehängt zu werden. Seine Kriege haben Frankreich und Europa einen hohen Blutzoll abgefordert, und in Spanien und Rußland ereigneten sich zahlreiche Greuel.
Doch er hat Europa in die Moderne katapultiert, selbst seine Gegner haben von ihm gelernt. Österreich zeigte 1809 bei Aspern, daß es ein anderer gegner geworden war. Noch erfolgreicher waren die Preußen. Preußen hatte jahrelang eine schäbige Politik betrieben, nach dem Debakel von Jena und Auerstädt ging man daran, Reformen einzuführen. Die Erfolge der Franzosen spornten eine ganze Reihe fähiger Leute an, ihrerseits die Franzosen auszustechen. Die Reihe reicht von Stein, Hardenberg und Clausewitz, bis zu Bismarck, Moltke und Schlieffen. Als "Weltgeist zu Pferde" erschien er dem Zeitzeugen Hegel, vielleicht nicht ganz zu Unrecht.