Wie universell ist die Aufklärung?

Clausewitz schrieb:
Die Aufklärung von der wir hier sprechen ist nun wirklich streng mitteleuropäisch und besonders durch die Sekularisation und die industrielle Revolution geprägt.

Dass die Aufklärung durch die Säkularisation besonders geprägt sei, finde ich schon hinterfragenswert, aber irgendwo noch einleuchtend, da beides wohl zusammenpasst. Umgekehrt - Aufklärung ermöglichte Säkularisation - erschiene es mir sinnvoller, aber ich will hier keine Spiegelfechterei vom Zaune brechen.

Nur: Wie ist denn bitte die Aufklärung durch die Industrielle Revolution geprägt? Einen solchen Zusammenhang (noch einmal: die Industrielle Revolution prägte die Aufklärung?!) kann ich beim besten Willen auch beim dritten Überlegen nicht entdecken.
Vielleicht kann mich jemand "aufklären"?
 
Kirlon schrieb:
Nur: Wie ist denn bitte die Aufklärung durch die Industrielle Revolution geprägt? Einen solchen Zusammenhang (noch einmal: die Industrielle Revolution prägte die Aufklärung?!) kann ich beim besten Willen auch beim dritten Überlegen nicht entdecken.
Vielleicht kann mich jemand "aufklären"?
Ich sehe da auch keinen Zusammenhang - vor allem, weil die Industrielle Revolution frühestens ab 1750 in England (und zwar nur dort) langsam (!) einsetzte und die Aufklärung im eigentlichen Sinn in anderen Staaten (Frankreich etwa, oder das ferne Königsberg) ihre Blüte fand.
 
Die Aufklärung und Emanzipation des Menschen?


Mechanismus und Materialismus
Das 15. und 16. <BIG></BIG>Jahrhundert standen im Zeichen radikaler gesellschaftlicher, politischer und geistiger Neuerungen. Die Erforschung der Welt, die Reformation mit ihrer Betonung des individuellen Glaubens, die Herausbildung der Gesellschaft der Handelsstädte sowie Aufsehen erregende neue Ideen in allen Bereichen der Kultur regten die Entstehung einer neuen philosophischen Weltanschauung an. Die mittelalterliche Auffassung von der Welt als hierarchischer Ordnung von gottgeschaffenen und gottregierten Wesen wurde ersetzt durch das mechanistische Bild von der Welt als riesiger Maschine, deren Teile sich nach strengen physikalischen Gesetzen, ohne Zweck oder Willen, bewegen. Das Lebensziel der Menschen war nicht mehr auf eine Vorbereitung für die Erlösung in einer kommenden Welt ausgerichtet, sondern auf die Befriedigung der natürlichen Bedürfnisse des Menschen. Die politischen Institutionen und ethischen Prinzipien wurden nicht mehr als Widerspiegelung der göttlichen Ordnung angesehen, sondern als praktische, vom Menschen geschaffene Einrichtungen. Aus dieser neuen philosophischen Sicht wurden Erfahrung und Vernunft als die Quellen der Wahrheit anerkannt.


 
Zuletzt bearbeitet:
Schini schrieb:
Ich sehe da auch keinen Zusammenhang - vor allem, weil die Industrielle Revolution frühestens ab 1750 in England (und zwar nur dort) langsam (!) einsetzte und die Aufklärung im eigentlichen Sinn in anderen Staaten (Frankreich etwa, oder das ferne Königsberg) ihre Blüte fand.

Industrielle Revolution trifft es vielleicht nicht genau, aber die Entmystifizierung der Welt durch die neuen Erkenntnisse der Wissenschaft duerften ihren Beitrag zur Aufklaerung gebracht haben. Wobei das wohl ein sich gegenseitiger befruchtender Prozess gewesen sein duerfte.
 
manganite schrieb:
Industrielle Revolution trifft es vielleicht nicht genau, aber die Entmystifizierung der Welt durch die neuen Erkenntnisse der Wissenschaft duerften ihren Beitrag zur Aufklaerung gebracht haben. Wobei das wohl ein sich gegenseitiger befruchtender Prozess gewesen sein duerfte.

Da hast du eindeutig Recht: Die Erkenntnisse der Wissenschaft, genauso wie die großen Entdeckungen und Erfindungen, die Ideen der Reformation etc., waren eine grundlegende Basis der Aufklärung.

Nur die Industrielle Revolution passt überhaupt nicht dazu - diese machte sich zwar die Erkenntnisse der Wissenschaft zu Nutze, hat aber zur Aufklärung nicht das Geringste beigetragen. Ich sehe es wie Schini: Nicht nur die zeitliche und geographische Distanz spricht gegen Clausewitz' These, sondern auch die gesellschaftliche Ausprägung dieser Epoche: Von Mündigkeit und Freiheit kann da wohl kaum die Rede sein.

Wahrscheinlich verwendet Clausewitz aber nur die falschen Begriffe, um etwas anderes zu sagen. Ich vermute, dass er in seinem Beitrag ebenfalls nicht Säkularisation meinte, sondern Säkularisierung.
 
Zuletzt bearbeitet:
Kirlon schrieb:
Da hast du eindeutig Recht: Die Erkenntnisse der Wissenschaft, genauso wie die großen Entdeckungen und Erfindungen, die Ideen der Reformation etc., waren eine grundlegende Basis der Aufklärung.

Haben die Erfindungen in der industriellen Revolution keinen Einfluß auf die Sichtweise auf sich selber, auf die Gesellschaft, auf die Religion und auf die Regierung gehabt ? Natürlich liegt díe Zeitepoche der Aufklärung etwas früher, aber mir ging es hier besonders um den Vergleich mit anderen Erdteilen.

Kirlon schrieb:
Nicht nur die zeitliche und geographische Distanz

welche geographische Distanz ? Gab es in Europa keine Aufklärung ?

Kirlon schrieb:
nicht Säkularisation meinte, sondern Säkularisierung.

im Duden finden sich beide Wörter.
 
Clausewitz schrieb:
welche geographische Distanz ? Gab es in Europa keine Aufklärung ?

im Duden finden sich beide Wörter.

Mit der "geographischen Distanz" habe ich mich auf den Beitrag von Schini bezogen, dem ich nichts hinzufügen möchte - dieser spricht für sich.

Natürlich findest du im Duden sowohl Säkularisation als auch Säkularisierung - beide Begriffe existieren, meinen aber verschiedenes. Es wäre hilfreich, wenn du erklären würdest, was genau du in deinem Ursprungsbeitrag gemeint hast.

So, wie du in deiner Erläuterung Aufklärung und Industrielle Revolution verbindest, gehören alle Epochen, die nach der Aufklärung kamen, zur Aufklärung dazu und prägten diese. Umgekehrt würde die Sache eher Sinn machen: Die Aufklärung prägte viele Epochen, die später kamen...

Ich bleibe also dabei: Wie auch immer die Industrielle Revolution die Aufklärung prägte, ist mir nicht ersichtlich.
 
Saint-Just schrieb:
Grade im Zusammenhang mit islamischen Fundamentalismus findet sich häufig die These, Problem sei eine Aufklärung, die dort nicht stattgefunden hat.
Ich denke, daß Thema ist zu weit gefächert um das in einem Rutsch vernünftig beantworten zu können.

Notwendig wäre genau zu wissen wie der islamische Fundamentalismus entstanden ist
und wie die Trennung von Kirche und Staat und die Ablösung vom Christentum in Europa zustande gekommen sind (beide Erscheinungen würden den Fundamentalisten die Schuhe ausziehen).

Vielleicht sollte man beiden Themen einen eigenen Thread widmen, und dann hier die Ergebnisse wieder zusammenbringen.

:confused:
 
Clausewitz schrieb:
Haben die Erfindungen in der industriellen Revolution keinen Einfluß auf die Sichtweise auf sich selber, auf die Gesellschaft, auf die Religion und auf die Regierung gehabt ? Natürlich liegt díe Zeitepoche der Aufklärung etwas früher, aber mir ging es hier besonders um den Vergleich mit anderen Erdteilen.
Vielleicht liegt es an der Vermittlung der Industriellen Revolution in den Ausbildungsstätten (z.B. hier), aber selbst bei den Erfindungen in der Blütekraft der Aufklärung war die Verbreitung sehr eingeschränkt,
  • nachdem die Dampfmaschine erst 1769 in einsetzbarer Form "erfunden" wurde und aufgrund der hohen Kapitalkosten erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts in einigen, wenigen Produktionsstätten und Bergwerken Verwendung fand (erste Watt'sche Dampfmaschine in Deutschland: 1782) (Graphik aus: Nuvolari/Verspagen/von Tunztelmann: The Diffusion of the Steam Engine in Eighteenth-Century Britain, 2004)
<TABLE cellSpacing=1 cellPadding=7 width=600 border=1><TBODY><TR><TD vAlign=top width="17%" height=29>Type of engine



</TD><TD vAlign=top width="17%" height=29>Period



</TD><TD vAlign=top width="17%" height=29>Number of engines



</TD><TD vAlign=top width="17%" height=29>Moran I statistic



</TD><TD vAlign=top width="17%" height=29>Significance (Normal)



</TD><TD vAlign=top width="17%" height=29>Significance (Randomized)



</TD></TR><TR><TD vAlign=top width="17%" height=17>Newcomen



</TD><TD vAlign=top width="17%" height=17>1700-1733



</TD><TD vAlign=top width="17%" height=17>97



</TD><TD vAlign=top width="17%" height=17>0.167



</TD><TD vAlign=top width="17%" height=17>**



</TD><TD vAlign=top width="17%" height=17>***



</TD></TR><TR><TD vAlign=top width="17%" height=17>Newcomen



</TD><TD vAlign=top width="17%" height=17>1734-1774



</TD><TD vAlign=top width="17%" height=17>442



</TD><TD vAlign=top width="17%" height=17>0.124



</TD><TD vAlign=top width="17%" height=17>*



</TD><TD vAlign=top width="17%" height=17>**



</TD></TR><TR><TD vAlign=top width="17%" height=17>Newcomen



</TD><TD vAlign=top width="17%" height=17>1775-1800



</TD><TD vAlign=top width="17%" height=17>616



</TD><TD vAlign=top width="17%" height=17>0.192



</TD><TD vAlign=top width="17%" height=17>***



</TD><TD vAlign=top width="17%" height=17>***



</TD></TR><TR><TD vAlign=top width="17%" height=17>Boulton & Watt



</TD><TD vAlign=top width="17%" height=17>1775-1800



</TD><TD vAlign=top width="17%" height=17>479



</TD><TD vAlign=top width="17%" height=17>0.074



</TD><TD vAlign=top width="17%" height=17>



</TD><TD vAlign=top width="17%" height=17>



</TD></TR></TBODY></TABLE>
  • Die Spinning Jenny (John Hargreaves, 1770) nur in der Textilindustrie mit ausreichendem Nachschub und anschließender Produktionskapazität bei Webstühlen sinnvoll eingesetzt werden konnte
  • ähnliches für den "Water Frame" gilt.
Als sie sich am Anfang des 19. Jahrhunderts durchzusetzen begannen, war der Backlash der konservativen, restaurativen Kräfte meiner Ansicht nach schon voll im Gange.

Die technischen Möglichkeiten zur Produktionssteigerung bargen mE im 18. Jhdt. noch zu hohe Kapitalkosten (deren Finanzierung in Kontinentaleuropa auch nicht so leicht aufzubringen war) im Vergleich zu den Kosten der Arbeit, vor allem bei den steigenden Bevölkerungszahlen, um eine Alternative - auch im Denken - darzustellen. Die Menschen mußten ja auch Arbeit haben, um nicht zu verhungern. Später gab es ja dann auch Maschinenstürmer, die eine ganz andere Strömung beeinflußten...

Ich meine eher, dass Aufklärung und die geistigen Bedinungen der Industrialisierung einige Konzepte und Gedanken gemeinsam haben, die schon viel früher geschehen sind.


Aber zurück zur Frage: Ja, es mag durchaus sein, dass es Erfindungen gab, die in anderen Kulturen fehlten oder nicht weiter entwickelt wurden, sodass die Entwicklung unterschiedlich verlief. Oft wird dabei das vertikale Mühlrad genannt. Nur fällt es mir schwer, von einer Mühle zur Aufklärung zu gelangen... ;)
 
Sascha Maletic schrieb:
Nun, mit dem europäischen Kolonialismus hat sich die Aufklärung fast weltweit durchgesetzt. Nur in der (arabisch)-islamischen Welt konnte sie nie richtig Fuß fassen.

Noch nicht in der chinesischen Welt (möglicherweise mit Ausnahme Taiwans). Das bedeutet ja nicht, daß China ihre eigene humanistische Tradition nicht hätte. Aber heutzutage, wer kümmert sich da ernsthaft um die Erneuerung durch die Vergangenheit?

P.S. http://foro.elislamweb.net/viewtopic.php?t=571
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Gerade deshalb dürfen wir heutzutage nicht die Menschenrechte, die so grundlegend für unser westlich-aufgeklärtes Bild sind, einfach anderen Kulturkreisen überstülpen. Das wird allerdings oft gemacht :(
 
Ich sehe da auch keinen Zusammenhang - vor allem, weil die Industrielle Revolution frühestens ab 1750 in England (und zwar nur dort) langsam (!) einsetzte und die Aufklärung im eigentlichen Sinn in anderen Staaten (Frankreich etwa, oder das ferne Königsberg) ihre Blüte fand.
Zufällig darüber gestolpert, aber das ist schon eine wunderliche Wertung. Ich würde sagen, dass es in England ebenso die Aufklärung gab. Nicht umsonst beschäftigten sich die Französischen Aufklärer mit Newton usw.. Die Protoaufklärung an der Wende zum 18.Jh. würde ich nicht unterschätzen. Zwischen England und Frankreich gab es einen gegenseitigen Austausch, trotz politischer Querelen befruchteten sich doch die Geistesgrößen gegenseitig. Wenn man Humes Vorstellungen über die Gesellschaft neben die von Rousseau hält, wer will da sagen, dass die Engländer nicht ebenso entwickelt waren?

Indem man die Erfindungen in England ohne jene in Frankreich allein hinstellt, wird diese Auflistung auch nicht richtiger. Sicherlich hatte England vor dem noch viel mehr als Frankreich die agrarischen Dominanz für die Volkswirtschaft zurück gedrängt.
Das schmälert aber nicht die Errungenschaften von de Bélidor, Cugnot, Jacquart.
 
Auch auf die Gefahr hin, dass man mich als Spaßbremse bezeichnet, frage ich mich doch, was die Industrialisierung mit der Aufklärung und vor allem mit dem Islam zu tun haben soll.

Ich habe in meinem GeschichtsLK vor ca. 5 Jahren :)nono: ich fühle mich alt :red:) ein schriftliches Referat abgeben müssen zum Thema "Christentum und Islam - die neuen Kreuzzüge". Der Titel ist doch ziemlich reißerisch, wie mir jetzt auffällt, aber mit 17 merkt man sowas nicht :D. Fakt ist, dass ich bei meinen Nachforschungen damals auf eine Aussage gestoßen bin, die mich doch sehr fasziniert hat.

Während das Christentum seinen Beginn mehr oder weniger in einer Sekte fand (Jesus als Prediger und seine Jünger, auch wenn man das heute meist ganz anders betrachtet), war der Islam von Anfang an als Staatsreligion konzipiert worden, um ganze Völker zu vereinen unter einem Gott und vornehmlich einer Fahne. (Ob das nun so funktioniert hat oder nicht, lasse ich mal dahingestellt)

Fakt ist, dass das Christentum seine Glaubenskriege ca. 1500-1700 Jahre nach seiner Gründung hinter sich brachte (anfangen könnte man hier vielleicht mit Luthers Übersetzung der Bibel, der damit keine Spaltung des Glaubens wollte, sie aber dennoch mit verursachte... und enden könnte man mit dem 30-jährigen Krieg).

Das ist sehr vereinfacht ausgedrückt, aber ich hab damals schon den Gedankengang verfolgt, dass, wenn es so lange dauert, bis die Anhänger einer Religion sich bewusst werden, dass andere Glaubensinhalte zwar nicht der eigenen Meinung entsprechen, aber denoch eine Existenzberechtigung haben, dann steht der Islam nun kurz vor dieser Schwelle. Immerhin entstand er knapp 600 Jahre nach dem Christentum.

Zumal es auch in der westlichen Welt noch weitere 100 bis 200 Jahre dauerte, bis die Religion ihren Wert durch die Säkularisierung verlor und komplett vom Staat getrennt wurde.

Was ich damit verdeutlichen will, ist, dass rein zeitlich gesehen, wenn man beide Religionen vergleicht, der Islam einfach noch nicht so "weit" ist wie wir. Deshalb wird er nicht besser oder schlechter und die Menschen sind auch nicht dümmer oder klüger. Sie sind nur einfach noch nicht so weit.

Und mal ehrlich.. wer würde sein Land und seinen Glauben nicht verteidigen, wenn Fremde ihm sagten, diese seien mit ihrer Kultur verglichen primitiv? Das soll kein Freifahrtschein für Fundamentalisten sein, bitte nicht als solchen auffassen :D schließlich gibt es auch immer noch genug christliche Fundamentalisten ;) ich versuche nur, die Sichtweise vielleicht mal um ein paar Grad zu drehen :D
 
Was ich damit verdeutlichen will, ist, dass rein zeitlich gesehen, wenn man beide Religionen vergleicht, der Islam einfach noch nicht so "weit" ist wie wir. (...) Sie sind nur einfach noch nicht so weit.
Damit unterstellst du imho allerdings eine "zeiversetzte Parallelentwicklung", das muß nicht zwangsläufig so sein. "Noch nicht so weit" impliziert - trotz deiner erklärenden Worte - dennoch eine "Rückständigkeit, was wiederum m.M.n. auf sehr eurozentrisches Denken schließen läßt. Es Erinnert mich stets an das Sendungsbewußtsein des Imperialismus, man sollte da etwas vorsichtiger sein.

Zumal es auch in der westlichen Welt noch weitere 100 bis 200 Jahre dauerte, bis die Religion ihren Wert durch die Säkularisierung verlor und komplett vom Staat getrennt wurde.
Auch hier sehe ich keine "Zwangsläufigkeit", erst die Geschichte wird zeigen, was geschieht. ;)
 
Das ist richtig. Eine Zwangsläufigkeit gibt es nicht. Nur finde ich, dass man auch nicht an das Thema in der Form herangehen sollte, dass nur, weil wir die nächsten Nachbarn sind und bei uns eben die Aufklärung stattgefunden hat, die islamische Welt schließlich ja auch dazu aufsehen könnte und sich ebenfalls "unseren" Idealen der Menschlichkeit unterwerfen muss. Immerhin gibt es ja auch noch ein "Selbstbestimmungsrecht der Völker" und das gibts auch nicht erst seit gestern ;) .

Nur, weil die westliche Welt und das Christentum eine bestimmte Entwicklung durchlaufen haben, sind andere Völker und Religionen nicht primitiv. :)

Was das eurozentrische angeht... vielleicht habe ich mich falsch ausgedrückt. Ich hätte sagen sollen, dass sie bis jetzt keine Aufklärung im europäischen Sinne durchliefen, was aber nicht zwangsläufig bedeutet, dass sie sie jemals durchlaufen ... oder annehmen werden.

Was das Sendungsbewusstsein angeht: mir wäre es lieber, man hätte von Anfang an keinem Volk die "westliche" Denkweise und Religion aufgezwungen, sondern sie in ihrem Zustand belassen und einfach nur Handel getrieben... denn gerade durch solche "Zwangsbekehrungen" (ich schmeiße mal den OT-Begriff Coca-Colonization ein) entstehen große Problematiken. Aber man kann die Zeit nunmal nicht zurückdrehen.
 
Ich erlaube mir einmal noch einige Anmerkungen zu dieser Sache...

Fakt ist, dass das Christentum seine Glaubenskriege ca. 1500-1700 Jahre nach seiner Gründung hinter sich brachte (anfangen könnte man hier vielleicht mit Luthers Übersetzung der Bibel, der damit keine Spaltung des Glaubens wollte, sie aber dennoch mit verursachte... und enden könnte man mit dem 30-jährigen Krieg).
...
... wenn es so lange dauert, bis die Anhänger einer Religion sich bewusst werden, dass andere Glaubensinhalte zwar nicht der eigenen Meinung entsprechen, aber denoch eine Existenzberechtigung haben, dann steht der Islam nun kurz vor dieser Schwelle. Immerhin entstand er knapp 600 Jahre nach dem Christentum.

Abgesehen davon, daß die Klassifikation "Glaubenskriege" für die Kriege im Zeitalter der Glaubensspaltung nur die halbe Wahrheit ist, handelte es sich dabei um Kriege innerhalb einer Religion, nämlich der christlichen Welt. Das Pendant dazu wäre in der islamischen Welt die Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten, deren Anfang bereits in der 2. Hälfte des 7. Jh. liegt - ergo kurz nach Entstehung und Durchsetzung des Islam.

Nur, weil die westliche Welt und das Christentum eine bestimmte Entwicklung durchlaufen haben, sind andere Völker und Religionen nicht primitiv.

Das könnte ich in diesem Kontext der Betrachtung christliche vs. islamische Welt aber auch umdrehen: es gab einmal eine Zeit (Stichwort: europäisches Hochmittelalter), da sah die islamische Welt auf die vermeintlich primitive christliche Welt herab - und dies war bei näherer Betrachtung mindestens genauso unberechtigt.

Was das Sendungsbewusstsein angeht: mir wäre es lieber, man hätte von Anfang an keinem Volk die "westliche" Denkweise und Religion aufgezwungen, sondern sie in ihrem Zustand belassen und einfach nur Handel getrieben... denn gerade durch solche "Zwangsbekehrungen" (ich schmeiße mal den OT-Begriff Coca-Colonization ein) entstehen große Problematiken. Aber man kann die Zeit nunmal nicht zurückdrehen.

Du bist bitte so nett und nennst mir an der Stelle einmal die entsprechenden Beispiele von "Zwangbekehrungen" (in welchem Sinn auch immer), damit wir das in historischen Dimensionen gefaßt bekommen und entsprechend betrachten können. So allgemein läßt sich nämlich kaum darauf eingehen...
 
Das könnte ich in diesem Kontext der Betrachtung christliche vs. islamische Welt aber auch umdrehen: es gab einmal eine Zeit (Stichwort: europäisches Hochmittelalter), da sah die islamische Welt auf die vermeintlich primitive christliche Welt herab - und dies war bei näherer Betrachtung mindestens genauso unberechtigt.



Du bist bitte so nett und nennst mir an der Stelle einmal die entsprechenden Beispiele von "Zwangbekehrungen" (in welchem Sinn auch immer), damit wir das in historischen Dimensionen gefaßt bekommen und entsprechend betrachten können. So allgemein läßt sich nämlich kaum darauf eingehen...


Anmerkungen sind immer gut, ich lern immer gern dazu und lass mich korrigieren, wenn ich wieder was verkorkse. :)

Dass die arabische Welt zu Zeiten des europäischen Mittelalters auf die Europäer herabgeblickt hat, bestreite ich ja gar nicht. Und es ist bestimmt auch nicht richtiger gewesen, als heute im Umkehrschluss.

"Zwangsbekehrungen" meinte ich im Sinne von z.B. der Kolonisation. Man kam mit den westlichen Werten nach Afrika und gründete eine Kolonie nach westlichen Werten zwecks Ausbeutung ebenjener und der Menschen, die dort lebten (ich verallgemeinere hier, denn es waren einige Staaten beteiligt, nicht nur England oder Deutschland... auch Frankreich hatte z.B. die Finger mit drin). Somit brachte man die eigene Kultur dorthin und verdrängte die vorhandene, weil diese eben vergleichsweise "primitiv" war.
Und damit meine ich nicht nur die wirtschaftliche Ausbeutung sondern auch die Missionierung ... das alles fällt für mich unter den von mir mit Absicht in Anführungszeichen gesetzten Begriff "Zwangsbekehrung". Ich wollte damit also nicht nur den Religiösen Aspekt sondern den der Kultur allgemein ansprechen.

Und was diese "Zwangsbekehrung" angeht, behaupte ich auch nicht - bitte keinen falschen Umkehrschluss fassen :D - dass dies allein von Christen so praktiziert wurde...es war nur ein Beispiel, wie du verlangtest... das wird wohl von jeder Kultur zu jeder Zeit so praktiziert worden sein, die Menschen sind eben von Grund auf schlecht :D.
Aber ich meine, aus unserer "aufgeklärten" Sicht heraus, sollten wir doch im Stande sein, zu erkennen, dass wir eben deshalb nicht im Besitz der alleinigen Wahrheit sind. (und damit genug OT, das hier ist kein Philosophieforum :) )

Was ich eigentlich mit dem ganzen Gerede/Geschreibe zum Ausdruck bringen wollte ist, dass eben unsere Aufklärung uns zwar vermittelt, dass in anderen Kulturen Menschen zum Teil benachteiligt werden, aber dass das nicht die einzige und alleinige Wahrheit ist, die es zu betrachten gibt.
 
Damit unterstellst du imho allerdings eine "zeitversetzte Parallelentwicklung", ... "Noch nicht so weit" impliziert - trotz deiner erklärenden Worte - dennoch eine "Rückständigkeit, ...

So gesehen könnte man christlichen Antisemitismus auch so interpretieren, dass die Juden nicht als kulturell unterlegen, sondern durchaus als überlegen wahrgenommen werden, was man aber bei einer Minderheit nicht gern akzeptiert.
 
... was diese "Zwangsbekehrung" angeht, behaupte ich auch nicht - bitte keinen falschen Umkehrschluss fassen :D - dass dies allein von Christen so praktiziert wurde...es war nur ein Beispiel, wie du verlangtest...

Kein Problem; deswegen hatte ich ja nach konkreten Beispielen gefragt :cool:

"Zwangsbekehrungen" meinte ich im Sinne von z.B. der Kolonisation.

Daß Mission in Verbindung mit dem Kolonialismus betrieben wurde, steht außer Frage. Dennoch müssen wir auch dabei im jeweiligen Kontext ein wenig differenzieren: so ist es bspw. der katholischen Kirche in Lateinamerika zu verdanken, daß die indianische Urbevölkerung dort von den Konquistadoren nicht vollständig ausgerottet worden ist.

Man kam mit den westlichen Werten nach Afrika und gründete eine Kolonie nach westlichen Werten zwecks Ausbeutung ebenjener und der Menschen, die dort lebten (ich verallgemeinere hier, denn es waren einige Staaten beteiligt, nicht nur England oder Deutschland... auch Frankreich hatte z.B. die Finger mit drin). Somit brachte man die eigene Kultur dorthin und verdrängte die vorhandene, weil diese eben vergleichsweise "primitiv" war.
Und damit meine ich nicht nur die wirtschaftliche Ausbeutung sondern auch die Missionierung ... das alles fällt für mich unter den von mir mit Absicht in Anführungszeichen gesetzten Begriff "Zwangsbekehrung". Ich wollte damit also nicht nur den Religiösen Aspekt sondern den der Kultur allgemein ansprechen.

Ich schätze, damit spielst Du auf folgenden Kontext an: Kolonialismus - Wikipedia

... ich meine, aus unserer "aufgeklärten" Sicht heraus, sollten wir doch im Stande sein, zu erkennen, dass wir eben deshalb nicht im Besitz der alleinigen Wahrheit sind...

"Interessant" dabei ist, daß - um die Sache mit dem Kolonialismus aufzugreifen - nicht wenig "Überstülpen fremder Kultur" gerade auch nach dem 18. Jh. (Zeitalter der Aufklärung und der Frz. Revolution) geschah. Dies gilt umso mehr, wenn wir das von Dir gebrachte Beispiel Afrika betrachten...

So gesehen könnte man christlichen Antisemitismus auch so interpretieren, dass die Juden nicht als kulturell unterlegen, sondern durchaus als überlegen wahrgenommen werden, was man aber bei einer Minderheit nicht gern akzeptiert.

Nein, das könnte man nicht.
Der christliche Antisemtismus (der korrekterwiese übrigens als Antijudaismus bezeichnet werden sollte) fußte nicht auf Überlegenheits- oder Unterlegenheitsempfinden, sondern auf Abgrenzung gegenüber - Achtung, ich gebe die entsprechende damalige Sichtweise wieder! - dem Volk, das sich im Umfeld des Kreuzestodes Jesu (des Gottessohnes) schuldig gemacht hatte und welchem gegenüber aus diesem Grund Gott seinen alten Bund verworfen hatte.
Vgl. dazu auch den Überblick auf Antijudaismus im Mittelalter - Wikipedia
 
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