Reinecke
Aktives Mitglied
Und das Christentum war ja als Glaube für die unteren Schichten nicht ganz unattraktiv, gerade in hierarchischen Gesellschaften.
Ich kann das für die Germanen zugegebenerweise nicht sagen, aber für die spätere Ausdehnung nach Osten lässt sich klar erkennen, dass es gerade die oberen Gesellschaftschichten der Slawen waren, die von der Christianisierung (und den damit einhergehenden Hierarchisierungen) profitierten. In Skandinavien lässt sich ähnliches beobachten. Die Christianisierung geht einher mit der Durchsetzung des Königtums und einer Stabilisierung hierarchischer Machtverhältnisse.
Aber ein Gott, der sich - zumindest nach katholischer/rechtgläubiger Lehre, in der arianischen Christologie ist das ja dann nicht der Fall - ohne sich zu wehren ans Kreuz schlagen lässt, um zu sterben, das ist zunächst ein Schwächling, der in einer Kriegergesellschaft keinen Platz hat.
Insofern ist die angebotene Erklärung, warum die Germanen (aber genauso auch die Bewohner des römischen Reiches) nach und nach zum Christentum kamen, eher unbefriedigend.
Die Frage ist ja auch, ob man von unten oder von oben christianisierte. Für das römische Reich gibt es z.B. die Annahme, dass die Christianisierung zunächst die unteren Schichten erfasste, es gibt aber - bei genauerer Betrachtung der Sachlage - auch Gegenargumente dazu.
Es mag eine sehr allgemein klingende These sein, aber ich halte folgende "historische Vorteile" des Christentums für die entscheidenden:
1.) Es war kompatibel mit einer hierarchischen Staatsverfassung, dafür hatten die Kirchenväter gesorgt. Damit stabilisierte es die gesellschaftlichen Verhältnisse zugunsten einer zentralen Machtinstitution. Das zeigt sich an der Entwicklung im römischen Reich ab Konstantin, und das wiederholt sich mWn in Skandinavien und bei der Erweitreung des HRR jenseits der Elbe.
2.) Durch die friedliche Botschaft Jesu und durch die reale Zentralisierung der "staatlichen" Gewalt kann diese Entwicklung für viele Menschen Vorteile geboten haben, die bisher unter dem faktisch vorhandenen Recht des Stärkeren leiden mussten. Auch die wirtschaftliche Entwicklung, die eine ideologische Verbindung mit der "christlichen Welt" und die Durchsetzung eines gewissen Landfriedens bot, sind hier erwähnenswert.