Wie entstand der aufrechte Gang?

Wie weit mag dieser Einfluss noch gereicht haben? Auch die Generation, die in den 1950er Jahren studierte, hat noch jahrzehntelang Lehrbücher herausgebracht, in denen z. B. zu lesen stand:
[...]
Wie kommt denn Kull Deiner Meinung nach auf die "Mehrzahl der Forscher"?
Hier vermischst Du etwas — die Präbrachiatoren-Hypothese besagt doch nicht, dass bereits die Vorfahren der Menschenaffen habituell biped gewesen seien.

Bis vor wenigen Jahren galt wie ein Dogma, die Australopithecinen hätten den aufrechten Gang entwickelt:

Diese Vormenschen entwickelten eine Strategie, um die baumlosen Zwischengebiete am Rande der Savanne zu überwinden – den aufrechten Gang.
Friedemann Schrenk, Timothy G. Bromage, Henrik Kaessmann, Die Frühzeit des Menschen. Biologie in unserer Zeit, 32. Jahrgang 2002, Nr. 6

Erst mit Orrorin und 'Ardi' begann nach der Jahrtausendwende das Umdenken.
 
Hier vermischst Du etwas
Wieso ich?
Meine Frage, welcher Punkt eigentlich "postum an Westenhöfer" geht, hattest Du nach einigen Ausweichmanövern mit folgendem konkreten Beispiel beantwortet:

Also dann, ein Beispiel. Am Ende seiner Betrachtungen zur Hand resümiert Westenhöfer (Hervorhebungen wie im Original, Rechtschreibung angepasst):

Als Ergebnis ... ziehen wir mit Recht den Schluss, dass die Hand des Menschen ein ursprüngliches Gepräge hat und unmöglich von der weiterspezialisierten Kletterhand der [Menschen-]Affen abgeleitet werden kann, dass das Umgekehrte eher möglich ist. [Eigenweg, p 235]

Und nun steht die Frage im Raum:
Inwiefern stand Westenhöfer in diesem Punkt jemals quer zum Konsens?
 
Inwiefern stand Westenhöfer in diesem Punkt jemals quer zum Konsens?
Ohne die spezialisierte Kletterhand* bleibt nur die Bipedie — und daraus ergibt sich, dass die Menschenaffen sozusagen von "uns" abstammen, und nicht umgekehrt. Mit dieser Sicht galten Westenhöfer wie auch der belgische Zoologe Serge Frechkop und dessen Schüler Bernard Heuvelmans lange Zeit als Spinner. Mir selber wurde von den Vertebratenpaläontologen im eigenen Institut mit mitleidigem Lächeln begegnet, als ich Mitte der 1990er Jahre diese Idee in lockerer Runde einmal erwähnte. Damals war 'Lucy' noch das Maß aller Dinge, und alles passte so schön — jedenfalls solang man sich die Ohren zuhielt, sobald jemand Oreopithecus erwähnte.

[Edit] * Bei den Gattungen Pan und Gorilla ist es genauer eine spezialisierte Kletter-und-Knöchelgang-Hand.
 
Zuletzt bearbeitet:
und daraus ergibt sich, dass die Menschenaffen sozusagen von "uns" abstammen, und nicht umgekehrt.

Beides ist falsch.

Wir kennen alle den Spruch "Der Mensch stammt vom Affen ab" und wir haben alle (hoffentlich) in der Schule gelernt, dass dieser Spruch nicht stimmt. Und der Westerhöfers gegenteiliger Spruch "Der Affe stammt vom Menschen ab" ist halt genauso falsch, zumal er die Entwicklung der menschenähnlichen Affen sogar noch als abwegig oder gar degenerativ bezeichnet.
 
Beides ist falsch.

Wir kennen alle den Spruch "Der Mensch stammt vom Affen ab" und wir haben alle (hoffentlich) in der Schule gelernt, dass dieser Spruch nicht stimmt. Und der Westerhöfers gegenteiliger Spruch "Der Affe stammt vom Menschen ab" ist halt genauso falsch, zumal er die Entwicklung der menschenähnlichen Affen sogar noch als abwegig oder gar degenerativ bezeichnet.
Du hast ja Recht. Jede grobe Vereinfachung ist ungenau, um nicht zu sagen falsch. Durch das Wörtchen "sozusagen" und die Anführungszeichen um "uns" hatte ich versucht, das kenntlich zu machen.

Wenn Westenhöfer Vokabeln wie "abwegig" und "degenerativ" benutzt, ist er zweifellos Kind seiner Zeit. Jedoch ganz Unrecht hatte er damit nicht. Eine Spezialisierung ist immer ein Abweg, der schnell zur Sackgasse werden kann. So leben etwa auf Sumatra heute über 50.000.000 Orang (Menschen), Tendenz stark steigend, und gerade noch 7500 Orang Utan (Waldmenschen), Tendenz stark fallend.

Wenn wir den hominoiden Fossilienbefund anschauen, so finden wir haufenweise Kandidaten, die es mutmaßlich nicht geschafft haben — das offensichtlichste Beispiel ist Oreopithecus, der sich offenbar gemütlich aufrecht herumstehend auf von großen Raubtieren freien Inseln eingerichtet hatte, bis das Mittelmeer trocken fiel und das Unheil seinen Lauf nahm. Auch ein guter Teil der vielen Australopithecinen-Linien haben offenbar in Sackgassen geendet.

Aber, eigentlich läuft es ja wieder auf die alte, weiter oben schon aufgeworfene Frage hinaus: Was macht den Menschen aus? Nachdem alle anderen Kriterien wie opponierbarer Daumen, Werkzeuggebrauch, flache Schnauze etc. auch bei anderen, teils weit entfernt verwandten Primaten beobachtet werden, bleibt am Ende nur noch der aufrechte Gang als exklusives Merkmal (zumal wenn man die Gehirngröße von Homo floresiensis berücksichtigt, die sich im Bereich von Schimpansen und Australopithecinen befindet).
 
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