Wie weit sind die Kelten nach Norden vorgestossen?

@ Lungos:


Waren sie wirklich völlig unterschiedlicher Kultur?
Wie war es möglich, dass die Kelten so schnell von der Mitteleuropäischen Plattform verschwanden?
War es nicht vielmehr ein fließender Übergang, in dem Kelten in Germanen und Romanen aufgingen?

Was war der große und entscheidende Unterschied zwischen Germanen und Kelten?

Es gibt eine Reihe von Unterschieden. Aber wenn es um den "großen und entscheidenden" geht, wäre wohl vor allem zu nennen, dass beide Völker verschiedenen Sprachgruppen angehörten. Aber es gibt auch viele Unterschiede in der Siedlungsweise/materiellen Kultur. Darauf komme ich gleich zu sprechen.

Waren sie wirklich völlig unterschiedlicher Kultur?

Ist natürlich eine Frage der Sichtweise; oberflächlich haben sie kulturell einige Gemeinsamkeiten: beide Völker hatten eher schriftlose Kulturen, galten für die Gesellschaften im Mittelmeerraum als Barbaren, und die Männer beider Völker verdingten sich häufig als Krieger und Söldner.
En detail gibt es hier aber bereits beträchtliche Unterschiede.
- Befestigungen waren bei den Germanen vor der Spätantike sehr selten. Dass sah in der Celtica anders aus.
- die Kelten kannten bereits große, stadtähnliche Siedlungen
- im Gegensatz zu den Kelten hatten die Germanen so gut wie keine Tempel
- ab dem 2. Jhdt. v. Chr. prägten Kelten bereits Münzen
Die Liste der Unterschiede in der materiellen Kultur lassen sich sicher noch viel weiter führen.

Wie war es möglich, dass die Kelten so schnell von der Mitteleuropäischen Plattform verschwanden?
Kurze Antwort: Römisches Reich. Die Römer eroberten nahezu die ganze "Celtica".
Allerdings kann man eigentlich nicht sagen, dass die Kelten "so schnell" verschwanden. Immerhin siedelten sie für ein halbes Jahrtausend in Gallien, Süddeutschland, Böhmen, Spanien, ganz zu schweigen von den britischen Inseln. Und selbst unter römischer Herrschaft lassen sich keltische Eigenarten noch bis in die Spätantike feststellen.

War es nicht vielmehr ein fließender Übergang, in dem Kelten in Germanen und Romanen aufgingen?

Fließender Übergang zwischen Kelten und Romanen => ja
Fließender Übergang zwischen Kelten und Germanen => hier und da möglich. Es wird aber davon ausgegangen, dass Kelten und Germanen in ihren Siedlungsräumen wenig Berührungspunkte hatten. Am ehesten wäre eine Vermischung noch möglich in Gebieten nahe des Rheins, wie etwa Flandern/Holland oder am Oberrhein.
 
Ashigaru schrieb:
....
Fließender Übergang zwischen Kelten und Romanen => ja
Fließender Übergang zwischen Kelten und Germanen => hier und da möglich. Es wird aber davon ausgegangen, dass Kelten und Germanen in ihren Siedlungsräumen wenig Berührungspunkte hatten. Am ehesten wäre eine Vermischung noch möglich in Gebieten nahe des Rheins, wie etwa Flandern/Holland oder am Oberrhein.

Mit Deinen Antworten stimme ich überein, aber ich habe noch einige Anmerkungen.
Die keltischen Verteidungsanlagen waren eher auf eine Bedrohung aus den Norden ausgerichtet. Die südlichen Alpen mit den dort ansässigen keltischen Stämmen waren für die Kelten Schutz genug. Sie wurden dann in dem für sie überraschenden Römerfeldzug im heutigen Süddeutschland innerhalb eines Sommerfeldzugs besiegt.
Bei den nördlichen keltischgeprägten Anlagen sind deutliche Brandspuren entdeckt worden. Ob diese Anlagen selbst angesteckt wurden oder von den Germanen zerstört wurden, ist schwer nachweisbar. So fand man auch bei der Schnippenburgwall deutliche Brandspuren.
Meine Annahme geht dahin, daß die aus den Norden anrückenden germanischen Stämme teilweise die Kelten vertrieben bzw. assimilierten.
Die Kelten sind somit in einer Zange zwischen Germanen und Römern geraten.
Nach den Schlachten von Telamon (225v.Chr.) und Pergamon (230v.Chr.) ebbte die Keltenflut in Europa ab. Die Kelten befanden sich nicht mehr in der Offensive, sondern zunehmend in der Defensive!
 
Lieber Cherusker,

Du hast recht die keltischen Verteidigungsanlagen, wie der Ringwall am Altkönig im Taunus waren Verteidigungsanlagen und gegen Norden ausgerichtet.
Die Germanen siedelten auch zuerst in Skandinavien und der norddeutschen Tiefebene. Von dort breiteten sie sich nach Westen, Süden und Osten aus und erreichten somit auch die Mittelgebirge und Süddeutschland. Von Süden kamen die Römer und so wurden die Kelten in die Zange genommen. Vor den Germanen sollen sie auch nach Gallien geflohen sein.
 
@ Heinz: wie kommst du denn darauf, die keltischen Befestigunge seien alle nach Norden ausgerichtet? Der Ringwall auf dem Altkönig ist zunächst einmal kreisrund. Außerdem stammt er zudem wahrscheinlich noch aus der Hallstattzeit (500/400 v. Chr.). Damals sprach man noch nicht einmal von Germanen...

Außerdem hat man in Frankreich und England zur gleichen Zeit auch viele Ringwälle/Oppida gebaut. Es muss also nicht zwangsläufig mit einem äußeren Feind zu tun gehabt haben...
 
Lieber Ashigaru,

natürlich war der Ringwall kreisrund, sonst hieß er auch nicht Ringwall. Germanen gab es auch im 4. und 5. Jahrhundert v.Chr schon. Wogegen hätten sie sich sonst verteidigen sollen?:confused:
 
heinz schrieb:
Germanen gab es auch im 4. und 5. Jahrhundert v.Chr schon.

Nur lassen sie sich nicht genau lokalisieren, und sie hießen auch nicht "Germanen".



heinz schrieb:
Wogegen hätten sie sich sonst verteidigen sollen?:confused:

Gegen ihre keltischen Nachbarn natürlich, das geht doch aus Ashigarus Beitrag unmißverständlich hervor:

Ashigaru schrieb:
Außerdem hat man in Frankreich und England zur gleichen Zeit auch viele Ringwälle/Oppida gebaut. Es muss also nicht zwangsläufig mit einem äußeren Feind zu tun gehabt haben...
 
Bei der Ringwallforschung der Eisenzeit kann man grob in 3 Phasen unterteilen.
Die erste ist mit dem Fürstengräberhorizont gleichzusetzen als von Ha C/D-Lt A(B).
-> Heuneburg, Glauberg, u.a
Vrgl hier das Projekt "Fürstensitze&Umland"
Die zweite Phase eines Burgenbaues fällt in die Mittellatènezeit.
-> Schnippenburg
Die letzte Phase ist dann als Oppidaphase zu verstehen.

Nun zu der Bedrohung des Nordens, ich halte die Befestigungen der älteren Eisenzeit (Ha C/D-Lt A/B) für Anlagen die zu kleineren Siedelgemeinschaften gehörten und wahrscheinlich doch eher der Absicherung gegenüber den direkten Nachbarn galten. Eine "germanische" Landnahme kann für das Niederhessische Senke in dieser Zeit nicht festgestellt werden, ebenso fehlen auf den Befestigungen sichere Zerstörungshorizonte.
Fakt ist aber das mit Beginn der Mittellatènezeit, Keramik im Przeworskstil erstmals in der Senken Landschaft auftaucht, aber noch in geringer Zahl. Es ist wohl davon auszugehen, dass zu dieser Zeit Personen in das Nordhessische kamen, die nicht dem Laténestil zuzuordnen sind.
Michael Meyer hat in der Zeitschrift Altthüringen(2005) dazu ein sehr interessantes Model vorgelegt.
Insgesamt sind die Zuschreibungen für Völkerschaften zumindestens für die ältere Eisenzeit im Mittelgebirgsraum abzulehnen, die zugrunde liegenden schriftlichen Überlieferungen stammen fast ausschließlich aus der Oppidazeit. Vielmehr kann nur anhand der materiellen Kultur eine Zuschreibung zu einer "Kulturgruppe" getroffen werden. Dies ist aber nicht mit Ethnien, Völkern und Stämmen gleichzusetzen, sondern ein Konstrukt der Archäologie.
Die Niederhessische Senke scheint bei dem Transfer von materieller Kultur in der älteren Eisenzeit einen nicht unwichtigen Verteilerknoten zu bilden. (Besonders das Auftreten der Hess. Thüringischen Strichverzierten Ware in einem breitem Raum könnte als Indiez gelten).
Die Beziehungen sind in dieser Zeit sehr stark in die Thüringische Kultur.
 
DerGeist schrieb:
Vielmehr kann nur anhand der materiellen Kultur eine Zuschreibung zu einer "Kulturgruppe" getroffen werden. Dies ist aber nicht mit Ethnien, Völkern und Stämmen gleichzusetzen, sondern ein Konstrukt der Archäologie.

Das sehe ich ähnlich. In der neueren Kelten-Archäologie vermeine ich zuden eine Tendenz zu erkennen, dass man die Hallstatt-Zeit eher in einer Kontinuität zur Urnenfelderzeit stellt (obwohl es fraglos bedeutsame Veränderung wie den Übergang zur Körperbestattung gibt).
 
Genau diese Tendenz konnte Bergmann im Gräberfeld von Vollmarshausen feststellen.
Die Nordhessische Keramik weist nämlich am Übergang von UK zu Ha ein "beharren" an den UK Vorbildern auf.
 
Alteburg bei Niedenstein,die Nordausdehnung der Latenekultur

ALTEBURG bei Niedenstein,ca 30 km südlich von Kassel,es war nicht das MATTIUM der Chatten.Das Fundaufkommen ist keltisch.HOFHEIM-Trense,Große Palmetten-Gürtelhaken,Regenbogenschüsselchen darunter sehr frühe süddeutsche Vindeliker,auch Viertelstatere,es sind keine Quinare aufgetaucht oder Kleinsilber,Potine etc.,das sollte bedeuten,das ca 80 v.spätestens 70 v.chr hier Schluß war,sogar früher.
Ich wollte das nur mal erwähnt haben,weil am Anfang des Threads die Frage nach der Nordausdehnung der Kelten im Vordergrund stand,dann aber im Laufe der Kommentare der Chatten-Quatsch aus den Zeiten der romantischen Verklärung mal wieder seinen Tribut forderte und die ganze Diskussion zunichte machte.Außerdem melden sich dann auch immer gleich die ganzen Lokal-Patrioten vehemend zu Wort.Leute denkt daran,es geht um die keltische Nordausdehnung.Ich fände es natürlich klasse wenn sich hier mal ein Metallsondengänger mit offizieller Lizens hierzu äussern könnte.Das wäre dann ein neuer Ansatz zu Vorstoß Richtung Norden.Bitte keine moralischen Vorträge bezüglich Sondengänger ,ich kenne die Problematik.Verhindern kann man es eh nicht,die gehn bei Tag und in der Nacht,bei Schnee und Regen,356 Tage im Jahr, nur Bodenfrost hält die auf.
 
Alteburg bei Niedenstein

hast du einen Überblick wegen des Fundaufkommens,der einen Hinweis auf eine Besiedlung nach 100 bis 80 v.Chr.gibt,Quinare Typ Nauheim oder Tanzmännchen.?
kennst du Orte nördlich der Alteburg,wo sowas vorkommt
 
Ulrike Söder

Die Bearbeiterin der Altenburg bei Niedenstein, Ulrike Söder, der Altenburg nicht den Charakter eines Oppidum zumißt:


Söder 2004, S.119
Was ließ sie zu dieser Schlussfolgerung kommen,welche der Kriterien haben gefehlt ? Ist nicht die Alteburg durch den Wallabbau zur Schottergewinnung vor langer Zeit schon geschädigt worden und durch ältere Grabungen.Muss mich da mal wieder einlesen.
 
Das Fehlen der kleineren Nominale....

der Quinare ,könnte schon so ein Hinweis sein.In einer arbeitsteiligen Gesellschaft musste man mit Kleingeld wechseln können,bei Dingen des täglichen Bedarfs.Die Goldstatere die da oben rauskamen zählen sowieso zu den ältesten Prägungen auf deutschen Boden und sind allesamt den süddeutschen Vindeliker-Prägungen zuzuordnen.Das typische hess.Kleingeld , Quinare vom Typ Nauheim , oder den späteren Tanzmann gabs da anscheinend noch nicht als umlaufende Münze.
Wie sieht es mit den typischen Glasarmreifen aus...?
Vielleicht kommen noch Hinweise von Metallsonde.de die Sucher sind uns halt immer eine Sondenlänge vorraus.:pfeif:
 
Was ließ sie zu dieser Schlussfolgerung kommen,welche der Kriterien haben gefehlt ?

Das müsste ich in Ihrer Diss. nachlesen, da ich aber gerade mit einer Projektarbeit ziemlich ausgelastet bin, werde ich nicht dazu kommen.
Ulrike Söder, Die eisenzeitliche Besiedlung der Altenburg bei Niedenstein, Schwalm-Eder-Kreis. Rahden, Westf. 2004 (Marburger Studien zur Vor- und Frühgeschichte, 21).
 
So ,wie oben bereits von ashigaru und hyokkose ausgeführt meine ich auch, daß es primär an innerkeltischen Zwistigkeiten lag, daß die Notwendigkeit von Befestigungen bestand.Wie sonst wäre es zu erklären,daß auch weiter im Süden,in sicherer Entfernung einer vermeintlichen keltisch-germanischen Grenzlinie befestigte Oppidae , Ringwälle und Burgen existierten.
Die Frage,die sich bezüglich der Altenburg stellt ist natürlich die:
Wenn es kein oppidum war,was war es dann ?
Die Altenburg verfügte über ein mehrgliedriges Graben-und Wallsystem mit einem befestigten Zentralbereich von 15.000 m² Fläche, , diverse Wasserbecken sowie eine Tongrube mit angeschlossener Keramikproduktion. Das alles deutet darauf hin, daß die Anlage mehr als eine reinen Festungs- oder Fluchtburgfunktion hatte.
Vielmehr kann man,auf Grund der Anwesenheit von Handwerk wohl von einer stadtähnlichen Siedlung ausgehen
Auch das zweite Merkmal der Oppidakultur ,das Münzgeld (Viertelstatere) fehlt offenbar nicht,
Was m.W. fehlt sind Anhaltspunkte für die Adaption einer Schrift, wie man sie in anderen Oppidae findet.Das mag jedoch daran liegen,daß die Anlage wohl der letzte keltische Außenposten Richtung Norden war und in einer Grenzer- und Pioniergesellschagt besteht nun mal kein großer Codifizierungsbedarf.
Was ebenfalls fehlt ist ein Zentralheiligtum, wie z.B. die Viereckschanze im Donnersberg-Oppidum, möglicherweise war dieses aber auch durch den mittelalterlichen Burgplatz im Bereich des Falkensteins überbaut worden.
Das würde auch das Ausgreifen der äußeren Mauer in diesen Bereich erklären .

Was für die Anlage als oppidum spricht ist auch die Lage am ende einer regelrechten Kette von oppidae,die sich von der Heideränke über Dünsberg und Amöneburg bis zur Altenburg ziehen.
 
Ich hatte mal plötzlich die Eingebung,Alteburg und Heidetränke könnten etwas zeitlich versetzt ,also kurz hintereinander ,zu Gunsten des Dünsberg-Oppidums als neuen zentralen Ort, aufgegeben worden sein.Mit der Heidetränke verschwindet der Nauheimer,auf dem Niedenstein kamen keine Nauheimer,Kurz darauf der Tanzmann ,die neue Quinartyp für Hessen ,die Heidetränke hat als großes Nominal noch als Morgengabe den goldenen Forrer 399 Trigetrumgepräge,den Dreiwirbel Stater mitgebracht
 
Kamen Forrer 399 von der ALTENBURG

Wenn nämlich goldene Dreiwirbelmünzen noch auf der Altenburg bei Niedenstein vorkämen,bedeutet das,dass die Siedlung mindestens noch bis Anfang der Heidetränke lief.Jetzt können nur noch die bösen Buben helfen...wenn sie so gnädig wären.:winke::friends:
 
Was mir aufgefallen ist ist,daß alle oben genannten Oppidae wohl eine praekeltische Vorgeschichte als Siedlungsplätze der Michelsberger Kultur hatten.Besonders die Altenburg weist hier wohl recht umfangreiche Funde auf.
Die Frage die sich mir stellt ist die einer von der Jungsteinzeit ausgehenden Siedlungskontinuität bei diesen Oppidae die bis in die Zeit der Kelten reichte.
 
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