Wobei die Ramessiden diesen "Seth-Mangel" sicherlich nicht als einen solchen verstanden. Die Familie stammte aus dem Ost-delta, einer Gegend, wo früher die Hauptstadt der Hyksos, Auaris lag. Diese identfizierten ihren Wettergott Baal mit dem ägyptischen Gott der Wüstengebiete Seth. Auf diese Weise entstand in Auaris ein großer Sethtempel, der offenbar auch noch bestand, als die Pharaonen der 19. Dynastie am Platz des alten Auaris ihre neue Hauptstadt Pi-Ramesse erbauten.
Vermutlich, aber hier streiten die Experten, stammte die Familie der Ramessiden selbst von den ins Ostdelta eingewanderten Semiten ab, die die Hyksosherrschaft erreichtet hatten.
Jedenfalls war die Verehrung von Seth tief verwurzelt in der Familientradition der 19. Dynastie. Neben Sethos I. hieß auch noch der Enkel Ramses des Großen Sethos II. und der Begründer der 20. Dynastie Sethnacht (vermutlich ebenfalls von Ramses II. abstammend).
Die regelrechte Verfehmung von Seth als Mörder des Osiris setzte erst in der ägyptischen Spätzeit ein. Vorher verstand man auch ihn als Teil des überall gegenwärtigen Dualismus in der ägyptischen Theologie.