Moderne Historiker werden nicht müde, zu behaupten, dass die Kelten keine Einheit darstellten. Staatlich sicher nicht, aber ich kann mir kaum vorstellen, dass bei solchen eklatanten sprachlichen Ähnlichkeiten überhaupt kein Gemeinschaftsbewusstsein herrschte. Schliesslich wird ja auch Hieronymus dauernd zitiert, der sprachliche Ähnlichkeiten zwischen den Kelten im Rhein-Mosel-Gebiet und denen in Anatolien bemerkte. Das ist immerhin eine enorme geographische Distanz!
Wie stark ein "Gemeinschaftsgefühl" unter den Kelten bzw. den keltischen Stämmen ausgeprägt war, ist umstritten und heute kaum noch zu entscheiden. Deshalb wird der Begriff "Volk" für die antiken Kelten kaum noch verwendet und man findet dafür vielfach die Bezeichnung "Sprach- und Kulturgemeinschaft". Ähnliches gilt für die Germanen, wo ebenfalls die Summe der germanischen Stämme noch kein "Volk" in heutiger Begriffsdefinition ausmacht.
In Religion und Ritus gab es sicherlich zahlreiche gemeinsame Merkmale und man kann vermuten, dass z.B. die Druiden eine lockere Verbindung zwischen den verschiedenen Stämmen herzustellen vermochten. Auch die keltische Sprache war insofern ein einigendes Band, als man eine Gemeinsamkeit gegenüber anderssprachigen Bevölkerungsgruppen feststellte. Dennoch scheint der Begriff "Volk", wie wir ihn heute verstehen, damit noch nicht erreicht zu sein.
Es gibt einige Bücher, die die Theorie vertreten, dass mit dem Schwächerwerden der Römischen Macht kurzfristig ein keltischer Erneuerungsglaube erstand, der dann durch die Germanen zunichte gemacht wurde. Leider kenne ich die Quellen nicht mehr im einzelnen.
In Mitteleuropa gerieten die Kelten zwischen die Fronten: Von Norden her drängten germanische Stämme nach Süden, von Süden her expandierte das Imperium Romanum. Es scheint aber so zu sein - wie Hyokkose oben schon sagte - , dass die Kelten der Romanisierung durch die Römer wenig Widerstand entgegensetzten. Ich habe vor kurzem eine neuere Abhandlung gelesen, die feststellt, dass typisch keltische Sachkultur (Keramik, Waffen, Schmuck usw.) im von den Römern eroberten süddeutschen Raum schnell verschwand und einer römisch geprägten Kultur und Zivilisation wich.
Die Kultur von Manching im Raum des heutigen Bayern erlosch sogar noch vor dem Einzug der Römer (spätestens im 1. Jh. v. Chr.), und zeigte nach Meinung vieler Archäologen und Historiker schon zuvor Erschöpfungserscheinungen.
In Grossbritannien hielt sich das "Keltentum" während der römischen Herrschaftsphase sehr viel länger und es war das "Römertum", dass sich nur noch ganz kurz halten konnte (römische Inschriften dünnen schnell aus).
Die römische Herrschaft hat die keltische Kultur auf den Britischen Inseln vermutlich nur wenig beeinflusst, da die Romanisierung vor allem Städte bzw. Orte erfasste, nicht aber flächendeckend das ausgedehnte Land. Erst die seit dem 5. Jh n. Chr. einsetztende germanische Invasion bzw. Immigration versetzte den Kelten den Todesstoß: Sie wurden bekanntlich nach Wales zurückgedrängt, der im übrigen England verbleibende Rest assimilierte sich im Lauf der kommenden Jahrhunderte den Germanen. Damit verblieb vor allem Irland als rein keltisches Siedlungsgebiet.
In Gallien dagegen kam es sehr schnell zu einer Assimilation, wie schon Strabon berichtet (er arbeitet sehr genau die Struktur heraus). Der Grund mag darin gelegen haben, dass die Gallier (fast) keine Schrift hatten und ihr Gebiet so intensiv besiedelt wurde. Die Briten hatten zwar auch keine Schrift, aber der römische Einfluss war geringer.
In Gallien wie auch in Spanien kam es nach Erliegen der militärischen Gegenwehr zu einer völligen Romanisierung. Die überlegene romanische Kultur und Zivilisation trug den Sieg davon, was auch damit zusammenhängt, dass sich die einheimische Elite schon früh mit den römischen Eroberern verband und die Römer so geschickt waren, ihre Repräsentanten in hohe Positionen aufsteigen zu lassen. Es leuchtet ein, dass die von dieser romanisierten Elite abhängigen Bevölkerungsschichten ebenfalls rasch romanisiert wurden, denn wer will noch "altmodische" keltische Sitten und Bräuche ausüben, wenn die Oberschicht mit ihrer Vorbildfunktion längst römische Mode präsentiert.