Wir können eins weitergehen. Selbst wenn allzugern argumentiert wird, der kleine Mann habe in der NS-Zeit ja keine Chance gehabt, Wer hat allerdings diesen kleinen Mann gezwungen einen Juden und/oder ein Versteck anzuzeigen? Was versprach man sich davon? Eine Belobigung, Anteil an den enteigneten Gütern?
Diese Verallgemeinerung kann ich so nicht unterschreiben. Es gab genügend Deutsche, die dieses System nicht mitgemacht haben und (oft sogar unter Lebensgefahr) jüdische Mitbürger vor den Schergen der SS versteckten oder ihnen halfen, außer Landes zu geraten. Wer sagt Dir denn, daß alle Deutschen Denunzianten waren?
Dazu ein kleines Beispiel aus meiner eigenen Familie: In unserer Region gab es ja keine Juden, weder vor 1933, noch nach 1945 und mein Vater (*1933) war damals noch viel zu jung, um aktiv an den Geschehnissen der damaligen Zeit teilhaben zu können.
Aber ich weiß, daß mein Großvater gegen Kriegsende mehrere entflohene französische Zwangsarbeiter und zugleich fahnenflüchtige Soldaten der Waffen-SS in seiner Scheune versteckt hatte.
Diese Aktion hätte ihn durchaus den Kopf kosten können, denn wie bereits gesagt: Das politische Terrorsystem funktionierte bis zum Kriegsende und der Reichsgauleiter hätte garantiert kein Verständnis für diese humanitäre Aktion gehabt.
Erst viel später, lange nach seinem Tod, erfuhr ich die Gründe für sein Handeln, nämlich daß er selber wegen seiner Heirat mit meiner Großmutter - einer tschechischen "Halb-Arierin" - unter massivem Druck der damaligen Reichsregierung gestanden hatte. Aus etlichen Dokumente, die ich heute noch besitze, geht klar hervor, daß ihn die "arisierung" des tschechischen Familiennamens meiner Großmutter eine Stange Geld gekostet hatte, um sich und seinen Kindern daraus keinen gesellschaftlichen Nachteil entstehen zu lassen. Noch heute befinden sich diese Dokumente in meinem Besitz, unterzeichnet mit Hakenkreuzstempel und "Deutschem Gruß" von dem sudetendeutschen Pfarrer, der zugleich Standesbeamter war.
Dazu muß ich allerdings sagen, daß auch mein Großvater (trotz liberaler Gesinnung) sich nicht aktiv gegen dieses Regime gewandt hat, da er als Sprengmeister von der guten Auftragslage im Straßenbau nach 1935/36 partipiziert hatte. Diese Maßnahmen sicherten ihm und seiner Familie das wirtschaftliche Überleben, denn damals gab es noch keine Sozialhilfe oder Hartz-4. Er befand sich also (wie so einige andere) bestenfalls im "passiven Widerstand", soweit dieser Begriff hier überhaupt zulässig ist und von den Greueltaten der Wehrmacht an der Ostfront und der SS in den KZ haben wir (wie so viele andere) erst viel später erfahren, als dieses Thema in den Medien zur Diskussion gebracht wurde.
Also bitte in Zukunft solche Pauschalierungen etwas vermeiden, denn der Einzelfall kann sich oft völlig anders darstellen als der erste Eindruck.
Mit liberalen Grüßen vom Mino, auch wenn diese Grußbetitelung hier nicht so gerne gesehen wird.