Woher kamen die Seevölker?

Ich dachte wir hätten es hinter uns, dass wir jede Quelle in Skandinavien suchen müssen.
Na, das hoffe ich zumindest! Aber ... dürfen wir das denn überhaupt noch? :grübel:

rena8: schrieb:
Vom fehlenden CO2 als Ursache für Mißernten habe ich noch nie gelesen oder habe ich deine Kausalkette falsch verstanden?
Kein Co2 = keine Pflanzen = kein Getreide, das wollte ich damit sagen. Kohlenstoffdioxid ? Wikipedia
 
Immer schön langsam ...
Dass die Seevölker etwas mit dem Untergang des Hethiterreiches zu tun hatten, ist nur eine Vermutung. Alternativ wird über einen Kollaps durch interne Schwierigkeiten spekuliert.
Die Gründe sind wie immer vielschichtig, aber es gibt aus den ägyptischen Quellen und auch aus Hattusa selbst, Schriftstücke die belegen, dass die Hethiter um Getreide baten, ich will jetzt nicht das ganze heth. System der Landwirtschaft vorführen, aber es hat, trotz der Abhängigkeit vom Regen (Regenfeldbau) mehrere Jahrhunderte sehr gut funktioniert.
Man hatte ein ausgeklügeltes Vorratssystem und auch eine ausgeklügelte Wasserwirtschaft betrieben, u.A. belegt durch z.T. sehr komplexe und große Staudämme.

Gerade der Zusammenbruch der Landwirtschaft hatte extrem große Auswirkungen auf das Gesamtgefüge....
 
Sowas kann innerhalb nur weniger Jahre geschehen und damit durchaus eine kleine Völkerwanderung auslösen.

Einige Hypothesen gehen von einem Dominoeffekt aus: Von der Donau aus schoben sich Völker über den Balkan und stießen damit eine Wanderung Richtung Süden an. Es ist bemerkenswert, dass das mykenische Griechenland vermutlich das erste Opfer dieser "ägäischen Wanderung" war, was zeigt, dass der Völkerstoß von Norden erfolgte.

Er ging dann über die Ägäis hinaus und spaltete sich in zwei Zweige: einer verlief über Kreta und Zypern, die beide erobert wurden, nach Palästina und Vorderasien hinein. Der andere Zweig stieß nach Kleinasien hinein, wo das Hethiterreich unterging (vielleicht auch Troja?), und verlief von dort aus entlang der Mittelmeerküste über Syrien weiter nach Süden. Ob allerdings das Reich der Hethiter wirklich einem Angriff der Seevölker zum Opfer fiel, ist bis heute umstritten. Mehrheitlich wird heute davon ausgegangen, dass innenpolitische Wirren und ein Bürgerkrieg das Ende der Hethiter herbeiführten, doch mag eine Streifschar der Seevölker dem Reich den Rest gegeben haben.

Interessant sind die Namen der beteiligten Seevölker wie z.B. Akawa, Turus, Lukku, Schardin oder Sakalus, in denen man die späteren Tyrsener (Etrusker), Lykier sowie die späteren Besiedler Sardiniens und Siziliens erkennen möchte. Zu den Seevölkern zählen auch die "Pulsate" (auch: Peluschtim), die als "Philister" in Palästina ansässig wurden.
 
Es ist bemerkenswert, dass das mykenische Griechenland vermutlich das erste Opfer dieser "ägäischen Wanderung" war, was zeigt, dass der Völkerstoß von Norden erfolgte.

Die meisten Forscher gehen doch heute von der Ägäis als Ausgangspunkt der Angriffe aus. Hinweise für einen Angriff aus dem Norden gibt es überhaupt keine. Mykene könnte an einem Bürgerkrieg mit verbunden Flüchtlingszügen in die Levante, oder durch Angriffe benachbarter Piraten untergegangen sein.
Die Kultur der Peleset/Philister erinnert sehr an die mykenische, auch bei den Beschreibungen der Scherden gibt es Parallelen. Die Scherden werden schon zu Echnatons Zeit erwähnt.
Libysche Stämme waren ebenso beteiligt. Aber auf irgend einen Einfluss aus dem Norden kann nirgends geschlossen werden.

Hattussa ging hauptsächlich an Angriffen der Kaskäer zu Grunde, zudem ist die Kontinuität zu den Nachfolgestaaten wohl größer als früher angenommen, ist heute unklar, ob viel mehr als die Stadt Hattussa unterging und sich die Macht nur etwas südwestlich verlagerte.
 
Ich habe so meine Zweifel, ob es die Seevölker und ihre Züge in der Form, wie sie gerne dargestellt werden, überhaupt gab. Schon der Name ist neuzeitlicher Natur. Was wissen wir über die Seevölker und ihre Aktivitäten denn eigentlich? Viele "Details" (wie z. B. ihre Mitwirkung am Untergang der Hethiter und der Mykener) sind eigentlich nur Spekulation. Nur ein paar - über Jahrzehnte verstreute - Ereignisse (u. a. Zerstörung Ugarits und Angriffe auf Ägypten) können ihnen einigermaßen klar zugeordnet werden. Dass man in diesen Seevölkern und ihren Zügen gerne die Ursache für sämtliche Reichsuntergänge, zerstörte Städte etc. des 13./12. Jhdts. v. Chr., deren Ursachen im Grunde genommen oft unbekannt sind, sieht, beweist nicht, dass wirklich die Seevölker dahintersteckten. Ich habe irgendwie den Eindruck, dass da von der neuzeitlichen Geschichtsschreibung irgendwelche Einzelereignisse, die nicht oder nur vage miteinander zu tun hatten, zu einem großen "Seevölkersturm" zusammengefasst wurden. Als Quellen haben wir doch eigentlich nur ein paar über Jahrzehnte verstreute Aufzeichnungen, die vom Auftauchen von ein paar Fremdvölkern berichten, die plötzlich über das (eigene oder ein nahe gelegenes) Land herfielen. Was diese Angreifer in den Jahrzehnten zwischen diesen Ereignissen machten, wo sie sich da aufhielten und was sie trieben, wissen wir doch eigentlich nicht, ebensowenig, ob sie überhaupt irgendwie miteinander zu tun hatten. Eine Darstellung, die belegen würde, dass es sich wirklich um zusammenhängende Züge, wie sie Dieter skizziert hat, handelte, gibt es nicht. Es könnte sich doch ebensogut um mehrere voneinander unabhängige Gruppierungen handeln, die zu verschiedenen Zeiten in einem Zeitraum von mindestens hundert Jahren aus verschiedensten Gegenden aufbrachen, um Raubzüge zu unternehmen und/oder neues Siedlungsland zu suchen.
 
Einige Hypothesen gehen von einem Dominoeffekt aus: Von der Donau aus schoben sich Völker über den Balkan und stießen damit eine Wanderung Richtung Süden an. Es ist bemerkenswert, dass das mykenische Griechenland vermutlich das erste Opfer dieser "ägäischen Wanderung" war, was zeigt, dass der Völkerstoß von Norden erfolgte.
Die Hypothese mit dem Dominoeffekt halte auch ich für die wahrscheinlichste von allen. Wir wissen nur nicht, wo genau der erste Stein stand, der diese Lawine ins Rollen brachte. Was spricht eigentlich dagegen, dass dieser "erste Stein" nicht an der Donau, sondern viel weiter im Norden (Nord- Ostseeraum, Skandinavien) stand?
In meiner eingefügten Grafik hatte ich als möglichen Auslöser dafür den massiven Temperatursturz um ca. 1200 v.u.Z. und den damit einher gehenden Rückgang des CO2 Gehaltes in der Atmosphäre angeführt. Zudem erfolgte dieser Temperaturstuz relativ kurzfristig innerhalb nur weniger Generationen und der darauf folgende Rückgang des Co2 innerhalb nur weniger Jahre.
Beide Veränderungen im damaligen Weltklima dürften wahrscheinlich zu massiven Ernteeinbrüchen und damit zu einer Hungersnot geführt haben und je weiter diese Region im ohnehin schon kargen Norden lag, umso höher die Auswirkungen dieser Ausfälle.
Gerne gebe ich zu, dass diese kausalen Zusammenhänge (Klimasturz - Ernteausfälle - Hungersnot - Völkerwanderung) nicht wissenschaftlich nachgewiesen, sondern nur "auf meinem Mist gewachsen" sind, aber ich halte sie trotzdem nicht für völlig abwegig.

Dass sich auf diesem Weg nach dem sonnigen Süden (dem damals reichen Ägypten) viele der unterwegs besiegten Völker, bzw. deren Reste sich den "Barbaren aus dem Norden" angeschlossen haben, halte ich für ebenso gut denkbar, denn schließlich entstehen solche Völker ja keineswegs aus dem Nichts.
Und sie entschwinden auch nicht im Nirgendwo. Sie werden entweder vernichtet oder sie gehen in anderen Kulturen auf. Bei den Phöniziern und den Philistern sind die späteren Siedlungsgebiete bekannt, aber sehr vieles davon verschwindet wahrscheinlich später im Dunkeln der Geschichte (siehe "Dunkle Jahrhunderte").
 
Was spricht eigentlich dagegen, dass dieser "erste Stein" nicht an der Donau, sondern viel weiter im Norden (Nord- Ostseeraum, Skandinavien) stand?

Und was spricht dagegen, dass dieser "erste Stein" von Südafrika ausging?
Die dortigen Ernteeinbrüche kann ich zwar auch nicht belegen, aber warum sollten die Bantu nicht ans Mittelmehr gewandert sein und dort Schiffe gebaut haben?
 
Bei den Phöniziern und den Philistern sind die späteren Siedlungsgebiete bekannt, aber sehr vieles davon verschwindet wahrscheinlich später im Dunkeln der Geschichte (siehe "Dunkle Jahrhunderte").
Wieso rechnest Du die Phönizier zu den Seevölkern? Sie waren Semiten, und zumindest ihre Städte bestanden schon lange vor dem Seevölkersturm.
 
@Ravenik:
Du hast völlig Recht mit deiner Darstellung. Die gängige Darstellung der "Seevölker" stützt sich im Wesentlichen auf den Jubelbericht Ramses III., dessen Wahrheitsgehalt sehr kritisch gesehen werden sollte.
Es scheint zu Krisen, Umstürzen, Kriegen und Flüchtlingsdramen über einen längeren Zeitraum gekommen zu sein. Viel mehr können wir eigentlich gar nicht aussagen, die etwas naive Zuordnung von Namen hilft ebenso kaum weiter.
 
@Mino: Die Hypothese mit dem Dominoeffekt halte auch ich für die wahrscheinlichste von allen. Wir wissen nur nicht, wo genau der erste Stein stand, der diese Lawine ins Rollen brachte. Was spricht eigentlich dagegen, dass dieser "erste Stein" nicht an der Donau, sondern viel weiter im Norden (Nord- Ostseeraum, Skandinavien) stand?

Tja und schon sind wir wieder bei Pastor Spanuth. Den von @Dieter erwähnten Dominoeffekt erscheint mir vom Balkan, aus dem Bereich der Urnenfelderkultur, am plausibelsten.

@Stilicho: Die meisten Forscher gehen doch heute von der Ägäis als Ausgangspunkt der Angriffe aus.

Ich kann mir allerdings auch nicht vorstellen, dass so ein Ereignis von einem Archipel winziger Inseln ausgegangen sein soll. Die taugen vielleicht als Piratennest, nicht aber als Quelle einer Völkerbewegung mit weitreichenden Folgen.
 
balticbirdy: schrieb:
Tja und schon sind wir wieder bei Pastor Spanuth.
Na und? Was ist so schlimm daran? Oder gibt es aus wissenschaftlicher Sicht irgendwelche Denkverbote in diese Richtung?
Wie Du bereits richtig sagst, erfordert eine etwas größere Völkerwanderung zunächst erst mal ein Volk. Und meiner unmaßgeblichen Meinung nach wäre auch ein Auslöser dafür erforderlich.
Ich hatte versucht, diesen Auslöser im damaligen Temperatursturz und dessen Folgen darzustellen, aber ich lasse mich hierin gerne eines Besseren belehren.

Wieso rechnest Du die Phönizier zu den Seevölkern?
Weil sie später in dieser Region die führende Handelsmacht zur See waren, sogar noch weit vor den Ägyptern. Dass sie also bei diesem ganzen Tobuwabohu nur still daneben gesessen sind und Däumchen gedreht haben, das halte ich für ziemlich ausgeschlossen. Auch dass sich ihre früheren Siedlungsgebiete mit den späteren weitgehend decken, das halte ich für keinen Hinderungsgrund für diese These.

Ravenik: schrieb:
Sie waren Semiten, und zumindest ihre Städte bestanden schon lange vor dem Seevölkersturm.
Schenkt man sowohl der griechischen Mythologie, als auch Sir Arthur Evans und einigen Genforschern Glauben, dann waren die Minoer ebenfalls semitischer Abstammung. Auch ihre Städte bestanden bereits lange vor dem Seevölkerstum und falls die späteren Philister wirklich aus ihnen hervorgegangen sein sollten, dann handelt es sich dabei ebenfalls um Semiten. Aber was besagt uns das?
Entschuldige bitte, aber leider finde ich hier den Zusammenhang nicht ganz.
 
Ich kann mir allerdings auch nicht vorstellen, dass so ein Ereignis von einem Archipel winziger Inseln ausgegangen sein soll. Die taugen vielleicht als Piratennest, nicht aber als Quelle einer Völkerbewegung mit weitreichenden Folgen.

Wenn man Kreta, Rhodos usw. dazu nimmt, ist das nicht so wenig.

Sooo riesige Völkermassen dürften das auch nicht gewesen sein, auch wenn Ramses seinen angeblichen Sieg über Millionen von Angreifern bejubelt.

Die einzigen, die wir hinterher wiederfinden, sind die Philister. Und dass diese aus Mykene, Kreta oder der Gegend kommen, ist sehr wahrscheinlich.

Das Szenario von Wirtschaftkrisen am Ende der Bronzezeit, damit einhergehend Bürgerkriege in der Gegend von [grob] Griechenland und Flüchtlingsbewegungen in die Levante klingt recht plausibel. Zumindest plausibler als die mysteriösen Heerscharen von sonstwo.
 
Schenkt man sowohl der griechischen Mythologie, als auch Sir Arthur Evans und einigen Genforschern Glauben, dann waren die Minoer ebenfalls semitischer Abstammung.
Beziehst Du Dich bei der griechischen Mythologie auf die Entführung der Europa, der Tochter des Phönizierkönigs Agenor, durch Zeus, die dann Mutter des Minos wurde? Dazu möchte ich anmerken:
- In der griechischen Mythologie war Minos keineswegs der erste König von Kreta. Vor ihm wurden u. a. Kres, Melissos, Apteros, Kretheus, Tektamos und Asterios genannt. Tektamos war der Schwiegersohn von Kretheus, Asterios der Sohn von Tektamos. Asterios heiratete Europa und adoptierte deren Söhne. Selbst wenn man also in der Geschichte der Europa einen Hinweis auf einen phönizischen Zuzug nach Kreta sehen wollte, wäre er laut Mythologie erst zu einer Zeit erfolgt, als das Minoische Reich längst existierte.
- Historisch gesehen reicht die Minoische Kultur in eine Zeit zurück, als es noch gar keine Semiten an der Levanteküste gab, die wanderten erst später zu, und erst recht keine Phönizier.
- Aber ohnehin ist eine Sage kein Beweis für ein Ereignis, das etliche Jahrhunderte zurückgelegen haben muss.

falls die späteren Philister wirklich aus ihnen hervorgegangen sein sollten, dann handelt es sich dabei ebenfalls um Semiten.
Bei den Philistern wird eher indogermanische Herkunft angenommen.
 
In meiner eingefügten Grafik hatte ich als möglichen Auslöser dafür den massiven Temperatursturz um ca. 1200 v.u.Z. und den damit einher gehenden Rückgang des CO2 Gehaltes in der Atmosphäre angeführt. Zudem erfolgte dieser Temperaturstuz relativ kurzfristig innerhalb nur weniger Generationen und der darauf folgende Rückgang des Co2 innerhalb nur weniger Jahre.
Beide Veränderungen im damaligen Weltklima dürften wahrscheinlich zu massiven Ernteeinbrüchen und damit zu einer Hungersnot geführt haben und je weiter diese Region im ohnehin schon kargen Norden lag, umso höher die Auswirkungen dieser Ausfälle.

Nochmal, CO2-Mangel als Auslöser von Mißernten und Hungersnöten gab es nie, siehe mein Beitrag vom 1.3.


Gerne gebe ich zu, dass diese kausalen Zusammenhänge (Klimasturz - Ernteausfälle - Hungersnot - Völkerwanderung) nicht wissenschaftlich nachgewiesen, sondern nur "auf meinem Mist gewachsen" sind, aber ich halte sie trotzdem nicht für völlig abwegig.

Temperatur-, Regenmengeschwankungen und Mißernten und daraus folgende Wanderungen, ja, die gab es und das ist auch nicht nur auf deinem Mist gewachsen.
Schenkt man sowohl der griechischen Mythologie, als auch Sir Arthur Evans und einigen Genforschern Glauben, dann waren die Minoer ebenfalls semitischer Abstammung. Auch ihre Städte bestanden bereits lange vor dem Seevölkerstum und falls die späteren Philister wirklich aus ihnen hervorgegangen sein sollten, dann handelt es sich dabei ebenfalls um Semiten. Aber was besagt uns das?
Entschuldige bitte, aber leider finde ich hier den Zusammenhang nicht ganz.

Welcher Abstammung die Minoer waren, ist für ihr Verhalten nebensächlich.
Ich halte sie für Angehörige einer mittelmeerischen Bevölkerung, die beiderseits des Meeres seit dem Neolithikum lebte. Es gab in der Vorpalastzeit eine punktuelle Einwanderung von einer Kykladeninsel, die nur kurzzeitig anhand der Keramik nachzuweisen war. Ansonsten orientierten sich die Minoer kulturell und als Handelspartner an Ägypten, zu der Zeit die führende Hochkultur in ihrer Reichweite. Beim Rückweg von Ägypten nach Kreta fuhren sie nicht direkt nach Norden, sondern machten in der Levante, Zypern oder in Anatolien Station, weil die Strömungsverhältnisse das erforderten. ( nach L.Fitton "Die Minoer")

Erst sehr spät ca 1450 kam es mit den Mykenern zu nennenswerter Einwanderung aus dem Norden.

:confused:Ich sehe gerade, das ist der Seevölkerthread, da paßt das gar nicht richtig. In den letzten Tagen tauchen die Minoer überall auf. :confused:
 
Welcher Abstammung die Minoer waren, ist für ihr Verhalten nebensächlich.
Ich halte sie für Angehörige einer mittelmeerischen Bevölkerung, die beiderseits des Meeres seit dem Neolithikum lebte.
Erst sehr spät ca 1450 kam es mit den Mykenern zu nennenswerter Einwanderung aus dem Norden.

Das ist in der Tat der Stand der Dinge. Die Minoer zählen sicherlich zu einer altmediterranen Bevölkerungsschicht, die auch bei den legendären Pelasgern in Griechenland, den Etruskern, Sikanern oder Paläosarden fassbar wird.

Zur Besetzung der Insel durch die Mykener kam es Ende des 15. Jh. v. Chr. Dass Brandspuren und Zerstörungen aus der Zeit um 1450 v. Chr. auf die Eroberung durch die Mykener zurückzuführen sind - wie das ein Wiki-Artikel behauptet - ist fraglich und umstritten. Vielfach wird vermutet, dass diese Brandschicht auf innere Wirren und einen Bürgerkrieg zurückzuführen sind, in dem die Paläste der Minoer - ausgenommen der von Knossos - untergingen. Anders als früher gilt vielen der verheerende Ausbruch des Vulkans auf Santorin nicht mehr als Ursache dieser Zerstörungen.

Erst nach dieser innenpolitischen Katastrophe sollen mykenische Eroberer Kreta in Besitz genommen und sich vor allem im Palast von Knossos niedergelassen haben, wo ein mykenischer Herrscher archäologisch bezeugt ist. Etwa um 1370 v. Chr. - nach anderen Hypothesen um 1200 v. Chr. - endete dann auch die Epoche der Mykener und der Palast von Knossos wurde völlig zerstört.
 
Vulkaneruption Santorin/Volcanic Eruption Santorin

Anders als früher gilt vielen der verheerende Ausbruch des Vulkans auf Santorin nicht mehr als Ursache dieser Zerstörungen.

Lieber Dieter,

das hast du einerseits völlig richtig formuliert, und andererseits ist es grundfalsch.

Legt man die Berechnungen der Uni Hawaii zugrunde, dann war der Vulkanausbruch von Santorin das einschneidenste Naturereignis der Antike. Soweit lege ich mich mal fest.

Und das Problem der Wissenschaft ist, dass wir die Ergebnisse dieses Horror-Vulkanausbruchs mitsamt den damit verbundenen und heute sicher nachgewiesenen Tsunamis nirgends zeigen können. Wir wollen doch nicht annehmen, dass ein solches Ereignis in einer vorindustriellen Gesellschaft ohne Folgen blieb. Gerade für die Minoer, die auf ihre Hochseeflotte angewiesen waren, muss dieser Vorgang nachhaltige, Jahrzehnte andauernde Veränderungen ausgelöst haben.

Der einzige Vorgang, der annähernd damit zu verbinden ist, ist der Untergang der minoischen Palastkultur.
Viele naturwissenschaftliche Indizien sprechen dafür, dieses Ereignis völlig umzubewerten und auch umzudatieren - ein Vorgang, der bislang nicht einmal ansatzweise eingeleitet ist.

Ich plädiere hier dafür, die Ergebnisse der Naturwissenschaften erst einmal ernst zu nehmen und nach Vorgängen zu suchen, die wir archäologisch damit verbinden können. McCoy und andere konnten auch zeigen, dass in der Zeit vor dem Untergang der minoischen Paläste (LM IB) eine Phase eintrat, in der die Lager und Speicherbauten neu gesichert und vermauert wurden - vieles spricht hier für eine Epoche, in der es zu Bevölkerungsaufständen kam - sicherlich im Zusammenhang mit den dendrochronologisch nachzuweisenden Ernteausfällen.

Also ich erkläre mal, das wenn es vor diesem Hintergrund "vielen" nicht mehr als zusammenhängend gilt, das ich dann einer von den Anderen bin. Ich sehe einfach kein anderes Ereignis, das verständlich als Folge dieser massiven Naturereignisse herhalten kann. Habe ich das jetzt verständlich formuliert?
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Hallo zusammen,

sowohl @Dieter, als auch @Ogrim haben ihre Sicht der Dinge hier recht gut dargelegt, aber der Vulkanausbruch auf Thera führt uns - so schlimm er auch gewesen sein mag - bestenfalls zum Erlöschen der minoischen Kultur, aber leider nicht unmittelbar zu den Seevölkern. Dazwischen liegen bekanntlich noch einige Jahrhunderte.
Wenn wir schon Naturkatastrophen und/oder klimatische Veränderungen als mögliche Ursache dieser Völkerwanderung annehmen, dann müssen wir nicht im 17. oder im 15. Jahrhundert v.u.Z., sondern in den Jahren unmittelbar vor dem Auftauchen der Seevölker suchen. Und dazu würde sich meiner Meinung nach der von mir bereits angeführte Temperatursturz um ca. 1200 v.u.Z. weitaus besser eignen als die Katastrophe von Thera. Sogar dann noch, wenn wir die sehr kurzfristige Änderung des CO2-Gehaltes in der Atmosphäre völlig ausblenden.
Dass allein schon ein Temperatursturz in diesem Ausmaß ganz massive Auswirkungen auf eine völlig naturabhängige Gesellschaft gehabt haben muss, das dürfte doch sicher unstrittig sein?
Und damit möchte ich diese Diskussion gerne wieder weg von den Minoern in eine andere Richtung lenken. Wie @Rena bereits völlig richtig angemerkt hat, spielen sie nämlich NICHT überall die erste Geige.

Also - was ist mit dieser These mit dem Temperatursturz als Auslöser? Erscheint sie einigermaßen plausibel oder nicht?
Wenn ja - warum?
Wenn nein - warum?

Neugierige Grüße vom Mino.
 
In Mykene kam es zwar im 12.Jhd.v.Chr. zu massiven Zerstörungen, es ist aber kein Kulturbruch zu erkennen. Auch gibt es keinerlei Funde der sogenannten Seevölker. Die lange Zeit postulierte Dorische Wanderung wurde inzwischen von der Wissenschaft ad acta gelegt.
Mykene scheint an inneren Problemen zu Grunde gegangen zu sein, eben an Bürgerkriegen und Wirtschaftskrisen. Ein Eingriff von außen ist nirgends zu belegen.

Damit gibt es aber auch kaum noch einen Grund, von großangelegten Einfällen nordischer - oder sonstiger - Völkerscharen auszugehen.

Welche Informationen haben wir denn über den "Seevölkersturm"?

- Mykene ging wohl eher an internen Problemen zu Grunde. In diesem Rahmen sind
Flüchtlingsbewegungen wahrscheinlich

- Die Fundlage in Troja ist eher unklar, die Sage spricht von einem mykenischen Angriff

- Für Hattussa wird heute kein großangelegter Angriff aus dem Westen mehr
angenommen, eher sozialökonomische Probleme und Angriffe aus dem Nordosten
(Kaskäer)

- Auch auf Zypern ist kein Kulturbruch zu erkennen, was gegen eine Invasion spricht

- Ugarit wurde erobert - von Mykenern?

- Die Philister ließen sich in Philistäa/Palästina nieder. Ihre Kultur weist große Ähnlichkeit
mit der mykenischen auf.

- bleibt Ägypten. Hier fanden unter Merenptah Angriffe der Libyer statt, mit denen
weitere Völker verbündet gewesen sein sollen. Später rühmt sich Ramses III angeblicher
großer Siege über diese Völker, die Berichte scheinen aber teilweise von Sethos II
"geklaut" zu sein. Hier deuten die Zeichen also eher nach Westen als nach Norden,
zumal es immer wieder zu libyschen Angriffen kam, Scheschonk & Co. später Pharaonen
wurden.

Damit bleibt von den Seevölkern nicht viel übrig. Der Begriff und die Theorien dazu stammen größtenteils aus dem 19. Jahrhundert und geben Vorstellungen und Ideologien dieser Epoche wieder. Politische Veränderungen versuchte man meist mit großen Bevölkerungsverschiebungen zu erklären, da man sich sozialen, kulturellen, ökonomischen und auch ökologischen Wandel anders kaum vorstellen konnte. Zudem war man in Begriffen wie "Völker" und "Nationen" gefangen, scheiterte daher häufig beim Versuch, Gesellschaften zu erklären.
Von diesen statischen Ansätzen ist man lange abgekommen, auch wenn sie teilweise immer noch in unseren Schulbüchern stehen. Wenn man sich die Dynamik auch antiker Gesellschaften klar macht, sind die postulierten Eingriffe von Außen überflüssig.

Es lässt sich also keine Völkerwanderung im/ins Ostmittelmeergebiet zum Ende der Bronzezeit irgendwie belegen - außer wohl mykenischen Migrationen in die Levante.
Für diese ist die Bezeichnung "Seevölkersturm" allerdings etwas übertrieben. In Nordeuropa, Neusseeland oder der Antarktis brauchen wir mit Sicherheit nicht zu suchen.
 
Bringt man alle angeführten Argumente von @Stilicho auf den Punkt, so kommt man zu dem Ergebnis, dass es die Seevölker nie gegeben hat. Sie entspringen ausschließlich der Phantasie eines ägyptischen Pharao zum Zweck der eigenen Selbstdarstellung.

Fazit: Dieses Thema (7 Seiten) hat sich erledigt, die Geschichtsbücher müssen umgeschrieben werden.
 
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