Scorpio
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Nein, in Preußen gab es keine Militärdiktatur, aber ein Militär, das großen Einfluss auf die Politik hatte – sonst wären die vielen Kriege, die Preußen führte, nicht zu erklären gewesen. Und wegen der 200 Jahre: Dir ist offensichtlich das Krümpersystem nicht bekannt. Damit versuchte Preußen, Restriktion in Bezug auf Heeresgröße, die ihm nach der Niederlage bei Austerlitz auferlegt waren, zu umgehen. Das preußische Militär hat eine Schlacht und Preußen selbst große Gebiete verloren, aber es gibt nicht klein bei, sondern sinnt auf Rache.
Preußen existierte von 1701-1945. Als selbstständige Kriegspartei war Preußen an folgenden Kriegen beteiligt: Der 1. Schlesische Krieg, der 2. Schlesische Krieg, der Siebenjährige Krieg, der Bayrische Erbfolgekrieg ("Kartoffelkrieg"), der 1. Koalitionskrieg , der 4. Koalitionskrieg, und die Befreiungskriege 1813-15, der Deutsch-Dänische Krieg 1864, der Deutsch-Deutsche Krieg 1866 und der Deutsch-Französische Krieg 1870/71.
Von all diesen Kriegen kann man eigentlich nur den 1. Schlesischen Krieg als einen Angriffs- und Eroberungskrieg bezeichnen, bei dem Preußen eine Hauptrolle und Initiative als Aggressor übernahm: Dabei hat König Friedrich die günstige Lage genutzt, um Schlesien zu erobern. Preußen wurde damit zur europäischen Großmacht. Um diesen Großmachtstatus zu verteidigen, führte Friedrich zwei weitere Kriege: Den 2. Schlesischen Krieg und den Siebenjährigen Krieg.
Präventivkrieg und notfalls Vertragsbruch damit hatte Friedrich kein Problem, aber schon der 2. Schlesische Krieg war schon kein Eroberungskrieg mehr, eher ein Präventivkrieg, um das Eroberte zu behalten. Im Siebenjährigen Krieg war Preußen der Underdog, der gegen drei andere Großmächte Krieg führen musste, es war seit 1757 in der Defensive, nach Kunersdorf stehend K. O. Am Ende hat Friedrich und Preußen den Status behauptet.
Der Siebenjährige Krieg war auch keineswegs allein auf Preußen zurückzuführen, die beiden Global Player GB und F waren zuvor schon aneinandergeraten.
Nach dem Siebenjährigen Krieg hat Preußen eine defensive Politik getrieben.
Preußen beteiligte sich an der 1. Koalition hat dann aber jahrelang eine feige, schwankende Neutralitätspolitik getrieben, hat sich an der 2. und 3. Koalition nicht beteiligt. Es hat ein Bündnis mit Russland geschlossen und Napoleon schüchtern aufgefordert, sich bis zum Rhein zurückzuziehen. Daraufhin hat Napoleon Preußen im 4. Koalitionskrieg gefrühstückt. Heinrich Heine sagte boshaft: Napoleon atmete Preußen an, und Preußen hörte auf zu bestehen."
Im 4. Koalitionskrieg wurde Preußen bei Jena und Auerstedt vernichtend geschlagen. Es hatte vor allem dem Zaren Alexander zu verdanken, dass es nicht von der Landkarte verschwand.
Preußen "sann auch nicht auf Rache" (Natürlich taten das Ferdinand von Schill, Theodor Körner, u. a. schon9, sondern es leckte seine Wunden. Es reformierte sein Militär, seine Verwaltung.
Die Reformer waren keine preußischen Militaristen. Scharnhorst und Hardenberg waren Hannoveraner, der Freiherr von Stein Rheinländer. 1806
nach dem Debakel von Jena und Auerstedt verkündete der Stadtkommandant von Berlin, dass "der König hat eine Bataille verloren" und dass Ruhe die erste Bürgerpflicht sei.
Die Konvention von Tauroggen 1813 da war es tatsächlich mal ein preußischer Militär York von Wartenburg, der ein Bündnis mit den Russen forcierte. 1813 wendete sich Friedrich Wilhelm III. an sein Volk, rief es zum gemeinsamen Kampf auf. In Preußen wurde 1813 von Schinkel das Eiserne Kreuz entworfen. Es war die erste Auszeichnung in ganz Europa, die auch an gemeine Soldaten verliehen werden konnte.
Preußen war im Vergleich mit den anderen Großmächten ein Zwerg. Eine aggressive Expansionspolitik hat es nur als aufstrebende Großmacht betrieben, und konnte es gar nicht betreiben. Die späteren Kriegsbeteiligungen dienten im Grunde nur dazu, das Eroberte oder Geraubte zu behalten. Preußen hat nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges eine vorsichtige Politik betrieben, als Juniorpartner.
Preußens Politik in den Koalitionskriegen kann man kaum als besonders expansiv oder kriegslüstern bezeichnen. Im Gegenteil! Preußen hat jahrelang eine schwankende, zögerliche, feige Politik getrieben. Es wurde in der 4. Koalition bei Jena und Auerstedt hinweggefegt, und das radikale Reformprogramm, dem Preußen sich unterzog, war alles andere als reaktionär und expansiv, und die Reformer stammten alle von auswärts: Unter dem Anreiz der Niederlage hat Preußen sich radikal modernisiert. Vieles klang durchaus anrüchig und revolutionär.
Auch die sogenannten Einigungskriege 1864-1870/71 kann man kaum als Beleg anführen, dass dort das Militär den Ton angab. Im Gegenteil! Es handelte sich um diplomatisch hervorragend vorbereitete Kriege mit überschaubaren Kriegszielen. Es herrschte das Primat der Politik. Bismarck, und nicht Moltke gab den Ton an. Bismarck war es, der gegen Österreich zur Mäßigung riet.
Bismarck hat als Politiker zweifellos Macht-Politik betrieben, seine Kriege waren aber allesamt politisch und diplomatisch ganz hervorragend vorbereitet. Er hat beschränkte Kriegsziele verfolgt, und er hat Expansions- und Annexionsphantasien eingedämmt, und er hat in seinen späteren Jahren eine um Ausgleich und Frieden bemühte Politik getrieben.
Bismarck gehörte übrigens auch zu den Wenigen, die erkannten, dass für Preußen mit der Reichsgründung auch sein langsames Sterben begann. Preußen hatte Deutschland geeint, und ein großer Teil von Deutschland gehörte zu Preußen, aber nach der Reichsgründung konnte Deutschland nicht in Preußen aufgehen, Preußen musste in Deutschland aufgehen, und damit begann auch das lange Sterben von Preußen.